OLG Frankfurt – Az.: 26 U 71/21 – Urteil vom 11.11.2022
Das am 24. September 2021 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hanau wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage bleibt abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von € 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von € 5.000,00 seit dem 28. Mai 2019 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von € 5.000,00 seit dem 26. Mai 2020 sowie überdies einen Betrag in Höhe von € 2.421,46 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2020 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die diesem aus dem Vorfall in Folge der vorsätzlichen Körperverletzung in der Straße1 in Gemeinde1-Ortsteil1 vom ….2018 entstanden sind und künftig entstehen, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, vor allem Versicherungs- oder Sozialversicherungsträger, übergehen und übergegangen sind.
Der Kläger wird ferner verurteilt, an den Beklagten außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von € 887,03 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug hat der Kläger 85 % und der Beklagte 15 % zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gesamten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in Folge einer körperlichen Auseinandersetzung.
Am ….2018 parkte der Kläger, Widerbeklagte und Berufungskläger (im Folgenden: der Kläger) mit dem Lastkraftwagen seines Arbeitgebers in der Straße1 in der Gemeinde1-Ortsteil1 vor dem Grundstück mit der Hausnummer … auf der linken Fahrbahnseite entgegen der Fahrtrichtung, um zusammen mit seinem Kollegen, dem Zeugen A, dem in der Hausnummer … lebenden Zeugen … Möbelstücke zu liefern.
Auf der dem abgestellten Lastkraftwagen gegenüberliegenden Straßenseite waren weitere Personenkraftwagen geparkt, was zu einer Verengung des Fahrweges führte.
Der Beklagte, Widerkläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden: der Beklagte) wollte die Straße1 aus Richtung der Straße2 mit seinem Personenkraftwagen passieren, um zu seinem gegenüberliegenden Grundstück (Straße1 …) zu fahren.
In der Folge kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Beklagten, die sich auf die Parksituation bezog.
Der Beklagte fuhr links neben dem Lastkraftwagen vorbei über das Grundstück Straße1 … und stellte seinen Personenkraftwagen sodann in seiner Einfahrt auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab.
Der Kläger lief in Richtung des Beklagten. Es folgte eine körperliche Auseinandersetzung, wobei die Einzelheiten und der Verlauf streitig sind. Bei der Auseinandersetzung kam ein Holzstab zum Einsatz, der zuvor im Besitz des Beklagten war. Die Ehefrau des Beklagten beendete die Auseinandersetzung zwischen den Parteien, indem sie den Holzstab ergriff.
Der Kläger hat behauptet, er habe den Lastkraftwagen so weit links auf der Straße1 geparkt, dass der Verkehr nicht beeinträchtigt und ein Durchfahren auf einer Spur noch möglich gewesen sei. Der Beklagte habe die Möglichkeit gehabt, den Lastkraftwagen bei langsamer Durchfahrt zu passieren. Stattdessen habe der Beklagte den Kläger beschimpft. Der Kläger habe darauf nicht reagiert.
Im Zuge des Fahrmanövers des Beklagten über den Rasen auf dem Grundstück Straße1 … sei der Personenkraftwagen des Beklagten mit dem Kläger kollidiert, so dass der Kläger gegen den Lastkraftwagen geprallt sei. Nachdem der Beklagte seinen Personenkraftwagen in seiner Einfahrt abgestellt hatte, habe er den Kläger beschimpft. Dabei habe sich der Kläger noch auf Straße1 und nicht auf dem Grundstück des Beklagten befunden.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe dann einen Holzstab aus dem Kofferraum seines Personenkraftwagens geholt und sei auf den Kläger losgegangen. Der Beklagte habe mehrmals auf den Kläger eingeschlagen und ihn dabei am linken Unterarm, der linken Schulter sowie im Brustbereich getroffen. Er – der Kläger – habe in Folge dieser Verletzungen u. a. eine Fraktur der 8. Rippe links, eine Refluxösophagitis und ein HWS-Syndrom erlitten.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von € 5.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 16. Oktober 2019 zu zahlen, und
2. den Beklagten zu verurteilen, ihn von außergerichtlichen Kosten der Kanzlei B + B in Höhe von € 492,54 freizustellen.
