Kammergericht Berlin: Atemalkoholtests nicht beweiskräftig für Schuldfähigkeit
Das KG Berlin hat in seinem Beschluss vom 06.09.2023 entschieden, dass die Umrechnung von Atemalkohol in Blutalkohol wissenschaftlich nicht gesichert ist. Aufgrund dieser Feststellung wurde das Urteil des Landgerichts Berlin aufgehoben und eine neue Verhandlung angeordnet. Dieser Entscheid markiert einen wesentlichen Punkt in der juristischen Bewertung der Schuldfähigkeit bei Alkoholkonsum und dessen Messverfahren.
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Übersicht
- Kammergericht Berlin: Atemalkoholtests nicht beweiskräftig für Schuldfähigkeit
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Wahrheit oder Irrtum beim Alkoholtest
- Wissenschaftliche Unsicherheit bei Alkoholmessungen: Gerichtsentscheidung zur Umrechnung von Atem- zu Blutalkohol
- Die Rechtsfrage hinter der Alkoholmessung
- Wissenschaftliche Unsicherheit als Dreh- und Angelpunkt
- Auswirkungen auf die juristische Praxis
- Revision und deren Konsequenzen
- ✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
- § Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- Das vorliegende Urteil
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Aufhebung des Urteils des Landgerichts Berlin wegen unzureichender wissenschaftlicher Sicherheit in der Umrechnung von Atemalkohol in Blutalkohol.
- Anordnung einer neuen Verhandlung und Entscheidung durch eine andere Strafkammer des Landgerichts.
- Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg, da die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch als unwirksam angesehen wurde.
- Kritik an der Atemalkoholmessung: Das Gericht erkennt die wissenschaftliche Unsicherheit in der direkten Umrechnung von Atem- in Blutalkoholwerte an.
- Unzureichende Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten, basierend auf den Atemalkoholwerten.
- Mögliche Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung, wenn das Urteil keine ausreichende Prüfung ermöglicht.
- Notwendigkeit der erneuten Überprüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten unter möglicher Einbeziehung eines Sachverständigengutachtens.
- Kosten der Revision und die damit verbundenen notwendigen Auslagen werden in der neuen Verhandlung thematisiert.
Wahrheit oder Irrtum beim Alkoholtest
Die Bestimmung des Blutalkoholwerts ist sowohl im Straf- als auch im Verkehrsrecht von immenser Bedeutung. Bei Schlüsseldelikten wie der Trunkenheitsfahrt hängen die rechtlichen Konsequenzen maßgeblich vom Blutalkoholgehalt ab. Allerdings stellen die gängigen Atemalkoholtests nur eine Schätzung dar.
Neueste Urteile höherer Gerichte zeigen, dass die Umrechnung von Atemalkohol in Blutalkoholwerte wissenschaftlich nicht gesichert ist. Die Messverfahren sind mit Unsicherheiten behaftet. Viele Faktoren wie Körpertemperatur oder Atemvolumen können das Ergebnis beeinflussen. Daher müssen Richter bei der Bewertung von Atemalkoholtests äußerste Vorsicht walten lassen.
Wissenschaftliche Unsicherheit bei Alkoholmessungen: Gerichtsentscheidung zur Umrechnung von Atem- zu Blutalkohol
In einem bemerkenswerten Rechtsstreit vor dem Kammergericht (KG) Berlin stand die Zuverlässigkeit der Umrechnung von Atemalkoholwerten in Blutalkoholkonzentrationen im Mittelpunkt.
Das KG Berlin setzte sich in seinem Beschluss vom 06. September 2023 intensiv mit der Frage auseinander, inwiefern Atemalkoholmessungen als valide Basis für juristische Entscheidungen, insbesondere im Kontext der Schuldfähigkeit, herangezogen werden können.
Die Rechtsfrage hinter der Alkoholmessung
Im Zentrum des Falls stand ein Angeklagter, der ursprünglich vom Amtsgericht Tiergarten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte ein Mobiltelefon entwendet, wobei eine kurz nach der Tat durchgeführte Atemalkoholmessung einen Wert von 2,46 Promille ergab. Die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil, beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, wurde vom Landgericht Berlin als unbegründet verworfen. Doch die Revision des Angeklagten beim KG Berlin führte zur Aufhebung des Urteils und zur Anordnung einer neuen Verhandlung.
