Freispruch nach Bedrohung: Strafantrag wegen Beleidigung zurückgezogen
In rechtlichen Auseinandersetzungen, die sich im Bereich des Strafrechts bewegen, steht oft die Frage im Mittelpunkt, ob eine Handlung als Bedrohung oder als Beleidigung zu werten ist. Diese Unterscheidung kann maßgeblich für das Urteil und die damit verbundenen Konsequenzen sein. Dabei spielen Faktoren wie die Rücknahme eines Strafantrags, die Alkoholisierung des Angeklagten und die Zeugenbefragung eine entscheidende Rolle.
Ein Freispruch kann erfolgen, wenn beispielsweise der Strafantrag zurückgenommen wird oder die Beweislage die Anklage nicht stützt. Solche Fälle veranschaulichen die Nuancen und Herausforderungen, die im Strafverfahren auftreten können.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Der Angeklagte wird freigesprochen, nachdem der Geschädigte seinen Strafantrag hinsichtlich Beleidigung zurückgezogen hat und die Voraussetzungen für eine Bedrohung nicht vorlagen.
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Der Angeklagte wurde beschuldigt, seinen Stiefvater J. mit einem Küchenmesser bedroht zu haben.
- Der Vorfall ereignete sich am 30.11.2015 in der Wohnung der Mutter des Angeklagten in Worms.
- Ein Atemalkoholtest ergab, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt des Vorfalls 1,16 Promille Alkohol im Blut hatte.
- Während des Vorfalls war der Angeklagte dabei, sich ein Brot zu schmieren, und reagierte auf Vorwürfe von J. bezüglich seiner Alkoholisierung.
- Der Angeklagte machte eine reflexartige Bewegung mit dem Messer und äußerte beleidigende Worte, jedoch fühlte sich J. nur durch die Bewegung bedroht.
- In der Hauptverhandlung vom 25.04.2016 hat der Zeuge J. seinen Strafantrag zurückgenommen.
- Das Gericht entschied, dass die Voraussetzungen für eine Bedrohung nach § 241 StGB nicht vorlagen und der Angeklagte daher freizusprechen ist.
- Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Übersicht
Ein beunruhigender Vorfall: Bedrohung mit Küchenmesser
Am 30. November 2015 gegen 20.52 Uhr ereignete sich in Worms ein Vorfall, der später zu einer rechtlichen Auseinandersetzung führen sollte. Der Angeklagte, dessen Wohnadresse aufgrund von Renovierungsarbeiten nur eingeschränkt bewohnbar war, betrat die Wohnung seiner Mutter, in der auch sein Stiefvater, der Geschädigte J., wohnte. In der Küche kam es zu einer Konfrontation zwischen dem Angeklagten und J., bei der der Angeklagte ein Küchenmesser mit einer 7,5 Zentimeter langen Klinge in etwa zwei Meter Abstand quer zu J.s Hals durch die Luft bewegte und dabei drohte, ihm den Kopf abzumachen. Ein Atemalkoholtest ergab, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt des Vorfalls einen Alkoholgehalt von 1,16 Promille im Blut hatte.
Rechtliche Bewertung: Beleidigung oder Bedrohung?
Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lagin der Bewertung des Verhaltens des Angeklagten. Es musste geklärt werden, ob es sich um eine Bedrohung im Sinne des § 241StGB oder um eine Beleidigung gemäß § 185 StGB handelte. Der Kern des Falls drehte sich um die Frage, ob der Angeklagte mit seiner Handlung und seinen Äußerungen tatsächlich eine Bedrohung darstellte oder ob es sich lediglich um eine Beleidigung handelte.
Vielschichtige Aspekte im Strafverfahren
Die Zusammenhänge und zu beachtenden Aspekte in diesem Fall sind vielschichtig. Einerseits muss das Verhalten des Angeklagten im Kontext seiner Alkoholisierung betrachtet werden, andererseits ist die Reaktion des Geschädigten J. und die Rücknahme des von ihm gestellten Strafantrags relevant. Die Zeugenbefragung spielte eine entscheidende Rolle bei der Klärung des Sachverhalts.
