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Berechtigte Kritik – drastisch und unhöflich geäußert – keine strafbare Beleidigung

Freispruch bei scharfer Kritik: Keine strafbare Beleidigung trotz drastischer Ausdrücke

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem Landgericht Kaiserslautern verhandelt wurde, ging es um die Frage, ob eine drastische und unhöfliche Kritik als strafbare Beleidigung angesehen werden kann. Der Angeklagte, ein Geschäftsführer, hatte einen Richter ohne rechtfertigenden Anlass als „faul“ bezeichnet und seine Handlungsweisen als „von krimineller Natur“ bezeichnet, um den Richter bewusst in seiner Ehre herabzuwürdigen. Der Präsident des Landgerichts Kaiserslautern stellte daraufhin einen Strafantrag.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ns 6310 Js 22225/16 >>>

Die Berufung und der Freispruch

Gegen das Urteil legte der Angeklagte form- und fristgerecht Rechtsmittel ein, die als Berufung bezeichnet wurden. Die Berufung war erfolgreich und führte zum Freispruch des Angeklagten aus rechtlichen Gründen. Der Angeklagte hatte als Geschäftsführer der Gläubigerin A. einen Insolvenzantrag gegen die Schuldnerin B. beim zuständigen Amtsgericht Kaiserslautern gestellt. Der Gerichtsvollzieher konnte jedoch keine gütliche Einigung erzielen.

Die Beweisaufnahme und die Einlassung des Angeklagten

Die getroffenen Feststellungen beruhten auf der Einlassung des Angeklagten und den erhobenen Beweisen. Der Angeklagte gab an, er habe den Richter nicht als Person beleidigen oder verunglimpfen wollen. Er habe sich vielmehr über den Zeugen B. geärgert. Der Angeklagte erklärte sich bereit, den Zeugen nur noch als Herrn W. oder Herrn Insolvenzrichter zu bezeichnen.

Die Beurteilung der Äußerungen und der Freispruch

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Äußerungen des Angeklagten nicht als Beleidigung im Sinne des § 185 StGB zu werten waren. Der Gesetzgeber hat in § 185 StGB bestimmt, dass „Die Beleidigung … bestraft“ wird. Was eine Beleidigung ist, wird weder in § 185 StGB noch in einer anderen Norm des StGB definiert. Die Rechtsprechung hat dazu Anwendungsgrundsätze entwickelt. Eine Äußerung nimmt den Charakter einer Schmähung erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

Die Meinungsfreiheit und das Recht auf Kritik

Der Angeklagte hatte sich an den Präsidenten des Landgerichts gewandt und seine Kritik auf ordnungsgemäßem Weg geäußert. Sein Werturteil „Faul“ hatte aus seiner Sicht das objektive Kriterium, dass der Insolvenzrichter durch seine untypische Verfahrenserledigung durch Hinterlegung eigene Arbeitszeit gespart hatte. Die Kammer stellte fest, dass seine schriftlichen Ausführungen gegenüber dem Landgerichtspräsidenten keine Schmähung, sondern eine im Sachzusammenhang stehende berechtigte Kritik darstellten.


Das vorliegende Urteil

LG Kaiserslautern – Az.: 3 Ns 6310 Js 22225/16 – Urteil vom 26.05.2020

1. Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Kaiserslautern vom 10. 10.2018 aufgehoben und der Angeklagte freigesprochen.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.

Angewandte Vorschrift: § 267 Abs. 5 StPO

Gründe

I.

Das Amtsgericht – Strafrichter – Kaiserslautern hat den Angeklagten mit Urteil vom 10.10.2018 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20,00 € verurteilt. Dem Strafbefehl vom 26.07.2017, gegen den der Angeklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, folgend hat das Amtsgericht festgestellt:

„Mit einem am 09.11.2016 beim Landgericht Kaiserslautern eingegangenen Schreiben bezeichnete der Angeklagte den geschädigten Richter am Amtsgericht W. ohne rechtfertigenden Anlass als „faul“ und bezeichnete seine Handlungsweisen als „von krimineller Natur“, um hierdurch den betreffenden Richter bewusst in seiner Ehre herabzuwürdigen.

