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Sitzblockade auf öffentlicher Straße eine strafbare Nötigung?

Klima-Protest: Sitzblockierer wegen Nötigung verurteilt

Das Amtsgericht Flensburg hat einen Angeklagten wegen Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt, nachdem er sich an einer Sitzblockade beteiligt hatte, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Die Blockade führte zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. Das Gericht erkannte die Absicht, auf den Klimawandel hinzuweisen, an, bewertete die Aktion jedoch als strafbare Nötigung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 430 Cs 107 Js 4027/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Angeklagte beteiligte sich an einer Sitzblockade, die den Verkehr erheblich behinderte.
  • Er wurde wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt.
  • Die Aktion zielte darauf ab, auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen.
  • Das Gericht lehnte eine Rechtfertigung durch zivilen Ungehorsam ab.
  • Kommunikative Anliegen im Rahmen der Versammlungsfreiheit wurden anerkannt, führten aber nicht zur Straffreiheit.
  • Das Urteil betont die Notwendigkeit einer Abwägung zwischen Demonstrationsfreiheit und öffentlicher Ordnung.
  • Die Verwerflichkeit des Handelns wurde aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung Dritter bejaht.
  • Die Dauer und Intensität der Blockade spielten eine wesentliche Rolle in der Bewertung der Tat.

Sitzblockaden auf öffentlichen Straßen – Umfang der Versammlungsfreiheit

Sitzblockaden auf öffentlichen Straßen sind ein zunehmend häufig genutztes Mittel des politischen Protests. Dabei stellen sich immer wieder die Fragen nach der Rechtmäßigkeit und den Grenzen des Versammlungsrechts.

Die Rechtsprechung sieht in Sitzblockaden grundsätzlich eine Nötigung, die unter Strafe gestellt werden kann. Die Versammlungsfreiheit bietet dabei aber einen gewissen Schutz, sodass die Nötigung nicht als rechtswidrig gewertet wird, wenn sie im Rahmen einer Versammlung ausgeübt wird. Hierbei ist jedoch eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, um das Gewicht der widerstreitenden Interessen – Versammlungsfreiheit und Schutz der öffentlichen Ordnung – angemessen abzuwägen.

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Sitzblockade
(Symbolfoto: Canetti /Shutterstock.com)

Am 02. Februar 2023 beteiligte sich ein 54-jähriger Angeklagter an einer durch das Aktionsbündnis „Letzte Generation“ initiierten Sitzblockade in F., die ohne vorherige Ankündigung stattfand. Der Angeklagte und zwei weitere Personen nahmen auf dem Zebrastreifen der zweispurigen Fahrbahn Platz, während zwei andere sich auf die danebenliegende Busfahrspur setzten. Ziel der Aktion war es, den Verkehr in beide Richtungen zu stoppen, wobei die Teilnehmer der Blockade eine ihrer Hände mit Sekundenkleber auf der Straße befestigten, um eine Räumung durch die Polizei zu erschweren.

Sitzblockade als Ausdruck des Protests

Durch die Blockade kam es zu einem vollständigen Stillstand des Verkehrs, der erst nach über drei Stunden durch das Eingreifen von Spezialkräften beendet werden konnte. Die Polizei löste die Versammlung mehrfach auf und wies die Demonstranten an, den Ort zu wechseln. Der Angeklagte, selbstständig im Bereich Offshore-Windkraft tätig, rechtfertigte sein Handeln mit dem Wunsch, auf die durch den Klimawandel bedingten Gefahren aufmerksam zu machen. Er betrachtete die Aktion als eine Form der Verantwortungsübernahme für künftige Generationen.

Rechtliche Einordnung der Nötigung durch das Gericht

Das Amtsgericht Flensburg verurteilte den Angeklagten gemäß §§ 240 Abs. 1 und Abs. 2, 25 Abs. 1 und Abs. 2 StGB wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro. Zentral für die Verurteilung war die Annahme, dass die Handlungen der Sitzblockadeteilnehmer als Gewalt gegen die im Stau stehenden Fahrzeugführer zu werten sind. Die Blockade führte zu einer erheblichen Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit der betroffenen Verkehrsteilnehmer, die weder ausweichen noch ihre Fahrt fortsetzen konnten.

Abwägung von Versammlungsfreiheit und öffentlicher Ordnung

Das Gericht musste die Versammlungsfreiheit der Protestierenden gegen die Rechte der durch die Blockade beeinträchtigten Verkehrsteilnehmer abwägen. Obwohl die Versammlungsfreiheit als Grundrecht im demokratischen Rechtsstaat von essentieller Bedeutung ist, wurde das Handeln des Angeklagten und seiner Mittäter als verwerflich eingestuft. Die Verwerflichkeit ergab sich insbesondere aus der Dauer und Intensität der Blockade sowie der fehlenden Möglichkeit für die Verkehrsteilnehmer, sich auf die Situation einzustellen oder ihr auszuweichen.

