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Strafverfahren – Anforderung an ordnungsgemäße Unterzeichnung eines Urteils

OLG Köln – Az.: III-1 RVs 76/18 – Beschluss vom 11.04.2018

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bonn zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Vorlageverfügung vom 27. März 2018 zum Verfahrensgang Folgendes ausgeführt:

„Das Amtsgericht – Jugendrichterin – Bonn hat den Angeklagten mit Urteil vom 14.11.2017 – 602 Ds 147/17 – (Bl. 207 ff. d. A.) wegen gemeinschaftlicher Nötigung schuldig gesprochen und ihn angewiesen, nach Weisung der Jugendgerichtshilfe an einem Verkehrserziehungskurs teilzunehmen und eine Geldbuße in Höhe von 750 Euro zu zahlen.

Gegen dieses, dem Verteidiger am 11.12.2017 zugestellte Urteil (Bl. 219 d. A.) hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 21.11.2017, eingegangen bei dem Amtsgericht Bonn am selben Tag (Bl. 202 d. A.), Rechtsmittel eingelegt. Mit weiterem, bei dem Amtsgericht am 11.01.2018 eingegangenem Verteidigerschriftsatz vom selben Tage hat der Angeklagte das Rechtsmittel als (Sprung-)Revision bezeichnet und mit der Verletzung materiellen Rechts begründet (Bl. 231 ff. d. A.). Er hat hierzu insbesondere ausgeführt, das Urteil sei nicht wirksam unterzeichnet. Mit am 07.02.2018 dem Verteidiger zugestelltem Schreiben (Bl. 245 d. A.) hat die Abteilungsrichterin die Rücknahme der Revision anheimgestellt, da die Schriftsätze vom 21.11.2017 (Rechtsmitteleinlegung) und vom 11.01.2018 (Revisionsbegründung) nicht wirksam unterschrieben seien, so dass die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen sei (Bl. 237 d.A). Mit Verteidigerschriftsatz vom 14.02.2018 hat der Angeklagte hierzu Stellung genommen und mit weiterem Schriftsatz vom selben Tage, bei Gericht am 14.02.2018 eingegangen, wegen der Versäumung der Rechtsmitteleinlegungsfrist und der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und gleichzeitig Revision eingelegt, die er mit der allgemeinen Sachrüge begründet hat.

Strafverfahren - Anforderung an ordnungsgemäße Unterzeichnung eines Urteils
(Symbolfoto: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Am 07.03.2018 hat die Abteilungsrichterin vermerkt, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung dürften vorliegen, so dass nach § 46 StPO das Rechtsmittelgericht zu entscheiden habe und hat um Vorlage der Akten bei dem Oberlandesgericht gebeten (Bl. 260R d. A.).“

Darauf nimmt der Senat Bezug.

II.

1.

Das Rechtsmittel ist als Sprungrevision gemäß § 335 StPO zulässig. Es ist insbesondere gemäß § 341 Abs. 1 StPO frist- und formgerecht eingelegt und sowie nach § 345 Abs. 2 StPO frist- und formgerecht begründet worden.

a.

Zur Schriftform im Sinne des § 341 Abs. 1 StPO gehört, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, schon im Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung bei Gericht hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Auch muss feststehen, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern das Schriftstück mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage, Einl. Rn. 128 m. w. N.), wobei eine handschriftliche Unterzeichnung nicht unbedingt erforderlich ist (BVerfGE 15, 288, 291). Diesen Anforderungen an die Schriftform genügt die Rechtsmitteleinlegungsschrift, welche schon aufgrund des Briefkopfes und des gedruckten Namenszuges unter dem Dokument die Zuordnung zum Ersteller einwandfrei ermöglicht. Dass es sich nicht lediglich um einen Entwurf handelt, kann im Übrigen dem händisch beigefügten Zusatz unter dem Schriftsatz hinreichend entnommen werden.

b.

Auch ist die Revision mit Verteidigerschriftsatz vom 11.01.2018 ordnungsgemäß nach § 345 Abs. 2 StPO begründet worden. Die Vorschrift verlangt die Unterzeichnung durch einen Verteidiger oder Rechtsanwalt. Dabei muss die Unterschrift in der Regel aus der Wiedergabe des vollen Namens bestehen, der indes nicht lesbar sein muss. Ausreichend ist vielmehr ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug, der einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt. Dabei muss ein Mindestmaß an Ähnlichkeit in dem Sinne bestehen, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, ihn aus dem Schriftbild noch herauslesen kann. Der unter dem Schreiben händisch angebrachte – in seiner Länge dem vollen (Nach-) Namen des Verteidigers entsprechende und deutlich individuelle Züge aufweisende – Zusatz genügt – noch – den Anforderungen an eine Unterzeichnung im Sinne der Vorschrift. Dies gilt auch im Lichte des seitens des Bundesgerichtshofs formulierten Erfordernisses einer Herauslesbarkeit jedenfalls einzelner Buchstaben (vgl. dazu BGH NJW 74, 1090; 82, 1467). Diese Anforderung steht im Kontext der Frage nach einer einwandfreien Einordnung des einzelnen Gebildes als Schrift und zwar in Abgrenzung zu sonstigen Zeichen oder geometrischen Formen. Der hier angebrachte händische Zusatz lässt, wenngleich die konkrete Zuordnung zu den einzelnen Buchstaben des Namens des Verteidigers nicht möglich ist, sich in seiner Gesamtheit doch mit ausreichender Sicherheit als Schrift erkennen. Während der mittlere Teil zwar im Wesentlichen aus Gebilden besteht, die Schwungübungen bei Erlernen der Schreibschrift ähneln, kann dem Beginn und Ende doch die Qualität flüssig zu Papier gebrachter Buchstaben zugeschrieben werden.

