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Strafbarkeit – gefälschter Impfausweis in Apotheke vorgelegt

Amtsgericht entscheidet: Ist die Vorlage eines gefälschten Impfausweises strafbar?

Die Frage der **Strafbarkeit** beim Vorlegen eines **gefälschten Impfausweises** in einer **Apotheke** hat in Zeiten von Pandemien eine besondere Relevanz. Das Kernthema dreht sich um die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus der Verwendung gefälschter Dokumente im **Gesundheitswesen** ergeben. Dabei steht insbesondere die **Urkundenfälschung** im Fokus, die durch das Vorlegen eines solchen Dokuments im **Rechtsverkehr** entstehen kann. Die zentrale Problemstellung betrifft die Bewertung solcher Handlungen durch das **Amtsgericht** und die daraus resultierenden Urteile. Es geht um die Abwägung zwischen dem Wunsch nach Normalität in außergewöhnlichen Zeiten und der rechtlichen Integrität von Gesundheitsdokumenten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 44 Cs-81 Js 3938/21-40/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die Angeklagte, die einen gefälschten Impfausweis in einer Apotheke vorgelegt hat, wurde freigesprochen, da das Gericht feststellte, dass ihr Verhalten aus rechtlichen Gründen nicht strafbar ist.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Angeklagte, tätig im Gesundheitswesen, legte einen gefälschten Impfausweis in einer Apotheke vor, um einen digitalen Impfausweis zu erhalten.
  2. Die Staatsanwaltschaft Münster beantragte einen Strafbefehl gegen die Angeklagte wegen Täuschung im Rechtsverkehr.
  3. Die Angeklagte gab an, aufgrund eines Kinderwunsches von einer Impfung abgeraten worden zu sein und emotional durcheinander gewesen zu sein.
  4. Sie glaubte, sich mit einem gefälschten Impfausweis nicht strafbar zu machen, basierend auf Informationen aus dem Internet.
  5. Das Amtsgericht Warendorf entschied am 28.04.2022, die Angeklagte freizusprechen.
  6. Eine Verurteilung wegen Fälschung eines Gesundheitszeugnisses gemäß § 277 StGB wurde geprüft, aber verworfen, da die Angeklagte den Ausweis nur in einer Apotheke vorzeigte.
  7. Eine Strafbarkeit gemäß § 267 wegen Urkundenfälschung kam ebenfalls nicht in Betracht, da § 277 StGB eine Sperrwirkung gegenüber § 267 StGB entfaltet.
  8. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.

Vorwurf der Strafbarkeit: Gefälschter Impfausweis in der Apotheke

Die Angeklagte, eine Frau, die im Gesundheitswesen tätig ist, wurde beschuldigt, einen gefälschten Impfausweis in einer Apotheke in Warendorf vorgelegt zu haben, um einen digitalen Impfausweis zu erhalten. Der Vorfall ereignete sich am ##.09.2021, als sie sich dienstlich zur Kontrolle eines Röntgengerätes in der Stadt aufhielt. Der gefälschte Impfausweis zeigte zwei Covid-Impfungen mit den Chargennummern FC 2095 und FF 0900, die sie jedoch nach eigener Aussage nicht erhalten hatte.

Rechtliche Auseinandersetzung und Herausforderungen

Die rechtliche Auseinandersetzung begann, als die Staatsanwaltschaft Münster am 27.01.2022 einen Strafbefehl gegen die Angeklagte beantragte. Ihr wurde vorgeworfen, zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde gebraucht zu haben. Das rechtliche Problem und die Herausforderung in diesem Fall lagen in der Frage, ob die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke strafbar ist und ob die Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat.

Persönliche Umstände und Entscheidung des Gerichts

Die Zusammenhänge sind komplex. Die Angeklagte gab an, dass sie aufgrund ihres Kinderwunsches von einer Impfung abgeraten worden sei. Sie habe viel im Gebiet der Flutkatastrophe geholfen und sei emotional durcheinander gewesen. Sie habe ein normales Leben führen wollen, aber aufgrund der Babyplanung und der damit verbundenen Empfehlung gegen eine Impfung habe sie dies nicht gesehen. Sie habe sich im Internet informiert und geglaubt, dass sie sich mit einem gefälschten Impfausweis nicht strafbar machen würde.

Urteil und mögliche Präzedenzwirkung

Das Amtsgericht Warendorf entschied am 28.04.2022, die Angeklagte freizusprechen. Die Begründung des Gerichts basierte darauf, dass der Vorwurf sich nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit erhärtet habe. Es wurde festgestellt, dass die Angeklagte zwar einen gefälschten Impfausweis vorgelegt hat, aber fraglich ist, ob sie sich damit auch strafbar gemacht hat. Sie ging davon aus, dass ein solches Vorgehen nicht strafbar sei, basierend auf Informationen, die sie im Internet gefunden hatte.

