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Computerbetrug durch Verwendung unrichtiger Daten – § 263a Abs. 1 Var. 2 StGB

Ein Impfarzt wird verdächtigt, während der Corona-Pandemie falsche Abrechnungen für Impfungen vorgenommen zu haben, um unrechtmäßig einen Betrag von 641.467,47 € zu erlangen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat das Hauptverfahren eröffnet, aber Zweifel an der Tatbestandsvariante geäußert. Die Kammer sieht die Variante der Verwendung unrichtiger Daten als wahrscheinlicher an.

[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 KLs 112 Js 10426/22 >>>]

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der angeklagte Arzt soll während der Corona-Pandemie unrechtmäßig Honorare in Höhe von über 640.000 Euro für nicht erbrachte Impfleistungen abgerechnet haben.
  • Das Gericht wertet dies als Computerbetrug durch Verwendung unrichtiger Daten gemäß § 263a Abs. 1 Var. 2 StGB.
  • Die vom Arzt gemachten falschen Angaben zu angeblichen Impfungen stellten eine Täuschung gegenüber der Abrechnungssoftware dar.
  • Zwar prüfte das Programm nicht die materielle Berechtigung der Abrechnungen, jedoch wurde von einer Wahrheitspflicht aufgrund des Bestätigungshäkchens ausgegangen.
  • Für die Strafbarkeit ist somit nicht entscheidend, ob tatsächlich eine inhaltliche Prüfung der Daten erfolgte.
  • Das Hauptverfahren wird vor einer allgemeinen Strafkammer eröffnet, da keine besonderen Wirtschaftskenntnisse erforderlich sind.
  • Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus § 55d Abs. 1 GVZJu.
  • Der Fall verdeutlicht die Ausdehnung des Computerbetrugs auch auf Konstellationen ohne konkrete Prüfroutinen.

Computerbetrug durch unrichtige Daten: Arzt steht vor Gericht

Abrechnungsbetrug Arzt
Computerbetrug: Arzt wird verdächtigt, falsche Abrechnungen vorgenommen zu haben (Symbolfoto: THICHA SATAPITANON /Shutterstock.com)

Computerbetrug ist ein ernsthaftes Delikt, das nicht nur finanziellen Schaden verursacht, sondern auch das Vertrauen in digitale Systeme und Institutionen erschüttern kann. In den letzten Jahren hat sich dieser Kriminalitätsbereich durch die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung in vielen Lebensbereichen deutlich ausgeweitet.

Insbesondere das sogenannte „Computerbetrugsdelikt“ nach § 263a Strafgesetzbuch (StGB) ist für die Strafverfolgungsbehörden eine Herausforderung. Dabei geht es um Fälle, in denen Täter durch die Eingabe unrichtiger Daten in Computersysteme versuchen, sich unrechtmäßig zu bereichern. Die Variante der „Verwendung unrichtiger Daten“ spielt dabei eine zentrale Rolle und ist Gegenstand aktueller Rechtsprechung.

Im Folgenden soll ein konkreter Gerichtsfall näher beleuchtet werden, der exemplarisch für die Auslegung und Anwendung des § 263a Abs. 1 Var. 2 StGB steht. Dieser Fall veranschaulicht, wie Täter versuchen, Schwachstellen in automatisierten Abrechnungssystemen auszunutzen, um Straftaten zu begehen. Die daraus resultierenden Implikationen für die Rechtsprechung und den Schutz vor Computerkriminalität werden diskutiert.

Der Fall vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth im Detail

Vorwurf des Computerbetrugs durch einen Impfarzt: Abrechnung nicht erbrachter Leistungen

In einem aktuellen Fall vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth steht ein Arzt im Verdacht, während der Corona-Pandemie falsche Abrechnungen für Impfungen vorgenommen zu haben. Der Angeklagte soll über das Online-Portal der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) Honorare für Impfungen beantragt haben, die er tatsächlich nicht durchgeführt hat. In insgesamt 18 Fällen soll er so unrechtmäßig einen Betrag von 641.467,47 € erlangt haben. Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat Anklage wegen Computerbetrugs erhoben.