Mit Schreiben vom 02.12.2016 stellte der Präsident des Landgerichts Kaiserslautern Strafantrag.“

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Rechtsmittel eingelegt und dieses sodann als Berufung bezeichnet.

Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zum Freispruch des Angeklagten aus rechtlichen Gründen.

II.

Die Berufungshauptverhandlung hat zu folgenden Feststellungen geführt:

1. Zur Person:

Der Angeklagte ist von Beruf Diplom-Ingenieur und gemeinsam mit seiner Ehefrau Geschäftsführer des mittelständigen kunststoffverarbeitenden Produktionsbetriebes und Handelsunternehmens A. in … N. Das Ehepaar hat zwei erwachsene Kinder und lebt in wirtschaftlich geordneten Verhältnissen. Der Angeklagte hat keine gesundheitlichen Einschränkungen.

2.Vorstrafen

Der Angeklagte wurde ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges vom 28.01.2020 im Jahr 2015 zweimal (üble Nachrede und Bedrohung, jeweils begangen im Jahr 2014, Rechtskraft beider Urteile erst 2017) zu Geldstrafen (70 und 60 Tagessätze) verurteilt. Die Geldstrafen sind bezahlt.

Beide Verurteilungen betrafen Auseinandersetzungen des Angeklagten mit der Justiz:

In einem (nach teilweise zunächst erfolgreicher Revision zweiten) Berufungsverfahren wurden dazu vom Landgericht Bückeburg Az 507 Js 9002/13 am 28.12.2016 folgende Feststellungen getroffen und als Bedrohung gewertet:

Der Angeklagte schrieb im Strafantrags – Beschwerdeverfahren am 28.1.2014 an Oberstaatsanwalt R. in K. „Wenn sie <Anm.: Kleinschreibung wie im Urteil> Anhänger dieser Rechtsauffassung sind, kann es passieren, dass sie in einem Jahr tot sind und ich im Gefängnis sitze.“

3. Zu den Tatvorwürfen:

Der Angeklagte hat als Geschäftsführer der Gläubigerin A. am 27.04.2016 Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht Kaiserslautern gegen die Schuldnerin B., K. gestellt.

Der zugrundeliegende Titel ist ein Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 22.04.2015 über 1.563,- € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 104 Abs.1 S.2 ZPO) und Kosten (§ 788 Abs.1 S.1, 2.Hs ZPO). Er resultiert aus einem von der A. gewonnenen Abmahnprozess, den die B. gegen sie angestrengt und verloren hatte. Die Vollstreckung im Auftrag der Gläubigerin durch den Gerichtsvollzieher (§ 753 ZPO insbesondere Sachpfändung) war vollständig erfolglos (0,- € Vollstreckungserlös) geblieben und bot wegen fehlender Kooperationsbereitschaft des Geschäftsführers der B. (des Zeugen B.) keine Ansätze für eine gütliche Einigung ( 34 GVGA; 80215 ZPO). Auch die Vermögensauskunft nach § 802 c ff. ZPO wurde vom Zeugen B. als Geschäftsführer der B. verweigert, so dass am 28.6.20 16 Erzwingungshaftbefehl antragsgemäß erlassen wurde. Diesen Haftbefehl stellte der Zeuge W., der dafür unabhängig vom Insolvenzrichterdezernat als Vollstreckungsrichter (§ 764 ZPO, 20 Abs. 1 Nr.17, 4 Abs.2 RPflG) zuständig war, aus.

Als zuständiger Insolvenzrichter stellte der Zeuge W. den Insolvenzantrag des Angeklagten vom 27.4.2016 der B. mit Belehrung und Fragebogenformular zu gesellschaftsrechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zur schriftlichen Stellungnahme zu.

