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Verbotenes Kraftfahrzeugrennen – Fahrerlaubnisentziehung

Illegales Straßenrennen: Fahrerlaubnisentzug und Fahrzeugkonfiszierung

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln verhandelt wurde (Az.: III-1 RVs 40/20), ging es um ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen und die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen. Der Angeklagte wurde wegen Teilnahme an einem illegalen Straßenrennen zu einer Geldstrafe verurteilt, seine Fahrerlaubnis entzogen und sein Fahrzeug eingezogen. Das Hauptproblem in diesem Fall war die Frage, ob die rechtlichen Sanktionen, insbesondere der Entzug der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Fahrzeugs, angemessen und rechtlich haltbar waren.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: III-1 RVs 40/20 >>>

Die Tat und die erste Instanz

Der Angeklagte und ein anderer Fahrer hatten auf einer nahezu leeren Straße ein Rennen veranstaltet, bei dem sie ihre Fahrzeuge erheblich beschleunigten, um zu sehen, welches Fahrzeug besser beschleunigt. Ein Streifenwagen der Polizei, der hinter den beiden Fahrzeugen fuhr, zeigte eine Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h an. Der Angeklagte hatte keine Erlaubnis für ein Kraftfahrzeugrennen. Das Amtsgericht Aachen verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe und entzog ihm die Fahrerlaubnis. Zudem wurde sein Fahrzeug eingezogen.

Die Revisionen und die Entscheidung des OLG

Gegen das Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Revision ein. Das OLG Köln hob das Urteil im Rechtsfolgenausspruch auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurück. Die Revision des Angeklagten wurde in allen anderen Punkten verworfen.

Die rechtliche Bewertung des OLG

Das OLG Köln stellte fest, dass das Amtsgericht Aachen den Angeklagten zu Recht wegen Teilnahme an einem illegalen Straßenrennen verurteilt hatte. Es stellte jedoch auch fest, dass die Anordnung der Höchstdauer des Fahrverbots und die Einziehung des Fahrzeugs aufgrund der Tatumstände, insbesondere der Geschwindigkeit, nicht ausreichend begründet waren. Darüber hinaus stellte das OLG fest, dass die Fahrerlaubnis des Angeklagten nicht hätte entzogen werden dürfen, da er Fahreignungsseminare absolviert hatte und sich im Straßenverkehr bewegt hatte.

Die Auswirkungen des Urteils

Dieses Urteil hat wichtige Auswirkungen auf ähnliche Fälle. Es zeigt, dass die Gerichte bei der Verhängung von Sanktionen für illegale Straßenrennen sorgfältig vorgehen müssen. Sie müssen sicherstellen, dass die Sanktionen angemessen sind und dass sie ausreichend begründet sind. Darüber hinaus zeigt das Urteil, dass die Gerichte die individuellen Umstände des Angeklagten, wie z.B. die Teilnahme an Fahreignungsseminaren, berücksichtigen müssen.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: III-1 RVs 40/20 – Urteil vom 05.05.2020

Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsmittel – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

A.

Das Amtsgericht Aachen hat den Angeklagten am 26. März 2019 wegen verbotenen Kraftfahrzeugerennens zu der Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50,– EUR verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und seinen Führerschein eingezogen. Es hat die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von noch neun Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen und schließlich den Pkw A mit dem amtlichen Kennzeichen xx-x 00 und näher bezeichneter Fahrzeugidentifikationsnummer eingezogen.

Verbotenes Kraftfahrzeugrennen – Fahrerlaubnisentziehung
Verurteilter Straßenrennfahrer: Urteil über Entzug der Fahrerlaubnis und Fahrzeugkonfiszierung aufgehoben. Gerichte müssen Sanktionen sorgfältig begründen. (Symbolfoto: TKalinowski /Shutterstock.com)

Gegen dieses Urteil haben die Staatsanwaltschaft Berufung und der Angeklagte ein unbenanntes Rechtsmittel eingelegt. Das Landgericht Aachen hat – unter Verwerfung der jeweiligen weitergehenden Rechtsmittel – auf die Geldstrafe von 100 Tagessätzen erkannt, ein sechsmonatiges Fahrverbot ausgesprochen und die Einziehung des benannten Pkw vorbehalten.