Wissenschaftliche Unsicherheit als Dreh- und Angelpunkt
Das KG Berlin hob hervor, dass die Umrechnung von Atemalkohol in Blutalkohol wissenschaftlich nicht gesichert sei. Es betonte, dass das Ergebnis einer Atemalkoholmessung in Gramm oder Milligramm bestimmte Äthylalkoholmengen in einem spezifischen Atemvolumen darstellt und nicht direkt in Blutalkoholkonzentrationen umgerechnet werden kann. Diese Feststellung ist von Bedeutung, da die Rechtsfolgenentscheidung des Berufungsgerichts auf einer solchen Umrechnung basierte, was die Notwendigkeit einer Neubewertung der Schuldfähigkeit des Angeklagten unterstreicht.
Auswirkungen auf die juristische Praxis
Das Gericht wies zudem auf die Notwendigkeit hin, im Rahmen der neuen Hauptverhandlung nicht nur eigene Feststellungen zur Tat, sondern auch zur Schuldfähigkeit des Angeklagten zu treffen. Dies könnte die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordern, da das medizinische Allgemeinwissen für eine korrekte Umrechnung der Atemalkoholkonzentration in eine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit möglicherweise nicht ausreicht. Die Entscheidung des KG Berlin legt nahe, dass die Ergebnisse von Atemalkoholmessungen höchstens als Indizien, aber nicht als definitive Beweise für die Blutalkoholkonzentration herangezogen werden sollten.
Revision und deren Konsequenzen
Durch die erfolgreiche Revision des Angeklagten wird deutlich, wie kritisch die juristische Überprüfung von Beweismitteln und deren wissenschaftlicher Fundierung ist. Die Entscheidung des KG Berlin zeigt, dass für eine gerechte Urteilsfindung die wissenschaftliche Validität der Beweismittel unerlässlich ist. Die Anweisungen des Gerichts für die neue Hauptverhandlung unterstreichen zudem die Bedeutung einer umfassenden und fundierten Beurteilung der Schuldfähigkeit.
In einem kurzen und prägnanten Abschluss lässt sich sagen, dass das KG Berlin mit seiner Entscheidung die Bedeutung wissenschaftlicher Präzision und deren Einfluss auf die juristische Bewertung von Beweismitteln hervorhebt. Die Notwendigkeit einer Neubewertung der Schuldfähigkeit, basierend auf wissenschaftlich gesicherten Methoden, steht im Vordergrund dieses Falles.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Wie wird Atemalkohol in Blutalkohol umgerechnet?
Die Umrechnung von Atemalkohol in Blutalkohol basiert auf einem festgelegten Verhältnis, das durch gesetzliche Regelungen und wissenschaftliche Erkenntnisse bestimmt wird. In Deutschland wird ein Verhältnis von 1:2 für die Umrechnung von Milligramm pro Liter Atemalkohol (mg/l) in Promille Blutalkoholkonzentration (‰) verwendet. Das bedeutet, dass 0,25 mg/l Atemalkohol einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille entsprechen.
Diese Umrechnung ist relevant, da die Promillegrenzen im Straßenverkehr und die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen in der Regel auf der Blutalkoholkonzentration basieren. Die Umrechnung ermöglicht es, aus dem Atemalkoholwert eine annähernde Blutalkoholkonzentration zu bestimmen, ohne dass eine invasive Blutentnahme erforderlich ist.
In Österreich wird ebenfalls ein Umrechnungsfaktor verwendet, wobei der mg/l-Wert mit zwei multipliziert wird, um den entsprechenden Promillewert zu erhalten. Zum Beispiel entsprechen 0,4 mg/l Atemalkoholgehalt 0,8 Promille Blutalkoholgehalt.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Atemalkoholmessung als weniger präzise als die Blutalkoholmessung gilt. Vor Gericht wird daher der Blutalkoholwert als beweiskräftiger angesehen. Die Atemalkoholmessung dient in erster Linie dazu, einen ersten Verdacht auf Alkoholkonsum zu bestätigen und kann bei Verkehrskontrollen schnell und unkompliziert durchgeführt werden.
Warum ist die Umrechnung von Atem- zu Blutalkohol wissenschaftlich nicht gesichert?