Das Urteil: Freispruch trotz ernster Vorwürfe
Das Gericht entschied schließlich, den Angeklagten freizusprechen. Diese Entscheidung wurde getroffen, weil der Geschädigte J. seinen Strafantrag hinsichtlich der Beleidigung zurückgenommen hatte und die Voraussetzungen für eine Bedrohung nach § 241 StGB nicht vorlagen. Der Zeuge J. fühlte sich nicht wegen der Äußerung des Angeklagten bedroht, sondern wegen dessen reflexartiger Bewegung mit dem Messer. Da der Schwerpunkt der Vorwürfe bei der angeklagten Bedrohung lag, wurde der Angeklagte freigesprochen und von einer Verfahrenseinstellung abgesehen.
Weitere wichtige Informationen sind, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last fallen. Dies unterstreicht die Entscheidung des Gerichts, dass der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freizusprechen war.
Das Fazit des Urteils ist, dass trotz der ernsten Vorwürfe und der anfänglichen Bedrohung mit einem Küchenmesser, der Angeklagte aufgrund der Rücknahme des Strafantrags und der fehlenden Voraussetzungen für eine Bedrohung freigesprochen wurde. Der Fall zeigt die Komplexität des Strafrechts und wie verschiedene Faktoren, wie Zeugenaussagen und die Interpretation von Gesetzen, das Ergebnis eines Strafverfahrens beeinflussen können.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Wie wird eine „Bedrohung“ gemäß § 241 StGB definiert?
Gemäß § 241 des Strafgesetzbuches (StGB) wird eine „Bedrohung“ definiert als das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Der Täter muss vorsätzlich das Opfer oder eine ihm nahestehende Person mit einer vom Gesetz aufgezählten rechtswidrigen Straftat bedrohen. Dabei ist irrelevant, ob der Täter die Drohung wirklich ernst gemeint hat. Entscheidend ist nur, dass die Drohung für einen objektiven Beobachter ernst gemeint wirkt.
Eine Bedrohung kann nicht nur in einer ausdrücklichen Art und Weise, sondern zudem auch konkludent erfolgen. Der Begriff „konkludent“ meint ein Handeln in schlüssiger Form, mit welcher der Täter eben jenes In-Aussicht-Stellen zum Ausdruck bringt. Somit ist nicht nur die verbale Bedrohung strafbar sondern auch die durch ein entsprechend schlüssiges Handeln wie beispielsweise das Vorhalten einer Waffe oder Ähnliches.
Eine Bedrohung muss ferner nicht von Angesicht zu Angesicht erfolgen. Möglich ist eine solche auch in geschriebener Form oder aber per Anruf. Denkbar ist somit auch eine Anzeige wegen einer Bedrohung am Telefon oder per SMS.
Die Strafe für eine Bedrohung nach § 241 StGB kann eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe sein. Eine Strafschärfung erfolgt, wenn die Bedrohung öffentlich erfolgt, beispielsweise auf sozialen Medien oder bei öffentlichen Versammlungen. In diesem Fall kann die Strafe eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe sein.
Die Verjährungsfrist für den Tatbestand der Bedrohung richtet sich nach dem Höchstmaß der zu verhängenden Strafe, die laut § 241 StGB bei einem Jahr Freiheitsstrafe liegt. Daraus ergibt sich eine fünfjährige Frist zur Vollstreckungsverjährung.
Für die Strafverfolgung einer Bedrohung ist kein Strafantrag erforderlich. Bei der Bedrohung handelt es sich um ein Offizialdelikt. Die Ermittlungsbehörden haben die Strafverfolgung aufzunehmen, sobald ein entsprechender Sachverhalt bekannt wird.
Das vorliegende Urteil
AG Worms – Az.: 1 Ds 3220 Js 550/16 – Urteil vom 25.04.2016
Der Angeklagte wird f r e i g e s p r o c h e n .