Das Landgericht hat – auf der Grundlage der Angaben der verfolgenden Polizeibeamten – zum Tatgeschehen die nachfolgenden Feststellungen getroffen:

„In der Nacht des 30.06.2018 befuhr der Angeklagte gegen 01:15 Uhr in seinem Pkw A Sportback mit dem amtlichen Kennzeichen xx-x 00 und der FIN B in C die D, um an der Lichtzeichenanlage auf der rechten Linksabbiegerspur auf den E stadtauswärts zu fahren. Neben dem Pkw des Angeklagten befand sich auf der linken Linksabbiegerspur ein silberner Pkw ähnlicher Größe wie der Pkw des Angeklagten.

Nach dem Abbiegevorgang auf den zu dieser Zeit nahezu leeren E fuhren der Angeklagte und der Fahrer des silbernen Pkw zunächst mit angepasster Geschwindigkeit bis Höhe des F, wo sie dann beide aufgrund konkludenter Absprache zwischen einander ihre Fahrzeuge erheblich beschleunigten, um so auszumessen, wessen Fahrzeug besser beschleunigt.

Der hinter den beiden Fahrzeugen fahrende Streifenwagen der Marke G mit circa 140 PS, in dem die Zeugen PHK H, PK I und KA J saßen, fuhr dem Pkw des Angeklagten und dem silbernen Pkw auf dem ansteigend geradeaus verlaufenden E jedenfalls bis zur Höhe des Justizzentrums mit der Hausnummer 92 mit einigem Abstand annähernd gleichbleibend hinterher, wobei der Tachometer des Streifenwagens eine Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h anzeigte und sich der Abstand zwischen dem Pkw des Angeklagten und dem silbernen Pkw, die weiter beschleunigten, zu dem von dem Zeugen PHK H als Fahrer geführten Streifenwagen aufgrund dessen technischen Beschaffenheit jedenfalls ab Höhe des Es 92 vergrößerte.

In der dem Straßenverlauf folgenden Rechtskurve auf Höhe der K bremste der Angeklagte seinen Pkw ab und fuhr langsamer weiter. Kurz nach der Rechtskurve fuhren die die Polizeibeamten an dem auf dem rechten Fahrstreifen stehenden silbernen Pkw auf Höhe des Hauses E 146 vorbei und hielten anschließend den Pkw des Angeklagten auf Höhe des Hauses E 210 an. Der Angeklagte zeigte sich im Rahmen der polizeilichen Kontrolle kooperativ und setzte einige Minuten später seine Fahrt fort.

Der Angeklagte nahm bei der von ihm zurückgelegten Strecke von dem F bis zur Höhe der K von rund 700 Meter jedenfalls billigend in Kauf, dass er zum einen die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h deutlich überschritt, um zum anderen auf diese Weise ein auf sein Pkw bezogenes Kräftemessen mit dem Fahrer des silbernen Pkw vorzunehmen. Eine Erlaubnis für ein Kraftfahrzeugrennen hatte der Angeklagte, wie ihm bewusst war, nicht.“

Gegen dieses Urteil richten sich die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten sowie die auf die Rechtsfolgeentscheidung beschränkte, gleichfalls mit der – indes ausgeführten – Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen; dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist sie beigetreten.

B.

Die Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegenden Rechtsmittel sind (teilweise) begründet. Sie führen im Rechtsfolgenausspruch zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz insoweit (§§ 353, 354 Abs. 2 StPO).

I. Revision des Angeklagten

1.

Die auf die erhobene allgemeine Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler aufgedeckt.

Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Kraftfahrzeugrennens in der Form der Teilnahme an einem solchen gemäß § 315d Abs. 1 Ziff. 2 StGB. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe vermag der Senat auch mit noch ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sich die Berufungsstrafkammer auf rechtsfehlerfreier Grundlage vom Bestehen einer Renn-„Abrede“ zwischen dem Angeklagten und seinem Kontrahenten überzeugt hat (vgl. dazu OLG Hamburg NZV 2018, 478). Es bedeutet auch im Zusammenhang mit dieser Vorschrift keinen Rechtsfehler, dass das Tatgericht von einer erreichten Höchstgeschwindigkeit „um 130 km/h“ ausgeht, ohne in diesem Kontext den im Ordnungswidrigkeitenrecht entwickelten Grundsätzen über die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren, namentlich zur Nachtzeit, Beachtung zu schenken (vgl. allgemein SenE v. 19.09.2014 – III-1 RBs 242/14 -; SenE v. 23.08.2016 – III-RBs 245/16 -; SenE v. 13.11.2018 – III-1 RVs 250/18 -; speziell zum Nachfahren zur Nachtzeit jüngst SenE v. 13.11.2019 – III-1 RBs 427/19 -). Die dort maßgeblichen Kriterien der Länge der Messstrecke und des Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug sowie insbesondere der Ansatz eines deutlichen Toleranzabzugs zur Berücksichtigung von Ablese- und Eigenfehlern des (unjustierten) Tachometers sollen die zutreffende, den Grundsatz „in dubio pro reo“ wahrende  Einordnung des Geschwindigkeitsverstoßes in das System der Regelbußen und des Regelfahrverbots der Bußgeldkatalog-Verordnung ermöglichen. Darum geht es aber bei § 315d Abs. 1 Ziff. 1 und 2 StGB nicht. Unter dem dort tatbestandsmäßigen „Rennen“ wird ein Wettbewerb oder Teil eines Wettbewerbs zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen verstanden, bei denen entweder zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger durch Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit ermittelt wird oder aber der Versuch des Erreichens der Höchstgeschwindigkeit der gegenseitig en Leistungsprüfung dient, ohne dass die Teilnehmer miteinander im Wettbewerb stehen (SenE v. 23.01.2018 – III-1 RBs 370/17; KG DAR 2020, 149 m. N.; KG NJ 2017, 346; OLG Oldenburg DAR 2017, 93; OLG Bamberg NZV 2011, 208; OLG Jena B. v. 06.09.2004 – 1 Ss 139/04 – bei Juris). Wegen dieses Wettbewerbscharakters und da die Höhe der Sanktion hiervon jedenfalls nicht unmittelbar abhängt (s. auch die Erwägungen unter 2.) sind entsprechende Feststellungen auch ohne genauere Bestimmung der gefahrenen Geschwindigkeit möglich. Daher genügt hier die Feststellung, dass sich der Abstand der vorausfahrenden Fahrzeuge zu dem Nachfahren Polizeifahrzeug bei einer abgelesenen Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h jedenfalls ab Höhe des Hauses E 92 vergrößerte den zu stellenden Anforderungen.

Das auf den Schuldspruch bezogene Rechtsmittel des Angeklagten war damit als unbegründet zu verwerfen.

2.

Hingegen hält die Festsetzung der Tatfolgen in mehrfacher Hinsicht materiell-rechtlicher Überprüfung nicht stand:

a)

Mit ihrer Erwägung, zu Lasten des Angeklagten sei „die erhebliche Geschwindigkeit zu berücksichtigen, die der Angeklagte gefahren ist, und die zulässige Höchstgeschwindigkeit weit überschritt“ hat die Berufungsstrafkammer gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Nach dieser Vorschrift dürfen Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, im Rahmen der Strafzumessung nicht ein weiteres Mal berücksichtigt werden. Die Vorschrift gilt über ihren Wortlaut hinaus nicht nur für die Tatbestandsmerkmale im Sinne der Art. 103 Abs. 2 GG unterfallenden Deliktsbeschreibung, sondern auch für sonstige Umstände, in denen die Strafbarkeit einzelner tatbestandsmäßiger Taten begründet ist. Fehlerhaft ist danach die Verwertung von Umständen, die für die Durchführung der Tat typisch sind und diese nicht über den Tatbestand hinaus besonders kennzeichnen oder die die regelmäßigen Begleitumstände einer Tat sind (Regeltatbild) und daher deren Unrechtsgehalt mitprägen (vgl. MüKo-StGB-Miebach/Meier, 3. Auflage 2016, § 46 Rz. 449, 451 m. N.). Wie vorstehend dargelegt, ist dem tatbestandsmäßigen Begriff des „Rennens“ die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten und damit auch die deutliche Überschreitung von Geschwindigkeitsbeschränkungen immanent. Das gilt für die Fälle, die den Gesetzgeber veranlasst haben, das Verbot mit einer Strafbewehrung zu versehen (vgl. den Sachverhalt der Entscheidung LG Berlin NStZ 2017, 471; s. BT-Drs. 18/10145 S. 9) und entspricht der forensischen Erfahrung mit der Vorgängervorschrift des § 29 Abs. 1 StVO a. F. (vgl. die der Entscheidung des Senats v. 23.01.2018 – III-1 RBs 370/17 sowie den Entscheidungen KG NJ 2017, 346 und OLG Oldenburg DAR 2017, 93 zugrunde liegenden Sachgestaltungen). Nach den genannten Grundsätzen durfte daher dem Angeklagten die erzielte Geschwindigkeit jedenfalls nicht ohne Feststellung weiterer tatprägender Umstände strafschärfend entgegengehalten werden.

