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Strafbarkeit der Aufzeichnung und Speicherung von Videoaufnahmen einer Routinepolizeikontrolle

Die Aufzeichnung und Veröffentlichung von Videoaufnahmen einer Polizeikontrolle durch einen Bürger kann unter bestimmten Voraussetzungen strafbar sein, wenn die Persönlichkeitsrechte der Polizisten verletzt werden. Die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Datenschutz ist jedoch komplex und erfordert eine sorgfältige Prüfung der Umstände des Einzelfalls.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 ORs 31/23 – 121 Ss 130/23

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Aufzeichnung und Speicherung von Videoaufnahmen einer Routinepolizeikontrolle durch einen Bürger kann eine Straftat nach § 42 BDSG darstellen.
  • Videoaufnahmen von Polizisten bei Amtshandlungen sowie die anschließende Veröffentlichung erfüllen den Tatbestand der Verarbeitung personenbezogener Daten.
  • Handlungen wie Aufnehmen, Speichern, Verändern oder Veröffentlichen der Aufnahmen sind einzelne Formen der Datenverarbeitung.
  • Die Identifizierbarkeit der Personen auf den Aufnahmen ist ausreichend für den Begriff der personenbezogenen Daten, auch bei Anonymisierung.
  • Eine Rechtfertigung der Datenverarbeitung liegt nur bei wirksamer Einwilligung der Beamten oder gesetzlicher Erlaubnis vor.
  • Der Strafantrag der Polizisten muss für alle möglichen Straftaten aus der Handlung umfassend gestellt werden.
  • Die Feststellungen des Gerichts müssen den gesamten relevanten Sachverhalt ausreichend würdigen.
  • Bei Freisprüchen sind ebenso umfassende Begründungen wie bei Verurteilungen erforderlich.

Polizeikontrolle aufgezeichnet: Meinungsfreiheit vs. Datenschutz

Videoaufnahmen Polizeikontrolle
(Symbolfoto: Don Pablo /Shutterstock.com)

Die Aufzeichnung und Speicherung von Videoaufnahmen durch Bürger ist ein kontroverses Thema, das rechtlich vielfach diskutiert wird. Grundsätzlich haben Bürger ein Recht auf Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit, zu dem auch die Aufnahme von Situationen im öffentlichen Raum gehören kann.

Allerdings können solche Aufnahmen, insbesondere wenn sie Personen wie Polizeibeamte zeigen, auch datenschutzrechtliche Fragen aufwerfen. Das Recht am eigenen Bild und der Schutz personenbezogener Daten können dabei mit anderen Grundrechten in Konflikt geraten. In welchen Fällen die Aufzeichnung und Verbreitung von Videoaufnahmen einer Routinepolizeikontrolle strafrechtlich relevant sein kann, soll anhand eines aktuellen Gerichtsurteils näher beleuchtet werden.

Der Fall vor dem Kammergericht Berlin im Detail

Videoaufnahmen von Polizeikontrollen: Zulässige Dokumentation oder Datenschutzverstoß?

Der vorliegende Fall befasst sich mit der Strafbarkeit der Aufzeichnung und Speicherung von Videoaufnahmen einer Routinepolizeikontrolle durch einen Bürger. Der Angeklagte, ein Motorradfahrer, filmte zwei Polizeikontrollen mit einer Helmkamera und veröffentlichte die Videos auf seinen Social-Media-Kanälen. Die Gesichter der Beamten wurden dabei unkenntlich gemacht. Die betroffenen Polizisten stellten daraufhin Strafantrag, da sie sich in ihren Rechten verletzt sahen.

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin verurteilte den Angeklagten zunächst wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 StGB. In der Berufung hob das Landgericht Berlin das Urteil auf und sprach den Angeklagten frei. Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin Revision beim Kammergericht Berlin ein, welches das Urteil des Landgerichts teilweise aufhob und die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwies.

Der Fall wirft komplexe rechtliche Fragen zur Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Polizeibeamten und dem Recht auf freie Meinungsäußerung des Angeklagten auf.

Abwägung der Grundrechte: Meinungsfreiheit vs. Datenschutz

Das Kammergericht Berlin musste in seiner Entscheidung die Grundrechte der beteiligten Akteure abwägen. Auf der einen Seite steht das Recht des Angeklagten auf freie Meinungsäußerung, welches auch die Dokumentation von Ereignissen im öffentlichen Raum umfasst. Auf der anderen Seite haben die Polizeibeamten ein Recht am eigenen Bild und auf den Schutz ihrer personenbezogenen Daten.

Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, ob die Veröffentlichung der Videos die Persönlichkeitsrechte der Beamten in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Das Gericht verneinte eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 2 StGB).

Datenschutzrechtliche Aspekte: Verarbeitung personenbezogener Daten

Ein weiterer Aspekt des Falls betrifft das Datenschutzrecht. Die Aufzeichnung und Veröffentlichung der Videos stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar, da die Beamten trotz Anonymisierung identifizierbar blieben.

Nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn eine gesetzliche Grundlage oder eine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt. Da keine Einwilligung der Beamten vorlag und journalistische Zwecke der Aufnahmen nicht gegeben waren, sah das Gericht die Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 42 BDSG.