Der Angeklagte war als Impfarzt in verschiedenen Impfzentren tätig und nutzte das Online-Portal „Meine KVB“ zur Abrechnung seiner Leistungen. Dieses Portal erforderte die Eingabe von Daten zu den durchgeführten Impfungen, einschließlich Zeit und Ort der Leistungserbringung. Die Eingabemaske enthielt einen Hinweis zur Wahrheitspflicht und ein Bestätigungsfeld, das der Arzt aktivieren musste, bevor er die Abrechnung einreichen konnte. Die KVB rechnete die Anträge monatlich ab, wobei die von den Ärzten eingegebenen Daten automatisch in eine Abrechnungssoftware übertragen wurden. Die Software führte keine inhaltliche Prüfung der Daten durch, sondern berechnete lediglich die Honorare auf Basis der Angaben der Ärzte.

Hauptverfahren eröffnet: Zweifel an der Tatbestandsvariante

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet. Allerdings sieht die Kammer Zweifel an der von der Staatsanwaltschaft angenommenen Tatbestandsvariante. Die Anklage ging von einem Computerbetrug durch unbefugte Verwendung von Daten aus (§ 263a Abs. 1 Var. 3 StGB). Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass hier eher die Variante der Verwendung unrichtiger Daten (§ 263a Abs. 1 Var. 2 StGB) vorliegt.

Betrugsähnlichkeit und „Täuschungsadressat“ im Fokus

Die Kammer betont die betrugsnahe Auslegung des § 263a StGB und verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Demnach ist für die Strafbarkeit entscheidend, ob die Handlung des Täters einer Täuschung im Sinne des Betrugstatbestands (§ 263 StGB) entspricht. Problematisch ist jedoch, dass das Abrechnungssystem der KVB keine inhaltliche Prüfung der Daten vornahm. Im Zentrum der rechtlichen Bewertung steht die Frage nach dem „Täuschungsadressaten“. In Fällen des Computerbetrugs ist es entscheidend, ob ein hypothetischer Mensch an Stelle des Computers durch die unrichtigen Daten getäuscht worden wäre.

Vergleich mit dem automatisierten Mahnverfahren

Die Kammer zieht einen Vergleich mit der Rechtsprechung zum Computerbetrug im automatisierten Mahnverfahren. Dort wird der Umstand, dass das Gericht die materielle Berechtigung des Anspruchs nicht prüft, als unschädlich angesehen. Entscheidend ist, dass der Rechtspfleger bei Kenntnis der Unrichtigkeit der Forderung den Erlass eines Mahnbescheids ablehnen müsste. Ähnlich verhält es sich im vorliegenden Fall: Zwar prüfte das System der KVB die Abrechnungsdaten nicht inhaltlich. Jedoch hätte ein Mitarbeiter der KVB bei Kenntnis der unrichtigen Angaben die Auszahlung der Honorare unterbinden müssen. Die Bestätigung der Wahrheitspflicht durch den Arzt spiele dabei eine entscheidende Rolle.

Hauptverfahren vor allgemeiner Strafkammer

Das Hauptverfahren wird nicht vor einer Wirtschaftsstrafkammer, sondern vor einer allgemeinen Strafkammer stattfinden. Das Gericht begründet dies mit der überschaubaren Komplexität des Sachverhalts. Besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens seien für die Beurteilung des Falls nicht erforderlich. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen.

✔ FAQ zum Thema: Computerbetrug und rechtliche Auslegung


Was ist Computerbetrug und wie wird er juristisch definiert?

Computerbetrug ist ein Straftatbestand, der im § 263a des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) geregelt ist. Er wurde 1986 eingeführt, um Strafbarkeitslücken zu schließen, die durch den zunehmenden Einsatz von Computern im Rechtsverkehr entstanden sind.

Der Tatbestand des Computerbetrugs sieht vier verschiedene Tathandlungen vor:

  1. Die unrichtige Gestaltung eines Programms
  2. Die Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten
  3. Die unbefugte Verwendung von Daten
  4. Die unbefugte Einwirkung auf den Datenverarbeitungsvorgang in sonstiger Weise

Durch eine dieser Handlungen muss der Täter in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen beschädigen, indem er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst. Ein Vermögensschaden des Opfers ist also eine zwingende Voraussetzung.