b)

aa)

Das Tatgericht hat gegen den Angeklagten neben der Geldstrafe ein sechsmonatiges Fahrverbot verhängt und zur Begründung ausgeführt, dass die Anordnung der Höchstdauer „im Hinblick auf die Tatumstände, insbesondere die Geschwindigkeit“ zur Einwirkung auf den Angeklagten geboten sei.

bb)

Das Fahrverbot gemäß § 44 StGB ist – im Unterschied zur Maßregel des § 69 StGB – eine Nebenstrafe (statt aller: LK-StGB-Geppert, 12. Auflage 2007, § 44 Rz. 1). Daher darf das Fahrverbot nur verhängt werden, wenn feststeht, dass der mit ihm angestrebte spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe allein nicht erreicht werden kann (BGHSt 24, 345 [350] = NJW 1972, 1332 [1333]; SenE v. 18.11.2005 – 82 Ss 57/05 – = VRS 109, 338; SenE v. 05.01.2007 – 81 Ss 183/06 -; SenE v. 02.10.2007 – 83 Ss 116/07 -; SenE v. 07.03.2008 – 82 Ss 15/08 -; SenE v. 07.07.2009 – 83 Ss 53/09 -; SenE v. 19.03.2010 – III-1 RVs 35/10 -; SenE v. 03.08.2012 – III-1 RVs 142/12 -; SenE v. 09.10.2012 – III-1 RVs 195/12 -; SenE v. 16.10.2015 – III-1 RVs 197/15 -; SenE v. 15.06.2018 – III-1 RVs 124/18). Im Falle der Verhängung einer Geldstrafe als Hauptstrafe ist daher und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere zu prüfen, ob nicht im Einzelfall eine Erhöhung der Geldstrafe ausreichend ist, um den Kraftfahrer zu warnen (SenE a.a.O.; OLG Hamm DAR 2004, 535 [536] = zfs 2004, 428 = VRS 107, 97 [99] = NZV 2004, 596; OLG Hamm VRS 190, 122 [123]). Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass der Tatrichter diese Möglichkeit geprüft hat (SenE a.a.O.; KG DAR 2007, 594). Die insoweit erforderliche Gesamtabwägung ist indessen im angefochtenen Urteil unterblieben.

II. Revision der StA

1.

Die Festsetzung der Tagessatzzahl weist – auch unter Berücksichtigung des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Beurteilungsmaßstabs (KK-StPO-Gericke, 8. Auflage 2019, § 337 Rz. 32) – einen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler insoweit auf, als ihm die vorbehaltene Einziehung strafmildernd zugute gebracht wird:

Anerkannt ist, dass die Einziehung eines hochwertigen Gegenstandes einen bestimmenden Strafmilderungsgrund darstellt, soweit sie – wie hier – Strafcharakter hat (BGH NStZ 2020, 214; NStZ-RR 2019, 209; NStZ 2018, 526; StV 2015, 633; NStZ-RR 2012, 169; Senat VRS 100, 123 [129 f.]; SenE v. 28.06.2002 – Ss 267/02 -; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Auflage 2017 Rz. 368; Fischer a.a.O., § 74 Rz. 22). Aus spezial- wie generalpräventiven Gründen soll dem Täter in diesem Fall durch Entziehung seines Eigentums das Verwerfliche seiner Tat nochmals nachdrücklich vor Augen  geführt werden (vgl. SenE v. 27.09.2013 – III-1 RVs 201/13 -; SenE v. 28.03.2018 – III-1 RVs 52/18 -; LK-StGB-Schmidt, 12. Auflage 2007, § 74 [a. F.] Rz. 4 m. N.). Im Falle des Vorbehalts der Einziehung – verbunden mit der Auflage, das Fahrzeug zu veräußern – tritt diese Wirkung indessen jedenfalls nicht ungeschmälert ein; die Möglichkeit der freihändigen Veräußerung bietet dem Angeklagten unter Umständen sogar Gelegenheit zur Erwirtschaftung eines Gewinns. Durch die Setzung einer Frist wird die Möglichkeit der Veräußerung jedenfalls zum Zeitwert und damit ohne nennenswerte finanzielle Belastung angesichts des Bestehens von EU-weit agierenden Internet-Verkaufsplattformen nicht grundlegend in Frage gestellt. Die mit der Einziehung verbundene Übelszufügung wird auf diese Weise voraussichtlich verfehlt werden. Die Urteilsgründe weisen nicht aus, dass sich die Berufungsstrafkammer dieser Zusammenhänge bewusst gewesen ist. Der Senat vermag demgemäß auch nicht auszuschließen, dass die Strafe ohne die Berücksichtigung der vorbehaltenen Einziehung bzw. deren Berücksichtigung in geringerem Umfang schwerer ausgefallen wäre.