Schlussfolgerungen aus dem Urteil

Trotz der geständigen Einlassung des Angeklagten und seines friedfertigen Verhaltens wog das Gericht die erhebliche Beeinträchtigung der Verkehrsteilnehmer schwerer. Die Aktion wurde nicht als angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr oder als Ausdruck zivilen Ungehorsams anerkannt, der eine Rechtfertigung des tatbestandlichen Verhaltens erlauben würde. Stattdessen betonte das Gericht die Notwendigkeit, staatliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu respektieren und die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht eigenmächtig zu untergraben.

Das Urteil unterstreicht die Grenzen des Protests im öffentlichen Raum und die Bedeutung einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Es zeigt deutlich, dass auch unter dem Deckmantel des Engagements für den Klimaschutz rechtliche Grenzen des zivilen Ungehorsams bestehen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter einer Sitzblockade und warum kann sie rechtlich relevant sein?

Eine Sitzblockade ist eine Form des politischen Protests, bei der Teilnehmende durch das Sitzen auf Verkehrswegen oder Zugängen diese blockieren, um auf bestimmte Anliegen aufmerksam zu machen oder diese zu unterstützen. Sie wird in der Regel als friedliche Demonstration betrachtet und fällt grundsätzlich unter das Recht auf Versammlungsfreiheit, das in Artikel 8 des Grundgesetzes verankert ist.

Die rechtliche Relevanz von Sitzblockaden ergibt sich aus der Tatsache, dass sie in bestimmten Fällen als Nötigung nach § 240 StGB gewertet werden können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch die Blockade andere Personen in ihrem Handeln eingeschränkt oder zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden. Die sogenannte „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs (BGH) legt fest, dass eine Blockierung einer Straße durch Aktivisten den Tatbestand der Nötigung erfüllen kann, wenn durch den Einsatz des Körpers eine psychische Barriere für das zuerst herannahende Fahrzeug aufgebaut wird, die eine unüberwindbare Barriere für weitere herannahende Fahrzeuge darstellt.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat jedoch in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass Sitzblockaden unter bestimmten Umständen vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit gedeckt sein können. Entscheidend ist dabei, ob die Sitzblockade friedlich und ohne Einsatz von Gewalt durchgeführt wird. Nicht jede Behinderung oder Störung durch eine Sitzblockade ist automatisch als Gewalt oder als unfriedlich zu bewerten. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Dauer und Intensität der Aktion, die vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten, die Dringlichkeit des blockierten Transports und den Sachbezug zwischen den beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.

Die rechtliche Bewertung von Sitzblockaden hängt somit stark von den spezifischen Umständen ab und kann von Fall zu Fall variieren. Während friedliche Blockaden grundsätzlich unter die Versammlungsfreiheit fallen und damit grundrechtlich geschützt sind, können Teilnehmende unter bestimmten Umständen wegen Nötigung oder anderer Delikte strafrechtlich belangt werden. Entscheidend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Sitzblockade sind daher die Friedlichkeit der Versammlung, die Abwägung der kollidierenden Grundrechte und die Verhältnismäßigkeit der Aktion im Hinblick auf das verfolgte Anliegen.

Wie wird Gewalt im Kontext von Protestaktionen wie Sitzblockaden definiert?

Gewalt im Kontext von Protestaktionen wie Sitzblockaden wird in der Rechtsprechung und Forschung unterschiedlich definiert. In der Gewaltforschung wird ein enger Gewaltbegriff verwendet, der unter Gewalt die absichtliche oder leichtfertig in Kauf genommene körperliche Verletzung einer Person versteht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat jedoch entschieden, dass eine bloße Sitzblockade nicht als „Gewalt“ angesehen werden kann, da es eines „physischen Zwangs“ bedarf, der durch bloßes Sitzen nicht ausgeübt wird.

Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass Sitzblockaden unter bestimmten Umständen vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit gedeckt sein können, sofern sie friedlich und ohne Einsatz von Gewalt durchgeführt werden. Eine Sitzblockade kann jedoch rechtlich als Gewalt interpretiert werden, wenn sie eine physische Zwangswirkung auf Dritte ausübt, wie es in der „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Ausdruck kommt. Hierbei wird argumentiert, dass die Teilnehmer einer Sitzblockade Gewalt im Sinne des § 240 Absatz 1 StGB anwenden, wenn sie physische Barrieren errichten, die die Fortbewegung anderer Verkehrsteilnehmer zwangsweise unterbinden.

Die rechtliche Bewertung von Gewalt bei Sitzblockaden hängt also stark von den spezifischen Umständen ab und kann von Fall zu Fall variieren. Entscheidend ist, ob die Aktion friedlich bleibt und keine physische Zwangswirkung entfaltet.

Welche Bedeutung hat die Versammlungsfreiheit bei der Durchführung von Protestaktionen?

Die Versammlungsfreiheit ist ein fundamentales demokratisches Recht, das in Artikel 8 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verankert ist. Sie ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, sich zu versammeln und ihre Meinung öffentlich kundzutun, was eine aktive Teilnahme am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess darstellt. Dieses Grundrecht ist somit eine tragende Säule der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und spielt eine zentrale Rolle bei der Durchführung von Protestaktionen.

