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Störung eines Gottesdienstes – Unkenntnis der Strafbarkeit des Handelns

Gerichtsurteil: Femen-Aktion im Kölner Dom – Provokation trifft auf Religionsfreiheit

Im Fall der Störung eines Gottesdienstes im Kölner Dom am 1. Weihnachtsfeiertag durch eine Angeklagte, die aus Protest gegen die frauenfeindliche Haltung der katholischen Kirche handelte, wurde die Berufung gegen die erstinstanzliche Verurteilung zu einer Geldstrafe teilweise erfolgreich. Das LG Köln bestätigte die Schuldsprechung, setzte jedoch die Tagessatzhöhe aufgrund verschlechterter Einkommensverhältnisse der Angeklagten herab.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 156 Ns 23/15 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Angeklagte wurde wegen Störung der Religionsausübung zu einer Geldstrafe verurteilt, deren Tagessatzhöhe auf 10 € reduziert wurde.
  • Sie handelte aus Protest gegen die frauenfeindliche Haltung der katholischen Kirche, wählte für ihre Aktion bewusst den Weihnachtsgottesdienst im Kölner Dom.
  • Die Aktion wurde im Voraus geplant und der Presse mitgeteilt, um maximale Aufmerksamkeit zu erzielen.
  • Die Angeklagte trug die Botschaft „I AM GOD“ auf ihrem Körper und zielte darauf ab, ihre Botschaft über die Gleichberechtigung der Frauen während des Gottesdienstes zu verbreiten.
  • Das Gericht erkannte das politische Motiv und den Protestcharakter der Tat, berücksichtigte aber auch die sorgfältige Planung und die Auswahl eines besonders hohen Feiertags für die Aktion als strafschärfend.
  • Das jugendliche Alter der Angeklagten, ihr bisher unbescholtenes Leben und das Erleiden körperlicher Übergriffe während der Tat wurden strafmildernd gewertet.
  • Es lag kein Verbotsirrtum vor; die Angeklagte handelte wissentlich und willentlich gegen die Gesetze zur Religionsfreiheit.

Strafrechtliche Folgen bei Störungen der Religionsausübung

Die Religionsfreiheit ist ein hohes Rechtsgut in Deutschland. Sie genießt besonderen Schutz und ist unter anderem im Grundgesetz sowie im Strafgesetzbuch (StGB) verankert. § 166 StGB regelt die Strafe für die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen. Zudem stellt § 167 StGB unter Strafe, wer öffentlich und in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Würde der Veranstaltung eines Bekenntnisses, einer Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung beschimpft.

Verstöße gegen diese Vorschriften können empfindliche Geld- oder Freiheitsstrafen nach sich ziehen. Doch wann genau liegt eine Störung der Religionsausübung vor? Welche Handlungen gelten als strafbare Beschimpfung? Und wie wird das „Beschimpfen der Würde einer Veranstaltung“ rechtlich bewertet? Diese Fragen werden von den Gerichten auf Basis des Einzelfalls und unter Würdigung aller Umstände entschieden.

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Der Fall im Detail


Störung eines Gottesdienstes: Konflikt zwischen Glaubensfreiheit und Protestaktion

Im Zentrum des Geschehens: Ein ungewöhnlicher Protest im Kölner Dom. Am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 2013 wurde der Kölner Dom Schauplatz einer ungewöhnlichen Protestaktion: Eine junge Frau, Teil der feministischen Bewegung Femen, unterbrach den Gottesdienst, der von keinem Geringeren als dem Kölner Erzbischof geleitet wurde.

Kirche - Störung Gottesdienst
(Symbolfoto: Wieland Teixeira /Shutterstock.com)

Mit entblößtem Oberkörper, auf dem die Worte „I AM GOD“ prangten, stürmte sie auf den Altar. Ihr Protest richtete sich gegen die von ihr wahrgenommene frauenfeindliche Haltung der katholischen Kirche. Die Aktion, die innerhalb von Sekunden weltweite Aufmerksamkeit erregte, führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, die schließlich vor dem Landgericht Köln endete.

Die juristische Aufarbeitung: Verurteilung wegen Störung der Religionsausübung

Das Gericht sah in der Tat der jungen Frau eine Störung der Religionsausübung gemäß § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB und verurteilte sie zu einer Geldstrafe. Trotz ihres Einwands, die Aktion sei durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, folgte das Gericht dieser Argumentation nicht. Es wertete ihr Handeln als bewusste und grobe Störung des Gottesdienstes. Die Verteidigung argumentierte mit Unkenntnis über die Strafbarkeit des Handelns und berief sich auf einen möglichen Verbotsirrtum. Das Gericht erkannte jedoch auf eine vorsätzliche Tat, da es der Angeklagten als bewusst und planvoll agierender Person zurechnete, die Rechtswidrigkeit ihres Handelns zu erkennen.

Schlüsselmomente und Hintergründe des Urteils

Die Entscheidung des Gerichts beruhte auf einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit der Angeklagten und ihrer Motive. Sie, eine junge Studentin mit Engagement in der Frauenbewegung und vorheriger Aktivität bei Femen, hatte bewusst einen hohen christlichen Feiertag und eine zentrale kirchliche Stätte für ihren Protest gewählt. Ihr Handeln zielte darauf ab, eine maximale Öffentlichkeitswirkung zu erzielen. Das Gericht erkannte in der Aktion eine bewusste Provokation und Störung, die über das Maß einer zulässigen Meinungsäußerung hinausging. Trotz der Einschränkung der Meinungsfreiheit durch § 167 StGB bestätigte das Urteil die Vorrangigkeit der ungestörten Religionsausübung.

Die Verurteilung und insbesondere die Festsetzung der Geldstrafe reflektierten auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten. Ihre bisherige Unbescholtenheit, das teilweise Geständnis und die erlebten körperlichen Konsequenzen während der Aktion wurden mildernd berücksichtigt. Zugleich stellte die Wahl des Ortes und des Datums der Protestaktion, die gründliche Planung und Vorbereitung sowie die Intention, bewusst einen Tabubruch zu begehen, strafschärfende Faktoren dar.

Juristische und gesellschaftliche Dimensionen

Das Urteil des Landgerichts Köln im Fall der Störung des Gottesdienstes durch eine Femen-Aktivistin illustriert die Grenzen der Meinungsfreiheit im Kontext religiöser Veranstaltungen. Es verdeutlicht, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung dort seine Grenzen findet, wo die Rechte anderer, insbesondere die ungestörte Ausübung der Religionsfreiheit, beeinträchtigt werden. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit, zwischen dem Schutz der individuellen Freiheitsrechte und dem Respekt vor religiösen Überzeugungen und Praktiken abzuwägen. Zugleich wirft der Fall Fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen von Protestformen in einer demokratischen Gesellschaft auf und unterstreicht die Bedeutung des Dialogs und der Auseinandersetzung mit kontroversen Themen innerhalb rechtlich definierter Rahmen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was bedeutet die Störung eines Gottesdienstes und welche rechtlichen Konsequenzen kann dies nach sich ziehen?

Die Störung eines Gottesdienstes bezeichnet jede Handlung, die den vorgesehenen Ablauf eines Gottesdienstes oder einer gottesdienstlichen Handlung beeinträchtigt. Dies kann beispielsweise durch Lärm, Unterbrechungen oder andere störende Aktivitäten geschehen. Der Täter muss dabei absichtlich und in grober Weise handeln.

Rechtlich gesehen ist die Störung eines Gottesdienstes in Deutschland nach § 167 des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar. Dieser Paragraph schützt die ungestörte Religionsausübung und sieht vor, dass jemand, der den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört, mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden kann.

Dem Gottesdienst stehen dabei entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsgemeinschaft gleich, was bedeutet, dass auch diese vor Störungen geschützt sind.

Wie werden jugendliche oder heranwachsende Täter im deutschen Strafrecht behandelt, insbesondere im Kontext der Störung eines Gottesdienstes?

Im deutschen Strafrecht werden jugendliche und heranwachsende Täter im Rahmen des Jugendstrafrechts behandelt, das sich in einigen wesentlichen Punkten vom allgemeinen Strafrecht für Erwachsene unterscheidet. Das Jugendstrafrecht gilt für Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren und kann unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Heranwachsende im Alter von 18 bis 20 Jahren angewendet werden.

