Einspruch gegen Strafbefehl per E-Mail-Anhang: Akzeptabel oder nicht?
Die digitale Kommunikation hat die Art und Weise, wie wir interagieren, einschließlich des Umgangs mit rechtlichen Prozessen, drastisch verändert. Die Frage, ob diese Veränderung den Bereich des Strafrechts und insbesondere das Einlegen von Einsprüchen gegen Strafbefehle erreicht hat, bildet den Kern eines Falles, der kürzlich vom Landgericht Aachen behandelt wurde. Im Mittelpunkt des Falles stand eine Angeklagte, die gegen einen gegen sie gerichteten Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte – nicht auf dem herkömmlichen Postweg oder persönlich, sondern durch das Senden einer Bilddatei per E-Mail. Was anfangs als einfacher Einspruch begann, verwandelte sich in einen juristischen Schlagabtausch über die Gültigkeit dieser Methode.
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Übersicht
Digitale Zeitalter trifft auf Strafrecht
Der Fall begann, als das Amtsgericht Aachen einen Strafbefehl gegen die Angeklagte wegen Diebstahls erließ. Die Angeklagte reagierte darauf, indem sie telefonisch ihren Wunsch bekundete, Einspruch einzulegen, und anschließend eine Bilddatei per E-Mail an das Gericht schickte, die ein unterzeichnetes Einspruchsschreiben enthielt. Dieses wurde vom Gericht ausgedruckt und zur Akte genommen.
Ablehnung des Einspruchs und anschließende Beschwerde
Trotz des Einspruchs der Angeklagten lehnte das Amtsgericht diesen ab mit der Begründung, dass ein formgerechter Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist nicht eingegangen sei. Daraufhin legte der Verteidiger der Angeklagten sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.
Rechtsprechung des Landgerichts
Das Landgericht Aachen hatte nun die schwierige Aufgabe, das Verfahren zu überprüfen. Es stellte fest, dass die sofortige Beschwerde sowohl zulässig als auch fristgerecht war. Darüber hinaus hatte die Beschwerde auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht befand, dass der Einspruch der Angeklagten form- und fristgerecht eingegangen war, trotz seiner digitalen Natur.
Neuland für das Strafrecht
In seiner Entscheidung nahm das Landgericht Bezug auf eine vorherige Entscheidung des LG Hechingen, in der die Einlegung eines Rechtsbehelfs per Bilddatei im Anhang einer E-Mail als ausreichend für das Schriftformerfordernis der Strafprozessordnung angesehen wurde. Das bedeutete, dass die Methode der Angeklagten, ihren Einspruch einzureichen, vom Landgericht als gültig erachtet wurde.
Das vorliegende Urteil
LG Aachen – Az.: 66 Qs 32/21 – Beschluss vom 06.09.2021
Auf die sofortige Beschwerde der Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 07.07.2021 – Az. 440 Cs 172/21 – aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Aachen erließ am 19.04.2021 Strafbefehl gegen die Angeklagte, in dem es gegen diese eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 EUR wegen Diebstahls festsetzte. Die Zustellung des Strafbefehls erfolgte ausweislich der Zustellungsurkunde vom selben Tag am 21.04.2021.
Am 05.05.2021 teilte die Angeklagte telefonisch gegenüber der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit, dass sie Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen wolle, wozu sie fristwahrend ein Schreiben nachreichen werde. Mit E-Mail vom selben Tag übersandte die Angeklagte sodann u.a. eine Bilddatei, die ein unterzeichnetes Einspruchsschreiben enthielt. Dieses Schreiben wurde noch am 05.05.2021 durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ausgedruckt und zur Akte genommen.
Mit Beschluss vom 07.07.2021, der Angeklagten zugestellt am 20.07.2021 hat das Amtsgericht Aachen den Einspruch des Angeklagten mit der Begründung verworfen, dass ein formgerechter Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist nicht eingegangen sei.
Der Verteidiger der Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 29.07.2021, eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 07.07.2021 eingelegt und diese näher begründet.
II.
1.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§§ 411 Abs. 1 S. 1, 46 Abs. 3 StPO) und fristgerecht eingelegt worden (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO).
2.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der Annahme in der angefochtenen Entscheidung ist der Einspruch am 05.05.2021 form- und fristgerecht durch die Angeklagte eingelegt worden im Sinne des § 410 Abs. 1 S. 1 StPO. Denn innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 410 Abs. 1 S. 1 StPO ging der Einspruch der Angeklagten in schriftlicher Form beim Amtsgericht Aachen ein. Die Kammer schließt sich insoweit der Auffassung des LG Hechingen (Beschluss v. 22.06.2020, 3 Qs 45/20, zitiert nach juris) an und erachtet bei der Einlegung eines Rechtsbehelfs per Bilddatei im Anhang einer E-Mail das Schriftformerfordernis der StPO als erfüllt, sofern diesem Dokument in einer jeden Zweifel ausschließender Weise der Urheber und dessen Willen entnommen werden kann, was vorliegend zu bejahen ist. Denn unter Berücksichtigung des vorangegangenen Telefonats, der mit der E-Mail gleichfalls übersandten persönlichen Schriftstücke (Lohn- und Gehaltsabrechnung für April 2021 und Bescheid des jobcenters vom 24.02.2021) sowie der unterzeichneten Mitteilung der Einspruchseinlegung bestehen keine Zweifel daran, dass die Angeklagte selbst durch Übersendung der E-Mail vom 05.05.2021 Einspruch gegen den Strafbefehl vom 19.04.2021 einlegen wollte. Die Frage, ob für eine form- und fristgerechte Einlegung eines Rechtsbehelf durch Übersendung einer Bilddatei im Anhang einer E-Mail die Bilddatei innerhalb der Frist ausgedruckt worden sein muss (vgl. hierzu LG Gießen, NStZ-RR 2015, 344 m.w.N.), kann offenbleiben, da eben ein solcher Ausdruck am 05.05.2021 innerhalb der Einspruchsfrist erfolgte.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.