Lückenhafte Feststellungen und Aufhebung des Urteils

Das Kammergericht kritisierte, dass das Landgericht die subjektive Tatseite des Angeklagten, insbesondere eine mögliche Bereicherungsabsicht, nicht ausreichend gewürdigt habe.

Aufgrund der lückenhaften Feststellungen hob das Kammergericht das Urteil des Landgerichts in Teilen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. In der neuen Verhandlung müssen nun die noch offenen Fragen, insbesondere die nach der subjektiven Tatseite des Angeklagten, geklärt werden, um eine abschließende Entscheidung über die Strafbarkeit der Videoaufnahmen treffen zu können.

✔ FAQ zum Thema: Videoaufnahmen von Polizeikontrollen


Welche Gesetze regeln die Aufzeichnung und Veröffentlichung von Videoaufnahmen bei Polizeikontrollen?

Die Aufzeichnung und Veröffentlichung von Videoaufnahmen bei Polizeikontrollen wird in Deutschland hauptsächlich durch das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) und das Strafgesetzbuch (StGB) geregelt.

Nach § 22 KunstUrhG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Es gibt jedoch Ausnahmen, z.B. für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Ob Polizisten unter diese Ausnahme fallen, ist umstritten und hängt vom Einzelfall ab.

Das bloße Anfertigen von Foto- oder Videoaufnahmen bei Polizeieinsätzen ist grundsätzlich erlaubt, solange keine Anhaltspunkte für eine widerrechtliche Veröffentlichung vorliegen. Die Polizei darf in solchen Fällen nicht gegen die Aufnahmen vorgehen, um keine abschreckende Wirkung zu erzielen.

Allerdings kann das Aufnehmen von Gesprächen bei Polizeieinsätzen nach § 201 StGB strafbar sein, wenn es sich um nicht öffentlich gesprochene Worte handelt. Dies ist der Fall, wenn die Gesprächssituation räumlich abgegrenzt ist und Unbeteiligte nichts oder nur Gesprächsfetzen mitbekommen können. Durch Bodycams der Polizei wird die Nichtöffentlichkeit aber aufgehoben.

Die Veröffentlichung von Bildnissen ohne Einwilligung ist nach § 33 KunstUrhG strafbar. Für eine Strafbarkeit nach § 201 StGB muss zusätzlich zur Aufnahme auch eine Zugänglichmachung, z.B. durch Hochladen im Internet, erfolgen.


Wie wirkt sich das Recht auf freie Meinungsäußerung auf die Aufzeichnung von Polizeiaktionen aus?

Das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG und die Aufzeichnung von Polizeiaktionen stehen in einem Spannungsverhältnis, bei dem im Einzelfall zwischen den Grundrechten abgewogen werden muss:

Grundsätzlich ist das Filmen von Polizeieinsätzen im öffentlichen Raum durch Bürger nicht per se verboten. Dies ergibt sich aus dem Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz und Kontrolle polizeilicher Maßnahmen. Die Dokumentation von Polizeieinsätzen kann zur Wahrung der Bürgerrechte und zur Aufklärung über mögliches Fehlverhalten von Polizeibeamten beitragen.

Allerdings kann das Aufnehmen von Gesprächen bei Polizeieinsätzen nach § 201 StGB strafbar sein, wenn es sich um nicht öffentlich gesprochene Worte handelt. Dies ist der Fall, wenn die Gesprächssituation räumlich abgegrenzt ist und Unbeteiligte nichts oder nur Gesprächsfetzen mitbekommen können.

Durch Bodycams der Polizei wird die Nichtöffentlichkeit aber aufgehoben. Ein öffentlicher Ort reicht zudem aus, um auch das Gesprochene als öffentlich zu qualifizieren.

Die unverpixelte Veröffentlichung von Aufnahmen, auf denen Polizisten erkennbar sind, kann deren Recht am eigenen Bild nach §§ 22, 23 KunstUrhG verletzen und strafbar sein. Bei Routineeinsätzen überwiegt in der Regel das Persönlichkeitsrecht der Beamten.

Eine Veröffentlichung kann aber gerechtfertigt sein, wenn ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse besteht, z.B. bei Polizeigewalt, Demonstrationen oder Prominentenbeteiligung. Hier kann die Meinungs- und Pressefreiheit Vorrang haben.

Insgesamt ist eine pauschale Bewertung schwierig. Die DSGVO erlaubt Aufnahmen, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich sind und keine überwiegenden Interessen der Polizisten entgegenstehen. Die Aufnahme hoheitlichen Handelns durch Polizeikräfte ist damit grundsätzlich zulässig, solange der Einsatz nicht behindert wird. Bei der Veröffentlichung muss aber stets der Einzelfall betrachtet werden.


Welche rechtlichen Konsequenzen können entstehen, wenn Polizeibeamte ohne deren Einwilligung gefilmt werden?