Protestaktionen wie Demonstrationen sind Ausdrucksformen der Versammlungsfreiheit und dienen dazu, auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen, politische Forderungen zu stellen oder Unterstützung für bestimmte Anliegen zu mobilisieren. Die Versammlungsfreiheit schützt dabei sowohl die Organisation und Durchführung von Versammlungen als auch die Teilnahme oder das Fernbleiben von diesen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Versammlungen unter freiem Himmel, zu denen auch viele Protestaktionen zählen, können nach Artikel 8 Absatz 2 des Grundgesetzes durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Das Versammlungsgesetz des Bundes sowie die Landesversammlungsgesetze regeln die Durchführung solcher Versammlungen und enthalten Bestimmungen zu Anmeldepflichten, möglichen Auflagen und Verboten.

Schutz und Einschränkungen

Die Versammlungsfreiheit ist nicht absolut und kann Einschränkungen unterliegen, insbesondere wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist. So müssen Versammlungen unter freiem Himmel in der Regel angemeldet werden, und die Behörden können Auflagen erteilen oder im Extremfall Versammlungen verbieten, wenn eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorliegt.

Rolle der Polizei

Die Polizei hat die Aufgabe, Versammlungen zu schützen und einen geordneten Ablauf zu gewährleisten. Sie muss dabei das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit beachten und darf nur dann eingreifen, wenn dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendig ist.

Bedeutung für die Demokratie

Die Versammlungsfreiheit ermöglicht es Minderheiten und gesellschaftlichen Gruppen, ihre Anliegen in den öffentlichen Diskurs einzubringen und so an der politischen Willensbildung teilzuhaben. Sie ist damit ein wesentliches Instrument der politischen Partizipation und ein Indikator für die Lebendigkeit und Offenheit einer Demokratie.

In der Praxis bedeutet dies, dass Protestaktionen wie Demonstrationen, Kundgebungen und andere Formen kollektiver Meinungsäußerung durch das Grundgesetz geschützt sind, solange sie friedlich und ohne Waffen ablaufen. Die Versammlungsfreiheit stärkt somit die demokratische Kultur, indem sie Bürgern die Möglichkeit gibt, sich sichtbar und hörbar zu machen und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.

Wie werden die Rechte der von einer Blockade betroffenen Verkehrsteilnehmer geschützt?

Die Rechte der von einer Blockade betroffenen Verkehrsteilnehmer werden durch verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen geschützt. Das Recht auf freie Bewegung ist ein wesentliches Prinzip, und Aktionen, die dieses Recht einschränken, können rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im Kontext von Blockaden durch Demonstranten, wie etwa Klimaaktivisten, ist die Abwägung zwischen dem Recht auf Versammlungsfreiheit der Demonstranten und den Rechten der Verkehrsteilnehmer von zentraler Bedeutung.

Blockaden können als Nötigung nach § 240 StGB gewertet werden, wenn sie andere Personen in ihrem Handeln einschränken oder zu einem bestimmten Verhalten zwingen. Dies gilt insbesondere, wenn keine Möglichkeit besteht, die Blockade zu umfahren, und die betroffenen Verkehrsteilnehmer dadurch eine erhebliche Freiheitseinschränkung erleiden müssen. Die rechtliche Bewertung hängt jedoch von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab, wie der Dauer und Intensität der Blockade, der vorherigen Bekanntgabe, den Ausweichmöglichkeiten und dem Sachbezug zwischen den beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.

Das Amtsgericht Tiergarten hat beispielsweise einen Klimaaktivisten wegen Nötigung verurteilt, da die Blockade eine erhebliche Dauer hatte und die blockierten Verkehrsteilnehmer keine Möglichkeit hatten, sich darauf einzustellen oder auszuweichen. Die Rechtsprechung berücksichtigt auch, ob die Blockadeaktionen zu verkehrsarmen Zeiten stattfinden und ob die Polizei in der Lage ist, den Verkehr umzuleiten, was die Auswirkungen auf die Verkehrsteilnehmer mindern kann.

Es ist zu beachten, dass die Polizei die Befugnis hat, Blockaden aufzulösen, um die Rechte der Verkehrsteilnehmer zu schützen. Eigenmächtiges Handeln von Verkehrsteilnehmern, wie das Wegtragen von Demonstranten, ist nicht erlaubt und kann rechtliche Folgen haben. In Fällen, in denen die Polizei nicht schnell genug eingreifen kann, könnte sich für die betroffenen Verkehrsteilnehmer eine Notwehrlage ergeben, die den Einsatz von Gewalt rechtfertigen könnte, allerdings nur unter strengen Voraussetzungen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Rechte der von einer Blockade betroffenen Verkehrsteilnehmer durch das Strafrecht und die Möglichkeit polizeilicher Intervention geschützt werden. Die rechtliche Bewertung von Blockaden und der Schutz der Rechte der Verkehrsteilnehmer hängen von den Umständen des Einzelfalls und einer sorgfältigen Abwägung der betroffenen Rechtsgüter ab.