Das Gericht prüfte die Möglichkeit einer Verurteilung wegen Fälschung eines Gesundheitszeugnisses gemäß § 277 StGB und Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB. Es wurde jedoch festgestellt, dass die Vorlage des gefälschten Impfausweises in der Apotheke nicht ausreicht, um den Tatbestand des § 277 StGB zu erfüllen. Zudem entfaltete § 277 StGB eine Sperrwirkung gegenüber § 267 StGB, wodurch eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung ebenfalls ausgeschlossen wurde.

Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, da es Präzedenzfälle für ähnliche Situationen schaffen könnte. Das Fazit des Urteils ist, dass das Verhalten der Angeklagten aus rechtlichen Gründen nicht strafbar ist und dass sie aufgrund mangelnden Vorsatzes und der Sperrwirkung des § 277 StGB freigesprochen wurde. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was sind die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit wegen Fälschung eines Gesundheitszeugnisses gemäß § 277 StGB?

Die Strafbarkeit wegen Fälschung eines Gesundheitszeugnisses gemäß § 277 StGB setzt verschiedene Voraussetzungen voraus. Hierbei sind sowohl objektive als auch subjektive Voraussetzungen zu beachten.

Objektive Voraussetzungen:
1. Gesundheitszeugnis: Ein Gesundheitszeugnis ist eine Urkunde oder Datenurkunde, die den gegenwärtigen oder vergangenen Gesundheitszustand eines Menschen beschreibt. Ein Impfausweis stellt ein solches Gesundheitszeugnis dar.
2. Fälschung: Die Fälschung kann durch das Ausstellen eines unechten Gesundheitszeugnisses oder das Verfälschen eines echten Gesundheitszeugnisses erfolgen.

Subjektive Voraussetzungen:
1. Vorsatz: Der Täter muss vorsätzlich handeln, d.h., er muss die Fälschung bewusst und gewollt vornehmen.
2. Täuschungsabsicht: Der Täter muss in der Absicht handeln, im Rechtsverkehr zu täuschen. Das bedeutet, dass er beabsichtigt, durch die Fälschung eine unrichtige Vorstellung über den Gesundheitszustand einer Person zu erzeugen.

Strafmaß:
Die Strafe für die Fälschung eines Gesundheitszeugnisses gemäß § 277 StGB beträgt Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. In besonders schweren Fällen, wie beispielsweise bei gewerbsmäßigem oder bandenmäßigem Handeln, kann die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren betragen.


Das vorliegende Urteil

Amtsgericht Warendorf – Az.: 44 Cs-81 Js 3938/21-40/22 – Urteil vom 28.04.2022

Die Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.

G r ü n d e :

Der Angeklagten ist in dem Strafbefehl, der auf Antrag der Staatsanwaltschaft Münster am 27.01.2022 vom Amtsgericht Warendorf erlassen wurde, vorgeworfen worden, am ##.09.2021 in Warendorf zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde gebraucht zu haben.

Ihr ist zur Last gelegt worden, sie habe sich am ##.09.2021 im Rahmen ihrer Tätigkeit im Gesundheitswesen dienstlich zur Kontrolle eines Röntgengerätes in Warendorf aufgehalten. Am gleichen Tag habe sie gegen 12.31 Uhr einen total gefälschten Impfausweis in der Apotheke in der X-Straße # in Warendorf vorgelegt. Aus dem Impfausweis seien zwei Impfungen gegen das Covid-Virus mit den Chargennummern FC 2095 und FF 0900 ersichtlich gewesen, welche sie jedoch – wie ihr von Anfang an bekannt gewesen sei – nicht erhalten habe. Durch die Vorlage des Ausweises habe sie einen digitalen Impfausweis erhalten wollen.

Dieser Vorwurf hat sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit erhärtet.

Die Angeklagte ließ sich dahingehend ein, dass ihr wegen ihres Kinderwunsches von einer Impfung abgeraten worden sei.