Wenn Polizeibeamte ohne deren Einwilligung gefilmt werden, können je nach Einzelfall verschiedene rechtliche Konsequenzen entstehen:

  • Strafbarkeit nach § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes): Werden bei der Videoaufnahme auch Gespräche der Polizisten aufgezeichnet, die nicht öffentlich sind, kann dies den Straftatbestand des § 201 StGB erfüllen. Entscheidend ist, ob eine „faktische Öffentlichkeit“ vorliegt, was von den Umständen abhängt. Bei räumlich abgegrenzten Gesprächssituationen, in denen Unbeteiligte nichts oder nur Gesprächsfetzen mitbekommen können, ist von einer Nichtöffentlichkeit auszugehen. Durch Bodycams der Polizei wird die Nichtöffentlichkeit aber aufgehoben.
  • Strafbarkeit nach §§ 22, 23, 33 KunstUrhG (Recht am eigenen Bild): Die Veröffentlichung von Bildnissen der Polizisten ohne deren Einwilligung kann deren Recht am eigenen Bild verletzen und nach § 33 KunstUrhG strafbar sein. Dies gilt insbesondere bei Nahaufnahmen einzelner Beamter. Eine Veröffentlichung kann aber durch ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein, z.B. bei Berichten über Polizeigewalt.
  • Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche: Neben der strafrechtlichen Komponente können auch zivilrechtliche Ansprüche der gefilmten Polizisten bestehen, wenn deren Persönlichkeitsrechte verletzt wurden. In Betracht kommen insbesondere Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche. So sprach das OLG Frankfurt einer in einem YouTube-Video gezeigten Polizistin eine Geldentschädigung wegen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung zu.
  • Beschlagnahme der Aufnahmegeräte: Bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass die Aufnahmen rechtswidrig veröffentlicht werden sollen, kann die Polizei die Aufnahmegeräte (z.B. Smartphones) beschlagnahmen. Auch wenn durch das Filmen eine polizeiliche Maßnahme gestört wird, kann eine Sicherstellung nach den Polizeigesetzen zulässig sein.

Das bloße Anfertigen der Aufnahmen ist aber grundsätzlich zulässig, solange keine Anhaltspunkte für eine widerrechtliche Veröffentlichung vorliegen. Die Polizei darf dann nicht gegen die Aufnahmen vorgehen, um keine abschreckende Wirkung zu erzielen. Auch das Grundrecht auf Informationsfreiheit und das öffentliche Interesse an der Kontrolle staatlichen Handelns sprechen für eine Zulässigkeit des Filmens.


In welchen Fällen darf eine Aufzeichnung von Polizeikontrollen öffentlich gemacht werden?

Die Veröffentlichung von Aufzeichnungen von Polizeikontrollen ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig:

Grundsätzlich dürfen Bildnisse von Polizeibeamten nur mit deren Einwilligung verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden (§ 22 KunstUrhG). Eine unverpixelte Veröffentlichung kann deren Recht am eigenen Bild verletzen und strafbar sein (§ 33 KunstUrhG).

Allerdings gibt es Ausnahmen, wenn ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung besteht (§ 23 KunstUrhG). Dies kann der Fall sein bei:

  • Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte, z.B. Dokumentation von Polizeigewalt, Demonstrationen oder Einsätzen mit Prominentenbeteiligung
  • Beiträgen zu Fragen von öffentlichem Interesse, z.B. zur Aufklärung möglichen Fehlverhaltens von Polizeibeamten
  • Verarbeitung zu journalistischen Zwecken, die durch das Medienprivileg geschützt ist (Art. 85 DSGVO)

Hier kann die Meinungs- und Pressefreiheit Vorrang vor den Persönlichkeitsrechten der Polizisten haben. Bei Routineeinsätzen überwiegt aber in der Regel das Recht der Beamten am eigenen Bild.

Entscheidend ist stets eine Abwägung im Einzelfall, bei der Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung sowie der Informationswert für die Öffentlichkeit zu berücksichtigen sind. Die Aufnahmen dürfen nicht zu reinen Unterhaltungszwecken oder zur Befriedigung von Sensationslust verbreitet werden.

Zudem muss die Veröffentlichung den presserechtlichen Sorgfaltspflichten genügen. Bloße Mutmaßungen über Fehlverhalten reichen nicht aus. Auch eine Vorverurteilung ist unzulässig.

Insgesamt besteht bei Aufnahmen von Polizeieinsätzen ein Spannungsverhältnis zwischen Persönlichkeitsschutz und öffentlichem Informationsinteresse, das eine differenzierte Betrachtung erfordert. Pauschale Aussagen verbieten sich. Die Zulässigkeit der Veröffentlichung hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab.


Welche Rolle spielen Gerichte bei der Abwägung zwischen Datenschutz und Meinungsfreiheit?

Gerichte spielen eine zentrale Rolle bei der Abwägung zwischen Datenschutz und Meinungsfreiheit, indem sie die betroffenen Grundrechte und gesetzlichen Regelungen in jedem Einzelfall gegeneinander abwägen. Diese Abwägung ist notwendig, da beide Rechte von hoher Bedeutung sind, aber in bestimmten Situationen in Konflikt miteinander geraten können.