Das Hauptziel des Jugendstrafrechts ist nicht die Bestrafung, sondern die Erziehung und Resozialisierung der jungen Täter, um zukünftige Straftaten zu verhindern. Es legt einen starken Fokus auf erzieherische Maßnahmen und sieht eine Reihe von Sanktionen vor, die von Erziehungsmaßregeln über Zuchtmittel bis hin zu Jugendstrafe reichen können, wobei die Jugendstrafe als letztes Mittel gilt.

Bei der Behandlung jugendlicher oder heranwachsender Täter, die einen Gottesdienst stören, würde das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen, sofern die Täter in die entsprechende Altersgruppe fallen. Die Entscheidung, ob das Jugendstrafrecht oder das allgemeine Strafrecht angewendet wird, hängt bei Heranwachsenden von der Reife der Person zum Zeitpunkt der Tat ab. Die Gerichte prüfen, ob der Heranwachsende in seiner Entwicklung eher einem Jugendlichen oder einem Erwachsenen entspricht.

Im Falle einer Verurteilung wegen Störung eines Gottesdienstes nach § 167 StGB könnten jugendliche oder heranwachsende Täter mit Sanktionen wie Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln oder in schweren Fällen mit Jugendstrafe rechnen. Die spezifische Sanktion würde von den Umständen der Tat, dem Alter und der Reife des Täters sowie von dessen Vorstrafen und sozialem Hintergrund abhängen.

Das Jugendstrafrecht sieht vor, dass die Strafverfolgung und die Wahl der Sanktionen immer mit dem Ziel der Erziehung und der Vermeidung zukünftiger Straftaten erfolgen sollen. Dies bedeutet, dass bei der Entscheidung über die Konsequenzen für die Störung eines Gottesdienstes durch jugendliche oder heranwachsende Täter der Schwerpunkt auf Maßnahmen liegt, die eine positive Entwicklung der betroffenen Personen fördern und sie dazu anleiten, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen.

Welche Faktoren beeinflussen die Höhe einer Geldstrafe im deutschen Strafrecht?

Die Höhe einer Geldstrafe im deutschen Strafrecht wird durch das Tagessatzsystem bestimmt, das sicherstellen soll, dass die Strafe an die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten angepasst ist. Die Geldstrafe setzt sich aus zwei Hauptfaktoren zusammen:

<ul><li><strong>Anzahl der Tagessätze</strong>: Diese richtet sich nach der Schwere der Straftat und der Schuld des Täters. Das Gesetz sieht vor, dass mindestens 5 und höchstens 360 Tagessätze für eine Straftat verhängt werden können.</li><li><strong>Höhe eines Tagessatzes</strong>: Diese wird auf der Grundlage des monatlichen Nettoeinkommens des Verurteilten berechnet. Das monatliche Nettoeinkommen wird durch 30 geteilt, um die Höhe des Tagessatzes zu ermitteln. Die Höhe eines Tagessatzes beträgt mindestens 1 Euro und höchstens 30.000 Euro.</li></ul>
Zusätzlich zu diesen beiden Faktoren spielen auch das persönliche Vermögen des Verurteilten und die Möglichkeit von Zahlungserleichterungen eine Rolle. Das Gericht ist nicht nur verpflichtet, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten zu prüfen, sondern muss auch sicherstellen, dass die Geldstrafe keine entsozialisierende Wirkung hat, insbesondere bei einkommensschwachen Personen.

Wenn der Verurteilte keine Angaben zu seinem Einkommen macht, schätzt das Gericht das Einkommen. Es besteht auch die Möglichkeit, die Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit abzuleisten, wobei diese Option eher bei jungen Tätern und leichten Straftaten in Betracht kommt. Eine Geldstrafe wird im Führungszeugnis in der Regel dann eingetragen, wenn sie mehr als 90 Tagessätze beträgt.

Wie wird im deutschen Strafrecht zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln unterschieden?

Im deutschen Strafrecht wird zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln unterschieden, um die Schuld und die Strafbarkeit einer Tat zu bestimmen.

Vorsatz

Vorsatz bedeutet, dass der Täter wissentlich und willentlich handelt. Er ist sich der Strafbarkeit seiner Handlung bewusst und will diese verwirklichen. Es gibt verschiedene Formen des Vorsatzes:

  • Direkter Vorsatz: Der Täter weiß, dass sein Handeln zu einem gesetzlich definierten Erfolg führt und beabsichtigt diesen Erfolg.
  • Eventualvorsatz (bedingter Vorsatz): Der Täter hält es für möglich, dass sein Handeln zu einem gesetzlichen Tatbestand führt und nimmt diesen Ausgang billigend in Kauf, auch wenn er ihn nicht unbedingt herbeiführen will.

Fahrlässigkeit

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter die notwendige Sorgfalt außer Acht lässt und dadurch eine verbotene Handlung begeht, ohne diese zu beabsichtigen. Es gibt zwei Arten der Fahrlässigkeit:

  • Bewusste Fahrlässigkeit: Der Täter erkennt das Risiko, hofft aber, dass der tatbestandliche Erfolg nicht eintritt.
  • Unbewusste Fahrlässigkeit: Der Täter denkt nicht an die möglichen Folgen seines Handelns und verletzt damit die erforderliche Sorgfalt.

Die Unterscheidung ist wichtig, da vorsätzliche Taten in der Regel strenger bestraft werden als fahrlässige. Zudem ist nicht jede fahrlässige Handlung strafbar; sie muss explizit im Strafgesetzbuch (StGB) als solche definiert sein. Im Strafprozess muss das Gericht die Gedankenlage des Angeklagten zum Tatzeitpunkt rekonstruieren, um festzustellen, ob vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt wurde. Dies erfordert eine sorgfältige Würdigung der Aussage des Beschuldigten und aller Umstände des Einzelfalls.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB – Störung der Religionsausübung: Dieser Paragraph stellt die absichtliche und grobe Störung von Religionsausübungen unter Strafe. Im Kontext der Aktion im Kölner Dom zielte der Protest gegen die katholische Kirche direkt darauf ab, einen bedeutenden Gottesdienst zu stören.
  • Art. 5 GG – Meinungsfreiheit: Die Meinungsfreiheit schützt das Recht auf freie Äußerung und Verbreitung von Meinungen. Im vorliegenden Fall war jedoch eine Abwägung mit dem Recht auf ungestörte Religionsausübung gemäß Art. 4 GG notwendig, wobei letzteres Vorrang hatte.
  • Art. 4 GG – Glaubens- und Gewissensfreiheit: Garantiert die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Die Aktion im Dom stellt eine Verletzung dieser Freiheit dar, da sie gezielt einen Gottesdienst störte.


Das vorliegende Urteil

LG Köln – Az.: 156 Ns 23/15 – Urteil vom 02.06.2015

Die Berufung wird mit der Maßgabe kostenpflichtig verworfen, dass die Tagessatzhöhe auf 10,- € ermäßigt wird.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Angeklagte mit dem angefochtenen Urteil wegen Störung der Religionsausübung gemäß § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB kostenpflichtig zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt mit dem Ziel eines Freispruchs, hilfsweise einer milden Verurteilung nach Jugendrecht.

Die Berufung der Angeklagten hat in der Sache nur einen geringen Teilerfolg insoweit, als sie aufgrund der verschlechterten Einkommensverhältnisse zu einer Herabsetzung der Tagessatzhöhe auf 10,- € führt.

II.

Die erneute Hauptverhandlung vor der Kammer hat zu nachfolgenden Feststellungen geführt:

Die im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 21 Jahre alte Angeklagte wuchs gemeinsam mit drei jüngeren Geschwister im Haushalt ihrer Eltern in Hamburg auf. Ihr Vater betreibt eine Firma im Bereich Wärmeenergietechnik, die Mutter ist als angestellte Physiotherapeutin berufstätig.

Zur Zeit ihrer Geburt waren ihre Eltern noch nicht verheiratet. Die Angeklagte führte daher bis zur Eheschließung ihrer Eltern den Mädchennamen ihrer Mutter X. Nach der Heirat der Eltern, die erfolgte, als die Angeklagte 6 Jahre alt war, nahm sie den Familiennamen N an.