Das vorliegende Urteil

AG Flensburg – Az.: 430 Cs 107 Js 4027/23 – Urteil vom 06.07.2023

1. Der Angeklagte wird wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt.

2. Dem Angeklagten wird gestattet, Geldstrafe und Kosten in monatlichen Raten von 250,00 €, zahlbar bis spätestens zum 10. eines jeden Monats, beginnend mit dem ersten auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, sobald eine Rate nicht rechtzeitig gezahlt wird.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften: §§ 240 Abs. 1 und Abs. 2, 25 Abs. 1 und Abs. 2, 42 StGB

Gründe

I.

Der 54 Jahre alte Angeklagte ist derzeit selbstständig tätig im Offshore-Windkraft-Bereich in S. Zuvor war er ca. 13 Jahre in den Bereichen Gebäudetechnik, Informatik und Elektrotechnik tätig. Der Angeklagte hat eine handwerkliche Ausbildung im Bereich Elektrotechnik sowie Umwelt- und Hygienetechnik und ein Studium der Umwelttechnik abgeschlossen. Derzeit erzielt der Angeklagte ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.000,00 €. Der Angeklagte ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. Der Angeklagte unterstützt ferner seine Ehefrau, welche einen Bauernhof auf P betreibt.

Der in der Hauptverhandlung verlesene Bundeszentralregisterauszug vom 07.02.2023 enthält hinsichtlich des Angeklagten keine Eintragungen.

II.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten sowie aufgrund der ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung durchgeführten Beweiserhebungen folgender Sachverhalt fest:

Der Angeklagte beteiligte sich am 02.02.2023 an einer nicht konkret im Vorfeld angekündigten Straßenblockade-Aktion des Aktionsbündnisses „Letzte Generation“ in F. Hierzu setzte er sich mit zwei weiteren Personen um 15:38 Uhr auf den Zebrastreifen an der Straße S in F auf die zweispurige Fahrbahn. Zwei weitere Personen setzen sich auf die daneben verlaufende Busfahrspur. Der Angeklagte setzte sich dabei auf rechte äußere Seite der Fahrbahn aus Richtung der F Innenstadt. Er und die weiteren Teilnehmer der Blockade hatten die Absicht, den Kraftfahrzeugverkehr stadteinwärts und stadtauswärts an der Weiterfahrt zu hindern. Dabei klebten er und die zwei weiteren Personen auf der Fahrbahn jeweils eine ihrer Hände mit Sekundenkleber auf der Straße fest, um die erwarteten polizeilichen Maßnahmen zur Räumung der Blockade zu erschweren. Infolge dessen kam es zunächst bis um 16:01 Uhr zu einem vollständigen Erliegen des Fahrzeugverkehrs. Die Fahrzeuge stauten sich jedenfalls stadtauswärts bis zur Einmündung der N Straße und stadteinwärts bis zur Einmündung der N. Zahlreiche Fahrzeuginsassen mussten im Stau verharren und waren infolgedessen an einem weiteren Fortkommen gehindert. Ab 16:01 Uhr konnte der Verkehr teilweise einseitig über die durch die Polizei geräumte Busspur geführt werden. Gleichwohl kam es weiterhin zu einem erheblichen Rückstau der Fahrzeuge bis zur Kreuzung am D. H. und im Bereich der F. N. Der Angeklagte konnte erst nach 3 Stunden und 41 Minuten durch Spezialkräfte mit einem Lösemittel von der Fahrbahn entfernt werden. Die anwesenden Polizeibeamten hatten dabei mehrfach die Versammlung hörbar aufgelöst und der Versammlung einen anderen Ort – auf dem Gehweg – zugewiesen.

III.

Die Feststellungen zu I. beruhen auf den eigenen glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 07.02.2023.

Die Feststellungen zu den Tatvorwürfen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten, sowie den in der Verhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatgeschehen auf Bl. 17 – 23 d. A., den in Augenschein genommenen Videos (Datenträger Sonderband „Digitale Beweismittel“; dort Video 1-3, 6, 7 und 10) vom Tattag, dem in Augenschein genommenen und verlesenen Flyer auf Bl. 15 und 16 d. A. sowie auf den in Augenschein genommenen und hinsichtlich der Entfernungsmessung verlesenen ausgedruckten Karten aus „google-maps“ (Anlagen 2 und 3 zum Hauptverhandlungsprotokoll). Ferner auf den glaubhaften Aussagen der Zeugen PHK B, PHK S sowie PK R.