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 5 StPO)
I.
Mit Anklageschrift vom 12.01.2016 wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, am 30.11.2015 gegen 20.52 Uhr in Worms in der Wohnung seiner Mutter in der E. 10 einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn gerichteten Verbrechens bedroht zu haben. Konkret wurde dem Angeklagten vorgeworfen, in der oben genannten Wohnung seiner Mutter den gleichfalls dort wohnenden Stiefvater des Angeklagten, den Geschädigten J. mit einem Küchenmesser mit einer 7,5 Zentimeter langen Klinge, welches er in etwa zwei Meter Abstand quer zu dessen Hals durch die Luft bewegte und dabei sagte, „dass er ihm den Kopf abmachen werde“, bedroht zu haben. Ein um 21.17 Uhr durchgeführter Atemalkoholtest bei dem Angeklagten ergab einen Wert von 1,16 Promille. In der Hauptverhandlung vom 25.04.2016 hat der Zeuge J. den von ihm gestellten Strafantrag zurückgenommen.
II.
Nach der durchgeführten Hauptverhandlung steht folgender Sachverhalt fest:
Am Abend des 30.11.2015 betrat der Angeklagte die Wohnung seiner Mutter, für die er einen Schlüssel hat. Die derzeitige Wohnanschrift des Angeklagten kann von ihm wegen durchzuführender Renovierungsarbeiten nur eingeschränkt bewohnt werden. Der Angeklagte übernachtet deshalb regelmäßig in der Wohnung seiner Mutter. Der Angeklagte begab sich gegen 20.50 Uhr in die Küche und wollte sich dort ein Brot schmieren, um dieses zu verzehren. Zum Zwecke des Brotschmierens benutzte er ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von etwa 7,5 cm. Zum Zeitpunkt, als der Angeklagte mit dem Brotschmieren beschäftigt war, erschien der Ehemann der Mutter des Angeklagten, der Zeuge J. und begann, dem Angeklagten Vorwürfe wegen dessen Alkoholisierung zu machen. Der Angeklagte, der sich wegen dieser Äußerung ärgerte, drehte sich zu dem Zeugen um, fuhr bei dieser Drehung reflexartig mit dem Küchenmesser durch die Luft und äußerte: „Ich kann noch ganz anders, Du Scheiß-Franzose, Du Drecks-Franzose; ich schneide dir schon nicht den Kopf ab!“ Der Angeklagte bezweckte damit, sich etwaiger Vorwürfe durch den Zeugen J. zu erwehren und den Zeugen zu beschimpfen. Anschließend drehte sich der Angeklagte wieder um und widmete sich wieder den Vorbereitungen für seine Mahlzeit.
III.
Aufgrund der vorstehenden Feststellungen war der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Der festgestellte Geschehensablauf ist von dem Angeklagten in der festgestellten Form geschildert und von dem Zeugen T. bestätigt worden. Der Zeuge J. hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass er sich nicht wegen der Äußerung des Angeklagten sondern wegen dessen reflexartiger Bewegung mit dem Messer erschrocken und bedroht gefühlt habe.
Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen liegen die Voraussetzungen des § 241 StGB unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vor.
Eine Verurteilung des Angeklagten wegen einer etwaigen durch ihn begangenen Beleidigung gemäß § 185 StGB gegenüber dem Zeugen J. scheitert daran, dass der Geschädigte T. in der Hauptverhandlung seinen diesbezüglichen Strafantrag zurückgenommen hat.
Im Hinblick darauf, dass das Schwerpunkt der erhobenen Vorwürfe bei der angeklagten Bedrohung lag, war der Angeklagte freizusprechen und von einer Verfahrenseinstellung abzusehen, weil der schwerer wiegende Vorwurf den Urteilsausspruch bestimmt (vgl. BGH NJW 2005, 1287, 1290).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf 467 Abs. 1 StPO.