Die Gerichte müssen dabei verschiedene Kriterien und Prinzipien berücksichtigen:

  • Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) haben Kriterien entwickelt, die bei der Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf freie Meinungsäußerung herangezogen werden. Dazu gehört, ob die Veröffentlichung personenbezogener Daten zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beiträgt.
  • Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, Gegenstand der Berichterstattung, das vorangegangene Verhalten der betroffenen Person: Diese Faktoren werden ebenfalls vom EuGH und EGMR in die Abwägung einbezogen. Sie helfen zu bestimmen, inwieweit das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über eine Person deren Recht auf Datenschutz überwiegt.
  • Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung: Die Art und Weise der Berichterstattung und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die betroffene Person sind entscheidend. Gerichte prüfen, ob die Veröffentlichung in einer Weise erfolgt, die die Persönlichkeitsrechte unverhältnismäßig verletzt.
  • Umstände, unter denen die Informationen erlangt worden sind, und deren Richtigkeit: Die Legalität der Informationsbeschaffung und die Wahrhaftigkeit der veröffentlichten Informationen sind ebenfalls wichtige Faktoren. Unwahre Tatsachenbehauptungen sind nur unter bestimmten Bedingungen schützenswert.
  • Mittelbare Drittwirkung von Grundrechten: In Deutschland wird die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten, insbesondere in den Beziehungen zwischen Privatpersonen, anerkannt. Dies bedeutet, dass auch private Akteure die Grundrechte in ihrer Interaktion berücksichtigen müssen, was insbesondere bei der Nutzung von sozialen Medien und Plattformen relevant ist.

Die Gerichte haben somit die Aufgabe, einen gerechten Ausgleich zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und der Freiheit der Meinungsäußerung zu finden. Dabei müssen sie die spezifischen Umstände jedes Einzelfalls berücksichtigen und die Rechte und Interessen aller Beteiligten abwägen. Diese Abwägung ist komplex und erfordert eine sorgfältige Prüfung der relevanten Fakten und rechtlichen Rahmenbedingungen.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 201 StGB – Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes: Dieses Gesetz ist zentral, da es regelt, unter welchen Umständen die Aufnahme und Veröffentlichung von Gesprächen ohne Zustimmung der Beteiligten strafrechtlich relevant ist. Im vorliegenden Fall wurde diesbezüglich geprüft, ob die Gespräche während der Polizeikontrollen als „öffentlich“ gelten und somit nicht unter das Strafverbot fallen.
  • § 201a StGB – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen: Dieser Paragraph ist entscheidend, da er die unbefugte Bildaufnahme und deren Veröffentlichung unter Strafe stellt, wenn sie den höchstpersönlichen Lebensbereich betrifft. Die Anwendung dieses Gesetzes wurde hier abgelehnt, weil die Beamten in Ausübung ihrer öffentlichen Funktion aufgenommen wurden.
  • § 42 BDSG – Strafbarkeit von Datenschutzverstößen: Dies betrifft die unerlaubte Verarbeitung personenbezogener Daten. Im Kontext des Falles wurde diskutiert, ob die Verpixelung der Gesichter und Verzerrung der Stimmen auf den Aufnahmen ausreicht, um die Identifikation der Polizeibeamten zu verhindern, und ob eine Verarbeitung vorliegt, die gegen das BDSG verstößt.
  • Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), insbesondere Art. 4: Diese EU-weit geltende Verordnung definiert, was unter personenbezogenen Daten zu verstehen ist und legt die Grundsätze für deren Verarbeitung fest. Da die Aufnahmen der Polizeibeamten personenbezogene Daten darstellen, ist deren Verarbeitung ohne Zustimmung grundsätzlich nicht gestattet, es sei denn, sie fällt unter bestimmte Ausnahmen der DSGVO.
  • StPO, insbesondere § 267 Abs. 5 Satz 1: Dieser Abschnitt der Strafprozessordnung regelt, welche Anforderungen an die Urteilsbegründung bei einem Freispruch gestellt werden. Im Fall wurde bemängelt, dass die freisprechende Entscheidung nicht alle rechtlichen und tatsächlichen Aspekte erschöpfend gewürdigt hat.


➜ Das vorliegende Urteil vom Kammergericht Berlin

KG Berlin – Az.: 2 ORs 31/23 – 121 Ss 130/23 – Urteil vom 30.11.2023

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Mai 2023 im Fall 2 der Urteilsgründe mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin verurteilte den Angeklagten am 11. Oktober 2022 wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 350 Euro, wobei es Einzelstrafen von 60 Tagessätzen für Fall 1 der Urteilsgründe und von 80 Tagessätzen für Fall 2 der Urteilsgründe festsetzte. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hob das Landgericht Berlin am 25. Mai 2023 das angefochtene Urteil auf und sprach den Angeklagten aus rechtlichen Gründen frei.