Das Strafmaß reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. In besonders schweren Fällen, etwa bei gewerbsmäßiger Begehung oder als Mitglied einer Bande, kann die Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahre betragen. Bereits die Vorbereitung eines Computerbetrugs, z.B. durch Herstellen oder Beschaffen von Computerprogrammen zu diesem Zweck, ist nach § 263a Abs. 3 StGB strafbar.


Welche Rolle spielt die Wahrheitspflicht bei der Abrechnung medizinischer Leistungen?

Die Wahrheitspflicht spielt eine zentrale Rolle bei der Abrechnung medizinischer Leistungen. Sie verpflichtet Ärzte, Krankenhäuser und andere Leistungserbringer dazu, in ihren Abrechnungen gegenüber Krankenkassen und Privatpatienten nur tatsächlich erbrachte Leistungen geltend zu machen und diese korrekt zu dokumentieren.

Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht, etwa durch Abrechnung nicht erbrachter Leistungen („Luftleistungen“), überhöhte Abrechnungen oder falsche Angaben, kann den Straftatbestand des Abrechnungsbetrugs erfüllen. Dieser stellt eine Sonderform des Betrugs dar, bei der sich der Täter durch falsche Angaben im Abrechnungsprozess einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil verschafft und dadurch das Vermögen der Krankenkassen oder Patienten schädigt. Neben strafrechtlichen drohen auch berufsrechtliche Konsequenzen.

Die Wahrheitspflicht dient dem Schutz der Solidargemeinschaft und der Integrität des Abrechnungssystems. Krankenkassen müssen sich darauf verlassen können, dass Leistungserbringer ihre Pflichten einhalten und nur tatsächlich erbrachte, medizinisch notwendige Leistungen abrechnen. Auch Patienten müssen vor ungerechtfertigten Forderungen geschützt werden.

Für Ärzte und andere Leistungserbringer bedeutet dies, dass sie ihre Abrechnungen sorgfältig und gewissenhaft erstellen müssen. Leistungen sind vollständig und nachvollziehbar zu dokumentieren. Im Zweifel sollte im Sinne der Wahrheitspflicht und Transparenz gehandelt werden, um sich nicht dem Verdacht des Abrechnungsbetrugs auszusetzen.

Die Einhaltung der Wahrheitspflicht ist somit eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen in das Abrechnungssystem und die Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern, Krankenkassen und Patienten. Verstöße gefährden letztlich die Finanzierung des Gesundheitssystems und schaden allen Beteiligten.


Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei falschen Abrechnungen im Gesundheitssektor?

Bei falschen Abrechnungen im Gesundheitssektor drohen den Verantwortlichen verschiedene rechtliche Konsequenzen:

Strafrechtlich kann der Tatbestand des Betrugs nach § 263 StGB erfüllt sein, wenn durch die Falschabrechnung ein Vermögensschaden verursacht wurde. Dafür drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu 5 Jahren, in besonders schweren Fällen sogar bis zu 10 Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt etwa vor, wenn gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande gehandelt wurde.

Daneben kommt auch eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs nach § 263a StGB in Betracht, wenn zur Begehung der Tat Datenverarbeitungsvorgänge manipuliert wurden. Auch hierfür sind Freiheitsstrafen bis zu 5 Jahren oder Geldstrafen vorgesehen.

Neben der strafrechtlichen Ahndung müssen Ärzte und andere Heilberufler auch mit berufsrechtlichen Sanktionen rechnen. Die Landesärztekammern können Geldbußen verhängen oder in schweren Fällen die Approbation entziehen. Für Vertragsärzte kann die Kassenärztliche Vereinigung die Zulassung entziehen.

Zudem drohen zivilrechtliche Konsequenzen wie Schadensersatzforderungen der geschädigten Krankenkassen. Auch Disziplinarmaßnahmen des Arbeitgebers bis hin zur Kündigung sind möglich.

Um Abrechnungsbetrug effektiv zu bekämpfen, wurden in den letzten Jahren die Kontrollmechanismen verschärft und spezialisierte Ermittlungsbehörden eingerichtet. Trotzdem bleibt das Aufdecken und Nachweisen von Abrechnungsmanipulationen aufgrund der Komplexität des Abrechnungssystems eine Herausforderung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass falsche Abrechnungen im Gesundheitswesen kein Kavaliersdelikt sind, sondern mit empfindlichen Strafen geahndet werden. Sie schaden dem Vertrauen in das Gesundheitssystem und führen zu steigenden Kosten, die letztlich alle Versicherten tragen müssen.