Die Angeklagte besuchte den Kindergarten und wurde sodann altersgemäß in die Grundschule eingeschult. Sie wechselte danach auf ein Gymnasium in Hamburg-M. Im ersten Halbjahr 2009, der Klasse 10, besuchte die Angeklagte im Wege des Schüleraustausches ein Gymnasium in Großbritannien. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland konnte sie die Schule fortsetzen, ohne durch den Auslandaufenthalt ein Schuljahr zu verlieren. Sie wollte eigentlich nach der Rückkehr aus England die Schule abbrechen und Schauspielerin werden. Auf Druck ihrer Eltern gab sie diesen Plan auf und setzte den Schulbesuch fort. Im Sommer 2011 erwarb sie mit Abschluss der Klasse 12, da für sie bereits die Regelung des 8-jährigen Gymnasiums galt, im Alter von 18 Jahren das Abitur. In der Schulzeit hatte sie durchgehend gute Noten.

Die Angeklagte wurde im christlichen Glauben als Protestantin erzogen, getauft und konfirmiert, wobei sie mit ihren Eltern immer wieder Diskussionen über die christliche Erziehung, den Glauben und Proteste in diesem Zusammenhang führte.

Nach dem Erwerb des Abiturs kam es zwischen der Angeklagten und ihren Eltern zu heftigen Auseinandersetzungen über ihren weiteren Werdegang. Während die Eltern ein Studium der Rechtswissenschaft oder Medizin befürworteten, interessierte sich die Angeklagte für eine künstlerische Richtung. Gegen den Willen der Eltern arbeitete sie zunächst für ca. 8 Monate in einem Projekt zur Betreuung von Straßenkindern – in erster Linie Mädchen – in Bolivien. Hier erwachte ihr Interesse an der Frauenbewegung.

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nahm sie im Wintersemester 2012/2013 ebenfalls gegen den Willen der Eltern, die sie zu einem Studium der Medizin oder Rechtswissenschaft drängen wollten, das Studium der Philosophie an der Universität in Hamburg auf. Zudem schloss sie sich, wie unten noch näher ausgeführt wird, den Femen an. Das Studium der Philosophie brach sie nach zwei Semestern ab und begann 2014 nach der Tat an der Universität Hamburg mit dem Studium der Zahnmedizin, nach ihren Angaben auf Druck ihrer Eltern hin. Vor kurzem brach sie jedoch auch dieses Studium ab. Sie will nun an der Universität Berlin wieder das Studium der Philosophie aufnehmen und ist dabei, nach Berlin umzuziehen. Sie erhält derzeit noch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von ca. 597 € monatlich. Ihre Nebentätigkeit in einem Café, mit der sie zusätzlich monatlich ca. 200 € verdiente, hat die Angeklagte vor einem Monat aufgegeben. Bis zur Hauptverhandlung vor der Kammer lebte sie in einem Studentenwohnheim mit einer monatlichen Miete von 255,- €, hielt sich zeitweise aber auch im Haushalt ihrer Eltern auf. Ob sie in Zukunft wieder Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) erhält, ist derzeit ungewiss, da eine Ausbildungsförderung grundsätzlich nach zweimaligem Wechsel des Studienfachs nicht mehr gewährt wird. Ob in ihrem Fall wie von ihr beantragt eine Ausnahme greift oder sie ein Stipendium bekommt, stand im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht fest. Eine Arbeitsstelle hat sie in Berlin ebenfalls noch nicht gefunden. Ob sie eine solche findet, ist noch unsicher. Zur Zeit arbeitet sie an einem Dokumentarfilm und will sich in Berlin in Zukunft neben dem Studium im Bereich Theater/Film weiterbilden.

Unterhalt von ihren Eltern erhält die Angeklagte nicht.

Inzwischen hat die Angeklagte sich von der Femenbewegung losgesagt, da sie zwischen ihren Ansichten und denen der Femenbewegung ideologisch eine große Diskrepanz sieht. Ihre Protestaktionen will sie in Zukunft nicht mehr unbekleidet durchführen.

Strafrechtlich ist die Angeklagte auch weiterhin nicht in Erscheinung getreten.

Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben der Angeklagten zu ihrer Person, den Ausführungen des Vertreters der Jugendgerichtshilfe, den durch Verlesen nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Urkunden und dem mit der Angeklagten erörterten und von ihr als richtig anerkannten Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 11.3.2015.

III.

In der Sache selbst hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

Während ihres Aufenthalts in Bolivien wuchs in der Angeklagten ihr Interesse an der Frauenbewegung und dem Kampf für die Rechte der Frauen. Sie schloss sich deshalb Anfang 2013 den „Femen“ an. Damit ihre Eltern durch ihre Aktionen keine Nachteile erleiden, unternahm sie ihre Aktionen unter dem Pseudonym K. X, entsprechend dem Mädchennamen ihrer Mutter und ihrem zweiten Vornamen. Im Rahmen ihres Engagements für diese Organisation nahm sie an verschiedenen Protestaktionen teil. Zunächst beteiligte sie sich an einer Demonstration gegen die NPD. Im April 2013 nahm sie an einer Protestaktion gegen den Präsidenten der russischen Föderation Wladimir Putin während der Eröffnung der Hannover-Messe durch ihn und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel teil. Gemeinsam mit anderen versuchte sie, in die Nähe der beiden Politiker zu gelangen. Dabei hatte sie auf ihren nackten Oberkörper den Schriftzug „Fuck Dictator“ geschrieben.

Am 29.5.2013 demonstrierte die Angeklagte mit zwei französischen Mitgliedern der Femenbewegung in Tunesien gegen die Inhaftierung einer tunesischen Kollegin durch Entblößung ihres Oberkörpers vor dem Justizministerium in Tunis. Sie wurde daraufhin von einem tunesischen Gericht wegen unsittlichen Verhaltens zu vier Monaten Haft verurteilt und befand sich bis zur Strafaussetzung zur Bewährung durch das Berufungsgericht vom 29.5.2013 bis 26.6.2013 unter aus ihrer Sicht menschenunwürdigen Bedingungen in einem tunesischen Gefängnis in einer Zelle gemeinsam mit 27 anderen Frauen in Haft.

Am 11.12.2013 beteiligte sie sich an einer Protestaktion der Femen während einer Fernsehsendung von Markus Lanz. Dort protestierte sie ebenfalls barbusig gegen die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle für die geplante Fußball Weltmeisterschaft in Katar.

2 bis 3 Tage vor der Tat kam es zu einer teilweise fernmündlich geführten Besprechung der Angeklagten mit weiteren Mitgliedern der Femenbewegung Deutschland und den in der Ukraine lebenden Gründungsmitgliedern der Bewegung, insgesamt etwa 9 Personen. In dieser Gruppe war die Angeklagte die jüngste; die anderen Femenmitgliedern waren zwischen 23 – 35 Jahre alt. Zu dieser Zeit fand eine Protestreihe verschiedener Femenmitglieder in Rom, Paris und Madrid statt. Die Angeklagte hielt angesichts der Äußerungen von J K M u.a. zur Stellung der Frau, zur Position der Kirche, – u.a. der Staat müsse sich der Kirche unterordnen – und zur Abtreibung einen Protest in Köln für angezeigt. Hierzu bereit waren angesichts der Weihnachtstage allerdings nur eine andere Aktivistin und die Angeklagte. Ob ein Protest durchgeführt wird, wird nach den glaubhaften Angaben der Angeklagten in der Femengruppe in einem demokratischen Prozess entschieden. Es liegt an der Aktivistin selbst, ob sie die Aktion durchführen will. In der Vergangenheit hatte die Angeklagte zumindest einmal kurzfristig von der Durchführung einer geplanten Aktion gegen die Bundeskanzlerin im Wahlkampf abgesehen, aus ideologischen Gründen oder aufgrund von Sicherheitsbedenken. Die Angeklagte entschied sich zur Durchführung der Aktion im Weihnachtsgottesdienst, weil sie durch die o.g. Äußerungen von J K M es für sinnvoll erachtete, sich zu dieser Zeit in dieser Form zu äußern, um möglichst große Aufmerksamkeit zu erzielen, wobei für sie auch ausschlaggebend war, dass an diesem Tag J K M seinen 80. Geburtstag feierte.

Ca. 24 Stunden vor der Tat wurde durch ein Mitglied der Femenbewegung die Presse von dem bevorstehenden Ereignis informiert.

Die Angeklagte begab sich am 24.12.2013 nach Köln. Sie übernachtete bei einer Freundin.