Zu dem verfahrensgegenständlichen Geschehen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

„1. Am 4. Juli 2020 gegen 15:30 Uhr führten die Zeugen PM L und PM Ko am G S in Berlin-T eine Kontrolle des Motorrades des Angeklagten durch. Die beiden Polizeibeamten hatten sich vor Ort im Zusammenhang mit zwei Großdemonstrationen, namentlich einer Motorraddemonstration sowie einer Anti-Rassismus-Demonstration, postiert. Die Unterredung der beiden Polizeibeamten mit dem Angeklagten während der insgesamt etwa achtminütigen Kontrolle erfolgte mit lauten und deutlich vernehmbaren Stimmen. In einem Abstand von nur etwa zwei bis drei Metern zu der Maßnahme hielten sich kurzzeitig mehrere unbekannt gebliebene Personen – insbesondere zwei einzelne Männer sowie ein Paar – auf. Einer der Männer, der ersichtlich das gesprochene Wort der beiden Polizeibeamten und des Angeklagten akustisch wahrnahm, unterhielt sich über eine Minute lang mit dem Zeugen Ko, während der Zeuge L mit dem Angeklagten und dessen Unterlagen zu dem Motorrad befasst war. Der unbekannte Mann schaltete sich zudem gegen Ende der Kontrollmaßnahme mit einem eigenen – nicht näher feststellbaren – Wortbeitrag in die Kommunikation zwischen den beiden Beamten und dem Angeklagten ein. Darüber hinaus passierten zahlreiche Fußgänger, Fahrrad- und Rollerfahrer in einem Abstand von wenigen Metern den unmittelbaren Nahbereich der polizeilichen Maßnahme.

Der Angeklagte nahm die Polizeikontrolle – ohne das Wissen der beiden Zeugen L und Ko – in Wort und Bild mittels einer an seinem Motorradhelm befestigten Kamera auf und speicherte die Aufzeichnungen ab. In der Folge machte er die Aufnahmen zunächst auf seinem Instagramprofil und ab dem 8. Juli 2020 auf seinem unter seinem Künstlernamen „Ku“ betriebenen Y-Kanal einer breiten Öffentlichkeit zugänglich, wobei er einen Weichzeichner verwendete, um die beiden Beamten unkenntlich zu machen.

Der Zeuge L stellte fristgerecht Strafantrag, den er auf die Strafverfolgung wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes und der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen nach §§ 201, 201a Abs. 2 StGB beschränkte.

2. Am 30. März 2021 zwischen 16:20 Uhr und 17:00 Uhr führten die Zeugen PM N und POM B am Pa Platz in Berlin-M eine Kontrolle des Motorrades des Angeklagten sowie weiterer Motorräder der Begleiter des Angeklagten durch. Der Angeklagte und seine unbekannt gebliebenen Begleiter hielten sich gemeinsam mit den beiden Polizeibeamten in dem Kontrollbereich um die Motorräder auf. Zudem passierten während der Maßnahme zahlreiche unbekannt gebliebene Personen – zu Fuß und mit dem Fahrrad – in einem Abstand von wenigen Metern das Geschehen, wobei sie teilweise zwischen den kontrollierten Motorrädern hindurchliefen und sich mehrere von ihnen interessiert dem Geschehen zuwandten. Da die Kommunikation zwischen dem Angeklagten und den beiden Beamten jeweils mit lauter und deutlich wahrnehmbarer Stimme erfolgte, befanden sich sowohl die Begleiter des Angeklagten als auch die Passanten in Hörweite des Geschehens.

Der Angeklagte nahm auch diese Polizeikontrolle – ohne das Wissen der beiden Zeugen N und B – in Wort und Bild mittels der an seinem Motorradhelm befestigten Kamera auf und speicherte die Aufzeichnungen ab. In der Folge machte er die Aufnahmen auf seinem Y-Kanal einer breiten Öffentlichkeit zugänglich, wobei er die Identität der beiden Beamten mittels Verpixelung sowie Stimmenverzerrung unkenntlich machte.

Der Zeuge B stellte fristgerecht Strafantrag, den er auf die Strafverfolgung wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 StGB beschränkte.“

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Revision eingelegt, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Berufungskammer in beiden verfahrensgegenständlichen Fällen eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgrund einer sogenannten faktischen Öffentlichkeit (vgl. LG Kassel StV 2020, 161; MüKoStGB-Graf, 4. Aufl., § 201 Rdn. 17a; Fischer, StGB 69. Aufl. § 201 Rn. 4) sowie wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen nach § 201a Abs. 2 StGB verneint.

2. Ebenso zutreffend hat die Strafkammer hinsichtlich einer Strafbarkeit gemäß § 42 BDSG wegen der Tat vom 4. Juli 2020 ein Verfahrenshindernis angenommen.

a) Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 BDSG handelt es sich bei den Straftatbeständen nach § 42 Abs. 1 und 2 BGSG jeweils um absolute Antragsdelikte. Die auf die allgemeine Sachrüge veranlasste Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen durch den Senat ergab das Fehlen eines wirksamen Strafantrages sowohl in Bezug auf § 42 BDSG als auch hinsichtlich einer etwaigen Strafbarkeit nach § 33 Abs. 1 KunstUrhG, die gemäß § 33 Abs. 2 KunstUrhG ebenfalls einen wirksamen Strafantrag voraussetzt.

b) Der Zeuge PM L hat seinen innerhalb der Frist des § 77b Abs. 1 Satz 1 StGB gestellten Strafantrag – entgegen der Auffassung der Revisionsführerin – wirksam auf die Straftatbestände der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes und der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen nach § 201 und § 201a Abs. 2 StGB beschränkt.