Im Übrigen bestehen an der Richtigkeit des Geständnisses für das Gericht keine Zweifel. Der Angeklagte erhebt insoweit keine Einwände gegen die getroffenen Feststellungen, macht aber geltend, dass sein Verhalten nicht strafbar sei. Insoweit hat der Angeklagte glaubhaft eingeräumt, dass er sich an dem betreffenden Tattag auf die Fahrbahn – genauer den Zebrastreifen – in der Straße S gesetzt habe und hierdurch Autofahrende an der Weiterfahrt gehindert wurden. Er hat umfassend dargelegt, dass er diese Form des Protestes für erforderlich erachte, um auf die durch den Klimawandel drohenden bzw. bereits eingetretenen Gefahren für die menschliche Lebensgrundlage aufmerksam zu machen. Er sehe dies auch als Wahrnehmung von Verantwortung künftigen Generationen gegenüber. Als studierter Umwelttechniker habe er zudem seiner Wahrnehmung nach erlebt, dass der Solar- und Offshore-Bereich wirtschaftlich stagniere und seine Gestaltungs- und Protestmöglichkeiten insgesamt ausgeschöpft seien.

Bezüglich der tatsächlichen Feststellungen hat der Zeuge PHK B, welcher als führungsverantwortlicher Polizeibeamter den Einsatz geleitet hatte, berichtet, dass sich der Verkehr bei seinem Eintreffen bereits bis zur ZOB-Kreuzung gestaut habe. Die Verkehrslage sei dabei bewusst alle 10 Minuten protokolliert und via Funk durchgegeben worden. So wurde ferner berichtet, dass der Verkehr bis zum Wegtragen der auf der Busspur sitzenden Personen zwischen 20 Minuten und einer halben Stunde vollständig zum Erliegen gekommen sei. Auch im Nachgang habe es demgegenüber Rückstau bis zum D H und bis in die N hinein gegeben. Rettungsfahrzeuge seien daher von Beginn an zur Gefahrprävention über die R abgeleitet worden. Der Zeuge schilderte ferner, dass der Angeklagte und die gesondert Verfolgten sich von Beginn an friedlich verhalten hätten. Zudem sei die Versammlung durch die Versammlungsbehörde der Stadt F mehrmals wahrnehmbar aufgelöst worden. Darüber hinaus hat der Zeuge bekundet, dass der Angeklagte und die gesondert Verfolgten unter den Warnwesten dick gekleidet gewesen waren und auch kleine Isomatten bei sich gehabt hätten. Nach Vorhalt bestätigte der Zeuge weiter, dass sich die Zeitangaben der ersten Alarmmeldung gegen 15:38 Uhr, der Freigabe der Busspur gegen 16:01 Uhr sowie der Auflösung der Versammlung gegen 17:31 Uhr mit seiner Erinnerung decken würden. Das Gericht hält die Angaben des Zeugen für glaubhaft. Insoweit ist gerade aufgrund der erstmals in F auftretenden Situation des „Klimaklebens“ eine exakte Dokumentation erfolgt. Zudem ließ der Zeuge gerade durch die Betonung der Friedlichkeit des Angeklagten keinerlei Belastungstendenz erkennen.

Der Zeuge PHK S, welcher am Tattag unter anderem mit der Dokumentation der Vorgänge befasst gewesen ist, konnte ergänzend berichten, dass die Aktion des Angeklagten nicht konkret angekündigt gewesen sei. Der erste Anruf von blockierten Zeugen sei zudem nach seinen Angaben gegen 15:34 Uhr eingegangen. Das Gericht hat auch hier keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage.

Der Zeuge PK R, welcher am Tattag als einer der ersten Beamten am Tatort eingetroffen war, konnte bezeugen, dass er mitgeholfen habe, zwei gesondert verfolgte Personen von der Busspur zu tragen. Er habe dabei allerdings keinen Klebstoff bei den Personen feststellen können. Der Zeuge konnte sich ferner, aus Sicht des Gerichtes ebenfalls glaubhaft, daran erinnern, dass sich der Verkehr zwischenzeitlich bis zu Edeka in der W, zur W und zu C&A in der A Straße gestaut hatte.

Hinsichtlich der Beschaffenheit der Blockade sowie deren konkreten Auswirkungen auf den Fahrzeugverkehr wurden zudem die Lichtbilder Bl. 17 – 23 d. A. sowie Auszüge aus „google-maps“ mit Entfernungsmessung (Anlagen 2 und 3 zum Hauptverhandlungsprotokoll) in Augenschein genommen. Auf diese wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO wegen der Einzelheiten verwiesen.

Nach alledem war das Gericht überzeugt, dass sich das Tatgeschehen so wie unter II. dargestellt, auch tatsächlich ereignet hat.

IV.

Dadurch hat sich der Angeklagte einer gemeinschaftlichen Nötigung in mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 240 Abs. 1 und Abs. 2, 25 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig gemacht. Denn er hat durch sein „Auf-die-Fahrbahn-Setzen“ in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit seinen Mittätern – den anderen neben ihm sitzenden Protestierenden der „letzten Generation“ – Gewalt gegenüber den mit ihren Fahrzeugen im Stau stehenden Personen verübt.