Am 25.12.2014 begab die Angeklagte sich etwa 1 ½ Stunden vor Beginn der Weihnachtsmesse an diesem Tag in den Kölner Dom und setzte sich dort in die erste Reihe. Sie war im Wesentlichen mit einem schwarzen Mantel, einem schwarzen Slip und Stiefeln bekleidet. Um ihren Kopf hatte sie ein buntes Tuch geschlungen. In der ersten Sitzreihe wartete sie den Beginn der Weihnachtsmesse um 10.00 Uhr ab. Während des von Orgelmusik begleiteten Einzugs des Kölner Erzbischofs J K M und der kirchlichen Würdenträger, die an einem solchen Hauptgottesdienst teilnehmen, entledigte sich die Angeklagte ihres schwarzen Mantels, des Tuchs und der Stiefel, um den Altar nicht zu beschädigen. Sie stürmte aus der ersten Reihe über die Begrenzung in den Altarraum und sprang auf den geweihten Altartisch, wobei sie zu diesem Zeitpunkt nur noch mit einem schwarzen Slip und einem darüber geschlungenen schwarzen Tuch bekleidet war. Auf ihren entblößten Brüsten und den Oberkörper hatte sie in großen schwarzen auch in einiger Entfernung noch deutlich sichtbaren Großbuchstaben den Schriftzug „I AM GOD“ geschrieben. Auf dem Altar stehend, wandte sie sich den Gottesdienstbesuchern zu, streckte ihre Arme seitlich nach oben, und rezitierte mit lauter Stimme in Richtung Gottesdienstbesucher die Worte: „Ich glaube an die selbstbestimmte und freie Frau, an die……“ Nachdem Domschweizer den Altar umringten, sprang die Angeklagte vom Altar und lief mit weiter erhobenen Armen in Richtung der Gottesdienstbesucher in den Mittelgang bis in Höhe der 1. oder 2. Reihe, wobei sie fortfuhr, mit lauter Stimme die Worte zu rezitieren: „Unantastbarkeit des Körpers der Frau, ich glaube an die Gleichheit aller Menschen, an die…“ . Hier trat ein männlicher Gottesdienstbesucher auf sie zu und versetzte ihr zwei Schläge ins Gesicht. Sodann gelang es einem Domschweizer und zwei anderen Männern, sie zu überwältigen und zu Boden zu bringen. Noch während sie von mehreren Männern in Richtung der vom Innenraum des Domes baulich separierten Hubertuskapelle geschleift bzw. getragen wurde, begann die Angeklagte neben dem Hinweis darauf, dass man ihr weh tue, erneut, mit lauter Stimme die Worte „Ich glaube an die Gleichberechtigung aller Menschen, an die Freiheit…“ zu rezitieren.

Die Aktion dauerte vom Loslaufen der Angeklagten bis zu ihrer Überwältigung etwa 30 Sekunden, bis zum Verbringen der Angeklagten in die Kapelle 1 ½ Minuten.

Aufgrund der Schläge und das Schleifen über den Boden erlitt die Angeklagte Schmerzen und Verletzungen in Form von Schürfwunden und Hämatomen an den Füßen und dem Rücken.

Nachdem die Angeklagte aus dem Gottesdienstraum entfernt worden war, weihte J K M den Altar neu. Der Gottesdienst wurde sodann fortgesetzt.

Insgesamt war er aufgrund der Aktion der Angeklagten für etwa 2 Minuten unterbrochen.

Die gesamte Aktion der Angeklagten wurde aus zwei verschiedenen Perspektiven von im Dom anwesenden Journalisten gefilmt.

Die Messe insgesamt wurde auf dem Sender des Dom-Radios live übertragen.

Wegen der Einzelheiten des Aussehens der Angeklagten und ihrer Pose auf dem Altar wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Lichtbilder Blatt 147, unteres Bild, 146 unteres Bild, 151 der Akte Bezug genommen.

Die Angeklagte handelte bei dieser Aktion in der Absicht, mit der Störung des Gottesdienstes gegen die frauenfeindliche Haltung der katholischen Kirche und eines ihrer höchsten Würdenträger, des Kölner Erzbischofs J K M, insbesondere dessen Einstellung zu Abtreibung und dem Verhältnis von Staat und Kirche, zu protestieren und aufmerksam zu machen.

Am Tag nach der Tat gab die Angeklagte vor dem Dom einem Journalisten des WDR ein Interview.

Anhaltspunkte für eine erhebliche Einschränkung oder gar Aufhebung der Einsichtsfähigkeit der Angeklagten oder ihrer Fähigkeit, ihr Verhalten entsprechend der uneingeschränkt vorhandenen Einsicht in das Unrecht ihres Handelns zu steuern, sind nicht gegeben.

IV.

Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf der Einlassung der Angeklagten, soweit die Kammer ihr zu folgen vermochte, den durch Inaugenscheinnahme zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Videoaufnahmen des Geschehens sowie den weiteren durch Verlesen und Inaugenscheinnahme nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Urkunden, Lichtbilder und sonstigen Beweismittel.

Die Angeklagte hat den äußeren Geschehensablauf der Tat in vollem Umfang glaubhaft eingeräumt. Die vorstehend getroffenen Feststellungen zur Planung der Tat, dem Entscheidungsprozess, der Verständigung der Presse sowie der Vorbereitung und Durchführung der Tat beruhen ebenfalls auf der entsprechenden glaubhaften Einlassung der Angeklagten.

Im Übrigen hat sie sich wie folgt eingelassen:

Ihre Aktion habe sich gegen J K M, insbesondere seine Haltung zu Frauen und Abtreibung, und nicht gegen die Gläubigen gerichtet. Sie habe die Gottesdienstbesucher nicht absichtlich stören wollen. Sie sei der Meinung gewesen, in einer öffentlichen Veranstaltung wie einem Gottesdienst sei ihre Aktion durch Art. 5 GG gedeckt. Sie habe sich für ihre Aktion bewusst einen „Pausenslot“ in der Prozession ausgewählt. Durch die von ihr auf dem Altar eingenommene Haltung habe sie auf das Bild von Jesus am Kreuz angespielt. Von der Reaktion des Gottesdienstbesuchers, der sie geschlagen habe, sei sie überrascht gewesen. Sie habe zwar gewusst, dass ihre Meinung nicht mit der der Gottesdienstbesucher übereinstimme. Sie habe aber diesen Moment nutzen wollen, um ihre Kritik an der frauenfeindlichen Haltung der Kirche und insbesondere J K Ms zu äußern. Sie sei der Meinung gewesen, nur durch einen Tabubruch ausreichendes Gehör für ihre Meinung zu finden. Sie wisse allerdings, dass andere dies auch anders sehen würden. Nach der Tat hätten ihr Personen auch zu ihrer Tat gratuliert.

Das von ihr rezitierte „Glaubensbekenntnis“ der Femen sei nicht antichristlich, sondern eine Gegendarstellung zu dem christlichen Glaubensbekenntnis. Sie habe niemanden mit den Worten persönlich beleidigen wollen.

Grund für ihre Tat sei nicht etwa Abenteuerlust gewesen. Vielmehr habe sie ihre Aktion als politischen Protest verstanden und durch ihre performance eine politische Diskussion anstoßen wollen. Dabei begreife sie Nacktheit nicht als Provokation, sondern als Strategie der Femenbewegung.

Die Vorschrift des § 167 StGB sei ihr nicht bekannt gewesen. Sie habe nicht gewusst, dass ihr Handeln einen Straftatbestand erfüllt.