Die Umrechnung von Atem- zu Blutalkohol ist wissenschaftlich nicht gesichert, weil es keine exakte und universell gültige Konvertierung gibt. Die Umrechnung basiert auf einem durchschnittlichen Verhältnis, das jedoch individuellen Schwankungen unterliegt. Verschiedene Faktoren wie Körpertemperatur, Atemtechnik, und die Zusammensetzung der Atemluft können die Messung beeinflussen und zu Abweichungen führen.
Wissenschaftliche Studien und Experten weisen darauf hin, dass die Korrelation zwischen Atem- und Blutalkoholkonzentration zwar unter kontrollierten Laborbedingungen nachgewiesen werden kann, aber in der Praxis, insbesondere bei höheren Werten, „Ausreißer“ auftreten können. Diese Ausreißer sind Werte, die signifikant von der erwarteten Korrelation abweichen und die Zuverlässigkeit der Umrechnung in Frage stellen.
Zudem ist die Atemalkoholkonzentration (AAK) anfällig für Verfälschungen, etwa durch Alkoholrückstände im Mundraum oder durch die Verwendung von Mundwasser und anderen Produkten, die Alkohol enthalten. Diese Faktoren können zu falsch hohen Atemalkoholwerten führen, die nicht der tatsächlichen Blutalkoholkonzentration (BAK) entsprechen.
Aus diesen Gründen wird vor Gericht der Blutalkoholwert als beweiskräftiger angesehen und bevorzugt verwendet. Die Atemalkoholmessung dient in erster Linie als schnelles Indiz für Alkoholkonsum und kann zur Bestätigung eines Verdachts bei Verkehrskontrollen herangezogen werden. Für eine rechtlich verbindliche Feststellung der Alkoholkonzentration, insbesondere bei Straftaten, wird jedoch in der Regel eine Blutprobe entnommen und analysiert.
Welche Rolle spielt die Atemalkoholmessung bei der Feststellung der Schuldfähigkeit?
Die Atemalkoholmessung spielt bei der Feststellung der Schuldfähigkeit eine unterstützende Rolle, indem sie zunächst als schnelles und nicht-invasives Verfahren dazu dient, den Verdacht auf Alkoholkonsum zu erhärten oder zu entkräften. Sie ist jedoch nicht als alleiniges Mittel zur Feststellung der Schuldfähigkeit geeignet, da sie nicht die gleiche Beweissicherheit wie eine Blutalkoholmessung bietet.
Bei Verdacht auf eine rechtserhebliche Alkoholbeeinflussung ist eine körperliche Untersuchung und die Blutentnahme anzuordnen. Die beweissichere Atemalkoholmessung kann im Ordnungswidrigkeitenverfahren dazu dienen, festzustellen, ob die betroffene Person unter Alkoholeinfluss steht oder ob bestimmte Atemalkoholwerte erreicht oder überschritten sind. Diese Werte können dann als Indizien in die Gesamtbewertung der Schuldfähigkeit einfließen.
Für die rechtliche Beurteilung der Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB ist jedoch eine umfassende Betrachtung erforderlich, die neben der Blutalkoholkonzentration auch das Verhalten des Täters vor, während und nach der Tat berücksichtigt. Die Atemalkoholmessung kann also ein Indiz für eine mögliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit liefern, aber für eine fundierte Beurteilung sind weitere Untersuchungen und gegebenenfalls ein medizinisches Gutachten notwendig.
Zusammengefasst dient die Atemalkoholmessung vorrangig der Feststellung eines Alkoholeinflusses im Rahmen von Verkehrsordnungswidrigkeiten und kann zur Entscheidungsfindung über die Anordnung einer Blutentnahme beitragen. Im Kontext der Schuldfähigkeit ist sie ein Teil der Beweisführung, aber nicht das entscheidende Kriterium.
§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr): Erläutert die Strafbarkeit von Führen eines Fahrzeugs unter Alkoholeinfluss. Der Zusammenhang besteht darin, dass die korrekte Bestimmung der Blutalkoholkonzentration entscheidend für die rechtliche Bewertung im Straßenverkehrsrecht ist.
- § 24a StVG (0,5 Promille-Grenze): Bestimmt die Grenzwerte für die Fahrtüchtigkeit in Bezug auf Alkohol. Dies ist relevant, da die Umrechnung von Atem- zu Blutalkoholwerten direkten Einfluss auf die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit hat.
