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Fahrzeugsicherstellung – Anspruch auf Entschädigung nach § 2 Abs. 1, 2 Nr. 4 StrEG

Entschädigung und Haftung: Ein tiefgehender Blick auf das Kölner Landgerichtsurteil zu beschädigtem Eigentum nach polizeilicher Sicherstellung

Im Herzen dieses Falles steht ein Audi R8, der im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei im Frühjahr 2016 beschlagnahmt wurde. Der Kläger erhielt sein Fahrzeug zurück, allerdings in beschädigtem Zustand. Das Kernproblem des Falles liegt in der Frage, wer für die entstandenen Schäden verantwortlich ist. Das Landgericht Köln hat entschieden, dass das beklagte Land dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 5.963,98 Euro zzgl. Zinsen zahlen muss.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 O 57/18 >>>

Die Rolle der Beweislast

Die Beweislast spielte eine entscheidende Rolle in diesem Fall. Der Kläger konnte nachweisen, dass die Schäden an seinem Fahrzeug während der Sicherstellung entstanden sind. Das Gericht stützte seine Entscheidungauf Aussagen von Zeugen und Sachverständigen, die den Zustand des Fahrzeugs vor und nach der Sicherstellung beschrieben. Das beklagte Land konnte nicht beweisen, dass die Schäden nach der Sicherstellung entstanden sind.

Rechtliche Grundlagen der Entscheidung

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf verschiedene rechtliche Grundlagen. Es wurde festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem Strafverfolgungsentlastungsgesetz (StrEG) hat. Allerdings hat er einen Anspruch aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere aus den §§ 280, 688 ff. BGB analog in Verbindung mit dem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis. Das Gericht argumentierte, dass die Behörde für schuldhafte Pflichtverletzungen einzustehen hat und Schadensersatz zu leisten ist.

Die Rolle des Sachverständigen

Ein Sachverständiger wurde vom Kläger beauftragt, um die Schäden und die damit verbundenen Reparaturkosten zu ermitteln. Die Reparaturkosten wurden auf 4.576,04 Euro und die Wertminderung auf 1.000 Euro geschätzt. Zusätzlich entstanden dem Kläger Sachverständigenkosten in Höhe von 387,94 Euro. Das beklagte Land konnte nicht nachweisen, dass diese Kosten unangemessen oder nicht erforderlich sind.

Finanzielle Aspekte und Nebenentscheidungen

Neben der Hauptforderung von 5.963,98 Euro hat der Kläger auch einen Anspruch auf Verzugszinsen. Die Kosten des Rechtsstreits müssen vom beklagten Land getragen werden. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, allerdings gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

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Das vorliegende Urteil

Landgericht Köln – Az.: 5 O 57/18 – Urteil vom 25.10.2018

Das beklagte Land wird verurteilt,  an den Kläger 5.963,98 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.11.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand:

Der PKW des Klägers, Audi R8, wurde im Frühjahr 2016 auf Grund eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen Hehlerei (StA Bonn 663 Js 137/16) sichergestellt, da dieses in Frankreich als gestohlen gemeldet worden war. Die Sicherstellung erfolgte bei der Fa. Auto U. Auf dem Sicherstellungsprotokoll (Anl. K 6, Bl. 36 d.A.) wurden keine Schäden vermerkt. Die Staatsanwaltschaft Bonn stellte das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 13.7.2016 nach § 170 Abs. 2 StPO ein, woraufhin das AG Bonn mit Beschluss vom 5.9.2016 ausgesprochen hat, dass der Kläger wegen der Sicherstellung des PKWs zu entschädigen ist. Vor der Sicherstellung war der PKW unbeschädigt. Auch bei dem Verladen des PKW bei der Fa. Auto U sind keine Schäden an der Karosserie entstanden.

Nach der Herausgabe an den Kläger am 13.7.2016 war der PKW zumindest bei der Begutachtung durch den von ihm beauftragten Sachverständigen am 19.7.2016 an der Stoßfängeverkleidung vorne unten und an den Seiten, an der Frontklappe sowie an der Seitenwand hinten links beschädigt. Zudem war die Rückwandverkleidung rechts hinter dem Beifahrersitz gebrochen, der Lederbezug des Armaturenbretts gerissen und der Fahrersitz verschmutzt.

Der von dem Kläger beauftragte Sachverständige ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 4.576,04 EUR und eine Wertminderung in Höhe von 1.000,00 EUR. Er stellte dem Kläger für die Begutachtung 387,94 EUR in Rechnung.