Statt die verlangte schriftliche Stellungnahme abzugeben erschien ohne Voranmeldung am 14.07.2016 für die Schuldnerin deren Geschäftsführer (der von der Berufungskammer als Zeuge gehörte) P. B. W. und B. kamen unter nicht mehr näher aufklärbaren Umständen überein, dass ein Betrag von 623,68 € bei der Hinterlegungsstelle ohne Verzicht der B. auf die Rücknahme und mit den Empfangsberechtigten B. sowie A. erfolgt. Die Herkunft des Geldes wurde nicht aufgeklärt. Noch am selben Tag und ohne der Insolvenzantragstellerin rechtliches Gehör zu gewähren, wies der Insolvenzrichter W. mit Beschluss vom 14.07.2016 den Insolvenzantrag der A. kostenpflichtig zurück.

Nach erfolglosem Beschwerdeverfahren hat sich der Angeklagte mit Dienstaufsichtsbeschwerde vom 05. 11.2016 an den Präsidenten des Landgerichts Kaiserslautern, den schon im Strafbefehl benannten, aber erstinstanzlich nicht geladenen, Zeugen J., gewandt. Der Angeklagte hat dabei u.a. die Formulierungen ‚Faul und „ … die Handlungsweisen des sogenannten Richters W. „von krimineller Natura … bezeichnet. Zugleich hat er ihn u.a. mit der Formulierung „Sie sind der Präsident und stehen für die ordnungsgemäße Anwendung der geltenden Gesetze! Wie viele Jahre sollen wir noch warten bis aus dem Hort der Schande endlich einmal ein Titel vollstreckt wird?“ zur Tätigkeit aufgefordert.

III.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten sowie des ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls erhobenen Beweisen:

1.

Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, er habe den Richter am Amtsgericht W. nicht als Person beleidigen oder verunglimpfen wollen. Er habe sich vielmehr über den Zeugen B. geärgert und sei daran verzweifelt, dass es so aussah, als käme dieser mit seinen Methoden im Vollstreckungsverfahren um die Kostenerstattung durch. Der Angeklagte hat eingeräumt, dass er auch aus anderen schlechten Erfahrungen mit der Justiz dieser kritisch gegenüberstünde und drastische Worte benutzen müsse, um überhaupt Gehör zu finden.

Zur Auslegung seiner Formulierungen „ Faul und „ … die Handlungsweisen… meinte er, diese seien selbsterklärend und eben nicht ehrverletzend gegen die Person W. gerichtet gewesen. Gleiches gelte für die weiteren Ausführungen in seinen Schreiben. Zu der Schreibweise W. statt W. gab er keine konkrete Erklärung ab, bot aber versöhnlich bzw. einsichtig an, den Zeugen nur noch als Herrn W. oder Herrn Insolvenzrichter bezeichnen zu können.

Den Ablauf des Vollstreckungs- und Insolvenzantragsverfahrens – bis auf die Geschehnisse vom 14.7.2016 an denen er nicht beteiligt war – sowie das Dienstaufsichtsbeschwerdeverfahren hat der Angeklagte in Übereinstimmung mit den Angaben der Zeugen J., B. und W. geschildert.

2.

a)

Die Aussage des Zeugen J. war wenig ergiebig. Er hat sich darauf zurückgezogen, dass ihn Formulierungen in den Eingaben des Angeklagten gestört hätten und er deshalb die Staatsanwaltschaft um Überprüfung ersucht habe. Auf Vorhalt seines Strafantrages im Schreiben vom 02.12.2016 hat er erklärt, er habe damit lediglich den Weg für die Staatsanwaltschaft freimachen wollen. Unter dem Gesichtspunkt der Dienstaufsicht habe er sich zu einer inhaltlichen Überprüfung des Insolvenzverfahrens nicht für berechtigt angesehen.

b)

Der Zeuge B. hat ausgeführt, er habe sich zunächst über den Angeklagten geärgert und sei später über die Gerichtspost noch ärgerlicher gewesen. Deshalb habe er den Insolvenzrichter aufgesucht und auf dessen Anraten den Betrag von genau 623,28 € hinterlegt. Zur Herkunft des Bargeldes konnte er keine zuverlässigen Angaben machen. So habe er noch am selben Tag erreicht, dass der Insolvenzantrag zurückgewiesen wird. Dies sei ihm wichtig gewesen.

