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Fahrlässige Tötung bei Verkehrsunfall – lückenhafte Beweiswürdigung

OLG Düsseldorf – Az.: III-3 RVs 22/18 – Beschluss vom 14.05.2018

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Velbert zurückverwiesen

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte, verhängt. Die hiergegen gerichtete Sprungrevision des Angeklagten hat mit der allein erhobenen Sachrüge – vorläufig – Erfolg.

II.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts erfasste der Angeklagte mit seinem PKW am 17. Januar 2015 bei der gegen 17:41 Uhr herrschenden Dunkelheit ein Rentnerpaar, als dieses in H. die unbeleuchtete A. Straße überquerte. Beide Personen wurden auf das Fahrzeug des Angeklagten „aufgeladen“ und fielen dahinter auf die Fahrbahn, wo sie in Folge ihrer Verletzungen verstarben. Aus der Sicht des Angeklagten gingen die später Getöteten von links nach rechts. Sie waren auf dem Weg zurück zu ihrem PKW, den sie um 16:10 Uhr auf einem vom Angeklagten aus gesehen rechts der Fahrbahn befindlichen Parkplatz abgestellt und verriegelt hatten. Mit Hilfe eines Sachverständigen hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Angeklagte sein Fahrzeug noch vor den Fußgängern hätte anhalten können, wenn er die an der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht um 20 km/h überschritten hätte.

Die diesen Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Fahrlässige Tötung bei Verkehrsunfall - lückenhafte Beweiswürdigung
(Symbolfoto: Gwoeii/Shutterstock.com)

Zwar ist das Revisionsgericht an die Überzeugung des Tatrichters vom Tatgeschehen auch insoweit gebunden, als es sich nur um mögliche Schlussfolgerungen tatsächlicher Art handelt. Das gilt aber dann nicht, wenn sich die Schlussfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind, die nicht mehr als einen – wenn auch schwerwiegenden – Verdacht begründen (BGH, Beschluss vom 25. März 1986 – 2 StR 115/86 –, juris). So liegen die Dinge hier bezüglich der Feststellung des Amtsgerichts zur Gehrichtung der Fußgänger.

Die Annahme, die Fußgänger seien von links nach rechts gegangen, beruht allein auf den Ausführungen des Sachverständigen M., der durch Analyse der in dem Schlüssel und dem Bordcomputer des Fahrzeugs der Getöteten gespeicherten Daten ermittelt hatte, dass deren Fahrzeug zuletzt um 16:10 Uhr verriegelt worden war. Daraus hatte der Sachverständige die Schlussfolgerung gezogen, die Fußgänger seien (um 17:41 Uhr) im Begriff gewesen, zu ihrem geparkten Fahrzeug zurück zu kehren.

Die sich aus dieser Mutmaßung ergebende Gehrichtung hatte der Sachverständige seinen Berechnungen zur Vermeidbarkeit des Unfalls für den Angeklagten zugrunde gelegt. Das Amtsgericht hat die Annahme des Sachverständigen übernommen, ohne sich mit ihrer tatsächlichen Grundlage kritisch auseinanderzusetzen. Damit beruht die richterliche Überzeugung nicht auf einer tragfähigen Beweisgrundlage. Als Entscheidungsgrundlage des Gerichts dürfen nur solche Feststellungen herangezogen werden, für deren Richtigkeit eine objektiv hohe Wahrscheinlichkeit spricht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 261 Rd. 2). Hiervon kann allein aufgrund des Umstandes, dass die später Getöteten ihren PKW letztmals um 16:10 Uhr verriegelt hatten, nicht ausgegangen werden.

Abgesehen davon, dass die Fußgänger eineinhalb Stunden nach dem Abschließen ihres PKWs möglicherweise zu diesem zurückgehen wollten, sind zahlreiche andere Zwecke vorstellbar, die die Fußgänger verfolgt haben könnten und die mit einer entgegengesetzten Gehrichtung in Verbindung gebracht werden können. Die Frage, ob alternative Möglichkeiten auszuschließen sind, hat sich das Amtsgericht – soweit aus den Urteilsgründen zu ersehen – nicht vorgelegt. In Ermangelung weiterer Anhaltspunkte bleibt die allein an den Zeitpunkt der Verriegelung des Fahrzeuges anknüpfende Annahme einer Gehrichtung von links nach rechts eine bloße Vermutung.

Auf der insoweit lückenhaften Beweiswürdigung beruht das Urteil. Es ist nicht auszuschließen, dass die Frage der Vermeidbarkeit des Unfalls unter Zugrundelegung einer entgegengesetzten Gehrichtung der Fußgänger und einer dann möglicherweise kürzeren Reaktionszeit des Angeklagten für diesen günstiger zu beantworten wäre.

Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils nebst den zugrundeliegenden Feststellungen. An einer eigenen abschließenden Entscheidung der Sache ist der Senat gehindert. Es besteht die Möglichkeit, dass in der neuen Verhandlung weitere Feststellungen getroffen werden, die auch eine tragfähige Schlussfolgerung auf die Gehrichtung der Fußgänger zulassen. Darauf deuten die Ausführungen des Amtsgerichts hin, wonach der Sachverständige M. im Hinblick auf die Heftigkeit des Anstoßes und die Ausgangsgeschwindigkeit des PKWs des Angeklagten u.a. auf das Verletzungsbild der Getöteten, insbesondere an deren unteren Extremitäten mit offenen Brüchen und fast kompletten Amputationen, abgestellt hat (UA Seite 4).

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