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat er erstinstanzlich beantragt,
1. den Kläger zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber einen Betrag von € 12.500,00 nicht unterschreiten sollte, sowie einen Betrag in Höhe von € 2.811,35 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Mai 2019 zu zahlen,
2. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, ihm sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Vorfall infolge der vorsätzlichen Körperverletzung in der Straße1 vom ….2018 entstanden sind und künftig entstehen, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, vor allem Versicherungs- oder Sozialversicherungsträger, übergehen und übergegangen sind, und
3. den Kläger zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von € 1.029,35 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat behauptet, der Lastkraftwagen habe mehrere Hofeinfahrten sowie die Straße1 insgesamt blockiert. Er habe daher nicht auf der Straße an dem Lastkraftwagen vorbeifahren können. Er habe den Kläger daraufhin aufgefordert, den Lastkraftwagen zur Seite zu fahren. Der Kläger habe den Beklagten nur beschimpft.
Nachdem er – der Beklagte – seinen Personenkraftwagen auf seinem Grundstück geparkt hatte, habe der Kläger das Grundstück des Beklagten mit erhobenen Fäusten betreten und diesen beschimpft. Der Beklagte habe den Kläger aufgefordert, das Grundstück zu verlassen, woraufhin dieser versucht habe, den Beklagten mit seinen Fäusten zu schlagen. Zur Verteidigung gegen die Schläge habe der Beklagte nach einem auf seinem Grundstück liegenden Holzstab gegriffen. Der Kläger habe ihm diesen Holzstab sofort entrissen und damit auf ihn eingeschlagen.
Er – der Beklagte – sei dadurch an seiner frisch operierten rechten Schulter verletzt worden. Er habe sich in Folge der Auseinandersetzung einer zweiten Operation an dieser Schulter unterziehen müssen. Er sei in den ersten Wochen nach der Operation nahezu bewegungsunfähig im Bereich des rechten Armes sowie der rechten Schulter gewesen. Die Einschränkungen bestünden weiterhin.
Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Nach Vernehmung der Zeugen C, D, X und A und der Zeugin E in der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2020 (Bl. 87 ff. d. A.) sowie der Einholung eines schriftlichen Gutachtens (Bl. 151 ff. d. A.) nebst Ergänzungsgutachten (Bl. 199 ff. d. A.) des Sachverständigen F hat das Landgericht mit dem angegriffenen Urteil vom 24. September 2021 die Klage abgewiesen und auf die Widerklage den Kläger verurteilt, an den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von € 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von € 5.000,00 seit dem 28. Mai 2019 und im Übrigen seit dem 26. Mai 2020 sowie einen Betrag in Höhe von € 2.421,46 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2020 zu zahlen. Zugleich hat das Landgericht festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die diesem aus dem Vorfall infolge der vorsätzlichen Körperverletzung in der Straße1 vom ….2018 entstanden sind und künftig entstehen, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, vor allem Versicherungs- oder Sozialversicherungsträger, übergehen und übergegangen sind. Des Weiteren hat es den Kläger verurteilt, an den Beklagten außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von € 958,19 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2020 zu zahlen und die Widerklage im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, dem Kläger stünden keine Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 224 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 StGB zu.
Hinsichtlich einer der körperlichen Auseinandersetzung vorausgegangenen Kollision mit dem Personenkraftwagen des Beklagten sei der Kläger beweisfällig geblieben.
Die körperliche Auseinandersetzung habe sich auf dem Grundstück des Beklagten ereignet. Eine etwaige Verletzung des Klägers durch eine Handlung des Beklagten sei nicht widerrechtlich erfolgt, da zu Gunsten des Beklagten die Voraussetzungen des § 227 BGB vorgelegen hätten. Es habe ein Angriff des Klägers gegen den Beklagten vorgelegen, der sich mit dem Holzstab verteidigt und diesen zunächst hochgehalten habe. Der Kläger habe seinerseits nicht die Umstände bewiesen, aus denen sich zu seinen Gunsten eine Notwehrlage ergeben hätte.
Selbst wenn – so das Landgericht weiter – der Beklagte den Angriff schuldhaft herbeigeführt hätte, bleibe die Notwehrlage davon grundsätzlich unberührt, es sei denn, die Provokation stelle ihrerseits einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff dar. Ein solches Ausmaß der Herbeiführung der Auseinandersetzung durch den Beklagten habe der Kläger nicht bewiesen.