Das Verhalten der Sitzblockadeteilnehmer und damit auch des Angeklagten stellt Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB dar. Das Vorliegen von Gewalt erfordert dabei mindestens einen physisch ausgeübten Zwang, welcher eine ebenfalls physische Zwangswirkung entfaltet (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 69. Aufl. 2022, § 240 Rn. 8 m.w.N.). Dies trifft im Fall einer Sitzblockade zwar nicht für das Verhältnis von den Demonstranten zu dem ersten Fahrzeugführer zu, wohl aber für das Verhältnis von dem ersten Fahrzeugführer zu den nachfolgenden Fahrzeugführern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. 3. 2011 – 1 BvR 388/05). Denn bei einer Sitzblockade auf einer öffentlichen Straße benutzt ein Demonstrant den ersten auf Grund von psychischem Zwang anhaltenden Fahrzeugführer und dessen Fahrzeug bewusst als Werkzeug zur Errichtung eines physischen Hindernisses für die nachfolgenden Fahrzeugführer. Diese vom zuerst angehaltenen Fahrzeug ausgehende physische Sperrwirkung für die nachfolgenden Fahrzeugführer ist dem Demonstranten zurechenbar (sogenannte „ „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ “, vgl. auch BGHSt 41, 182 = NJW 1995, 2643).

Die Tat des Angeklagten ist auch verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB.

§ 240 StGB ist ein sogenannter offener Tatbestand. Die Rechtswidrigkeit der Tat ist mit der Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale nicht indiziert, sondern muss nach § 240 Abs. 2 StGB positiv festgestellt werden. Sie ist gegeben, wenn entweder das Mittel oder das Ziel oder die Ziel-Mittel-Relation als „verwerflich“ anzusehen ist. Verwerflich ist ein Verhalten, das einen erhöhten Grad an sittlicher Missbilligung erreicht, sodass es als strafwürdiges Unrecht zu bewerten ist. Mit der sogenannten Verwerflichkeitsklausel sollen damit sozialadäquate Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich der Strafvorschrift ausgeschlossen werden, sodass ausschlaggebend ist, ob ein Verhalten sozial erträglich bzw. sozialwidrig erscheint (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 69. Aufl. 2022, § 240 Rn. 41).

Insoweit sind im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung kollidierende Rechte, Güter und Interessen nach ihrem Gewicht in der betreffenden Situation zu betrachten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10. 2001 – 1 BvR 1190/90; BVerfG vom 07.03.2011 – 1 BvR 388/05).

Dabei ist festzustellen, dass das Handeln des Angeklagten und seiner gesondert verfolgten Mittäter den durch die allgemeine Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG eröffneten Freiheitsraum der ausweglos blockierten Verkehrsteilnehmer erheblich beeinträchtigt hat. Diese konnten sich weder mit ihrem Fahrzeug in die gewünschte Richtung fortbewegen, noch einen straßenverkehrsrechtlich zulässigen Umweg nehmen und damit der Blockade ausweichen. Ebensowenig war es ihnen möglich, ihr Fahrzeug zu verlassen und ihren Weg zu Fuß fortzusetzen, weil sie das Fahrzeug dadurch aufgeben hätten und ihrerseits den nachfolgenden Verkehr unzulässig behindern würden. Zu dieser unmittelbaren Zwangswirkung kommen die daraus folgenden weiteren Einschränkungen der blockierten Verkehrsteilnehmer hinzu, die durch das Verhindern jeglicher nennenswerter Fortbewegung lebensnah betrachtet in ihren Plänen an diesem Tag zeitlich ganz erheblich beeinträchtigt wurden.

Auf der anderen Seite steht das Recht des Angeklagten und seiner Mittäter aus Art. 8 Abs. 1 GG, sich zu einem kommunikativen Zweck mit anderen friedlich versammeln zu dürfen. Bei der Versammlungsfreiheit handelt es sich um ein Grundrecht, das für die Willensbildung im demokratischen Rechtsstaat absolut essentiell ist. Dabei haben die Grundrechtsträger das Recht, selbst über Art und Umstände der Ausübung dieses Grundrechts zu bestimmen, wodurch ihnen auch grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet ist, durch Sitzblockaden Aufmerksamkeit für ihre politisch-gesellschaftlichen (Fern-)ziele zu generieren. Bei der Abwägung im Rahmen der Verwerflichkeitsklausel ist es den Gerichten dabei verwehrt, das kommunikative Anliegen inhaltlich zu bewerten und sein Gewicht in der Abwägung je nachdem zu bestimmen, ob sie die Stellungnahme als nützlich und wertvoll einschätzen und ob das verfolgte Ziel nach gerichtlicher Beurteilung zu billigen ist oder nicht. Eine solche Bewertung verbietet sich, weil der Staat gegenüber der Grundrechtsbetätigung der Bürger auch im Interesse der Offenheit kommunikativer Prozesse inhaltsneutral bleiben muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. 10. 2001 – 1 BvR 1190/90).