2.

Auch die Begründung, mit der die Berufungsstrafkammer von einer Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 StGB abgesehen hat erweist sich als zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.

a)

Das Tatgericht begründet diese Entscheidung wie folgt:

„Die Kammer hat neben der Strafe ein Fahrverbot verhängt gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 StGB. Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte bislang im Fahreignungsregister keine Eintragung aufwies, sich auch weitere vier Monate nach der Tat im Straßenverkehr bewegt hat und nunmehr Fahreignungsseminare absolviert hat, geht die Kammer entgegen dem Regelfall des § 69 Abs. 2 Ziff. 1b StGB nicht von einer charakterlichen Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen aus. Vielmehr genügt die Verhängung eines Fahrverbotes, wobei im Hinblick auf die Tatumstände, insbesondere die Geschwindigkeit, die Höchstdauer von 6 Monaten angeordnet wurde, um auf den Angeklagten einzuwirken.

b)

Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend nimmt die Berufungsstrafkammer an, dass gemäß § 69 Abs. 2 Ziff. 1a StGB (bei der Bezeichnung „1b“ handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen) der Täter eines Vergehens des verbotenen Kraftfahrzeugrennens in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Zur Widerlegung der Vermutung müssen besondere Umstände objektiver oder subjektiver Art vorliegen, die eine mangelnde Eignung im Tatzeitpunkt oder jedenfalls im Zeitpunkt der Aburteilung ausschließen (Fischer a.a.O., § 69 Rz. 34). Von Letzterem geht das Tatgericht ersichtlich aus. Insoweit leidet das Urteil indessen an einem durchgreifenden Erörterungsmangel, wenn dem Angeklagten die charakterliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs mit Rücksicht auf zwei von ihm absolvierte Trainingskurse (Fahreignungsseminar am 24.05.2019 und verkehrspsychologisches Seminar am 11.07.2019) attestiert wird.

Freilich kann eine Ungeeignetheit im Einzelfall ggf. nicht mehr festgestellt werden, wenn der Angeklagte erfolgreich – etwa – an einem Fahreignungsseminar gemäß §§ 4 Abs. 7, 4a StVG, 42 FeV oder an einer Verkehrstherapie teilgenommen hat. Das gilt insbesondere dann, wenn weitere Umstände – wie eine längere vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis – hinzutreten (Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 69 StGB Rz. 19a m. zahlr. Nachw.). Allerdings bewirkt die Nachschulungsteilnahme weder stets noch auch nur regelmäßig ohne weiteres eine Durchbrechung des Grundsatzes nach § 69 Abs. 2 StGB. Vielmehr muss die Wirksamkeit dieser Maßnahme, also der Wegfall des Eignungsmangels aufgrund der Nachschulung in Verbindung mit der regelmäßig wirksam gewesenen vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis für den konkreten Fall festgestellt werden (SenE v. 03.04.2009 – 83 Ss 20/09).

Hiervon ausgehend erweisen sich die Urteilsgründe als lückenhaft, weil sie sich nicht dazu verhalten, wer die von dem Angeklagten besuchten Kurse angeboten hat, welchen konkreten Inhalt sie hatten und welche Wirkung sie auf ihn entfaltet haben. Soweit die Kammer im Rahmen der Einzelstrafbemessung ausführt, der Angeklagte habe sich „durch das Strafverfahren und die bisher ergangenen vorläufigen Maßnahmen deutlich beeindruckt gezeigt“, lässt das mangels näherer Ausführungen gerade zur Frage der charakterlichen Ungeeignetheit nicht die Prüfung zu, ob das Tatgericht mit Recht einen Ausnahmefall im Sinne von § 69 Abs. 2 StGB angenommen hat.

