Ein Jagdfall, in dem die Frage der Rechtmäßigkeit einer Durchsuchungsanordnung erörtert wird
Ein Fall, der die Aufmerksamkeit der juristischen Welt erregt hat, beschäftigt sich mit dem komplizierten Thema der Jagdwilderei und die rechtlichen Herausforderungen, die sie mit sich bringt. Zentrales Anliegen des Falles war die Untersuchung der Voraussetzungen für die Anordnung einer persönlichen Durchsuchung und den damit verbundenen Anfangsverdacht.
Im Herzen des Harzgeroder Waldgebiets, genauer gesagt im Landschaftsschutzgebiet Hänichen, entdeckten Zeugen verdächtige Aktivitäten, die den Verdacht auf Wilderei aufkommen ließen. Die verdächtigen Personen waren anhand ihrer jagdlichen Kleidung und eines weißen Fahrzeugs mit einem bestimmten amtlichen Kennzeichen identifizierbar. Die Ereignisse eskalierten, als mehrere Schüsse im Waldgebiet abgegeben wurden. Die Identität der Personen und ihre Beziehung zur Wilderei blieben jedoch ungewiss.
Die Ausgangssituation wurde noch komplexer, als es zur Durchsuchung des Beschuldigten kam, der als Fahrzeughalter des in Frage stehenden Fahrzeugs identifiziert wurde. Die Durchsuchung wurde durch das Amtsgericht Halberstadt angeordnet, aber die Rechtmäßigkeit dieses Durchsuchungsbeschlusses wurde von dem Beschuldigten angefochten.
Das vorliegende Urteil
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Übersicht
Der Kampf um die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung
In einem aufsehenerregenden Wendepunkt der juristischen Auseinandersetzung stellte die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg fest, dass die Durchsuchung des Beschuldigten rechtswidrig war. Dieser Beschluss führte zur Erstattung der Kosten des Beschwerdeverfahrens und der notwendigen Auslagen des Beschuldigten durch die Landeskasse.
Die Begründung für diese Entscheidung stützte sich auf die Tatsache, dass der Beschuldigte weder in Polis noch in Inpol erfasst war und auch keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Die Beweise waren zu diesem Zeitpunkt lediglich auf Indizien und Zeugenaussagen gestützt, ohne konkrete Anhaltspunkte, dass der Beschuldigte tatsächlich an der Wilderei beteiligt war.
Die Rolle der Zeugen im Verfahren
Ein wesentlicher Faktor, der zur Klärung dieses Falles beigetragen hat, waren die Zeugenaussagen. Mehrere Zeugen, einschließlich eines Bereichsleiters für Betriebswirtschaft, Finanzen und Jagd, haben verdächtige Aktivitäten im Waldgebiet gemeldet und Identifikationsmerkmale der mutmaßlichen Täter angegeben.
Trotz dieser Aussagen konnte nicht festgestellt werden, ob auf Wild geschossen wurde oder ob Wild tatsächlich erlegt wurde. Damit fehlte es an einem konkreten Nachweis für die Wilderei. Es bleibt unklar, ob die Zeugenaussagen ausreichend waren, um einen Anfangsverdacht und eine rechtliche Grundlage für die Durchsuchungsanordnung zu begründen.
Die Auswirkungen auf zukünftige Fälle
Dieser Fall ist ein Beispiel dafür, wie kompliziert die Anforderungen für die Anordnung von Durchsuchungen sein können. Die Entscheidung des Landgerichts Magdeburg macht deutlich, dass ein Anfangsverdacht, der auf eher unsicheren Zeugenaussagen beruht, nicht ausreicht, um eine Durchsuchung rechtlich zu rechtfertigen. Dieses Urteil könnte erhebliche Auswirkungen auf zukünftige Fälle haben und dazu beitragen, die Grenzen der rechtlichen Befugnisse und die Rechte der Betroffenen in ähnlichen Situationen zu klären.