Das Geständnis der Angeklagten zum äußeren Tathergang wird bestätigt durch die in Augenschein genommenen Videoaufnahmen von der Tat. Das von der „…media“ erstellte Video zeigt aus einem Blickwinkel rechts vom Altar in Richtung des Altars gesehen, wie die Angeklagte – während des Einzugs der geistlichen Würdenträger und noch während die Orgelmusik erklingt – aus der ersten Reihe auf den Altar zustürmt und auf diesen springt, sich in Richtung der Gottesdienstbesucher wendet und ihre Arme nach seitlich oben wegstreckt. Dabei ist sie lediglich mit einem schwarzem um die Hüften geschlungenen Tuch bekleidet. Auf ihre Brust ist in großen schwarzen Großbuchstaben geschrieben I AM GOD. Auf dem Altar stehend rezitiert die Angeklagte laut in Richtung Gottesdienstbesucher die Worte: „Ich glaube an die selbstbestimmte und freie Frau, an die Unantastbarkeit des Körpers der Frau, ich glaube an die Gleichheit aller Menschen, an die…“ . Der weitere Text ist unverständlich. Die Angeklagte bricht ihre Rezitation ab. Sie ist inzwischen von Domschweizern umringt und springt vom Altar. Dann läuft sie mit weiter erhobenen Armen in Richtung der Gottesdienstbesucher in den Mittelgang bis in Höhe der 1. oder 2. Reihe. Hier wird sie von einem männlichen Gottesdienstbesucher zweimal ins Gesicht geschlagen und sodann von einem Domschweizer und zwei anderen Männern überwältigt und zu Boden gebracht. Die Männer fassen die Angeklagte erst an den Armen und ziehen sie rückwärts in Richtung einer angrenzenden Kapelle, wobei die nackten Füße der Angeklagten über den Boden schleifen. Dann treten weitere Männer dazu, fassen die Beine der Angeklagten und tragen sie zusammen aus dem Dom zu der angrenzenden Tür.

Dabei ist zu hören, wie die Angeklagte zunächst zweimal ruft: „Sie tun mir weh“ und anschließend mit lauter Stimme wiederholt: „Ich glaube an die Gleichberechtigung aller Menschen, an die Freiheit…“. Die weiteren Worte sind nicht zu verstehen. Die Angeklagte bricht ihre weitere Rezitation kurz vor Erreichen der Tür ab. Auf dem in Augenschein genommenen Video der „BildTV“ ist der gesamte Vorgang aus einer Perspektive links vom Altar in dessen Richtung gesehen zu erkennen, beginnend mit dem Stehen der Angeklagten auf dem Altar. Hier sind die Schläge des Gottesdienstbesuchers gegen das Gesicht der Angeklagten besser zu erkennen.

Die Aktion dauerte vom Loslaufen der Angeklagten bis zu ihrer Überwältigung etwa 30 Sekunden, bis zum Verbringen der Angeklagten in die Kapelle 1 ½ Minuten.

Soweit die Angeklagte bestreitet, den Gottesdienst bzw. die Gottesdienstbesucher absichtlich gestört zu haben, – da sie nur J K M habe treffen wollen – , ist ihre Einlassung zum einen unerheblich, zum anderen zur sicheren Überzeugung der Kammer widerlegt.

Schon aus ihrer eigenen Einlassung ergibt sich, dass sie mit ihrer Aktion absichtlich den von J K M geleiteten Gottesdienst stören wollte, um gegen dessen Haltung zu Frauen u.ä. zu protestieren. Bereits damit liegt die in § 167 StGB vorausgesetzte Absicht hinsichtlich der Störung des Gottesdiensts vor, da hiernach unerheblich ist, aus welchen Gründen diese Störung erfolgt und wer mit der Störung des Gottesdienstes getroffen werden sollte.

Zum anderen ist diese Einlassung auch zur sicheren Überzeugung der Kammer aufgrund der äußeren Umstände widerlegt. Die Angeklagte ist eine intelligente junge Frau, die christlich sozialisiert ist. Schon von daher ist aus Sicht der Kammer unzweifelhaft, dass sie die erheblich störende Wirkung ihrer Aktion auf den Gottesdienst und die Kirchenbesucher erkannt hat und, da sie die Aktion trotz dieser sicheren Kenntnis durchführte, auch im Sinne zielgerichteten Erfolgswillens gewollt hat. Hinzu kommt, dass die Angeklagte sich bei ihrer Aktion ausschließlich an die Gottesdienstbesucher richtete. Sie sprach ihr „Glaubensbekenntnis“ in Richtung der Gemeinde und lief nach dem Herabspringen vom Altar in diese Richtung und nicht zu dem in ihrem Rücken befindlichen Kardinal. Auch inhaltlich richteten sich ihre Äußerungen bei ihrer Aktion nicht gegen J K M, sondern allgemein an die in der Kirche anwesenden gläubigen Christen. Dabei stellte die Beschriftung ihres Oberkörpers mit den Worten „I AM GOD“ ersichtlich eine Provokation aller gläubigen Gottesdienstbesucher und nicht lediglich J K Ms dar.

Dass die Angeklagte die Störung des Gottesdienstes absichtlich herbeigeführt hat, ergibt sich zudem auch aus dem Umstand, dass sie nach ihren eigenen Angaben meinte, nur mit einer so aufsehenerregenden Aktion, die sie selbst als Tabubruch bezeichnet hat, ihr Ziel, eine Diskussion über die Haltung der katholischen Kirche zu Frauen anzustoßen, erreichen zu können. Hierfür spricht auch die Vorabinformation der Presse über die geplante Tat.

Selbst wenn der Einlassung der Angeklagten gefolgt würde, sie habe sich nicht wohl gefühlt bei dem Gedanken, dass sich die Gläubigen gestört fühlen, würde dies nichts daran ändern, dass die Angeklagte mit Absicht im Sinne zielgerichteten Handelns den Gottesdienst störte. Denn zur Verwirklichung ihres primären Zieles, gegen J K M zu protestieren, beabsichtigte sie jedenfalls als „Durchgangsziel“, eine möglichst große Aufmerksamkeit durch eine möglichst grobe Störung eines bedeutenden Gottesdienstes zu erzielen.

V.

Nach den vorstehend getroffenen Feststellungen hat sich die Angeklagte der Störung der Religionsausübung gemäß § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht.

Die Angeklagte hat den Gottesdienst der katholischen Kirche im Kölner Dom am 1. Weihnachtsfeiertag durch ihr Verhalten absichtlich und in grober Weise gestört.

Auch wenn die Aktion der Angeklagten bis zu ihrem Verbringen in die Kapelle nur 1 ½ Minuten andauerte, stellte sie eine grobe Störung des Gottesdienstes dar. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass sie – zudem nur mit einem Slip und einem darüber geschlungenen Tuch kaum bedeckt- auf den geweihten Altar sprang. Auch die in großen schwarzen Buchstaben auf ihren Oberkörper und quer über ihre unbekleideten Brüste geschriebene Botschaft „I AM GOD“ stellte in einer katholischen Kirche eine erhebliche Provokation und damit Störung dar.

Verstärkt wird der Störungseffekt zudem durch die von der Angeklagten rezitierten Worte „Ich glaube an die selbstbestimmte und freie Frau, an die Unantastbarkeit des Körpers der Frau, ich glaube an die Gleichheit aller Menschen, … ,an die Gleichberechtigung aller Menschen, an die Freiheit…“ Auch wenn diese für sich allein betrachtet unbedenklich erscheinen, so stellten sie im Zusammenhang mit ihrer Rezitation auf dem Altar und der an das christliche Glaubensbekenntnis angelehnten Formulierung eine weitere Provokation und damit Verstärkung der Störung des Gottesdienstes dar.

Da die Angeklagte im christlichen Glauben erzogen worden ist, war sie sich der Bedeutung ihrer Aktion und der damit verbundenen erheblichen Störung des Gottesdienstes, die sie selbst als Tabubruch bezeichnet hat, bewusst und handelte vorsätzlich.

Die Angeklagte hat den Gottesdienst am 25.12.2013 auch absichtlich im Sinne von § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB gestört.

Absicht liegt dann vor, wenn der Handlungswille des Täters final gerade auf den vom Gesetz bezeichneten Handlungserfolg – hier Störung des Gottesdienstes – gerichtet ist (zielgerichteter Erfolgswille), wobei die Erreichung des Zieles weder das Endziel noch der überwiegend oder gar einzig angestrebte Erfolg zu sein braucht; auch ein neben einem anderen Ziel angestrebter Nebenzweck sowie ein als Mittel zu einem anderen Zweck angestrebtes Ziel (Zwischenziel) genügt (BGH St 4, 109, 18, 151, 246, 35, 326 f., NJW 10, 2673 f). Erstrebt der Täter in diesem Sinne den Handlungserfolg, ist nicht erforderlich, dass der Täter diesen für wünschenswert hält. Denn es ist nicht erforderlich, dass der Täter in böswilliger Absicht handelt. Auch wenn er sich dem Erfolg nicht positiv zuwendet, liegt Absicht vor, wenn der Erfolg denknotwendig eintritt als denknotwendiger Zwischenerfolg zur Erreichung des an sich gewünschten Endziels. Weiß der Täter daher, dass er das Endziel nur über die „ungewünschte“ Zwischenfolge erzielen kann, erstrebt er diese und handelt auch insoweit absichtlich.