Der Einsatz des Holzstabes durch den Beklagten sei geeignet gewesen, den Angriff abzuwehren, mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe insbesondere nicht bewiesen, dass der Beklagte den Stock zum Schlagen eingesetzt habe, so dass eine Schutzwehr anzunehmen sei.
Hinsichtlich der Widerklage hat das Landgericht u. a. ausgeführt, der Beklagte habe aus § 823 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 224 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 StGB einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie des entstandenen Verdienstausfallschadens.
Aus einer Gesamtschau der Zeugenaussagen ergebe sich ein eindeutiges Bild des Geschehensablaufs, das den Beklagtenvortrag stütze. Der Aussage des Zeugen A – des Kollegen des Klägers – könne nicht gefolgt werden, da er einen Geschehensablauf wiedergegeben habe, der weder in Einklang mit den anderen Zeugenaussagen noch mit dem klägerischen Vortrag zu bringen sei. Der Kläger habe vorsätzlich gehandelt. Die körperliche Auseinandersetzung habe die Notwendigkeit der zweiten Operation des Beklagten an seiner rechten Schulter veranlasst.
Wegen der durchgeführten zweiten Schulteroperation, einer bleibenden mittelgradigen Einschränkung der Beweglichkeit der rechten Schulter bei mäßiggradigem Kraftverlust im Bereich des rechten Armes sowie weiterer subjektiver Beschwerden und unter Berücksichtigung des vorsätzlichen Handelns des Klägers sei ein Schmerzensgeld von € 10.000 angemessen.
Der Verdienstausfallschaden in Höhe von € 2.421,46 resultiere aus einer anzunehmenden Arbeitsunfähigkeit bis zum 23. September 2019, wobei die Monate Dezember 2018 und Januar 2019 nicht einzukalkulieren seien. Die Arbeitsunfähigkeit in diesen zwei Monaten resultiere aus der ersten, nicht durch die Auseinandersetzung bedingten Schulteroperation.
Die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden sei gerechtfertigt, da bei Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens nicht auszuschließen sei, dass es zu weiteren Schäden komme. Die bei den zugesprochenen Zinsen vorgenommene Differenzierung resultiere aus dem Umstand, dass der Beklagte den Kläger vorgerichtlich nur zur Zahlung eines Vorschusses, der nicht dem später im Wege der Klage geltend gemachten Betrag entsprochen habe, aufgefordert habe.
Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf das angegriffene Urteil vom 24. September 2021 (Bl. 237 ff. d. A.) verwiesen.
Mit Beschluss vom 26. Oktober 2021 hat das Landgericht den Tenor des Urteils dahingehend korrigiert, dass auf Seite 2 unter Ziffer 4 der erste Halbsatz durch die Worte „Der Kläger wird verurteilt“ ersetzt wurde. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den vorgenannten Beschluss Bezug genommen (Bl. 256 d. A.).
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 27. September 2021 (Bl. 251 d. A.) zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem hier am 27. Oktober 2021 eingegangenen Fax vom selben Tag Berufung eingelegt (Bl. 260 f. d. A.) und diese mit einem hier am 29. November 2021 – einem Montag – eingegangenen Fax vom 26. November 2021 (Bl. 269 ff. d. A.) begründet.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Rechtsschutzziele weiter.
Zur Begründung rügt er u. a., das Landgericht sei von falschen Tatsachen ausgegangen und die Beweiswürdigung sei fehlerhaft. Die Tatsachenfeststellungen bezüglich der Auseinandersetzung seien nicht nachvollziehbar.
Das Landgericht sei zu der rechtsfehlerhaften Annahme gekommen, der Kläger habe zuerst mit Schlägen eine Notwehrlage des Beklagten geschaffen.
Es bestünde ein Wertungswiderspruch, wenn das Landgericht einerseits davon ausgehe, der Kläger sei vor der Auseinandersetzung nicht gegen den Lastkraftwagen geprallt, und anschließend annehme, der Kläger habe zuerst mit dem Schlagen reagiert.