- § 21 StGB (Verminderte Schuldfähigkeit): Behandelt die Auswirkungen von Alkoholkonsum auf die Schuldfähigkeit einer Person. Dies ist von Bedeutung, da die genaue Bestimmung der Blutalkoholkonzentration für die Beurteilung der Schuldfähigkeit kritisch sein kann.
- § 20 StGB (Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen): Kann in Verbindung mit Alkoholkonsum relevant werden, wenn argumentiert wird, dass hohe Blutalkoholkonzentrationen zu einer vorübergehenden Schuldunfähigkeit geführt haben.
- § 354 Abs. 2 StPO (Aufhebung und Zurückverweisung): Regelt das Vorgehen des Revisionsgerichts bei Aufhebung eines Urteils und Zurückverweisung der Sache. Dieser Paragraph ist relevant, da das KG Berlin genau diesen Weg gewählt hat.
- § 349 Abs. 4 StPO (Entscheidung über die Revision): Erläutert, unter welchen Voraussetzungen ein Revisionsgericht ein Urteil aufheben kann. Dies ist hier relevant, da die Revision des Angeklagten im beschriebenen Fall Erfolg hatte.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 2 ORs 29/23 – 121 Ss 126/23 – Beschluss vom 06.09.2023
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Juni 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
1. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 16. März 2023 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese zugleich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Berufung hat das Landgericht Berlin mit seinem Urteil vom 12. Juni 2023 als unbegründet verworfen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachrüge.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten hat entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, die ihre Verwerfung gemäß § 349 Abs. 2 StPO beantragt hat, in der Sache (zumindest vorläufig) Erfolg; sie ist begründet im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO.
1. Das Urteil des Landgerichts, das lediglich Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch (und zur Schuldfähigkeit) enthält, war schon deshalb aufzuheben, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgegangen ist und dementsprechend keine eigenen Feststellungen zur Tat getroffen hat.
a) Im Rahmen einer zulässigen Revision hat das Revisionsgericht auf die Sachrüge von Amts wegen – unabhängig von einer sachlichen Beschwer und ohne Bindung an die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts – zu prüfen, ob dieses zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung nach § 318 Satz 1 StPO und damit einer Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils ausgegangen ist (vgl. BGHSt 27, 70; KG, Beschluss vom 7. Februar 2017 – [5] 121 Ss 4/17 [3/17] -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl., § 318 Rn. 33, § 352 Rn. 4).
b) Grundsätzlich gebietet es die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 Satz 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren (vgl. KG, Urteil vom 22. September 2014 – [4] 161 Ss 148/14 [203/14] –). Somit führt nicht jeder Mangel des infolge der Beschränkung grundsätzlich in Rechtskraft erwachsenen Teils des Urteils, insbesondere auch nicht jede Lücke in den Schuldfeststellungen, zur Unwirksamkeit der Beschränkung (vgl. KG aaO).
Die wirksame Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt jedoch voraus, dass das angefochtene Urteil seine Prüfung ermöglicht. Dies ist namentlich dann nicht der Fall, wenn die Feststellungen zur Tat so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung des Berufungsgerichts bilden können (vgl. BGHSt 33, 59; KG aaO und Beschluss vom 30. März 2012 – [2] 161 Ss 28/12 [7/12] – mwN). Die Beschränkung ist ferner insbesondere dann unwirksam, wenn auf der Grundlage der Feststellungen zum Schuldspruch überhaupt keine Strafe verhängt werden könnte (vgl. BGH NStZ 1996, 352; Senat, Beschluss vom 30. März 2012 – [2] 161 Ss 28/12 [7/12] – mwN).
c) Nach diesen Grundsätzen ist die von dem Angeklagten erklärte Beschränkung der Berufung unwirksam. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind so unzureichend, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung des Berufungsgerichts bilden können. Sie tragen nicht die Annahme eines schuldhaft begangenen Diebstahls (§ 242 StGB).
2. Die vom Amtsgericht zur Tat getroffenen Feststellungen lauten wie folgt:
„Am 19. September 2022 gegen 14:15 Uhr riss der Angeklagte bei ‚Sat ‘, x, x Berlin, das Mobiltelefon der Marke ‚Sam G S 22 U ‘ für 1299 Euro aus der Befestigung, steckte es in seine rechte Jackentasche und verließ das Geschäft ohne die Ware zu bezahlen, um es für sich zu verwenden.