Nach diesen Grundsätzen ist hier unzweifelhaft, dass die Angeklagte den Gottesdienst absichtlich im Sinne von § 167 StGB störte.

Dies ergibt sich bereits aus ihrer eigenen Einlassung. Denn sie hat eingeräumt, dass sie mit ihrer Aktion absichtlich den von J K M geleiteten Gottesdienst stören wollte, um gegen dessen Haltung zu Frauen u.ä. zu protestieren.

Die Einlassung der Angeklagten, sie habe die Gottesdienstbesucher nicht stören, sondern nur J K M treffen wollen, ist angesichts dessen zum einen unerheblich, weil § 167 StGB lediglich eine absichtliche Störung des Gottesdienstes voraussetzt, gleichgültig aus welchen Gründen diese Störung erfolgt und wer mit der Störung des Gottesdienstes getroffen werden sollte.

Zum anderen ist diese Einlassung auch zur sicheren Überzeugung der Kammer aufgrund der äußeren Umstände wie bereits oben unter IV. ausgeführt widerlegt.

Die Angeklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.

Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist die Tat der Angeklagten nicht gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung gemäß § 193 StGB scheidet bereits deshalb aus, weil diese Vorschrift lediglich auf die im 14. Abschnitt des Strafgesetzbuchs aufgeführten Delikte anwendbar ist; eine allgemeine Abwägungsklausel auch für sonstige Delikte ist aus dieser Vorschrift nicht abzuleiten.

Sonstige Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gemäß Artikel 5 GG kann sich die Angeklagte zur Rechtfertigung ihrer Tat nicht berufen. Dieses Recht findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranke in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen § 167 StGB zählt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorschrift verfassungswidrig ist, bestehen nicht. Vielmehr ist sie Ausfluss des Grundrechts der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit, insbesondere des Rechts auf ungestörte Religionsausübung, die in Art. 4 Abs. 2 GG unbeschränkt gewährleistet wird. Auch bei der gebotenen grundrechtswahrenden Auslegung von § 167 StGB als ein das Grundrecht des Art. 5 GG einschränkendes Gesetz unter Abwägung der Interessen derjenigen, die auf Art. 4 GG gestützt ihre Religion ungestört ausüben wollen einerseits und der Interessen derjenigen, die gestützt auf Art. 5 GG ihre Meinung frei äußern wollen, andererseits ist die Tat der Angeklagten entgegen ihrer Auffassung zweifelsfrei nicht mehr vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt.

Ob eine Schutzbedürftigkeit der katholischen Kirche als Institution besteht oder sich diese als öffentliche Institution Kritik gefallen lassen muss, wie von der Verteidigung als Rechtfertigung aufgeführt, kann dahin stehen, da jedenfalls eine Kritik in dieser Form in § 167 StGB unter Strafe gestellt ist.

Die Strafbarkeit der Angeklagten ist auch nicht aufgrund fehlender Unrechtseinsicht in Form eines unvermeidbaren Verbotsirrtums gemäß § 17 S.1 StGB ausgeschlossen. Zwar hat sich die Angeklagte dahin eingelassen, nicht gewusst zu haben, dass ihr Verhalten strafbar ist, insbesondere die Vorschriften der §§ 166, 167 StGB nicht gekannt und geglaubt zu haben, ihr Verhalten sei durch Art. 5 GG gedeckt. Ein Verbotsirrtum liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn ein Täter die Strafbarkeit seines Handelns nicht kennt. Unrechtseinsicht ist vielmehr schon dann zu bejahen, wenn der Täter das Bewusstsein hat, Unrecht zu tun. Dabei genügt allerdings nicht das Bewusstsein moralischer Verwerflichkeit oder Sozialwidrigkeit. Erforderlich ist die Einsicht, dass das Tun gegen die durch verbindliches Recht erkennbare Wertordnung verstößt. Dabei ist ausreichend, wenn der Täter mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun und dies billigend in Kauf nimmt (vgl. zu allem vorstehenden Fischer, Kommentar zum StGB, 62. Aufl., § 17 Rdnr. 3-5 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen fehlte der Angeklagten die Unrechtseinsicht nicht. Die Angeklagte ist in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen und im christlichen Glauben erzogen worden. Sie hat die allgemeine Hochschulreife erworben und hatte zur Tatzeit bereits zwei Semester das Studium der Philosophie absolviert. Angesichts dessen steht für die Kammer außer Frage, dass sie das Grundrecht der Glaubensfreiheit ebenso wie das der Meinungsfreiheit gekannt hat und die Wirkung ihrer Tat auf gläubige Katholiken einschätzen konnte. Wie von ihr selbst eingeräumt wusste sie, dass sie mit ihrer Aktion einen Tabubruch begeht. Schon hierin kommt zum Ausdruck, dass ihr bewusst war, mit ihrer von ihr selbst als „performance“ bezeichneten Aktion gegen die durch verbindliches Recht erkennbare Wertordnung zu verstoßen. Jedenfalls ergibt sich hieraus, dass sie zumindest mit der Möglichkeit rechnete, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nahm.

Selbst wenn zugunsten der Angeklagten – entgegen der Überzeugung der Kammer – ein Verbotsirrtum angenommen würde, wäre dieser jedenfalls vermeidbar gewesen. Vermeidbarkeit liegt vor, wenn dem Täter zum Zeitpunkt der Tathandlung sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich zu erkundigen, und er auf diesem Wege zur Unrechtseinsicht gekommen wäre. Angesichts ihrer Sozialisation – siehe oben – hätte ihr Plan ihr als intelligentem Menschen Anlass geben müssen, über seine mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken, sich jedenfalls zumindest hierüber bei einem Rechtskundigen oder in anderer Form zu erkundigen. Dies hat sie unterlassen. Hätte sie dies getan, wäre ihr – angesichts der eindeutigen und unmissverständlichen Formulierung des § 167 StGB – die Strafbarkeit ihres Vorhabens bewusst geworden und sie daher auf diesem Wege zur Unrechtseinsicht gekommen.

VI.

Die Angeklagte war zur Tatzeit 20 Jahre und 6 Monate alt und damit Heranwachsende im Sinne von § 1 Abs. 2 JGG. Auf sie war allgemeines Strafrecht anzuwenden.

Die Voraussetzungen für die Anwendung von Jugendrecht gemäß § 105 JGG liegen nicht vor.

Die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit der Angeklagten bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen und ihres Werdegangs im häuslichen und sozialen Umfeld ergibt nicht, dass sie zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einer Jugendlichen gleichstand, § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG.

Auch handelt es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat nicht um eine Jugendverfehlung, § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG.

Ein Heranwachsender ist einem Jugendlichen gleichzustellen, wenn es sich um einen ungefestigten, in der Entwicklung stehenden, auch noch prägbaren Menschen handelt, in dem Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam sind. Der Tatrichter, der sich einen persönlichen Eindruck vom Angeklagten verschaffen kann, hat dabei einen erheblichen Beurteilungsspielraum (BGH NJW 1989, 1490 m.w. Nachw.).

Anhaltspunkte für die Entscheidung liefern dabei zum einen die von der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V. und der deutschen Vereinigung für Jugendpsychiatrie erarbeiteten Marburger Richtlinien. Danach legt das Fehlen folgender Züge es nahe, einen Heranwachsenden einem Jugendlichen gleichzustellen, spricht das Vorliegen dieser Kriterien also gegen Reifeverzögerungen:

– Eine gewisse Lebensplanung

– Fähigkeit zum selbständigen Urteilen und Entscheiden

– Fähigkeiten zum zeitlich überschauenden Denken

– Fähigkeit, Gefühlsurteile rational zu unterbauen

– Ernsthafte Einstellung zur Arbeit

– Gewisse Eigenständigkeit zu anderen Menschen

Charakteristisch jugendtümliche Züge sind demgegenüber z.B.