Im Rahmen der Beweiswürdigung sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass die Mehrheit der Zeugen Nachbarn des Beklagten seien, was zumindest eine Thematisierung eines abgeschwächten Beweiswertes erfordert hätte. Eine pauschal behauptete Glaubwürdigkeit sämtlicher Zeugen halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Der Umstand, dass der Beklagte vor der Auseinandersetzung in unmittelbarer Nähe zu dem Kläger links an dem Lastkraftwagen vorbeigefahren sei (unabhängig davon, ob der Kläger dabei touchiert worden sei), sowie die durch den Beklagten ausgesprochenen Beleidigungen ließen den Schluss zu, dass eine von dem Beklagten ausgehende Notwehrprovokation vorläge. Davon sei selbst dann auszugehen, wenn die Aggression auf der Grundstückseinfahrt vom Kläger ausgegangen wäre.
Eine Notwehrprovokation führe zu einem abgeschwächten Notwehrrecht. Das Landgericht habe pauschal festgestellt, dass ein milderes Mittel nicht vorgelegen habe, wenngleich dem Beklagten mit der Rückzugsmöglichkeit in dessen Haus und einer verbalen Deeskalation mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten.
Jedenfalls die Widerklage – so der Kläger weiter – hätte abgewiesen werden müssen. Dass sich der Beklagte trotz frischer Schulteroperation auf den Streit eingelassen habe, sei jedenfalls nicht dem Kläger zuzurechnen. Die durch den Beklagten erlittenen Verletzungen seien auf dessen eigenes Verhalten zurückzuführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung des Klägers wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 26. November 2021 (Bl. 269 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Hanau vom 24. September 2021 – Az. 7 O 630/20 –
1. den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Betrag in Höhe von € 5.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 16. Oktober 2019 zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, ihn von den außergerichtlichen Kosten der Kanzlei B + B in Höhe von € 492,54 freizustellen, und
3. die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil.
Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 17. Januar 2022 (Bl. 290 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Akten des Amtsgerichts Stadt1 mit dem Aktenzeichen … waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch lediglich in Bezug auf einen Teil der durch den Beklagten widerklagend geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten Erfolg.
1. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
a. Der mit dem Antrag zu 1 geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch (§§ 823 Abs. 1, 249, 253 BGB) steht dem Kläger nicht zu.
Die Einwirkung auf den Körper des Klägers durch den Beklagten, die zumindest zu einer Rippenverletzung des Klägers geführt hat, war durch Notwehr nach § 227 Abs. 1 BGB gerechtfertigt und damit nicht widerrechtlich. Notwehr ist nach § 227 Abs. 2 BGB diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Wer sich auf Notwehr beruft, erhebt einen rechtshindernden Einwand und muss deshalb die Voraussetzungen der Notwehr beweisen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 30.10.2007 – VI ZR 132/06 -, NJW 2008, 571, 573). Im Streitfall ist dem Beklagten indes gelungen, die den Ausschluss der Widerrechtlichkeit begründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen.
Eine Notwehrlage im Sinne des § 227 Abs. 2 BGB war gegeben. Ein Angriff auf den Beklagten durch den Kläger lag vor. Angriff ist die von einem Menschen drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen. Der Senat ist in diesem Zusammenhang gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellung des Landgerichts gebunden, dass auf Grund einer Gesamtschau der Zeugenaussagen ein Angriff des Klägers auf den Beklagten auf dessen Grundstück vorlag. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen.
Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 170/17 -, NJW-RR 2018, 651, 652; Beschluss vom 04.09.2019 – VII ZR 69/17 -, NJW-RR 2019, 1343). Derartige konkrete Anhaltspunkte können sich unter anderem aus dem Vortrag der Parteien (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 170/17 -, NJW-RR 2018, 651, 652), vorbehaltlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus dem Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 170/17 -, NJW-RR 2018, 651, 652; BVerfGK, Beschluss vom 15.12.2008 – 1 BvR 1404/04 -, BeckRS 2009, 30487) ergeben. Zweifel im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 170/17 -, NJW-RR 2018, 651, 652; Beschluss vom 04.09.2019 – VII ZR 69/17 -, NJW-RR 2019, 1343).
Im Streitfall besteht keine „gewisse Wahrscheinlichkeit“, dass eine erneute Feststellung zu einem anderen Ergebnis führt.