Grundsätzlich gilt der Strafantrag bei idealkonkurrierenden Delikten für sämtliche in der Handlungseinheit verwirklichten Antragsdelikte (vgl. Senat, Beschluss vom 20.August 2021 – (2) 121 Ss 92/21(14/21) – mwN). Eine Beschränkung auf eine von mehreren zusammentreffenden Gesetzesverletzungen (§ 52 StGB) ist jedoch zulässig (vgl. Senat aaO mwN). Ist eine Beschränkung der gewünschten Strafverfolgung weder erklärt, noch sonst eindeutig erkennbar, umfasst der Strafantrag den gesamten geschichtlichen Vorgang, welcher der Beschuldigung zugrunde liegt (vgl. BGHSt 33, 114, 116; Senat aaO; LK-StGB/Greger/Weingarten, 13. Aufl., § 77 Rn. 20-21; MüKoStGB-Mitsch aaO § 77b Rn. 40).

Aufgrund der ausdrücklichen Beschränkung des von dem Zeugen PM L gestellten Strafantrags auf die beiden genannten Strafvorschriften und des eindeutigen Wortlauts des Antrags ist für eine Auslegung dahin, dass die Strafverfolgung wegen aller in Betracht kommender Delikte und damit auch solcher nach dem BDSG oder KunstUrhG gewünscht wird, kein Raum (vgl. SK-StGB/Wolter, 9. Aufl., § 77 Rn. 25).

3. Etwas anderes gilt für die Tat vom 30. März 2021 und den von dem Zeugen POM B deswegen fristgerecht gestellten Strafantrag. Der Zeuge hat nicht nur am Ende seines Berichts vom 10. April 2021 Strafantrag wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 StGB gestellt, sondern zusätzlich ein Strafantragsformular unterzeichnet, auf dem zwar das Datum neben der Unterschrift des Antragstellers fehlt, das ausweislich des Datums neben der Unterschrift des polizeilichen Sachbearbeiters aber am 21. April 2021 zu den Ermittlungsakten gelangte und seinem Wortlaut nach unbeschränkt ist. Damit widersprechen sich die beiden durch den Zeugen POM B jeweils form- und fristgerecht gestellten Strafanträge untereinander, so dass sich eine Beschränkung der gewünschten Strafverfolgung auf das Delikt der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes dem Antrag jedenfalls nicht zweifelsfrei entnehmen lässt. Die bloße Hervorhebung einzelner tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte stellt noch keine Antragsbeschränkung dar (vgl. LK-StGB/Greger/Weingarten aaO). Ist eine Beschränkung – wie hier – nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, ist der Strafantrag als unbeschränkter zu behandeln (vgl. BGHSt aaO; MüKoStGB-Mitsch aaO mwN).

4. Nach dem Vorstehenden ist die Berufungskammer hinsichtlich der Tat vom 30. März 2021 zu Unrecht vom Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung im Hinblick auf über § 201 StGB hinausgehende Straftatbestände ausgegangen und hat folgerichtig lediglich Feststellungen zum (objektiven) Tatbestand des § 201 Abs. 1 StGB getroffen. Das angefochtene Urteil entspricht daher insoweit nicht den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO ergebenden Anforderungen an die Begründungspflicht bei freisprechenden Urteilen. Die Urteilsgründe ermöglichen dem Revisionsgericht keine umfassende Nachprüfung der freisprechenden Entscheidung. Der Senat kann anhand der Urteilsbegründung insbesondere nicht prüfen, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt worden ist.

a) Nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO müssen bei einem Freispruch aus rechtlichen Gründen die Urteilsgründe den Anklagevorwurf und die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen sowie anführen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen nicht erwiesen sind, und auf dieser Grundlage den Sachverhalt unter allen für die Entscheidung über die angeklagte Tat (§ 264 StPO) nach der Sachlage vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten – also nicht nur unter dem Blickwinkel der von der Anklage angenommenen Straftaten – erschöpfend würdigen (vgl. MüKoStPO-Wenske, 1. Aufl., § 267 Rn. 503 mwN), wobei die Anforderungen an die Feststellungen nicht geringer sind als bei einem verurteilenden Erkenntnis. Dem Revisionsgericht muss die Prüfung ermöglicht werden, ob der Sachverhalt erschöpfend und frei von sachlich-rechtlichen Mängeln gewürdigt worden ist, insbesondere ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (vgl. LR-StPO/Stuckenberg, 27. Aufl., § 267 Rn 163 mwN).

b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht, soweit eine Strafbarkeit nach § 42 Abs. 2 BDSG hinsichtlich der Tat vom 30. März 2021 verneint worden ist.

aa) Nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 BDSG macht sich strafbar, wer personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, ohne hierzu berechtigt zu sein, verarbeitet und hierbei gegen Entgelt oder in der Absicht handelt, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen.