LG Magdeburg – Az.: 25 Qs 35/23 – Beschluss vom 04.05.2023
In dem Ermittlungsverfahren wegen Jagdwilderei hat die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg durch die unterzeichnenden Richterinnen am 04. Mai 2023 beschlossen:
Auf den Antrag des Beschuldigten vom 1. März 2023 wird festgestellt, dass der Erlass des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Halberstadt vom 4. November 2022 — Az.: 3 Gs 812 Js 84388/22 (652/22) — rechtswidrig gewesen ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten werden insoweit der Landeskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Nach Aktenlage erstattete der Mitarbeiter des Landesforstbetriebes Ostharz schriftlich Anzeige beim Polizeirevier Harz am 7. Oktober 2022 hinsichtlich eines Verdachts der Wilderei in Harzgerode im dortigen Waldgebiet (Landschaftsschutzgebiet) Hänichen. Der Anzeigenerstatter teilte mit. dass zum Tatzeitpunkt, am 7. Oktober 2022, ein weißer Pkw pp. mit dem amtlichen Kennzeichen: pp. das Waldgebiet des Hänichen befahren habe. Im Pkw hätten sich zwei männliche Personen mit jagdlicher Bekleidung befunden. In der darauffolgenden Zeit seien mehrere Schüsse im Waldgebiet des Hänichen abgegeben worden, wobei jedoch nicht gesagt werden könne, ob dabei auf Wild geschossen oder Wild ggfs. erlegt worden sei.
Am 10. Oktober 2022 erfolgte eine Fahndungsüberprüfung des Fahrzeughalters des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen: pp., des Beschuldigten und Beschwerdeführers pp., welche ergab, dass dieser weder im Polis noch im Inpol erfasst sei. Einer Überprüfung der Daten des Einwohnermeldeamtes habe ergeben. dass dieser keine waffenrechtliche Erlaubnis besitze.
Die Akte enthält weiterhin die schriftliche Anzeige des Bereichsleiters Betriebswirtschaft/Finanzen und Jagd, pp., in der mitgeteilt wird. dass sich laut Zeugenaussage in dem Fahrzeug zwei Personen. etwa 30 Jahre alt, mit jagdlicher Kleidung befunden hätten. Als diese bemerkten hätten, dass sie beobachtet worden seien, hätten sie das Licht und den Motor des Fahrzeugs ausgeschaltet. An verschiedenen Orten des Waldgebietes seien mehrere Schüsse aus dem Fahrzeug heraus abgegeben worden. Gegen 23:30 Uhr sei das Fahrzeug von einem weiteren Zeugen nochmals im Bereich des Hänichen beobachtet worden. Die Meldung des Vorfalls sei durch den Zeugen pp. erfolgt.
Mit einer weiteren E-Mail vom 11. Oktober 2022 teilte der Anzeigenerstatter pp. mit, dass er noch einen Kontakt zu einem anderen Zeugen, nämlich einem pp. , ermittelt habe und teilte dessen Telefonnummer mit. Ein Telefonat des Polizeibeamten pp. am 19. Oktober 2022 mit dem Zeugen pp. ergab, dass dieser von seiner Schwester am 7. Oktober 2022 gehört habe, dass sie zwei männliche Personen in einem weißen Pkw gesehen habe, welcher eventuell das Kennzeichen „pp.“. weiteres nicht bekannt, gehabt haben könnte. Zumindest einer der Männer habe einen Schuss abgegeben, wobei nicht gesagt werden könne, ob es sich um eine Schreckschusswaffe oder „scharfe“ Waffe gehandelt habe. Die Männer seien dann nach dem Vorfall in Richtung Wald gefahren. Bei der Schwester handele es sich um pp..
Basierend auf dieser Aktenlage erließ das Amtsgericht Halberstadt am 4. November 2022 einen Durchsuchungsbeschluss für die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten pp. mit allen Nebenräumen. eventuell vorhandener Geschäftsräume und sonstigen umfriedeten Besitztums in der pp., einschließlich ihm gehörender Sachen und Kraftfahrzeuge. Es sei aufgrund von Tatsachen zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln. nämlich Schusswaffen und Munition sowie Teilen von gewildertem Wild (Fleisch, Trophäen) und Hinweisen auf den Handel mit gewildertem Wild, führen könne, auch soweit diese auf entsprechenden Beweismitteln als Daten auf PC oder auf anderen Datenträgern, wie Disketten, DVD’s. CD-ROM’s oder USB-Sticks enthalten seien. Der Verdacht beruhe auf den Beobachtungen des Zeugen Niklas Gießbach.