Ob der Insolvenzrichter ihn zur Hinterlegungsstelle begleitet hat, vermochte er nicht mehr sicher zu sagen. Sicher war er sich jedoch, dass die Initiative zur Hinterlegung vom Insolvenzrichter kam. Darauf hingewiesen, dass diese Hinterlegung keine Befriedigungswirkung haben konnte und damit die Vollstreckung seitens der A. gegen die B. hätte fortgesetzt werden können meinte der Zeuge, das habe er so nicht erklärt bekommen und „das sei ja dann blöd“. Diese Angaben zur fehlenden Kenntnis über die Rechtsfolgen der Hinterlegung sind der Schilderung nach für die Kammer glaubhaft. Zumal der Zeuge B. auch die Konsequenz gezogen und auf Frage des Strafkammervorsitzenden die Rechte an dem hinterlegten Geld zugunsten der Gläubigerin A. abgetreten hat.

c)

Der Zeuge W. hat dem gegenüber in Abrede gestellt, dass die Initiative zur Hinterlegung von ihm kam. Er wusste aber nicht mehr, ob die Idee dazu vom Angeklagten, seinem Bodyguard („ein Osteuropäer 2 Meter hoch und 1,5 Meter breit“), von den begleitenden Wachtmeistern oder den Geschäftsstellenmitarbeiterinnen gekommen war. Die Hinterlegung halte er trotz eines LS. § 372 BGB fehlenden Hinterlegungsgrundes und trotz des nicht erfolgten Rücknahmeverzichts (§§ 378, 376, 379 BGB) der Insolvenzschuldnerin für geeignet, einen Insolvenzantrag wie mit Beschluss vom 14.7.2016 erfolgt zu erledigen. Es sei jedoch eine einmalige Entscheidung gewesen. Am 14.7.2016 sei ihm sein Haftbefehl vom 28.6.2016 mit zu diesem Zeitpunkt Rest-Hauptforderung 720,72 € zuzüglich Zinsen und Kosten nicht präsent gewesen. Die lT-Ausstattung habe keinen Datenabgleich zwischen seinen beiden Referaten vorgesehen.

Auf fehlende §§ und Zitate aus Rechtsprechung oder Literatur sowie die nicht § 14 Abs.3 InsO entsprechende Kostenentscheidung im Beschluss angesprochen wollte der Zeuge keine Rechtsdiskussion führen und meinte, die Kammer könne wenn sie da anderer Meinung sei, ein Rechtsgutachten einholen.

Zum fehlenden rechtlichen Gehör bezweifelte der Zeuge W. zunächst, dass das Datum auf dem Hinterlegungsschein 14.07.2016 richtig war. Nach Einsicht in die mitgebrachte Insolvenzakte vermochte er aber kein Protokoll und keinen Vermerk über die Vorsprache des B. zu präsentieren.

Im übrigen war der Zeuge W. gut vorbereitet und konnte mit Hilfe der mitgebrachten Insolvenzakten das festgestellte Datenmaterial zuverlässig referieren und belegen.

3.

Die bei den Feststellungen II. angeführten Anträge, Beschlüsse und sonstigen Schriftstücke wurden als Vernehmungsbehelfe bei den ausführlichen Einlassungen des Angeklagten an beiden Hauptverhandlungstagen und den Zeugenvernehmungen, insbesondere des Insolvenzrichters W. eingeführt.

IV.

Der Angeklagte ist unter Aufhebung der erstinstanzlichen Verurteilung aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da eine Strafbarkeit gemäß § 185 StGB nicht gegeben ist. Der Gesetzgeber hat in § 185 StGB bestimmt, dass „Die Beleidigung … bestraft“ wird. Was eine Beleidigung ist, wird weder in § 185 StGB noch einer anderen Norm des StGB definiert. Die Rechtsprechung (vgl, die ausführliche Kommentierung m.w.N. von Regge in MünchKomm, StGB § 185 Rnrn 3 und 6 ff.) und dabei wegen der Betroffenheit von Grundrechten wie Justizgewährung (Art. 103 Abs.1 GG), Meinungsfreiheit (Art 5 GG) und allgemeinem Persönlichkeitsrecht (Art.2 Abs.1 mit Art. 1 GG) auch und insbesondere das Bundesverfassungsgericht <BVerfG> (aktuell und weil einen Befangenheitsantrag gegen eine Zivilrichterin betreffend gut vergleichbar: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vorn 14.6.2019 – 1 BvR 2433117 <zitiert nach juris m.w.N. und Fundstellen sowie veröffentlicht auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts> in dem es um Formulierungen wie „Verhandlungsführung erinnert an nationalsozialistische Sondergerichte und mittelalterliche Hexenprozesse“) haben dazu folgende Anwendungsgrundsätze entwickelt:

1.

