BayObLG – Az.: 202 StRR 6/23 – Beschluss vom 02.02.2023
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 22.09.2022 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
1. soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist (Fall II. 2a der Gründe des Berufungsurteils),
2. im Gesamtstrafenausspruch.
II. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Coburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 16.12.2021 wegen gefährlicher Körperverletzung und „vorsätzlichen unerlaubten“ Anbaus von Betäubungsmitteln zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die das Landgericht mit Urteil vom 22.09.2022 als unbegründet verworfen hat.
II.
Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Während der Schuldspruch und der Strafausspruch zum Fall II. 2. b) der Gründe des Berufungsurteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, hält die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 2. a) der Gründe des Berufungsurteils) der sachlich-rechtlichen Nachprüfung aufgrund durchgreifender Darstellungsmängel nicht stand.
a) Zwar kann ein mit dem beschuhten Fuß geführter Tritt gegen den Kopf des Opfers eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB im Einzelfall rechtfertigen, allerdings muss sich die gesteigerte Gefährlichkeit der Verletzungshandlung gerade aus dem Einsatz des Schuhs ergeben (vgl. nur BGH, Urt. v. 28.08.2019 – 5 StR 298/19, bei juris m.w.N.). Nach den Feststellungen der Berufungskammer sind diese Voraussetzungen aber schon deshalb nicht erfüllt, weil im Rahmen der Sachverhaltsschilderung lediglich ausgeführt wird, dass der Angeklagte nach vorangegangenen Faustschlägen gegen das dadurch zu Boden gegangene Opfer mit seinen „Sportschuhen“ zumindest einmal mit großer Wucht „in Richtung des Kopfes“ des Geschädigten getreten habe, um diesen zu verletzen. Dass der Kopf des Opfers durch diesen Tritt auch tatsächlich getroffen wurde, lässt sich den Feststellungen zum Tatgeschehen gerade nicht entnehmen. Zwar geht das Urteil im Rahmen der rechtlichen Würdigung davon aus, dass das Opfer gegen den Kopf getreten worden sei, löst den Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen indes nicht auf.
b) Aus den gleichen Gründen wird die Einschätzung des Berufungsgerichts, der Tritt stelle auch eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB dar, ebenfalls von den Feststellungen nicht getragen. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass selbst in dem Fall, dass der vom Angeklagten ausgeführte Tritt den Kopf des Opfers getroffen haben sollte, auch eine lebensgefährdende Behandlung im Sinne der genannten Strafvorschrift nicht belegt ist. Denn nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist hierfür erforderlich, dass die Einwirkung durch den Täter nach den konkreten Umständen des Einzelfalls generell geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden (vgl. nur BGH, Beschl. v. 14.09.2021 – 4 StR 21/21 = RS 140, 325 (2021) = VRS 140, Nr 66 = StV 2022, 24 = JZ 2022, 364 = BGHR StGB § 224 Abs 1 Nr 5 Lebensgefährdung 4 = BGHR StGB § 315b Abs 1 Nr 3 Eingriff 9; 01.06.2021 – 6 StR 113/21 = NStZ-RR 2021, 244 = StV 2022, 165; 10.02.2021 – 1 StR 478/20 = NStZ-RR 2021, 211 = StV 2022, 166). Tritte gegen den Kopf können eine das Leben gefährdende Behandlung nur unter der Voraussetzung darstellen, dass sie nach Art der konkreten Ausführung der Verletzungshandlungen zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können (BGH, Urt. v. 22.01.2015 – 3 StR 301/14, bei juris m.w.N.). Die bloß theoretische Möglichkeit einer Lebensgefährdung, von der die Berufungskammer im Ergebnis ausgeht, genügt hierfür gerade nicht.
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen gefährlicher Körperverletzung entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
III.
Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler ist das Urteil des Landgerichts mit den zugrunde liegenden Feststellungen in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 353 StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Coburg zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).