Der Umstand, dass der Großteil der Zeugen in der Nachbarschaft des Beklagten lebt, bedurfte – entgegen der Ansicht des Klägers – weder einer vertieften Berücksichtigung durch das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung noch durfte aus ihm pauschal ein geminderter Beweiswert der entsprechenden Zeugenaussagen hergeleitet werden. Es gibt nämlich keine auf einen entsprechenden Erfahrungssatz gestützte Beweisregel, dass der Aussage eines wirtschaftlich Interessierten, eines Arbeitnehmers einer der Parteien, eines Nachbarn, eines Freundes oder Verwandten überhaupt nicht oder nur bei Bestätigung durch objektive Beweismittel geglaubt werden darf (vgl. etwa BGH, Urteil vom 03.11.1987 – VI ZR 95/87 -, NJW 1988, 566, 567; KG, Beschluss vom 06.10.2008 – 12 U 196/08 -, VersR 2009, 1557).
Der Umstand, dass das Landgericht den Geschehensablauf aus einer Gesamtschau der einzelnen Zeugenaussagen herleitet, da keiner der Zeugen die Auseinandersetzung der Parteien zusammenhängend wahrgenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Für die gerichtliche Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung genügt, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.12.1993 – VI ZR 221/92 -, NJW-RR 1994, 567, 568; grundlegend dazu BGH, Urteil vom 17.02.1970 – III ZR 139/67 -, BGHZ 53, 245 („Anastasia“); vgl. ferner BGH, Urteil vom 29.07.2021 – VI ZR 1118/20 -, NJW 2021, 3250, 3251).
Der Angriff war auch gegenwärtig, da er unmittelbar bevorstand. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ist der Kläger mit erhobenen Fäusten auf den Beklagten zugegangen, um ihn zu schlagen. Der Angriff des Klägers war rechtswidrig, da er ohne einen Rechtfertigungsgrund in ein fremdes Rechtsgut eingegriffen hat. Nach den getroffenen Feststellungen ging die körperliche Auseinandersetzung von dem Kläger aus. Ein Angriff auf ihn durch den Beklagten lag damit unter Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge nicht vor.
Der Einsatz des Holzstabs durch den Beklagten war auch erforderlich und erfolgte mit entsprechendem Verteidigungswillen. Welche Verteidigung erforderlich ist, richtet sich nach der objektiven Sachlage.
Soweit bisweilen die Ansicht vertreten wird, dass das Notwehrrecht im Falle des Einsatzes lebensgefährlicher Verteidigungsmittel (insbesondere Schusswaffen) gewisse Abstufungen (Erfordernis der Androhung des Einsatzes der Waffe usw.) erfährt (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 23.09.1975 – VI ZR 232/73 -, NJW 1976, 41, 42; Urteil vom 22.11.2000 – 3 StR 331/00 -, NJW 2001, 1075, 1076; Urteil vom 02.11.2011 – 2 StR 375/11 -, NStZ 2012, 272, 274; Urteil vom 13.09.2017 – 2 StR 188/17 -, NStZ 2018, 84, 85; Urteil vom 25.10.2017 – 2 StR 118/16 -, NStZ-RR 2018, 69, 70; Fischer, Strafgesetzbuch, 69. Aufl. 2022, § 32, Rdnr. 33 ff.; Perron/Eisele, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 32, Rdnr. 37; Beulke, Jura 1988, 641, 642), kann eine derartige Abstufung jedenfalls beim Einsatz eines Holzstabes zu Verteidigungszwecken nicht begründet werden. Soweit ein abgestuftes Notwehrrecht im Falle des Einsatzes der genannten Waffen befürwortet wird, wird es insbesondere mit dem hohen (häufig lebensbedrohlichen) Verletzungspotenzial beim Einsatz von Schusswaffen und Messern begründet. Konstruktions- und wirkungsbedingt richten sie gravierende körperliche Verletzungen an, sobald sie gegen einen anderen Menschen eingesetzt werden. Ein solches Gefahrenpotenzial ist bei einem Holzstab nicht zu erkennen. Zwar kann auch dieser bei der Auswahl entsprechender Trefferflächen und der entsprechenden Quantität an Schlägen massive Verletzungen hervorrufen, doch entspricht die Gefährlichkeit nicht der einer Schusswaffe oder eines Messers. Bei diesen Gegenständen führt in der Regel bereits die erste Betätigung zu massiven Verletzungen.