Ein absoluter Beleidigungsbegriff (vgl. dazu Fischer, 66. Auflage, StGB, § 185/Randnummer 9 m.w.N. für die Bezeichnung eines Polizeibeamten als „Scheißbulle“) ist nicht gegeben. Sowohl „faul“ als auch „Handlungsweisen von krimineller Natur“ sind wertende Begriffe:

„Faul“ ist jemand, der seine Arbeit nicht ordentlich macht um Zeit zu sparen oder der sich vor der Erfüllung seiner Aufgaben drückt, weil er sich nicht anstrengen will.

„Handlungsweisen von krimineller Natur“ meint dabei weniger als kriminell, ist eher zu verstehen in dem Sinne, zeigt Verhaltensweisen die in die Verwirklichung von Straftatbeständen überschlagen können (aber sie eben noch nicht verwirklicht haben müssen). Diese Interpretation entspricht auch der Intension des Angeklagten, vorliegend seine Rechte durchzusetzen.

2.

Mit den Definitionen aus 1. ist auch der Äußerungsinhalt zu bestimmen, um festzustellen, ob es um noch sachbezogene, ggf. drastische und unhöfliche Kritik (hier an Diensthandlungen eines Insolvenzrichters) oder um Missachtung und Schmähung (dazu BVerfGE 82. 272 <283 f. wörtlich: „Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.“) geht.

Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen:

Der Angeklagte hat sich an den Präsidenten des Landgerichts und damit an die zuständige Stelle für Dienstaufsicht über den Insolvenzrichter gewandt. Er hat dies auch schriftlich und damit auf ordnungsgemäßem Weg getan ohne Unbeteiligte zum Beispiel über das Internet einzubinden.

a)

Sein Werturteil „Faul hat aus seiner Sicht insoweit das objektiv verständliche Kriterium, dass der Insolvenzrichter durch seine untypische Verfahrenserledigung durch Hinterlegung eigene Arbeitszeit gespart hat. Dies um so mehr, als der Beschluss vom 14.7.2016 in Anbetracht gegenteiliger gesetzlicher Regelungen in §§ 378, 376, 379 BGB und § 14 Abs.3 InsO unverständlich ist und diese Bestimmungen nicht einmal genannt, geschweige denn ihr Inhalt geprüft, wurden.

Hinzu kommt, dass der Beschluss sich nur mit der hinterlegten Hauptforderung, nicht aber mit den zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen weiteren Kosten und Zinsen (insgesamt am 14.7.2016 mindestens 20,- €) sowie der Herkunft des Bargeldes (Kasse der Insolvenzschuldnerin oder Darlehn ihres Geschäftsführers ?) befasst.

Gleiches gilt für das nicht gewährte rechtliche Gehör (ein Verfassungsrundrecht aus Art 103 Abs.1 GG):

Nach unangemeldeter und daher für den Angeklagten als Antragsteller nicht absehbarer Vorsprache des Zeugen B. und dabei erfolgter Hinterlegung wäre vom Insolvenzrichter ein Protokoll oder zumindest ein Vermerk zu fertigen gewesen. Dies und die Übersendung zur Stellungnahme an den Angeklagten wären aber auch wieder mit Arbeitsaufwand für den Insolvenzrichter verbunden gewesen wäre.

b)

Auch die Formulierung „… Handlungsweisen von krimineller Natur hat unter Beachtung der Definition der Kammer einen objektiven Sachbezug. Die Hinterlegung der Insolvenzforderung hat keine Erfüllungswirkung. Gleichwohl ist der hinterlegte Betrag weder dem direkten Vollstreckungszugriff der Insolvenzgläubigerin zugänglich, noch kann die Insolvenzschuldnerin darüber verfügen (§ 377, 413, 400 BGB, vgl. dazu Grüneberg, Palandt 78. Aufl., BGB Einf. V §§ 372, 373 Rn 6 ff. und § 377 Rn 1).