Das gilt vorliegend um so mehr, als die Zeit beanstandungsfreien Fahrens nach der Tat auch dann mit gut drei (nicht – wie die Kammer annimmt – vier) Monaten (nämlich vom 30. Juni bis um 5. Oktober 2018) nur kurz und damit kaum aussagekräftig ist, wenn man – entgegen der von der Beschwerdeführerin geäußerten Ansicht – den Rückschluss aus fehlenden Eintragungen im Fahreignungsregister für tragfähig erachtet (kritisch angesichts der Dunkelziffer nicht entdeckter Verstöße Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot, 10. Auflage 2006 Rz. 619, der zudem darauf hinweist, dass eine angepasste Fahrweise häufig dem Druck des Strafverfahrens geschuldet sein wird).

3.

Soweit hingegen das Tatgericht keine (ausdrückliche) Entscheidung über die Anrechnung der Zeit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf das Fahrverbot gemäß § 51 Abs. 5 S. 1 StGB getroffen hat, begegnet dies – entgegen der von der Staatsanwaltschaft geäußerten Rechtsauffassung – keinen durchgreifenden Bedenken. Ein solcher Ausspruch ist entbehrlich, da sich die Vorschrift des § 51 Abs. 1 S. 1 (i.V.m. Abs. 5) StGB unmittelbar an die Vollstreckungsbehörde richtet (Fischer, a.a.O., § 51 Rz. 22; MüKo-StGB-Maier a.a.O., § 51 Rz. 62; Schönke/Schröder-Kinzig, a.a.O., § 51 Rz. 36). Lediglich die ausnahmsweise Abweichung vom gesetzlichen Regelfall, mithin die Nichtanrechnung bedarf der Begründung im Urteil. Sie kommt gemäß § 51 Abs. 1 S. 2 StGB im Hinblick auf zurechenbares Verhalten des Angeklagten in Betracht, welches die Anrechnung ungerechtfertigt macht (Fischer, a.a.O., § 51 Rz. 11; LK-StGB-Theune, a.a.O., § 51 Rz. 44). Solches ist hier nicht ersichtlich. Eine ausdrückliche Erörterung der Anrechnungsfrage musste sich dem Tatgericht daher nicht aufdrängen.

4.

a)

Der Vorbehalt der Einziehung des Tatfahrzeugs unterliegt bereits deswegen der Aufhebung, weil die Kammer insoweit selbst – wenn auch nach dem zuvor Dargestellten mit fehlerhafter Gewichtung – einen Zusammenhang dieser Entscheidung mit der Bemessung der Einzelstrafe hergestellt hat (BGH NStZ 2020, 214; vgl. weiter SenE v. 21.10.2005 – 81 Ss 59/05 -; vgl. a. BayObLG NJW 1974, 2060). Im Übrigen sind – wie ausgeführt – Geldstrafe, Fahrverbot und (vorbehaltene) Einziehung Straftatfolgen im Sinne einer Übelszufügung als Reaktion auf vorangegangenes Verhalten. Als solche müssen sie insgesamt der Tatschuld angemessen sein. (Auch) aus diesem Grund besteht zwischen den genannten Entscheidungsteilen ein untrennbarer Zusammenhang mit der Folge, dass die Rechtsfolgenbemessung insgesamt der Aufhebung unterliegt.

b)

Bei der Entscheidung über die Einziehung wird der neue Tatrichter zu bedenken haben, dass im Falle der Strafeinziehung für mildere Maßnahmen wenig Raum verbleibt (vgl. – mit unterschiedlicher Nuancierung – Schönke/Schröder-Eser/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 74f Rz. 6; NK-StGB-Herzog/Saliger, 4. Auflage 2016, § 74b [a. F.] Rz. 8; SK-StGB-Wolters, 9. Auflage 2016, § 74b [a. F.]Rz. 5; LK-StGB-Schmidt a.a.O., § 74b [a. F.] Rz. 9).

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