OLG Zweibrücken, Az.: 1 OLG 1 Ss 2/16
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Rockenhausen vom 12. August 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Rockenhausen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht – Schöffengericht – Rockenhausen hat den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren im minderschweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im minderschweren Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.
Zur Sache enthält das Urteil folgende Feststellungen:
„An Heiligabend des Jahres 2014 besuchte der Angeklagte gegen Abend seine Mutter, die Zeugin I… A… in der … in O… zu einem gemeinsamen Heiligabendfest. Der Angeklagte brachte hierzu selbst gebackene Plätzchen mit, in die er Cannabis eingearbeitet hatte. Für jeden Gast auf der Feier offen zugänglich legte der Angeklagte diese Kekse auf den Tisch, auf dem auch normales Weihnachtsgebäck zum Verzehr abgelegt war. Die zum Fest anwesenden Personen, unter denen sich unter anderem der Zeuge T… A…, der damals 17-jährige A… N…, der damals 15-jährige M… A… und die Zeugin D… T… befanden, klärte der Angeklagte absichtlich nicht darüber auf, dass die von ihm gebackenen Plätzchen Cannabis enthielten. Der Angeklagte nutzte seinen Wissensvorsprung dazu aus, dass sich die unwissenden Anwesenden hiervon nehmen würden. Im Laufe des Abends aßen tatsächlich der zur Tatzeit 17-jährige A… N… und der Zeuge T… A…, Bruder des Angeklagten, jeweils von den Keksen. Dabei war der psychoaktive Wirkstoffgehalt an THC von denkbar geringer Natur, jedoch so hoch, dass der Zeuge A… nach dem Konsum fast eines ganzen Kekses Schweißausbrüche erlitt, kreidebleich wurde und zu zittern begann. Der Zeuge A… N… schmeckte bei dem Verspeisen eines dieser Kekse Haschisch.
Außer dem Cannabis-Gebäck führte der Angeklagte auch noch ca. 2 Gramm Marihuana zum Eigenkonsum mit sich.
Eine betäubungsmittelrechtliche Erlaubnis zu seinem Vorgehen hatte der Angeklagte jeweils nicht.“
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner fristgerecht eingelegten Revision. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die Revision des Angeklagten hat (vorläufigen) Erfolg; die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch in wesentlichen Teilen nicht.
1.
Soweit das Amtsgericht die beim Zeugen T… A… aufgetretenen körperlichen Reaktionen in Form von Schweißausbrüchen, Zittern und dem zwischenzeitlichen Verlust der Gesichtsfarbe („kreidebleich“) als pathologischen Zustand in Form eines psychovegetativen Erschöpfungszustandes qualifiziert, ist hiergegen zunächst rechtlich nichts zu erinnern. Der objektive Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB verlangt allerdings über das Vorliegen einer einfachen Gesundheitsschädigung hinaus, dass die verwendete Substanz nach der Art der Anwendung oder Zuführung des Stoffes, seiner Menge oder Konzentration, ebenso aber auch nach dem Alter und der Konstitution des Opfers mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden ist (BGHSt 51, 18). Erheblich ist eine solche Schädigung dann, wenn sie nach Intensität oder Dauer überdurchschnittlich ist. Die beim Zeugen T… A… festgestellte Schädigung der Gesundheit in Form von Schweißausbrüchen, Zittern und dem zwischenzeitlichen Verlust der Gesichtsfarbe („kreidebleich“) weist für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung nach Intensität oder Dauer noch nicht aus. Das Amtsgericht wäre daher gehalten gewesen, zusätzliche Feststellungen dazu zu treffen, ob die vom Angeklagten verwendete Menge (von circa 0,6 Gramm) Haschisch „mit einem psychoaktiven Wirkstoffgehalt an THC von denkbar geringer Natur“ mit der konkreten Gefahr einer weitergehenden erheblichen Schädigung der Gesundheit des Zeugen T… A… verbunden gewesen ist.
2.
Die getroffenen Feststellungen tragen weiter nicht den Schuldspruch wegen eines vorsätzlich begangenen Körperverletzungsdelikts.
Betäubungsmittel können bei ihrem Konsumenten Wirkungen hervorrufen, die sich als Gesundheitsschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB darstellen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie zu Rauschzuständen, körperlichem Unwohlsein – insbesondere nach Abklingen der Rauschwirkungen – oder zur Suchtbildung bzw. zu Entzugserscheinungen führen (BGH NJW 1970, 519). Wer Betäubungsmittel verabreicht, hierdurch derartige Wirkungen bzw. Erscheinungen bei dem Betroffenen erzielt und dies zumindest im Sinne bedingten Vorsatzes zwingend in Kauf nimmt, verwirklicht daher den objektiven und subjektiven Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung. Jedoch muss nicht jeder Betäubungsmittelkonsum bzw. jede Betäubungsmittelgabe zu einer Gesundheitsschädigung im dargestellten Sinne führen. Insbesondere beim Konsum leichter Drogen in geringer Dosis müssen die normalen Körperfunktionen nicht derart beeinflusst werden, dass von einem – sei es auch nur vorübergehenden – pathologischen Zustand (vgl. BGHSt 43, 346, 354 m.w.N.) gesprochen werden kann. Wer bei der Verabreichung von Betäubungsmitteln nur derartige Wirkungen hervorrufen will oder billigend in Kauf nimmt, macht sich daher nicht der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig (BGHSt 49, 34).