Die Hinterlegung hatte somit zur Folge, dass die Forderung der Gläubigerin bestehen blieb, demgegenüber die Liquidität der Schuldnerin aber um weitere 623,28 € gemindert Wurde. Ein Geschäftsführerdarlehn des B. hätte zwar die Liquidität der Insolvenzschuldnerin nicht vermindert, aber eine weitere Verbindlichkeit begründet und sie daher näher an die /oder tiefer in die Überschuldung (Insolvenzgrund nach § 19 InsO) gebracht.

Insoweit war die Hinterlegung zur Abwendung des Insolvenzverfahrens ungeeignet, könnte aber aus Sicht des Angeklagten den objektiven Tatbestand der Schuldnerbegünstigung, strafbar gemäß § 283d StGB verwirklichen. Aus der Perspektive des Angeklagten, der zu den Geschehnissen vom 14.7.2016 kein rechtliches Gehör erhalten hatte und der aus den knappen Beschlussbegründungen diese ungewöhnlichen Geschehnisse auch nicht erkennen konnte, kommt es auf die offen gebliebene Frage, wer die Idee zur Hinterlegung hatte nicht an. Der Insolvenzrichter trägt die Verantwortung für seine Entscheidung vom 14.7.2016 und muss folglich die inhaltlich berechtigte Kritik daran erdulden.

c)

Der Angeklagte hat daher für beide Formulierungen schon bei der für die Anwendung des § 185 StGB erforderlichen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Insolvenzrichters W. und seiner – des Angeklagten – Meinungsfreiheit (zu dieser Abwägung vgl. Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 27.09.2018 – 1 OLG 2 Ss 31/18: Freispruch für einen Fahrradfahrer, der nachts vor einer Polizeistreife den Eindruck erweckte betrunken zu fahren und bei der Blutprobe, deren spätere Auswertung O/oo ergab, „dumm, unfähig, schikanös, machtversessen und niveaulos“ schimpfte) auf seiner Seite stehen, dass die Diensthandlung des Insolvenzrichters materiell und formell fehlerhaft war. Insoweit stellen seine schriftlichen Ausführungen den Insolvenzrichter und dessen Diensthandlungen betreffend gegenüber dem Landgerichtspräsidenten als Dienstherrn keine Schmähung, sondern eine im Sachzusammenhang stehende berechtigte Kritik dar.

Die Kammer hat bei dieser Bewertung auch die übrigen Ausführungen des Angeklagten zu den Dienstgeschäften des Zeugen W., die wiederholt falsche Schreibweise seines Namens, die Angriffe gegen andere Justizangehörige wie die Angehörigen der Staatsanwaltschaft sowie die beiden einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten berücksichtigt:

Der Angeklagte kritisiert hart und erhebt Vorwürfe mit großer Schärfe. Er ist polemisch und er ist unhöflich. Bei alledem erreicht er die Grenzen zur Strafbarkeit sehr nahe, hat sie aber vorliegend (noch) nicht überschritten.

3.

Nach alledem kommt es auf eine Rechtfertigung nach § 193 StGB nicht an. Eine solche wäre aber im Hinblick auf die fehlerhafte Sachbearbeitung des Insolvenzantrages der A. vom 27.04.2016 gegeben.

4.

Der Angeklagte hat sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der üblen Nachrede oder Verleumdung strafbar gemacht. Nach den Ausführungen zu 1. und 2. waren die Behauptungen nicht geeignet, den Insolvenzrichter verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Gleiches gilt für § 187 StGB, wobei hinzukommt, dass es nicht um unwahre Tatsachenbehauptungen geht.

Die Ausführung zu § 193 StGB würden im Übrigen auch hier gelten.

V.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

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