Die Tat wurde beobachtet und der Angeklagte wurde ergriffen. Das erbeutete Telefon wurde zurückgeführt. Der Angeklagte hatte zuvor Alkohol konsumiert. Eine um 14:58 Uhr genommene Atemalkoholmessung ergab einen Wert von 2,46 Promille.“
a) Rechtsfehlerhaft ist es, dass das Amtsgericht ohne nähere Erläuterung festgestellt hat, der Angeklagte habe eine mit Promille-Werten bestimmte Atemalkoholkonzentration aufgewiesen. Dies ist nicht nachvollziehbar, weil das Ergebnis einer Atemalkoholmessung die in Gramm oder Milligramm bestimmte Äthylalkoholmenge in einem bestimmten Atemvolumen darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Dezember 2022 – 6 StR 449/22 –, juris und vom 18. September 2019 – 2 StR 187/19 –, juris). Das Gericht hat also entweder nicht das konkrete Messergebnis (zur Frage einer direkten Konvertierbarkeit von AAK- in BAK-Werte vgl. auch BGHSt 46, 358, 362 ff.) oder aber irrtümlich ein unzutreffendes Messergebnis mitgeteilt und seiner (impliziten) Beurteilung der Schuldfähigkeit damit nicht ausschließbar einen unzutreffenden Grad der Alkoholisierung zugrunde gelegt. Denn wenngleich eine Atemalkoholkonzentration von 0,25mg/l normativ einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 ‰ entspricht (§ 24a StVG), ist eine Umrechnung von Atemalkohol in Blutalkohol wissenschaftlich nicht gesichert und daher erst recht keine exakte Konvertierung möglich (vgl. dazu KG, Beschluss vom 3. März 2016 – (3) Ws (B) 106/16 – mwN, juris).
Mit Rücksicht darauf kommt es nicht infrage, die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit aufgrund von Messungen mithilfe von Atemalkoholtestgeräten festzustellen; vielmehr können deren Ergebnisse insoweit nur als Indiz herangezogen und ausschließlich zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, wenn andere verwertbare Ausgangsdaten zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit nicht zur Verfügung stehen, während eine Berücksichtigung zum Nachteil des Angeklagten ausscheidet (vgl. KG, Beschluss vom 24. September 2015 – (1) 121 Ss 157/15 (15/15) – mwN, juris). Letzteres ist hier zu besorgen, weil eine am Tattag um 14:58 Uhr entnommene Blutprobe möglicherweise einen noch höheren Wert ergeben hätte als die seinerzeit durchgeführte Atemalkoholmessung.
b) Das daneben vom Amtsgericht festgestellte „Leistungsverhalten“ des Angeklagten, das grundsätzlich zur Beurteilung der Schuldfähigkeit durch den Tatrichter herangezogen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2022 – 6 StR 449/22 –, juris), beschränkt sich hier auf die Beschreibung des Tatgeschehens und erlaubt für sich keinen Rückschluss auf das Ausmaß der Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten. Andernfalls geriete die Beweiswürdigung in die Gefahr des Zirkelschlusses, dass der zur Tat fähige Täter automatisch auch schuldfähig gewesen ist.
III.
Der Senat hebt das angefochtene Urteil nach allem gemäß § 349 Abs. 4 StPO auf und verweist die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurück.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Berufungskammer wird im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung nicht nur eigene Feststellungen zur Tat, sondern auch zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB – und gegebenenfalls sogar derjenigen des § 20 StGB – zu treffen haben, wozu sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens anbietet, da das medizinische Allgemeinwissen des Tatrichters jedenfalls nicht für die Umrechnung der festgestellten Atemalkoholkonzentration in die zur Tatzeit vorliegende Blutalkoholkonzentration ausreichen dürfte. Außerdem dürfte hier auch die ergänzende Beurteilung des gesamten feststellbaren Verhaltens des Angeklagten im Hinblick auf seine Schuldfähigkeit medizinisches Fachwissen erfordern (vgl. Fischer, StGB 70. Aufl., § 20 Rn. 60, 61).
Über die Kosten der Revision und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten wird der neue Tatrichter im Lichte der von ihm zu treffenden Sachentscheidung insgesamt zu befinden haben.