Zum Motiv des Angeklagten hat das Amtsgericht die vom Angeklagten eingeräumten Absicht festgestellt, durch sein Verhalten die sonst immer so schlechte Stimmung auf der Weihnachtsfeier aufzuhellen, indem er mittels der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol auf die Psyche anderer einwirken wollte. Hiermit ist nicht zwingend der Vorsatz hinsichtlich der nachteiligen Beeinflussung der normalen Körperfunktion des Konsumenten verbunden. Ob der Angeklagte die nachteiligen Einwirkungen auf den Gesundheitszustand seines Bruders T… A… in Form von Schweißausbrüchen, Zittern und dem zwischenzeitlichen Verlust der Gesichtsfarbe („kreidebleich“) in seinen Vorsatz aufgenommen hatte, ist durch die Feststellungen des Amtsgerichts nicht belegt.
Sollte sich das Amtsgericht in der neuen Verhandlung keine Überzeugung von einem vorsätzlich begangenen Körperverletzungsdelikt bilden können, ist gegeben falls ein Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO zu erteilen, wonach ein Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 229 StGB in Betracht kommt.
Im Falle eines einfachen Körperverletzungsdelikts (§ 223 StGB bzw. § 229 StGB) wird sich die Staatsanwaltschaft zur Frage des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung gemäß § 230 Abs. 1 StGB zu erklären haben (BGHSt 19, 377).
3.
Schließlich sind die Feststellungen des Amtsgerichts zum Schuldspruch wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine andere Person unter 18 Jahren in einem minderschweren Fall lückenhaft.
Der § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG setzt in der Tatbestandsvariante der Abgabe an Minderjährige voraus, dass diese über die Betäubungsmittel Verfügungsgewalt erlangen, die beim bloßen Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch regelmäßig nicht vorliegt (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 347). Abgabe auf Seiten des Überlassenden und Erwerb oder Besitz auf Seiten des Empfängers sind mangels Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt nicht gegeben, wenn Rauschgift nur zum Mitgenuss bzw. in verbrauchsgerechter Menge zum sofortigen Verbrauch an Ort und Stelle hingegeben wird (vgl. BGH StV 1992, 66; BayObLG NStZ 1990, 395; StV 1988, 206; OLG Nürnberg StraFo 2006, 122; OLG München NStZ 2006, 579). Bei einem solchen räumlich – zeitlichen und finalen Zusammenhang bleibt die Verfügungsmacht bei dem Übergebenden, weil dieser allein bestimmt, ob und inwieweit das Betäubungsmittel für den Genuss bereitgestellt wird oder nicht. Der Übernehmende empfängt das Betäubungsmittel nicht zur freien Verfügung, sondern zum alsbaldigen Verbrauch, gleichsam unter fortwirkender Aufsicht des Übergebenden.
Mithin kann nach Ansicht des Senats auch der Mitbesitz am Betäubungsmittel auf Seiten des Empfängers solange keine Abgabe im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG begründen, als auch dem Übergeber noch Mitbesitz am Betäubungsmittel zukommt, denn dann fehlt es immer noch an der vollständigen Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt.
Entsteht allerdings zwischen der Empfangnahme und dem Verbrauch eine Zeitspanne, in deren Rahmen eine beliebige Verfügbarkeit gegeben ist, oder entfernen sich Übergebener oder Empfänger voneinander, bevor der Konsum erfolgt ist, erlangt der Empfänger die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel (vgl. KG NStZ-RR 1999, 66).
Für die strafrechtliche Einordnung des Verhaltens des Angeklagten als Abgabe oder Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch sind Feststellungen dahingehend erforderlich, ob es beim 17-jährigen Zeugen A… N… zu einer tatsächlichen Verfügungsgewalt über das – unbewusst – konsumierte Betäubungsmittel in Form der Cannabis-Plätzchen gekommen ist. Denn der Übergebende kann die Verfügungsgewalt nur dann behalten, wenn der sofortige Konsum in seiner Gegenwart erfolgt. Nur so hat er eine die tatsächliche Sachherrschaft ausmachende Kontrolle darüber, ob das Betäubungsmittel entsprechend der bei Übergabe intendierten Zweckrichtung verwendet wird. Erfolgt dagegen eine räumliche Trennung der Beteiligten oder tritt eine nennenswerte Verzögerung des Konsums ein, geht die Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel auf den Empfänger über, der jetzt nach Belieben mit der Sache verfahren kann, ohne dass der Übergebende noch eine Einwirkungsmöglichkeit hätte (vgl. Körner BtMG 4. Aufl., § 29 Rdnr. 1285). Die Feststellung des Amtsgerichts, der Zeuge A… N… habe „im Laufe des Abends“ von den Plätzchen gegessen, ermöglicht eine solche strafrechtliche Einordnung nicht.
4.
Isoliert betrachtet weist der Schuldspruch wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln keinen Rechtsfehler auf. Bei Tateinheit steht aber die Einheitlichkeit der Tat einer Aufrechterhaltung des vom Rechtsfehler nicht betroffenen Teils entgegen (BGH NJW 2012, 325, 328; StV 2006, 60). Hiervon ist auch die Einziehungsentscheidung als Teil der Strafzumessung (vgl. BGH NJW 1983, 2710; NStZ 85, 382; 96, 435; 99, 451) betroffen.