(1) Der Begriff der personenbezogenen Daten als Schlüsselbegriff des Datenschutzrechts ist nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO auszulegen (vgl. Auernhammer/Gola, DSGVO BDSG 7. Aufl., § 42 BDSG Rn. 6). Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt unter den Begriff „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (vgl. EuGH NVwZ 2019, 465; Kirchhoff NVwZ 2021, 1177; Krüger/Wiencke MMR 2019, 76; Benedikt/Kranig ZD 2019, 4; Raji ZD 2019, 61). Die Voraussetzungen der – eng zu verstehenden (vgl. Raji aaO) – sogenannten Haushaltsausnahme nach Art. 2 Abs. 2 c) DSGVO, wonach die Verordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten findet, liegen ersichtlich nicht vor (vgl. EuGH aaO). Auch der Umstand, dass Polizeibeamte im Rahmen der Ausübung ihres Amtes auf Video aufgezeichnet werden, führt nicht zum Ausschluss einer solchen Art der Verarbeitung personenbezogener Daten aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (vgl. EuGH aaO für die Richtlinie 95/46/EG).

(2) Die personenbezogenen Daten waren nicht allgemein zugänglich. Daten sind dann allgemein zugänglich, wenn sie einer nicht beschränkten Zahl von Personen bekannt sind oder wenn sie jeder vernünftigen Person ohne besondere Voraussetzungen oder Anstrengungen zugänglich sind (vgl. BGHSt 58, 268; Gola/Heckmann/ Ehmann, BDSG 3. Aufl. § 42 Rdn. 11; Taeger/Gabel/Wybitul/Zhou, DSGVO – BDSG – TTDSG, 4. Aufl., § 42 BDSG Rn. 8; Kühling/Buchner/Bergt, Datenschutz-Grundverordnung, BDSG, § 42 BDSG Rn. 8 ff.).

(3) Die Verarbeitung wird als einer der zentralen Begriffe der DSGVO in Art. 4 Nr. 2 DSGVO legaldefiniert (vgl. Auernhammer/Gola aaO Rn. 17; Plath/Becker, DSGVO, BDSG, TTDSG 4. Aufl., § 42 BDSG Rn. 3). Das Aufnehmen und Speichern von Bildern identifizierbarer Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar (vgl. EuGH aaO; BGH aaO; Kirchhoff aaO; Raji aaO.; Reiter/Schwarz ZUM 2020, 31; Schaffland/Holthaus DS-GVO, BDSG, § 42 BDSG Rn. 31a). Bei der Verwendung einer Digitalkamera – wie hier – handelt es sich um eine Videoaufzeichnung von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung, dem Speicher der Kamera (vgl. EuGH aaO). Daneben stellt die Veränderung von Daten, d.h. das inhaltliche Umgestalten gespeicherter Daten (z.B. durch Bildbearbeitung) eine weitere Form der Datenverarbeitung dar (vgl. BGH aaO; Kühling/Buchner/Bergt aaO Rn. 32).

(4) Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur dann befugt, wenn der Betroffene wirksam seine Einwilligung erklärt oder wenn die DSGVO, das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift eine Erlaubnis beinhalten oder gar eine Anordnung zur Erhebung, Speicherung, Verarbeitung oder Weitergabe personenbezogener Daten enthalten (vgl. BGH aaO; Gola/Heckmann/Ehmann, aaO Rn. 21). Vorliegend fehlte es insbesondere an der Einwilligung der betroffenen Beamten.

Soweit § 19 BlnDSG auf der Grundlage von Art. 85 Abs. 2 DSGVO die Anwendbarkeit der Verordnung bei einer Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken einschränkt, bedarf deren Vorliegen einer sorgfältigen Prüfung. Journalistische Zwecke liegen – auch unter Beachtung der im Erwägungsgrund 153 DSGVO geforderten weiten Auslegung – (nur) dann vor, wenn die Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis beabsichtigt ist, ein Informationsinteresse der Allgemeinheit besteht und die meinungsbildende Wirkung der Veröffentlichung prägender Bestandteil ist (vgl. Benedikt/Ranig aaO mwN).

Es kann nicht davon ausgegangen werde, dass jegliche im Internet veröffentlichte Information, die sich auf personenbezogene Daten bezieht, unter den Begriff der „journalistischen Tätigkeiten“ fiele (vgl. EuGH aaO). Zwar kann ein im Internet veröffentlichtes Video über eine Polizeimaßnahme als journalistische Tätigkeit anzusehen sein, wenn damit auf angeblich rechtswidrige Praktiken der Polizei aufmerksam gemacht werden soll (vgl. Kirchhoff aaO). An einem – wie hier – alltäglichen Routinepolizeieinsatz besteht indes kein derartiges Interesse, dass er in den Medien hätte verbreitet werden müssen (vgl. LG Bonn MMR 2021, 992; VG Aachen, Beschluss vom 4. Mai 2020, BeckRS 2020, 8945). Zu beachten ist auch, dass die Mehrzahl von Fotoveröffentlichungen im Internet, z.B. auf Websites, Blogs oder Social Media-Plattformen, zwar Ausdruck von persönlichen Ansichten ist oder der Selbstdarstellung dient. Journalistische Zwecke werden damit jedoch nicht verfolgt (vgl. Benedikt/Kranig aaO mwN).