Eine Einschränkung des Notwehrrechts folgt auch nicht aus einer etwaigen Herbeiführung der Notwehrlage durch den Beklagten. Nach den Feststellungen des Landgerichts fand zwar vor der körperlichen Auseinandersetzung ein verbaler Streit des Klägers mit dem Beklagten statt, dessen genauer Wortlaut war jedoch nicht mehr festzustellen. Da eine etwaige Verursachung der Notwehrlage durch den Beklagten zu einer Einschränkung dessen Notwehrrechts führen könnte, oblag es hier dem Kläger, die entsprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen (vgl. Dennhardt; in: Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 63. Edition, Stand: 01.08.2022, § 227, Rdnr. 25; Repgen, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 227, Rdnr. 84). Ein solcher Beweis ist dem Kläger jedoch nicht gelungen.
Der Senat ist auch in diesem Zusammenhang gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, dass der Kläger nicht bereits bei dem Fahrmanöver des Beklagten verletzt wurde, woraus sich möglicherweise ein Anknüpfungspunkt für eine Verursachung der Notwehrlage hätte ergeben können.
Ein emotional aufgeladenes, aber seinem konkreten Inhalt nach nicht feststehendes Streitgespräch kann den Vorwurf der Herbeiführung einer Notwehrlage nicht begründen.
b. Ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 StGB besteht aus denselben Erwägungen nicht.
2. Das Landgericht hat der Widerklage in nicht zu beanstandender Weise überwiegend stattgegeben. Lediglich der im Wege der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
a. Der Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie auf einen Teil des geltend gemachten Verdienstausfallschadens.
Die rechte Schulter des Beklagten wurde in Folge der körperlichen Einwirkungen durch den Kläger verletzt. Die erforderliche haftungsbegründende Kausalität ist gegeben. Die Sachverständigengutachten bestätigen, dass das Erfordernis für eine zweite Operation aus der körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien am ….2018 resultierte. Der Kläger handelte rechtswidrig und hat die Rechtsgutsverletzung des Beklagten zu vertreten, da er vorsätzlich im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB handelte. Die auch insofern nicht zu beanstandenen Feststellungen des Landgerichts rechtfertigen die Annahme vorsätzlichen Handelns des Klägers.
Der Beklagte kann nach § 253 Abs. 2 BGB eine billige Entschädigung in Geld verlangen.
Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgelds sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falls, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei ist in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen; hier liegt das Schwergewicht. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13.10.1992 – VI ZR 201/91 -, NJW 1993, 781, 782 f.; Urteil vom 15.02.2022 – VI ZR 937/20 -, NJW 2022, 1953, 1954; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.03.2017 – 8 U 228/11 -, juris).
Das Landgericht hat sich mit allen maßgeblichen Umständen hinreichend auseinandergesetzt. Dabei hat es u. a. die Art der Verletzung, das vorsätzliche Handeln des Klägers sowie die bleibende mittelgradige Einschränkung bei der Ermessenentscheidung berücksichtigt. Die so ermittelte Höhe des Schmerzensgeldes ist nicht zu beanstanden.
Der Verdienstausfall des Beklagten ist nach § 252 BGB zu ersetzen (vgl. Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2022, § 249, Rdnr. 83 m. w. N.). Die durch das Landgericht errechnete Schadenshöhe ist zutreffend. Das Landgericht hat zu Recht zwischen den Monaten Dezember 2018 und Januar 2019 sowie dem darüber hinausgehenden Zeitraum differenziert. Im Hinblick auf die beiden genannten Monate besteht keine haftungsausfüllende Kausalität, da der Beklagte in diesem Zeitraum bedingt durch die erste unfallunabhängige Schulteroperation arbeitsunfähig war. Der Verdienstausfall in diesem Zeitraum beruht mithin nicht auf der streitgegenständlichen Auseinandersetzung und ist damit nicht zu erstatten.