– ungenügende Ausformung der Persönlichkeit

– Hilfslosigkeit, nicht selten hinter Trotz und Arroganz versteckt

– Naiv vertrauensseliges Verhalten

– Leben im Augenblick

– Starke Anlehnungsbedürftigkeit

– Spielerische Einstellung zur Arbeit

– Neigung zum Tagtraum

– Hang zu abenteuerlichem Handeln

– Sich Hineinleben in selbsterhöhende Rollen

– Mangelnder Anschluss an Altersgenossen

Von Esser/Fritz/Schmidt (Die Beurteilung der sittlichen Reife Heranwachsender im Sinne des § 105 JGG – Versuch einer Operationalisierung, MKrim. 64, 256) sind für die Beurteilung folgende Kriterien ausgearbeitet worden:

Zeichen einer reifen Persönlichkeit sind danach:

– Realistische Lebensplanung

– Eigenständigkeit gegenüber den Eltern

– Eigenständigkeit gegenüber Gleichaltrigen und Partner

– Ernsthafte Einstellung gegenüber Arbeit und Schule

– Äußerer Eindruck

– Realistische Altersbewältigung

– Gleichaltrige oder ältere Freunde

– Bindungsfähigkeit

– Integration von Eros und Sexus

– Konsistente berechenbare Stimmungslage

Demgegenüber sind Zeichen einer unreifen, noch in der Entwicklung stehenden Persönlichkeit:

– Vorherrschen des Gefühls- und Trieblebens mit Launen und allgemeiner Unausgeglichenheit

– Ausweichen vor Belastungen

– Leben in den Tag hinein

– Labilität

– Handlungen entspringen der Gelegenheit, nicht der Planung und sind ohne Verbindung zu tieferen Schichten der Persönlichkeit, weshalb den Verlockungen nicht genügend Widerstand entgegen gesetzt werden kann.

Bei Zugrundelegung dieser Kriterien haben sich weder aus dem Eindruck, den die Kammer in der Hauptverhandlung von der Angeklagten gewonnen hat, noch aus den Ermittlungen der Kammer zum Entwicklungsstand der Angeklagten zur Tatzeit durch Inaugenscheinnahme des von der Angeklagten am Tag nach der Tat geführten Interviews mit einem Journalisten des WDR sowie durch Verlesen der von der Angeklagten den Journalisten des NDR am 4.7.2013 und der Zeitschrift Zeit am 7.7.2013 gegebenen Interviews irgendwelche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Angeklagte bei Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit und Berücksichtigung ihres Werdegangs im häuslichen und sozialen Umfeld zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einer Jugendlichen gleichstand.

Die Angeklagte ist in einem behüteten Elternhaus in wirtschaftlich unproblematischen Verhältnissen aufgewachsen. Sie hat die Schule ohne Probleme durchlaufen und trotz eines halbjährigen Auslandsaufenthalts ohne Wiederholung einer Klasse ihr Abitur mit 18 Jahren abgelegt. Irgendwelche Auffälligkeiten in ihrer Entwicklung, die zu einer Reifeverzögerung hätten führen können, sind nicht ersichtlich. Schon im Alter von 18 Jahren hat sie sich nach Erreichen des Schulabschlusses gegen den Willen ihrer Eltern nach Bolivien begeben, um dort Straßenkinder zu betreuen. Ebenfalls gegen den Willen ihrer Eltern hat sie im Anschluss das Studium der Philosophie aufgenommen. Dieser Lebenslauf lässt erkennen, dass sie Angeklagte schon im Alter von 18 Jahren bis heute sowohl eine realistische Lebensplanung und ernsthafte Einstellung zur Arbeit hat als auch gegenüber ihren Eltern eigenständig ist und selbständig denkt und entscheidet. Dass sie zur Tatzeit noch im Haus ihrer Eltern lebte, lässt keinen Schluss auf fehlende Selbstständigkeit oder Entwicklungsverzögerungen zu. Schon aus ihrem längeren Auslandsaufenthalt in Bolivien vor Aufnahme ihres Studiums ist ersichtlich, dass sie zur Tatzeit durchaus selbständig war.

Der Umstand, dass ihre Eltern sie kurzfristig sowohl nach ihrer Rückkehr aus Bolivien als auch nach Rückkehr aus Tunesien und der Begehung der vorliegenden Tat des Hauses verwiesen hatten, und ihr Verhältnis zu ihren Eltern schwierig ist, hat zur Überzeugung der Kammer ebenfalls nicht zu Reifeverzögerungen bei der Angeklagten in einem Umfang, die die Anwendung von Jugendrecht rechtfertigen könnten, geführt. Zum einen sind Differenzen zwischen Eltern und Kindern in einem gewissen Umfang normal und für einen normalen Reifeprozess unabdingbar. Zum anderen erfolgte die mehrfache Verweisung der Angeklagten aus dem Haus der Eltern erst, nachdem diese bereits 18 Jahre alt war und sich schon von ihren Eltern gelöst hatte, wie ihre Entscheidungen für den Auslandsaufenthalt in Bolivien und die Aktion in Tunesien gegen den Willen der Eltern zeigen.

Allein der nun zweimalige Wechsel des Studienfachs durch die Angeklagte lässt zur Überzeugung der Kammer ebenfalls keine Reifeverzögerung der Angeklagten zur Tatzeit in einem Umfang, der die Anwendung von Jugendrecht rechtfertigen könnte, erkennen. Der nunmehr erneute Wechsel des Studienfachs erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Angeklagte bereits Erwachsene war. Der Wechsel von dem Studium der Philosophie zum Studium der Zahnmedizin zum Wintersemester 2013/2014 stellt ebenfalls keinen Anhaltspunkt für eine nicht ausgereifte Entwicklung der Angeklagten dar. Er erfolgte nach den Angaben der Angeklagten auf Druck ihrer Eltern, die ihr andernfalls den Entzug jeglicher finanzieller Unterstützung androhten. Das Motiv für den Studienwechsel war von daher durchaus nachvollziehbar und durchdacht, zumal sie nach den belastenden Erfahrungen in Tunesien sich zumindest vorübergehend nach emotionalem Rückhalt durch ihre Eltern sehnte. Hinzu kam, dass sie nach der Inhaftierung in Tunesien nach ihren eigenen Angaben in den von ihr gegebenen Interviews damit rechnete, die Prüfungen in ihrem bisherigen Studienfach nicht bestehen zu können. Der Studienfachwechsel ist daher zur Überzeugung der Kammer kein Hinweis auf eine nicht ernsthafte Einstellung zur Arbeit oder fehlende Lebensplanung. Soweit sich daraus Zweifel an der Eigenständigkeit gegenüber den Eltern ergeben, sind auch diese letztlich nicht durchgreifend. Angesichts der schon zuvor gezeigten Eigenständigkeit gegenüber den Eltern handelte es sich insoweit zur Überzeugung der Kammer um eine lediglich vorübergehende Nachgiebigkeit der Angeklagten vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen in Tunesien. Schon die gegen die Wertvorstellungen der Eltern verstoßende hier abzuurteilende Tat belegt, dass sie sich jedenfalls insgesamt zur Tatzeit durchaus von ihren Eltern gelöst hatte.

Die Anwendung von Jugendrecht ist auch nicht damit zu begründen, dass die Angeklagte als jüngstes Mitglied der Femengruppierung zur Tat von den älteren Mitgliedern verführt wurde. Weder handelte es sich bei der Angeklagten um eine von den älteren Mitgliedern der Femenbewegung verführte Täterin noch handelte sie aus Nachahmungs- oder Herdentrieb. Nach ihren eigenen glaubhaften Angaben wurde die Entscheidung zu der Protestaktion im Dom demokratisch getroffen und hatte sie sich von sich aus hierzu aus Überzeugung bereit erklärt, ohne dass sie hierzu gedrängt oder überredet werden müsste. Zudem war es bis zur Durchführung der Tat ihre eigene Entscheidung, ob sie tatsächlich die Aktion durchführen oder abbrechen wollte. Dass sie tatsächlich insoweit in ihrer Entscheidung frei war und auch reif genug war, eine entsprechende Entscheidung zu treffen, belegt ihre Schilderung einer zuvor geplanten, dann von ihr aber nicht durchgeführten Aktion gegen die Bundeskanzlerin im Wahlkampf. Aus der Schilderung der Angeklagten zum Entscheidungsprozess bezüglich der hier abzuurteilenden Tat haben sich für die Kammer auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Angeklagte ihre Position und Rolle innerhalb der Gruppe falsch beurteilt haben könnte. Vielmehr wirkte ihre Schilderung – auch auf Nachfragen zu Details – überzeugend und realistisch. Insgesamt spricht alles dafür, dass sie die Entscheidung zur Begehung der Tat selbstbestimmt und unabhängig aus Überzeugung getroffen hat, durchaus unter Einkalkulierung der sich daraus für sie ergebenden Konsequenzen.