Um das Maß der Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Rechte zu beurteilen, sind nach der Rechtsprechung des BVerfG dabei regelmäßig im jeweiligen konkreten Einzelfall die Dauer und Intensität der Aktion, die Dringlichkeit der unternommenen Transporte, die vorherige Bekanntgabe der Aktion, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten und der Sachbezug der betroffenen Personen zum Protestgegenstand (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 – 1 bvR 713/83; BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001, 1 BvR 1190/90) zu berücksichtigen.

Vorliegend dauerte die Blockade insgesamt 3 Stunden und 41 Minuten an, davon ereignete sich von 15:38 Uhr bis 16:01 Uhr ein vollständiger Stillstand der blockierten Fahrzeuge. Die blockierten Verkehrsteilnehmer mussten damit eine nicht nur erhebliche, sondern auch länger andauernde Freiheitseinschränkung mit der Folge erheblicher Zeitverzögerungen und Verspätungen hinnehmen. Sie hatten zudem keinerlei Möglichkeit, sich darauf einzustellen, weil die Blockade unangekündigt war. Ein allgemeines „In-Aussicht-Stellen“ solcher Blockaden für nicht weiter konkretisierte künftige Zeitpunkte, wie sie durch die Gruppe „Letzte Generation“ zuvor erfolgt war, genügt nicht, um sich als möglicher betroffener Verkehrsteilnehmer auf die Behinderungen und deren mögliche weitere Auswirkungen einzustellen und sich eine Alternativstrecke oder ein Alternativverkehrsmittel zu organisieren. Auch ein spontanes Ausweichen war den Blockierten auf der Schiffbrücke nicht möglich. Zunächst war – wie oben festgestellt – auch die parallel verlaufende Busfahrspur durch Aktivisten blockiert. Im Nachgang hätten die Verkehrsteilnehmer verkehrswidrig komplett über den Bordstein vorbeifahren müssen. Zwar ist der Protestaktion ein gewisser Sachbezug nicht abzusprechen, da der Klimawandel alle – also auch die betroffenen Autofahrenden – betrifft und diese durch ihre Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr wiederum an den Ursachen des Klimawandels beteiligt sind. Gleichwohl ist dieser Sachbezug nicht hinreichend konkret, um zu einem überwiegen der Belange der Protestierenden gegenüber den Belangen der Blockierten zu gelangen, da der Klimawandel durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird und der motorisierte Straßenverkehr nur einen Teilaspekt betrifft. Darüber hinaus haben die Angeklagten selbst vorgetragen, dass lediglich „statistisch gesehen“ die blockierten Verkehrsteilnehmer durch Emissionsausstoß an dem Klimawandel partizipieren würden. Unberücksichtigt bleibt bei dieser Sichtweise die Möglichkeit, dass sich auch Autofahrende mit E-Autos, Fahrgemeinschaften oder Wenigfahrer unter den Blockierten befunden haben könnten. Zudem fordert die Gruppierung „Letzte Generation“ ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen und am Tatort verteilten Flyers unter anderem: „bezahlbaren ÖPNV“. Dabei ist in Bezug zu nehmen, dass sich die Aktivisten am Tattag auch bewusst auf eine Busspur setzten und somit auch jene Menschen behinderten, welche sich bewusst zur Nutzung des ÖPNV entschieden hatten.

Die Tat ist auch nicht gemäß § 34 StGB gerechtfertigt. § 34 StGB erlaubt es, im Fall einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder eines anderen Rechtsguts, die Begehung einer Straftat, um die Gefahr von sich oder anderen abzuwenden, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Die Vorschrift umfasst auch sogenannte Dauergefahren, die nicht im konkreten Moment der Straftat akut sein müssen. Mag man den Klimawandel als eine gegenwärtige Gefahr einstufen, so ist die Straßenblockade dennoch weder ein erforderliches noch angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr im Sinne des § 34 StGB. Für die Abwehr solcher der Allgemeinheit drohender Gefahren ist der Vorrang staatlicher Abhilfemaßnahmen zu beachten, da sicherzustellen ist, dass sich Privatpersonen nicht in beliebigem Umfang unter Anmaßung staatlicher Befugnisse als Sachwalter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerieren. Denn es besteht die Möglichkeit sich z.B. mittels angemeldeter und organisierter Versammlungen oder Petitionen im Rahmen der Medien oder auch der direkten Beteiligung am demokratischen Prozess einzubringen.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sich der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung dergestalt eingelassen hat, dass er sich bereits an diversen Demonstrationen und Kundgebungen beteiligt habe und aus seiner Sicht einzig der „zivile Ungehorsam“ als effektives Mittel verbleibe.

Unter zivilem Ungehorsam wird gemeinhin ein Verhalten verstanden, mit dem ein Bürger durch demonstrativen, zeichenhaften Protest bis hin zu aufsehenerregenden Regelverletzungen einer als verhängnisvoll oder ethisch illegitim angesehenen Entscheidung entgegentritt bzw. in einer Angelegenheit von wesentlicher allgemeiner Bedeutung, insbesondere zur Abwendung schwerer Gefahren für das Allgemeinwesen in dramatischer Weise auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess einwirken möchte (vgl. BVerfGE 73, 206).