Umstände, auf Grund derer sich der Beklagte nach § 254 BGB ein Mitverschulden anrechnen lassen müsste, sind nicht ersichtlich. Aus dem Umstand, dass sich der Beklagte in dem Wissen, erst kürzlich an der Schulter operiert worden zu sein, auf eine zunächst verbale Auseinandersetzung mit dem Kläger eingelassen hat, die später eskaliert ist, kann kein Verursachungsbeitrag hergeleitet werden, der die Annahme eines Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB rechtfertigt. Beruht der Schaden auf einer schlechten körperlichen Konstitution des Verletzten, muss er insoweit keine Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, wenn die besondere Gefahrenlage nicht vorhersehbar war (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22.09.1981 – VI ZR 144/79 -, NJW 1982, 168; Lorenz, in: Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 63. Edition, Stand: 01.08.2022, § 249, Rdnr. 25). Dass die sich zunächst auf die Parksituation beziehende Konversation der Parteien derartig eskalieren würde, war für den Beklagten nicht vorhersehbar. Im Übrigen gilt auch im vorliegenden Zusammenhang der Satz, dass der (mutmaßliche) Schädiger den Geschädigten so nehmen muss, wie er ist (vgl. etwa Senat, Teilurteil vom 19.08.2021 – 26 U 62/19 -, NJW 2021, 3729, 3732; Medicus, VersR 1981, 593, 602 f.). Der (mutmaßliche) Schädiger kann sich also nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte wegen einer entsprechenden Disposition besonders anfällig gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre der Betroffene gesund gewesen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10.07.2012 – VI ZR 127/11 -, NJW 2012, 2964; Senat, Teilurteil vom 19.08.2021 – 26 U 62/19 -, NJW 2021, 3729, 3732).
b. Der Beklagte hat, wie zutreffend vom Landgericht ausgeführt, ein Interesse an der Feststellung des in Ziffer 2 der Widerklage gestellten Antrages. Im Streitfall geht es nicht um reine Vermögensschäden, sondern um Schäden, die aus der vom Beklagten behaupteten Verletzung seiner körperlichen Unversehrtheit, eines absolut geschützten Rechtsguts im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, resultieren. Die Möglichkeit materieller Schäden reicht in einem solchen Fall für die Annahme eines Feststellungsinteresses mithin aus. Eine solche Möglichkeit besteht hier, wie den bezüglich des Verletzungsumfangs des Beklagten eingeholten Sachverständigengutachten eindeutig zu entnehmen ist.
c. Der Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Ausgleich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, allerdings nur in einem Umfang von € 887,03.
Erstattungsfähig sind gem. § 249 Abs. 1 BGB diejenigen Rechtsverfolgungskosten, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. etwa BGH, Urteil vom 09.04.2019 – VI ZR 89/18 -, NJW-RR 2019, 1187, 1190; Urteil vom 24.09.2020 – 26 U 69/19 -, NJW-RR 2021, 63, 64). Im Streitfall unterlag es keinem Zweifel, dass der Beklagte die konkrete anwaltliche Tätigkeit für erforderlich erachten durfte.
Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, welcher der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht.
Unter Berücksichtigung einer 1,3 -fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG und einer Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG von 20,00 Euro unter Hinzurechnung der Mehrwertsteuer folgt bei Zugrundelegung der sich aus Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 ergebenden Gebührentabelle bei einem Gegenstandswert bis € 10.000,00 eine einfache Gebühr von € 558,00. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist für die Vergütung das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Insofern hat das Landgericht noch zutreffend die Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung zu Grunde gelegt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach den Ausführungen des Beklagten in der Widerklage (Bl. 36 d. A.) außergerichtlich zunächst nur Schmerzensgeld – und zwar in einer Höhe von € 15.311,35 – geltend gemacht wurden, die im Urteil in einem Umfang von € 10.000,00 zuerkannt worden sind, beläuft sich der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten auf € 887,03 (1,3 x € 558,00 + € 20,00 + MwSt.).
d. Der Zinsausspruch für den Zeitraum seit dem 28. Mai 2019 folgt aus den §§ 280, 286 Abs. 2 BGB und der Zinsausspruch für den zweiten Zeitraum aus § 291 BGB.
3. Die Kostenentscheidung beruht für den ersten Rechtszug auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und für den zweiten Rechtszug auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
4. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gründet sich auf die §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Sie wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Sache.
Die Zulassung der Revision ist im Streitfall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZR 75/02 -, NJW 2002, 2295; Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02 -, NJW 2003, 1943, 1945; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.10.2013 – 15 U 127/13 -, juris). Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im Streitfall nicht statt.