(5) Im Gegensatz zu Abs. 1 erfordern die Tatbestände des § 42 Abs. 2 BDSG keinen direkten Vorsatz, vielmehr genügt bedingter Vorsatz. Es reicht danach, wenn der Täter erkennt, dass es möglich und nicht ganz fernliegend ist, dass tatsächliche Umstände vorliegen, die die Verarbeitung rechtswidrig machen, ihm dies aber gleichgültig ist. Der Vorsatz muss sich dabei nur auf die tatsächlichen Umstände beziehen, nicht auf die rechtliche Bewertung (vgl. Kühling/Buchner/Bergt aaO Rn. 42 f.).

(6) Soweit der Täter nicht gegen Entgelt oder mit Schädigungsabsicht handelt, setzt Abs. 2 des § 42 BDSG voraus, dass der Täter in der Absicht handelt, sich oder einen anderen zu bereichern. Der Wille des Täters muss gerade darauf gerichtet sein, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Kommt es dem Täter gerade auf diesen Erfolg an, genügt es, dass er dessen Eintritt nur für möglich hält. Ob der Täter tatsächlich einen Vermögensvorteil erlangt, ist irrelevant (vgl. Kühling/Buchner/Bergt aaO Rn. 47 mwN). Die Bereicherungsabsicht braucht auch nicht der alleinige Zweck der strafbaren Handlung zu sein (vgl. Schaffland/Holthaus aaO Rn. 34). Der erstrebte Vermögensvorteil muss weder rechtswidrig sein, noch sich unmittelbar aus der Tathandlung ergeben und wird dies auch häufig nicht (vgl. Kühling/Buchner/Bergt aaO Rn. 49; Gola/Heckmann/Ehmann aaO Rn. 25; Taeger/Gabel/Wybitul/Zhou aaO Rn. 21). Auch Vermögensvorteile, die der Täter von Dritten erwartet, sind tatbestandsmäßig. Bereits kleinste Vermögensverschiebungen genügen, um eine Bereicherung zu bejahen (vgl. Kühling/Buchner/Bergt aaO Rn. 48).

bb) Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Verstoßes gegen § 33 KunstUrhG durch das Hochladen und Veröffentlichen des am 30. März 2021 aufgenommenen Videos scheidet demgegenüber aus.

Zwar ist das Kunsturhebergesetz auf die der Anfertigung und Speicherung sowie Bearbeitung nachfolgende Veröffentlichung von Bildern auch nach dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung, die als Verordnung innerhalb ihres Anwendungsbereiches unmittelbar gilt, am 25. Mai 2018 grundsätzlich weiterhin anwendbar (vgl. VG Aachen aaO; Kirchhoff aaO S. 1181; Reuter/Schwarz aaO S. 32; Krüger/Wiencke aaO S. 77). § 22 Satz 1 KunstUrhG erwähnt aber als – gemäß § 33 KunstUrhG strafbewehrte – Tathandlung nur die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten. Ein Bildnis im Sinne dieser Bestimmung ist die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt (vgl. BGHZ 143, 214; 228; KG, Beschluss vom 22. Januar 2015 – 10 U 134/14 – juris; Erbs/Kohlhaas/Kaiser KunstUrhG § 33 Rn. 7). Die Erkennbarkeit des Abgebildeten ergibt sich regelmäßig aus der Darstellung seiner Gesichtszüge, kann aber auch aufgrund anderer Merkmale der äußeren Erscheinung (z.B. Statur, Haltung, Haarschnitt, Gestik, Körpersilhouette, Kleidung) bestehen, wobei die Anbringung von Augenbalken oder die Augenpartie unkenntlich machende Bildverzerrungen oder Pixelungen die Erkennbarkeit nicht zwangsläufig ausschließen (vgl. Erbs/ Kohlhaas/Kaiser aaO). Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Berufungskammer machte der Angeklagte indes vor der Veröffentlichung die Identität der beiden Beamten mittels Verpixelung und Stimmenverzerrung unkenntlich, weshalb es an einem Bildnis im Sinne von § 22 KunstUrhG fehlt.

c) Gemessen an den vorstehenden Maßstäben erweisen sich die von der Berufungskammer getroffenen Feststellungen zu dem verfahrensgegenständlichen Geschehen vom 30. März 2021 als lückenhaft mit der Folge, dass die angefochtene Entscheidung nicht die Mindestanforderungen an die Darstellung eines freisprechenden Urteils erfüllt. Es fehlen jegliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite und etwaigen mit der Aufzeichnung, Speicherung und Bearbeitung verfolgten Zwecken des Angeklagten. Die Feststellung der Berufungskammer, aufgrund der wirksamen Beschränkung des Strafantrags habe dahinstehen können, dass weder der Tatbestand des § 42 Abs. 1 BDSG noch derjenige des § 42 Abs. 2 BDSG (in Ermangelung der Entgeltlichkeit, Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht des Angeklagten) vorgelegen habe, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn das Landgericht hat es unterlassen mitzuteilen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten. Dies ist in der Regel – so auch hier – nicht in einem Satzteil zu erledigen (vgl. BGH NStZ-RR 2019, 254).

III.

Wegen der aufgezeigten Mängel hebt der Senat das Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auf. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen im Fall 2 der Urteilsgründe zu ermöglichen, hebt er die Feststellungen zu Fall 2 der Urteilsgründe insgesamt auf und verweist die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

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