Der Kläger behauptet, der PKW sei bereits bei der Abholung von der Sicherstellung derart beschädigt gewesen. Die von dem Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten seien angemessen und erforderlich.

Der Kläger beantragt, an den Kläger 5.963,98 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.11.2017 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagtenseite behauptet, die geltend gemachten Schäden seien erst nach der  Sicherstellung des Fahrzeugs entstanden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist auch begründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 2 Abs. 1, 2 Nr. 4 StrEG. Denn der Schaden, der durch eine unsachgemäße Behandlung der sichergestellten Sache entsteht, ist nicht nach StrEG zu ersetzen (Meyer, § 2 StrEG, Rn. 61).

2. Der Kläger hat jedoch einen Anspruch gegen das beklagte Land aus § 280, §§ 688 ff BGB analog in Verbindung mit dem öffentlich rechtlichen Verwahrungsverhältnis, wenn sein PKW während der Sicherstellung beschädigt wurde. Ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis entsteht u.a. dadurch, dass ein Verwaltungsträger bei Wahrnehmung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe eine fremde bewegliche Sache in Besitz nimmt und den Berechtigten von Einwirkungen ausschließt, insbesondere an eigenen Sicherungs- und Obhutsmaßnahmen hindert (BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 – VI ZR 383/12 –, BGHZ 200, 188-195, Rn. 13 – 14). Dies gilt auch dann, wenn sich die Behörde zur Durchführung des Abschleppvorgangs der Hilfe eines Privaten bedient (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 1987 – III ZR 3/86, NJW 1987, 2573, 2574, insoweit in BGHZ 100, 335 nicht abgedruckt; Kopp/Schenke, aaO). Hier hat die Behörde den PKW sichergestellt, sodass der Abschleppvorgang selbst sowie auch die anschließende Verwahrung die Vollstreckung der amtlichen Sicherstellung darstellen. Auf das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis sind die bürgerlich-rechtlichen Verwahrungsvorschriften der §§ 688 ff. BGB sowie die für Leistungsstörungen bestehenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden. Bei einer Beschädigung der Sache gelten insbesondere die §§ 276, 278 sowie die §§ 280 ff. BGB analog (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1951 – III ZR 87/50, BGHZ 1, 369, 383; vom 18. Oktober 1973 – III ZR 192/71, JuS 74, 191, 192; vom 5. März 1987 – III ZR 265/85, VersR 1987, 768, 769; vom 5. Oktober 1989 – III ZR 126/88, VersR 1990, 207, 208; VGH Kassel, NVwZ 1988, 655, 656; MüKoBGB/Henssler, § 688 Rn. 63 f.; Staudinger/Reuter, BGB, Neubearbeitung 2006, Vorbem. zu §§ 688 ff. Rn. 54; Medicus, JZ 1967, 63, 64). Der Verwaltungsträger hat daher für schuldhafte Pflichtverletzungen – auch seines Erfüllungsgehilfen – einzustehen und Schadensersatz zu leisten, wobei ihm im Gegensatz zur Amtshaftung die Beweislast für fehlendes Verschulden obliegt (BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 – VI ZR 383/12 –, BGHZ 200, 188-195, Rn. 13 – 14).

a) Der Kläger konnte auch zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass die geltend gemachten Schäden an der Außenkarosserie des Fahrzeugs während der Sicherstellung und nicht erst im Zeitraum danach entstanden sind.

Unstreitig wurde das Fahrzeug ohne sichtbare Schäden von der Streitverkündeten bei der Fa. Autohaus U abgeschleppt. Dementsprechend sind auch in dem Sicherstellungsprotokoll vom 9.2.2016 keine Schäden vermerkt.

In Anlage K5, dem vom Kläger eingeholten privaten Sachverständigengutachten, findet sich auf Bl. 27 d.A. eine Aufstellung der geltend gemachten Schäden. Hiernach stellte der Sachverständige Anstöße an dem unteren Bereich der Stoßfängerverkleidung vorne sowie seitlich an den Halterungen, Beschädigungen an der Lackierung der Frontklappe über dem rechten Radlauf und der Seitenwand hinten links fest. Des Weiteren macht der Kläger auch Schäden im Innenraum des Fahrzeugs geltend. Dabei handelt es sich um eine gebrochene Halterung an der Rückwandverkleidung hinter dem Beifahrersitz, einen aufgerissenen Lederbezug des Armaturenbretts im Bereich des Beifahrerairbags sowie eine Verschmutzung des Beifahrersitzes.