Wie wird im Rahmen des Computerbetrugs die Frage nach dem Täuschungsadressaten behandelt?

Beim Computerbetrug nach § 263a StGB stellt sich die Frage, wer der Adressat der Täuschung ist, da hier im Gegensatz zum klassischen Betrug (§ 263 StGB) nicht unmittelbar eine Person, sondern zunächst ein Computersystem getäuscht wird.

Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass beim Computerbetrug an die Stelle der Täuschung einer Person die Manipulation eines Datenverarbeitungsvorgangs tritt. Es kommt also nicht darauf an, ob tatsächlich ein Mensch getäuscht wurde, sondern ob die Manipulation des Computersystems bei einem hypothetischen menschlichen Adressaten eine Täuschung bewirkt hätte.

Für die Strafbarkeit ist somit entscheidend, ob die verwendeten unrichtigen oder unvollständigen Daten geeignet gewesen wären, bei einem Menschen einen Irrtum hervorzurufen, wenn sie ihm in vergleichbarer Weise präsentiert worden wären. Dabei ist auf einen durchschnittlichen, verständigen Menschen abzustellen, der mit der Materie des konkreten Einzelfalls vertraut ist.

Durch dieses Vorgehen soll eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die sich daraus ergibt, dass beim automatisierten Datenverarbeitungsvorgang oft kein Mensch unmittelbar involviert ist, der getäuscht werden könnte. Der Gesetzgeber wollte mit § 263a StGB den strafrechtlichen Schutz auf Fälle erweitern, in denen die Täuschung nicht gegenüber einer Person, sondern gegenüber einem Computer erfolgt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beim Computerbetrug zwar kein realer menschlicher Adressat getäuscht wird, die Täuschung aber bei einem hypothetischen Adressaten geprüft wird. Nur wenn die Manipulation des Datenverarbeitungsvorgangs auch einen Menschen getäuscht hätte, liegt ein strafbarer Computerbetrug vor.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 263a Abs. 1 Var. 2 StGB (Computerbetrug durch Verwendung unrichtiger Daten): Dieser Paragraph definiert den Straftatbestand des Computerbetrugs und ist zentral für den vorliegenden Fall, da dem Angeklagten vorgeworfen wird, über ein Online-Portal unrichtige Daten eingegeben zu haben, um unrechtmäßig Honorare zu erlangen. Die Daten sollen die Durchführung nicht erfolgter Impfungen widerspiegeln, was den Tatbestand des Betruges mittels manipulierter Dateneingabe erfüllt.
  • §§ 203, 207 StPO (Strafprozessordnung bezüglich Hauptverfahren): Diese Paragraphen regeln die Zulässigkeit der Eröffnung eines Hauptverfahrens sowie die Bedingungen und den Ablauf, die im Fall des Angeklagten zur Anwendung kommen. Sie sind relevant, weil auf dieser Grundlage das Hauptverfahren gegen den Angeklagten vor dem Landgericht eröffnet wurde.
  • § 74 Abs. 1 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz bezüglich Zuständigkeit der Strafkammer): Dieser Paragraph ist wichtig, da er die Zuständigkeit der allgemeinen Strafkammer definiert, vor der der Fall verhandelt wird. Er erklärt, warum das Verfahren nicht vor einer Wirtschaftsstrafkammer, sondern vor einer allgemeinen Strafkammer eröffnet wurde, was auf die Art des Falles und dessen Komplexität zurückzuführen ist.
  • § 55d Abs. 1 GZVJu (Gerichtszuständigkeitsverordnung Justiz): Dieser Paragraph legt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts fest. Er ist im Kontext dieses Falls relevant, da die Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth aus dieser Regelung folgt.
  • Artikel 13 Abs. 1 des Grundgesetzes (Wohnungsbegriff): Auch wenn dieser Artikel nicht direkt in dem Fall zitiert wird, ist er im weiteren Kontext des Strafrechts relevant, um den Schutz der Privatsphäre und die Rechte der betroffenen Personen zu verstehen, besonders wenn es um Durchsuchungen oder die Beschlagnahme von Beweismaterial geht.
  • BGH-Rechtsprechung zu Computerbetrug und Täuschungsadressaten: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ausschlaggebend für die Auslegung des § 263a StGB, insbesondere die Frage, ob und inwieweit eine Handlung einem Betrug gleichkommt und wer als Täuschungsadressat gilt. Diese Rechtsprechung beeinflusst maßgeblich die juristische Bewertung der Handlungen des Angeklagten und die Definition des Täuschungsbegriffs im Kontext der elektronischen Datenverarbeitung.