2.

Das danach zulässige Rechtsmittel hat insofern (vorläufigen) Erfolg, als es auf die erhobene Sachrüge gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bonn führt.

Das angefochtene Urteil hält materiell – rechtlicher Überprüfung nicht stand. Es fehlt bereits an der notwendigen Prüfungsgrundlage. Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung in sachlich-rechtlicher Hinsicht sind allein die schriftlichen Entscheidungsgründe, wie sie sich aus der gemäß § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben (vgl. dazu nur Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 337 Rn. 22 m. w. N; SenE v. 05.03.2010 – III-1 RVs 26/10 -; SenE v. 19.07.2011 – III-1 RVs 166/11).

In vorliegender Sache genügt die Unterzeichnung des Urteils nicht den Anforderungen, die von der Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Unterschrift gestellt werden. Dieser Mangel führt – auf die Sachrüge – zur Aufhebung des Urteils (SenE v. 30.09.2003 – Ss 405/03 -; Meyer-Goßner a. a. O. § 338 Rn. 52 m. w. Nachw.), wenn – wie hier – nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO die Unterschrift nicht mehr nachgeholt werden kann (SenE a.a.O.; SenE v. 20.08.2010 – III-1 RVs 166/11; Meyer-Goßner a.a.O., § 275 Rn. 6 m. w. Nachw.).

a.

Der erkennende Richter hat das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben. Hierzu ist ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug erforderlich, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 13.02.1990 – Ss 38/90 -; SenE v. 23.02.2001 – Ss 47/01 B -; SenE v. 07.12.2004 – 8 Ss 427/04 -; SenE v. 03.07.2007 – 81 Ss OWi 45/07 -). Dazu bedarf es nicht der Lesbarkeit des Schriftgebildes; ausreichend ist vielmehr, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann (ständige Senatsrechtsprechung, zuletzt SenE v. 17.11.2017 – III-1 RVs 276/17; SenE v. 11.01.2013 – III-1 RVs 1/13; SenE v. 28.10.2014 – III-1 RVs 199/14; SenE v. 17.10.2017 – III-1 RVs 237/17; vgl. auch Meyer-Goßner-Schmitt, StPO, 60. Auflage, Einl. Rn. 129 m. w. N.). Insoweit gelten obige Ausführungen zur Unterschrift.

Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich dabei nach dem äußeren Erscheinungsbild (SenE v. 23.02.2001 – Ss 47/01 B -; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000, 371 = VRS 99, 438; OLG Düsseldorf JMinBl NW 2002, 54 [55]).

b.

Eine diesen Anforderungen genügende Unterschrift weist das angefochtene Urteil nicht auf, wobei es auf die Frage, ob sich der unter dem Urteil händisch angebrachte Zusatz als Schrift erkennen lässt, nicht mehr ankommt. Denn jedenfalls – und insoweit abweichend von den obigen Ausführungen zur Unterschriftsleistung des Verteidigers – vermag der Senat das Gebilde, welches aus einem Strich nach unten, einer Schlaufe und einem Strich nach oben besteht, nicht als Wiedergabe des vollen Namens anzusehen, sondern allenfalls als Namenskürzel (Paraphe).

3.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat noch auf Folgendes hin:

a.

Die Bezeichnung der Tat als mittäterschaftlich oder „gemeinschaftlich“ begangen ist nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1977 – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, a.a.O., § 260 Rn. 24).

b.

Eine Uneinsichtigkeit des Angeklagten darf im Rahmen der Strafzumessung nur im Ausnahmefall straferschwerend herangezogen werden. Andernfalls würde das Recht, sich uneingeschränkt gegenüber dem erhobenen Strafvorwurf verteidigen zu können, durch eine Verfahrenssanktion unzulässig beeinträchtigt. Das Leugnen eines Angeklagten ist für sich betrachtet wertungsneutral, weil das Strafverfahren weder einen Geständniszwang noch eine Pflicht des Angeklagten kennt, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (BGH wistra 1988, 303 [304]; NStZ 1983, 453; StV 1983, 501). Daher darf die Wahrnehmung des Rechts auf Bestreiten des Tatvorwurfs nicht dadurch vereitelt werden, dass das Nichtvorliegen eines Geständnisses als negativer Gesichtspunkt in die Strafzumessung einfließt (OLG Düsseldorf [16.12.98] NZV 1999, 172 = VRS 96, 268 = DAR 1999, 223; OLG Düsseldorf [05.11.02] DAR 2003, 83 = VRS 104, 133 [135] = VM 2003, 26 [Nr. 29]; vgl. a. OLG Düsseldorf [22.01.01] VRS 100, 356 = NZV 2001, 488 [489]; Detter NStZ 2000, 186; SenE v. 14.02.2000 – Ss 26/01 B – m. w. Nachw.; SenE v. 04.01.2005 – 8 Ss 474/04 -).

c.

Sollte das Tatgericht erneut die Verhängung einer Geldbuße in Betracht ziehen, wird im Hinblick auf die abschließende Regelung der Auflagen in § 15 Abs. 1 JGG (vgl. Eisenberg, Jugendgerichtsgesetz, 18. Auflage § 15 Rdn. 3) zu beachten sein, dass es sich bei der Stadt Bonn nicht um eine gemeinnützige Einrichtung im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 4 JGG handelt (vgl. zur Berücksichtigung der Staatskasse: SenE v. 30.08.2005 – 82 Ss 22/05; OLG Hamm, MDR 54, 245 f.; i.Ü. Eisenberg, a. a. O., § 15, Rdn. 22).

 

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