Der Zeuge X hat ausgesagt, dass die Kratzspuren an der Karosserie durch seinen Sohn, den Kläger bei der Abholung des Fahrzeugs entdeckt wurden. Der Kläger habe direkt Fotos von den Beschädigungen gemacht und sei zu dem Zeugen gefahren um sich mit ihm über das weitere Vorgehen zu beraten. Dort habe er dem Zeugen sämtliche Beschädigungen gezeigt. Der Zeuge X hat den PKW zwar selbst nicht unmittelbar bei der Herausgabe gesehen, da er bei der Herausgabe selbst nicht anwesend war. Seiner Aussage nach hat der Kläger den PKW jedoch vormittags in Bonn abgeholt und sei dann direkt nach Hause zu ihm gefahren. Die Aussage des Zeugen war auch glaubhaft. Er hat nachvollziehbar und detailliert das Geschehen geschildert. Obwohl er der Vater des Klägers ist hat er nicht tendenziös ausgesagt. Vielmehr hat er auch mitgeteilt, den unteren Bereich des Fahrzeugs nicht eingesehen und poliert zu haben.

Hinsichtlich der Beschädigungen im Fahrzeuginnenraum konnte der Nachweis geführt werden, dass diese bei der Sicherstellung entstanden sind. Der Zeuge B2, der Kfz-Mechaniker der Fa. Auto U hat ausgesagt, die Rückwände der Sitze und diverse andere Teile ausgebaut zu haben bevor das Fahrzeug abgeschleppt worden sei. Beim Abschleppvorgang seien die ausgebauten Teile zum Teil in den Innenraum des Fahrzeugs geladen worden. Dabei handelte es sich nach Aussage des Zeugen B2 u.a. auch um Teile aus dem Motorraum.

Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft, denn er konnte detailliert und lebhaft das Geschehen wiedergeben. Er hat nachvollziehbar ausgeführt, dass er sich deshalb noch so gut an das Fahrzeug erinnere, weil es sich auch auf Grund der roten Ledersitze um ein sehr außergewöhnliches Fahrzeug handele.

Die Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass das Fahrzeug vor der Sicherstellung in einem sehr gepflegten Zustand war. Der Zeuge B2 hat auch mitgeteilt, dass die von ihm ausgebauten Teile beim Ausbau nicht beschädigt wurden. Sofern eine Halterung der Sitzverkleidung abgebrochen ist und die Innenraumlederverkleidung teilweise verschmutzt ist, ist sehr wahrscheinlich, dass diese Beschädigungen dadurch entstanden sind, dass die ausgebauten Teile im Fahrzeug gelagert wurden. Insbesondere Teile aus dem Motorraum sind in der Regel stark verschmutzt und können daher plausibel die im Privatgutachten abgebildeten Verschmutzungen (Lichtbilder 15 und 16, Bl. 219 der Ermittlungsakte StA Köln 663 Js 137/16) hervorrufen. Eine derartige Schadensverursachung wird auch durch die Aussage des Zeugen P gestützt.

Der Zeuge P, der zu dieser Zeit Serviceberater bei der Fa. Auto U war, hat glaubhaft ausgesagt, dass der Kläger ihn einige Tage nach der Sicherstellung angerufen habe und mitgeteilt habe, dass Teile der Verkleidung innen verkratzt seien. Der Kläger hat zu diesem Zeitpunkt den PKW in der Verwahrung aufgesucht, sodass die Schäden denklogisch nur während der Sicherstellung entstanden sein können.

b) Dafür, dass sie während dem Abschleppvorgang oder während der Standzeit entstandene Schäden nicht zu vertreten hat, trägt die Beklagtenseite gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB die Beweislast (Palandt/Sprau, BGB 78. Aufl. 2018, § 280 Rn 45; OLG München, Urteil vom 21. Juni 2007 – 1 U 2206/07 –, Rn. 12, juris). Auch hierzu wird von Beklagtenseite nichts vorgetragen. Ein etwaiges Verschulden des Abschleppunternehmers ist der Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnen.

c) Die Beklagtenseite bestreitet Erforderlichkeit und Angemessenheit der durch den Privatgutachter Degirmenci ermittelten und im Einzelnen dargelegten Reparaturkosten und die durch ermittelte Wertminderung einfach und damit unsubstantiiert. Zum ersatzfähigen Schaden gemäß § 249 BGB gehören zudem die dem Kläger entstandenen Sachverständigenkosten in Höhe von 387,94 EUR.

Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Verzugszinsen gemäß §§ 286 Abs. 3 Nr. 3, 288 BGB ab dem 9.11.2017 auf Grund der endgültigen Ablehnung der Erstattung.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: 5.963,98 EUR

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