Diese Gesetze und Richtlinien bilden das Gerüst für das Verständnis der rechtlichen Situation im beschriebenen Fall und erklären die juristischen Mechanismen, die zur Anwendung kommen. Sie sind entscheidend für die juristische Einordnung und Bewertung des Sachverhalts sowie die Verfahrensweise im Gericht.


➜ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Nürnberg-Fürth

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 12 KLs 112 Js 10426/22 – Beschluss vom 09.04.2024

1. Die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vom 21.02.2024 (Aktenzeichen: 112 Js 10426/22) wird zur Hauptverhandlung zugelassen.

2. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg wird gegen den Angeklagten das Hauptverfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth – 12. Strafkammer – eröffnet (§§ 203, 207 StPO).

3. In der Hauptverhandlung ist die 12. Strafkammer mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt.

Gründe

I.

Nach Aktenlage ist vorläufig von folgendem tatsächlichen Geschehen auszugehen:

Der Angeklagte, ein Arzt, sei während der Corona-Pandemie aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) als Impfarzt in verschiedenen Impfzentren in Bayern tätig gewesen. Dabei soll er in 18 tatmehrheitlichen Fällen gegenüber der KVB insgesamt 641.467,47 € falsch abgerechnet haben, indem er auch tatsächlich nicht erbrachte Leistungen geltend gemacht habe.

Er habe die Honorare über das von der KVB für die Impfabrechnung eingerichtete Online-Portal „Meine KVB“ beantragt. Dazu habe er die Daten der vorgenommenen Impfungen mit Zeit und Ort der Leistungserbringung eingeben müssen. Die Eingabemaske habe am Ende des Eingabevorgangs folgenden Hinweis enthalten: „Bitte beachten Sie, dass Angaben wahrheitsgemäß sein müssen und Sie keine Leistungen angeben dürfen, die Ihnen Dritte erstatten.“ Unmittelbar darunter sei ein Kästchen angebracht gewesen, das er durch das Setzen eines Hakens habe aktivieren müssen. Neben diesem habe sich folgender Text befunden: „Hiermit bestätige ich, dass die Angaben wahrheitsgemäß sind und ich für diese Tätigkeiten keine Erstattung Dritter, z.B. von einem privaten Dienstleister, der das Impfzentrum betreibt, erhalte“. Erst nach Setzen des Hakens habe der weitere Button „Abrechnung jetzt einreichen“ aktiviert und die Abrechnung abgeschickt werden können.

Die KVB habe die Anträge sodann monatlich für den jeweils vorangegangenen Monat abgerechnet. Dazu sei ein Abzug der von den Ärzten über das Online-Portal eingegebenen Daten durch den zuständigen Sachbearbeiter der KVB gesichert und in eine Abrechnungssoftware übertragen worden. Diese Software habe im Wesentlichen

– die eingereichten Abrechnungen dahingehend automatisch geprüft, ob zum angegebenen Dienst eine gültige Tätigkeit (z.B. als zugelassener Vertragsarzt) des abrechnenden Arztes im Arztregister hinterlegt sei,

– die von den Ärzten abgerechneten Pauschalen kumuliert,

– die den Pauschalen zugeordnete Stundenvergütung ermittelt,

– die dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Rechnung zu stellende Gesamtsumme ermittelt und

– die Buchungssätze für die Buchführungs- und Zahlungssoftware zur Veranlassung der Abschlags- und Honorarzahlung erzeugt.

Eine sachliche oder inhaltliche Prüfung der von den Impfärzten erfassten Abrechnungsdaten sei dabei weder automatisiert noch manuell erfolgt. Die Honorarauszahlung habe folglich ausschließlich auf den von den Impfärzten selbst gemachten Angaben beruht.

II.