Vorher sei so gewesen, dass sie bei der Feuerwehr in C gewesen sei und viel im Gebiet der Flutkatastrophe geholfen habe. Sie sei in der Zeit auch von ihrer Arbeit freigestellt worden. Nach dieser Zeit sei sie etwas durcheinander gewesen. Es sei ihr nicht gut gegangen. Sie habe endlich wieder raus gehen wollen und leben wollen. Sie habe die Sauna besuchen wollen oder andere Dinge machen wollen. Da ihr aufgrund der Babyplanung von einer Impfung abgeraten worden sei, habe sie diese Möglichkeit für sich nicht gesehen. Sie habe dann einen kleinen Zusammenbruch erlitten. Es sei zu der Zeit so gewesen, dass in der Gegend, in der sie wohne kein normales Leben möglich gewesen sei. Sie habe sich dann im Internet kundig gemacht und erfahren, dass sie sich mit einem gefälschten Impfausweis nicht strafbar machen würde. Sie habe sich daher relativ sicher gefühlt. Sie sei sich eben sicher gewesen, sich bei Vorlage dieser Fälschung in der Apotheke nicht strafbar zu machen. Während der Arbeitszeit habe sie dann den gefälschten Impfausweis in der Apotheke vorgelegt. Sie habe das innerhalb von einem Tag, also relativ spontan, entschieden. Sie habe das Zertifikat benötigt, da sie ein paar Tage später auch noch einen Urlaub in einem Wochenendhaus habe machen wollen.

Damit steht fest, dass die Angeklagte in der Apotheke einen gefälschten Impfausweis vorgelegt hat. Fraglich ist, ob sie sich damit auch strafbar gemacht hat. Sie ist nach ihrer glaubhaften Aussage davon ausgegangen, dass ein solches Vorgehen nicht strafbar sei. Entsprechende Informationen habe sie im Internet erhalten.

Hier kann offen bleiben, ob mangels Vorsatzes bereits ein Freispruch aus tatsächlichen Gründen zu erfolgen hat. Jedenfalls ist dieses Verhalten aus rechtlichen Gründen nicht strafbar.

In Betracht kommt eine Verurteilung wegen Fälschung eines Gesundheitszeugnisses gemäß § 277 StGB. Zwar handelt es sich bei dem Impfpass um ein Zeugnis über einen Gesundheitszustand im Sinne des § 277 StGB alter Fassung. Aber der Tatbestand setzt auch ein Gebrauchmachen der Urkunde zum Zwecke der Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften voraus. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben, da die Angeklagte den Impfausweis lediglich in einer Apotheke vorgezeigt hat, was nicht ausreicht, um den Tatbestand des § 277 StGB alte Fassung zu erfüllen.

Fraglich ist, ob dann eine Strafbarkeit gemäß § 267 wegen Urkundenfälschung in Betracht kommt.

Dagegen könnte sprechen, dass die zur Tatzeit geltende Fassung des § 277 StGB eine Sperrwirkung gegenüber der allgemeineren Norm des § 267 StGB entfaltet. Das Gericht folgt der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung und ist der Ansicht, dass der § 277 StGB a.F. hinsichtlich der Verwendung von Gesundheitszeugnissen als lex specialis gegenüber der Urkundenfälschung als lex generalis eine Sperrwirkung nach der Rechtslage zum Tatzeitpunkt entfaltet. Dies ergibt sich aus der Systematik der Normen. § 267 StGB bezieht sich auf den allgemeinen Urkundsbegriff, während sich der Tatbestand des § 277 StGB lediglich auf Gesundheitszeugnisse bezieht. Außerdem sieht § 277 StGB mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe einen deutlich geringeren Strafrahmen vor als § 267 StGB mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei den von § 277 StGB erfassten Gesundheitszeugnissen bei Vorlage gegenüber Behörde und Versicherung anders als in den übrigen Fällen eine mildere Strafe in Aussicht stellen wollte, dagegen in den Fällen, in denen lediglich eine Täuschung gegenüber dem Rechtsverkehr vorliegt, die höhere Strafandrohung des § 267 angewendet sehen wollte. Dagegen spricht vor allem, dass eine Täuschung gegenüber einer Behörde oder Versicherung einen größeren Unrechtsgehalt aufweist, als die Täuschung gegenüber dem allgemeinen Rechtsverkehr. Außerdem hätte die Anwendbarkeit von § 267 StGB zur Folge, dass bereits das Erstellen der unrichtigen Urkunde schwerer zu bestrafen wäre, als eine Fälschung und anschließende Vorlage bei Behörden oder Versicherungen. Schließlich spricht auch die Gesetzesänderung des § 277 StGB im letzten Jahr dafür, dass der Gesetzgeber von einer Sperrwirkung ausgeht.

Die Anwendung des § 267 StGB im vorliegenden Fall verstieße außerdem gegen den strafrechtlichen Grundsatz – keine Strafe ohne Gesetz – sowie gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Da die Gesetzesänderung des § 277 StGB noch nicht erfolgt war, hat die Angeklagte nach Ansicht des Gerichts auch objektiv keine strafbare Handlung begangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.

 

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