Am 5. Dezember 2022 erfolgte die angeordnete Durchsuchung.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. März 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tage, legte der Beschuldigte Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss mit dem Antrag ein festzustellen, dass der Erlass des Beschlusses und damit die Durchsuchung rechtswidrig gewesen seien. Begründet wird dies damit, dass keine eigenverantwortliche Prüfung des Gerichts im Hinblick auf die erforderlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses erfolgt sei, insbesondere habe es keine Vernehmung des Tatzeugen pp. gegeben, aus der ersichtlich gewesen wäre, ob dieser Zeuge eigene Angaben oder Angaben Dritter bekundet habe.
Das Amtsgericht Halberstadt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist zulässig und aufgrund der bereits durchgeführten Durchsuchung als Antrag auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der angeordneten Durchsuchung zu bescheiden. Aufgrund der Intensität des Grundrechtseingriffs besteht ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Dieser Antrag ist auch begründet.
Voraussetzung für die Anordnung der Durchsuchung gemäß § 102 StPO ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen und nicht nur straflos vorbereitet worden ist. Hierfür müssen zumindest tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Darüber hinaus bedarf es zur Anordnung der Durchsuchung auch der aufgrund kriminalistischer Erfahrung begründeten Aussicht, dass der Zweck der Durchsuchung, das heißt die Auffindung von Beweismitteln, erreichbar ist. Die Durchsuchung muss zudem, unter Berücksichtigung der Schwere der konkreten Straftat, zur Stärke des Tatverdachtes und zur Stärke des Auffindeverdachtes verhältnismäßig sein. Diese Voraussetzungen sind anhand der Aktenlage, die dem entscheidenden Richter zum Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung vorgelegen haben, zu beurteilen.
Danach war die angeordnete Durchsuchung unter Berücksichtigung der dem Richter vorliegenden Aktenlage jedenfalls nicht verhältnismäßig. Zwar begründeten die mit der Anzeige mitgeteilten Wahrnehmungen hinsichtlich von Schüssen im Landschaftsschutzgebiet einen Anfangsverdacht hinsichtlich einer möglichen Jagdwilderei, jedoch ist aufgrund der Mitteilungen bzw. Strafanzeigen des pp., der jedenfalls nicht selber die Beobachtungen tätigte. sondern die Mitteilungen von Mitarbeitern wiedergab. unklar, inwieweit dem beschriebenen Fahrzeug. dessen Halter der Beschuldigte nach Aktenlage ist. und den beobachteten männlichen Personen in jagdlicher Kleidung überhaupt die Schussabgabe zuzuordnen ist. Es erfolgte keine Vernehmung von unmittelbaren Augen- und Ohrenzeugen. deren Beobachtungen auch im Hinblick auf bewusste oder unbewusste Rückschlüsse hinterfragt worden wären. Insofern wurde weder der Zeugen pp. im Hinblick auf die näheren Umstände seiner Beobachtungen vernommen noch die Schwester des benannten Zeugen pp..
Unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs der angeordneten Durchsuchung und unter Berücksichtigung der sehr vagen Anhaltspunkte dafür, dass der Pkw der beiden beobachteten männlichen Personen überhaupt mit der Schussabgabe im Landschaftsschutzgebiet in Verbindung gebracht werden konnte. da eine Vernehmung mit der Möglichkeit der Hinterfragung der Beobachtungen nicht erfolgt ist. war der Durchsuchungsbeschluss auf dieser Grundlage rechtswidrig. Zumindest hätte es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Tatschwere. den Grad des Tatverdachtes sowie des Auffindeverdachtes erfordert. die unmittelbaren Augenzeugen pp. zu den genauen Umständen ihrer Beobachtung vor Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses zu vernehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO analog.