Die Kammer teilt die Auffassung der Anklage, dass sich der Angeklagte – den Tatnachweis in der Hauptverhandlung vorausgesetzt – wegen Computerbetrugs in 18 Fällen schuldig gemacht haben kann. Allerdings meint sie, dass er dabei nicht die in der Anklageschrift genannte Tatvariante der unbefugten Verwendung von Daten, sondern diejenige der Verwendung unrichtiger Daten des § 263a Abs. 1 StGB verwirklicht haben kann.

1. Den Anklagesachverhalt zugrunde gelegt, wäre die Tatbestandsvariante der unbefugten Verwendung von Daten (§ 263a Abs. 1 Var. 3 StGB) nicht erfüllt. Der unbefugte Gebrauch von Daten aufgrund ihrer Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit wird nämlich schon von der ersten und zweiten Tatbestandsvariante speziell erfasst. Damit betrifft der eigenständige Anwendungsbereich der dritten Variante Konstellationen, in denen der Täter entweder richtige Daten oder Daten, die als Passwörter fungieren und keine Tatsacheninformationen codieren, in einer den Willen des Vermögensinhabers verfälschenden Weise gebraucht (Fischer, StGB, 71. Aufl., § 263a Rn. 9; NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, 6. Aufl., § 263a Rn. 19). Hier wird dem Angeklagten allerdings die Eingabe sachlich falscher Daten – Angaben zu tatsächlich nicht durchgeführten Impfdiensten – vorgeworfen, mithin eine sog. Input-Manipulation.

2. Die Input-Manipulation fällt unter die Variante der Verwendung unrichtiger Daten (§ 263a Abs. 1 Var. 2 StGB). Unrichtig sind die Daten, wenn – wie die Anklage hier behauptet – der durch sie vermittelte Informationsgehalt keine Entsprechung in der Wirklichkeit hat (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 416/12, juris Rn. 26).

a) Der Tatbestand des § 263a StGB ist in allen Varianten betrugsnah auszulegen. Maßgeblich ist daher, ob die inkriminierte Handlung einer Täuschung i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB entspricht (BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 4 StR 292/13, juris Rn. 17). Das ist im Ausgangspunkt denkbar, wenn – und soweit – sich in der elektronischen Datenverarbeitung überhaupt Ansätze zu einer Kontrolle finden (Fischer, StGB, 71. Aufl., § 263a Rn. 11) oder anders formuliert: Ein täuschungsäquivalentes Verhalten liegt vor, wenn der Täter einen Menschen täuschen müsste, der sich mit Fragen befasst, die auch der Computer prüft (NK-MedizinStR/Magnus, § 263a StGB Rn. 39 f.; Heghmanns, ZJS 2013, 423, 425). Der Bundesgerichtshof orientiert sich grundsätzlich ebenfalls an einem Täuschungsadressaten, der dasselbe wie der Computer überprüft (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2016 – 4 StR 496/15, juris Rn. 10; Beschluss vom 16. Juli 2015 – 2 StR 16/15, juris Rn. 11; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. August 2020 – 5 StR 558/19, juris Rn. 16 zur Anknüpfung an konkret dargelegte allgemeinen Abrechnungs- und Prüfvorgänge in der KV). Vorausgesetzt wird also, dass der Computer zumindest irgendetwas zur Anspruchsberechtigung prüft und nicht nichts. Denn eine Täuschung beim Betrug beinhaltet als Kommunikationsdelikt begriffsnotwendig die Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen (vgl. AnwK-StGB/Gaede, 3. Aufl., § 263 Rn. 11 f.). Letzteres findet dort nicht statt, wo der andere nicht denkt und daher überhaupt kein Vorstellungsbild hat, nicht einmal im Sinne eines unreflektierten Mitbewusstseins oder Begleitwissens (ignorantia facti, vgl. MüKoStGB/Hefendehl, 4. Aufl., § 263 Rn. 336 ff.).

