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Whistleblower – Verrat unwürdiger Geheimnisse

OLG Oldenburg – Az.: 1 Ss 72/19 – Beschluss vom 21.05.2019

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg vom 13. Dezember 2018 aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe

Das Amtsgericht Cloppenburg hat den Angeklagten am 13. Dezember 2018 wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt und eine Einziehungsanordnung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Sprungrevision des Angeklagten, der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und seinen Freispruch erstrebt.

Dem Rechtsmittel kann der Erfolg nicht versagt werden.

1.

Whistleblower - Verrat unwürdiger Geheimnisse
(Symbolfoto: Cristian Storto/Shutterstock.com)

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts steckte der Angeklagte am 5. September 2018 in Ort3 auf dem Parkplatz der … GmbH zehn gleichlautende Flugblätter hinter die Scheibenwischer der dort abgestellten Fahrzeuge, bevor die hinzukommende Polizei weitere Flugblätter sicherstellte, die er auf dieselbe Art verteilen wollte. In den Flugblättern hieß es unter anderem: „Öffentlicher Aufruf zum Whistleblowing an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der … GmbH: Informieren Sie die Öffentlichkeit umfassend und rückhaltlos über die Hintergründe der in Rede stehenden in Teilen illegalen Exportpraxis Ihres Arbeitgebers!“ Im Text des Flugblattes stellte der Angeklagte es als möglich dar, dass in die USA exportierte Giftsubstanzen des Unternehmens dort zur Vollstreckung der Todesstrafe benutzt werden könnten. Dies könne einen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz sowie eine Beteiligung an schweren Straftaten wie Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge implizieren. Konkret wurden die Mitarbeiter aufgefordert, die Öffentlichkeit über interne Betriebs- und Prozessabläufe zu informieren, aus denen eine illegale Exportpraxis des Unternehmens resultiere, sowie über die Einbindung der Unternehmensleitung in eine derartige Praxis. Als „Kontaktmöglichkeit zur Informationsweitergabe und für Rechtsfragen zum Whistleblowing“ enthielt das Flugblatt die E-Mail-Adresse (…)@(…). Schließlich enthielt das Flugblatt noch die „Rechtshilfebelehrung: Wägen Sie für sich persönlich sehr genau ab, ob Sie diesem Aufruf folgen wollen, denn dies könnte arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und zur Einleitung eines Strafverfahrens gemäß § 111 StGB i.V.m. §§ 17-19 UWG führen.“

Zur Motivation des Angeklagten hat das Amtsgericht festgestellt, dieser habe gegen den Export von giftigen Substanzen in die USA protestieren wollen (…). Seine Einlassung, er habe auf einen möglichen illegalen Export giftiger Substanzen in die USA auch zum Zwecke des Einsatzes im Zuge der Vollstreckung von Todesurteilen aufmerksam machen und seine Empörung hierüber kundtun wollen; er habe diesbezüglich eine öffentliche Diskussion erreichen, diese auch in die Firma … GmbH hineintragen und deren Mitarbeiter über die seiner Auffassung nach illegale Praxis informieren wollen (…), hat das Amtsgericht für glaubhaft erachtet und seinen Feststellungen zu Grunde gelegt. Der Angeklagte habe jedoch zumindest billigend in Kauf genommen, dass jemand seinem Aufruf tatsächlich folge (…).

2.

Diese Feststellungen tragen den Vorwurf des öffentlichen Aufrufs zu Straftaten nicht.

Der zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Verurteilung noch in Geltung befindliche § 17 UWG, zu dessen Bruch der Angeklagte nach Auffassung des Amtsgerichts aufgerufen haben soll, ist auf Grund des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 18. April 2019 (BGBl. I 2019, 466) mit Wirkung vom 26. April 2019 außer Kraft getreten. Der nunmehr gemäß § 2 Abs. 2 StGB als gegenüber dem zur Tatzeit in Geltung befindlichen § 17 UWG milderes Strafgesetz anzuwendende § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) stellt das Verhalten, zu dem der Angeklagte in dem von ihm verteilten Flugblatt aufgefordert hat, nicht unter Strafe. Nach § 5 Nr. 2 GeschGehG ist nämlich eine Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen vom – durch § 23 strafbewehrten – Verbot des § 4 GeschGehG ausgenommen, die zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgt, insbesondere zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens, sofern die Offenlegung geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen.

Dies ist vorliegend der Fall. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts verfolgte der Angeklagte mit seinem Aufruf das Ziel, auf eine von ihm als rechtswidrig beurteilte Exportpraxis des Unternehmens hinzuweisen und eine Diskussion hierüber innerhalb und außerhalb des Unternehmens anzustoßen. Der behauptete Export von Giftstoffen in die USA, die dort auch zur Vollstreckung der Todesstrafe Verwendung finden, stellt dabei jedenfalls ein ethisch zu missbilligendes Verhalten dar, welches nach dem Willen des Gesetzgebers dem Begriff des beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens unterfallen soll (vgl. Gesetzesbegründung zu § 5 GeschGehG, BR-Drs. 382/18 S. 25).

3.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.

Da die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen vollständig und fehlerfrei sind und auszuschließen ist, dass in einer neuen Verhandlung weitergehende Feststellungen zum Nachteil des Angeklagten getroffen werden könnten, hat der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst entschieden und den Angeklagten freigesprochen.

4.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

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