Eine Rechtfertigung des tatbestandlichen Verhaltens durch „zivilen Ungehorsam“ ist vorliegend aber ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus Sicht des Gerichtes bereits im Umkehrschluss zu Art. 20 Abs. 4 GG. Diese Vorschrift gibt im Falle des Bestehens einer Situation, in der die grundgesetzliche Ordnung der Bundesrepublik im Ganzen bedroht ist, jedermann ein Widerstandsrecht gegen entsprechende Bedrohungen. Solange eine solche demokratiebedrohende Lage im Ganzen nicht gegeben ist, besteht im Umkehrschluss dieses Recht im Übrigen für den Einzelnen nicht. Würde die Rechtsordnung einen Rechtfertigungsgrund akzeptieren, der allein auf der Überzeugung des Handelnden von der Überlegenheit seiner eigenen Ansicht beruhte, liefe dies auf eine grundsätzliche Legalisierung von Straftaten zur Erreichung politischer Ziele hinaus.

Der Angeklagte handelte auch schuldhaft. Insbesondere befand er sich in keinem Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB. Zwar macht der Angeklagte geltend, dass er sein Verhalten aus Rechtsgründen für straflos hält. Gleichzeitig geht aus der übrigen Einlassung des Angeklagten hervor, dass er die Rechtswidrigkeit seines Handelns billigend in Kauf nahm. Denn der Angeklagte trug vor, dass Gesellschaften stets mit sogenanntem zivilen Ungehorsam bzw. Regelverletzungen der politischen Aktivisten einhergingen und sogar einhergehen mussten, um etwas zu bewirken.

Das Gericht hält im Übrigen für den vorliegenden Fall eine Strafbarkeit wegen eines Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB nicht für gegeben.

Im hiesigen Fall dürfte der Vorgang des Klebens der Hand des Angeklagten auf die Straße nicht dem Begriff des „Widerstandleistens mit Gewalt“ unterfallen. Gewalt meint dabei im Rahmen dieses Tatbestandes einen Einsatz materieller Zwangsmittel, vor allem körperlicher Kraft, durch tätiges Handeln gegen die Person des Vollstreckenden (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 69. Aufl. 2022, § 113 Rn. 23 ff.). Insoweit hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen, dass er nicht genau in dem Moment mit dem Festkleben auf die Straße begonnen habe, als die Polizeibeamten in Sichtweite gewesen seien. Vielmehr habe er erst beim Eintreffen der Beamten mit dem Kleben begonnen, da er zuvor fürchtete, von wütenden Autofahrern oder Passanten angegriffen zu werden und sich diesem Angriff nicht entziehen zu können. Diese Aussage war dem Angeklagten nicht zu widerlegen, sodass es insoweit – unabhängig von der Auslegung des Gewaltbegriffes im Rahmen dieser Vorschrift – an einem tätigen Handeln gegen die Person des Vollstreckenden fehlen dürfte.

V.

Bei der Strafzumessung war vom Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB, mithin von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe auszugehen.

Dabei war innerhalb des vorbezeichneten Strafrahmens bei der konkreten Strafzumessung strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung geständig eingelassen hat. Zudem waren sein friedfertiges Verhalten sowie seine bisherige Unbestraftheit positiv zu berücksichtigen. Auch hat das Gericht berücksichtigt, dass der Angeklagte handelte, um Aufmerksamkeit für die durch den Klimawandel verursachten erheblichen Auswirkungen entgegenzuwirken. Es ging ihm bei der Tat mithin nicht um einen materiellen oder immateriellen Vorteil.

Zu seinen Lasten war zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl an Kraftfahrzeugführern über einen nicht unerheblichen Zeitraum am Fortkommen und der Wahrnehmung ihrer beruflichen wie persönlichen Verpflichtungen gehindert wurden.

Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hält das Gericht eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.

Das Gericht hat geprüft, ob die Verurteilung zu der Geldstrafe gemäß § 59 StGB wegen besonderer Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Täters vorbehalten werden kann, da der Angeklagte mit der Tat ein kommunikatives Anliegen im Rahmen der Ausübung seiner Versammlungsfreiheit verfolgte. Hierfür müsste jedoch zu erwarten sein, dass der Angeklagte auch ohne Verurteilung zu einer Strafe keine Straftaten mehr begehen wird (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Dies ist nicht der Fall. Der Angeklagte teilte in der Hauptverhandlung mit, dass er bereits zuvor in unterschiedlichen Städten auf der Straße geklebt habe und dies auch in Zukunft beabsichtige. Eine positive Sozialprognose im Sinne des § 59 StGB war dem Angeklagten daher nicht zu stellen.

Ausgehend vom Nettoeinkommensprinzip war die Tagessatzhöhe auf 30,00 € festzusetzen. Aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse war dem Angeklagten gemäß § 42 StGB eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 250,00 € zu bewilligen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 465 Abs. 1 StPO.

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