b) An diesem Maßstab gemessen wäre der Tatbestand wohl nicht verwirklicht. Das von der KVB bereitgestellte Programm habe die materielle Berechtigung des Abrechnungsbegehrens nicht geprüft. Geprüft worden sei lediglich, ob der abrechnende Arzt als solcher überhaupt registriert gewesen sei. Auf die Leistungserbringung bezogene Prüfroutinen habe das Abrechnungsprogramm dagegen nicht enthalten. Hinzu kommt, dass nach der Mitteilung der KVB an die GenStA Nürnberg vom 15. November 2023 die KVB ihre Beauftragung durch den Freistaat Bayern in der Vereinbarung über die Durchführung der Abrechnung von Impfungen gegen Covid-19 in Impfzentren und mit Mobilen Teams vom 4. Dezember 2020 so verstanden habe, dass ihr (erg.: hinsichtlich der materiellen Richtigkeit des Abrechnungsbegehrens) keine Prüfaufgabe oder Prüfkompetenz übertragen worden sei. Die KVB habe die Anträge der Impfärzte also nicht nur nicht geprüft, es habe auf ihrer Seite auch gar kein Wille bestanden, dies zu tun, weder durch die bereitgestellte Datenverarbeitung noch durch Personal. Angesichts dessen liefe die Annahme eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ der Datenverarbeitung, es würden keine betrügerischen Forderungen geltend gemacht, auf eine kontrafaktische Fiktion hinaus.

c) Eine andere Wertung ergibt sich aber aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Computerbetrug im automatisierten Mahnverfahren. Danach soll der Umstand, dass das Gericht im Mahnverfahren die materielle Berechtigung des Anspruchs nicht prüft, unschädlich sein. Im Gegensatz zum Vollstreckungsverfahren diene das Erkenntnisverfahren der Überprüfung der Berechtigung der geltend gemachten materiellen Forderung. Während der Rechtspfleger im Vollstreckungsverfahren nicht zur Prüfung der titulierten Forderung berechtigt ist, müsste er im Erkenntnisverfahren bei Kenntnis der Nichtexistenz der geltend gemachten Forderung den Erlass eines Mahn- oder Vollstreckungsbescheids ablehnen. Erlässt er den beantragten Bescheid, so geschieht dies in der Vorstellung, dass die nach dem Verfahrensrecht ungeprüft zu übernehmenden tatsächlichen Behauptungen des Antragstellers gemäß der sich aus § 138 Abs. 1 ZPO ergebenden Verpflichtung der Wahrheit entsprechen (BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 4 StR 292/13, juris Rn. 19). Die Betrugsnähe wird somit normativ aus der gegebenen Wahrheitspflicht im Wege einer hypothetisch vergleichenden Subsumtion abgeleitet. Der hiesige Fall ist dem strukturell vergleichbar. Zwar habe das Programm der KVB hier nichts zur materiellen Berechtigung des erhobenen Anspruchs geprüft. Allerdings hätte es die Auszahlung nicht freigeben können, wenn der Nutzer das Häkchen bei der Versicherung, wonach er wahrheitsgemäße Angaben bestätige, nicht gesetzt hätte. Werde das Häkchen jedoch gesetzt, so hätte ein gedachter Mensch anstelle des Computers die Vorstellung, dass die gemachten Angaben der aus der Nutzungsbedingung folgenden Wahrheitspflicht entsprächen. Hätte ein Mitarbeiter der KVB überobligatorisch – eine Prüfpflicht habe gerade nicht bestanden – gleichwohl die fehlende Berechtigung eines Honorarantrags erkannt, wäre er verpflichtet gewesen, die Auszahlung zu unterbinden. Diese Lesart erscheint der Kammer in Fortführung des Ansatzes des Bundesgerichtshofs konsequent.

III.

Das Hauptverfahren war, anders als von der GenStA beantragt, nicht vor der Kammer als Wirtschaftsstrafkammer (§ 74c Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe a GVG), sondern vor ihr als allgemeiner Strafkammer (§ 74 Abs. 1 GVG) zu eröffnen, weil besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens zur Beurteilung des Falles nicht erforderlich sind (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 21. November 2023 – 18 KLs 105 Js 10084/20, juris Rn. 5 ff. m.w.N.). Der Sachverhalt scheint nach Aktenlage einigermaßen schlicht strukturiert zu sein. Die Kammer ist geschäftsplanmäßig unabhängig von der Einordnung der Anklage als Wirtschafts- oder als allgemeine Strafsache zuständig. Ihre örtliche Zuständigkeit folgt aus § 55d Abs. 1 GZVJu.

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