Das Verhalten der Angeklagten weist auch nicht insofern jugendtümliche Züge auf, als sie in ihren Aktivitäten im Zusammenhang mit Femen einen Hang zu abenteuerlichem Handeln oder Sich Hineinleben in selbsterhöhende Rollen sowie Drang zur Selbstdarstellung auslebt oder bloß aus Schwärmerei, Abenteuerlust oder Romantik so agiert.

Die Angeklagte hat selbst angegeben, nicht aus Abenteuerlust gehandelt zu haben, sondern mit dem Willen, hierdurch politischen Protest auszuüben, um durch derartige Perfomances politische Diskussionen anzustoßen.

Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei ihrem Hang zur Selbstdarstellung um der Persönlichkeit der Angeklagten immanente Persönlichkeitsmerkmale, eine Persönlichkeitsakzentuierung, die nicht Zeichen einer noch unreifen in der Entwicklung stehenden Persönlichkeit ist, sondern altersunabhängig bei der Angeklagten besteht, die sich in der Rolle der radikalen Provokateurin gefällt. Auch in der Hauptverhandlung vor der Kammer genoss die inzwischen 21 Jahre alte und damit unzweifelhaft nach dem Gesetz als Erwachsene geltende Angeklagte offensichtlich die ihr von der anwesenden Presse und den Fotografen zukommende Aufmerksamkeit. Sie äußerte sich trotz der mitschreibenden Journalisten unbefangen und ausführlich. Auch ihr als Jugendliche geäußerter Wunsch, Schauspielerin werden zu wollen, wie ihre gegenwärtig geäußerte Absicht, sich im Film und Theatergeschäft weiterbilden zu wollen, lassen erkennen, dass ihre Neigung, sich in der Öffentlichkeit in Aufsehen erregender Weise darzustellen, kein bloß vorübergehender Entwicklungszustand, sondern Teil ihrer Persönlichkeit ist.

Die Angeklagte ist bereits seit Anfang 2013 mit verschiedenen ähnlich gelagerten Aktionen aktiv geworden, deswegen sogar in Tunesien verhaftet worden. Unabhängig davon, wie die Ziele und die Art der Durchsetzung dieser Ziele bewertet werden, agiert die Angeklagte insoweit nicht etwa spontan und unüberlegt, sondern überlegt und geplant. Dies ergibt sich z.B. aus ihren Angaben in den von ihr nach ihrer Haftentlassung in Tunesien geführten Interviews. Die Aktionen fallen auch nicht aus Abenteuerlust oder Selbsterhöhungstrieb derart provokant aus, sondern um die erwünschte Aufmerksamkeit zu erzielen, die nach der durchaus durchdachten Einschätzung der Angeklagte bei weniger provokanten Aktionen nicht erreicht werden könnte. Auch die vorliegende Tat wurde durch die Angeklagte und die hinter ihr stehende Gruppierung Femen schon zumindest zwei Tage vorher geplant, wie die Vorabinformation der Presse und der bereits am 23.12.2013 erfolgte anonyme Hinweis belegen. Die Angeklagte hat die Tat u.a. durch ihre Anreise am 24.12.2013, das Bemalen ihres Körpers, die Wahl der Kleidung und das Aufsuchen des Doms bereits eineinhalb Stunden vor der Messe gewissenhaft vorbereitet. Sie hat nach ihren glaubhaften Angaben ihre Tat detailliert geplant und entsprechend diesem Plan ausgeführt. So hat sie nach ihren glaubhaften Angaben bewusst eine Pause im Gottesdienst für ihre Aktion ausgewählt, die Stiefel vor der Erstürmung des Altars ausgezogen, um diesen nicht zu beschädigen, und die Pose auf dem Altar bewusst gewählt in Anspielung auf das Bild von Jesus am Kreuz. Sie hat bewusst den Gottesdienst am Weihnachtstag im Kölner Dom gewählt, an dem J K M den Gottesdienst hielt und zugleich seinen 80. Geburtstag feierte, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erreichen. Sie hat bewusst einen christlichen Gottesdienst gewählt, weil sie selbst christlich sozialisiert worden ist und sie für sich entschieden hatte, nur an Aktionen gegen christliche Glaubensrichtungen teilzunehmen, weil sie nur insoweit über ausreichendes Wissen verfügt. All diese Umstände belegen, dass es sich um eine ausgesprochen durchdachte, geplante Aktion gehandelt hat, die keinerlei Züge jugendlicher Unreife erkennen lässt.

Auch aus dem in Augenschein genommenen Interview der Angeklagten mit einem Reporter des WDR am Tag nach der Tat haben sich keinerlei Hinweise auf Reifeverzögerungen oder jugendtümliches Verhalten der Angeklagten ergeben. Sie beantwortete die Fragen des Reporters ruhig und überlegt, legte ihre Kritik an J K M dar, räumte ein, auch Momente des Zweifels und der Angst zu haben, die Aktionen aber dennoch durchzuführen, da sich ansonsten nichts verändern würde. Insgesamt machte sie einen sehr erwachsenen eloquenten Eindruck.

Gleiches gilt für die verlesenen Interviews der Angeklagten nach ihrer Inhaftierung in Tunesien. Hieraus ergibt sich, dass die Angeklagte sich durchaus Gedanken über die Risiken ihrer Aktion in Tunesien gemacht und diese bewusst in Kauf genommen hatte, auch wenn sie mit anderen – wenn auch nicht weniger gefährlichen – Risiken wie einer Entführung von Islamisten gerechnet hatte. Trotz des sicherlich traumatischen Hafterlebnisses konnte sie nicht nur ihre Aktion verteidigen, sondern kündigte für die Zukunft weitere Beteiligung an Nackt-Protestaktionen der Femen an – unabhängig von der Meinung ihrer Eltern zu ihren Aktionen. Dabei legte sie eloquent und überlegt dar, dass nach ihrer Auffassung nur Protest in dieser Form geeignet ist, sich das nötige Gehör zu verschaffen, um Debatten anzustoßen. Ihre Angabe, sie habe in der Berufungsverhandlung in Tunesien nur deshalb ein wenig Reue gezeigt, um aus der Haft frei zu kommen, belegt ebenso wie ihr Hinweis darauf, dass der Protest in Tunesien ihre eigene freie Entscheidung war und sie bereits lange politisch aktiv und Feministin sei, dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt nicht aus bloßer Abenteuerlust, sondern aus eigener politischer Überzeugung gehandelt hat.

Aus den Interviews hat die Kammer insgesamt den Eindruck gewonnen, dass die Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt eine ausgereifte, gefestigte Persönlichkeit war. Dass aufgrund der Haft Reifeverzögerungen eingetreten sein könnten, die die Anwendung von Jugendrecht rechtfertigen könnten, ist zur Überzeugung der Kammer ausgeschlossen.

Der Anwendung des allgemeinen Strafrechts steht auch nicht entgegen, dass – wie von der Verteidigerin aufgeführt – auch bei der Angeklagten wie bei allen jungen Erwachsenen noch Entwicklungskräfte wirken. Denn der Gesetzgeber hat mit der Altersgrenze von 21 Jahren unabhängig von dieser sicherlich zutreffenden Tatsache eine Grenze für die Anwendung von Jugendrecht gesetzt.

Bei Heranwachsenden findet danach gemäß § 105 JGG Jugendrecht nur dann Anwendung, wenn es sich um einen ungefestigten, in der Entwicklung stehenden, auch noch prägbaren Menschen handelt, in dem Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam sind. Dies ist zur Überzeugung der Kammer bei der Angeklagten schon zur Tatzeit nicht mehr der Fall gewesen.

Auch die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG liegen nicht vor. Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der vorliegend abzuurteilenden Tat nach Art und Umständen sowie Beweggründen nicht um eine Jugendverfehlung, die einen Rückfall in jugendtümliches Verhalten erkennen lässt.

Eine Jugendverfehlung im Sinne von § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG liegt dann vor, wenn entweder Art und Umstände der Tat eine jugendtümliche Verhaltensweise zeigen oder die Beweggründe bzw. die Veranlassung der Tat solche Merkmale erkennen lassen, die als charakteristisch für die jugendliche Entwicklungsphase verstanden werden (vgl etwa BayObLG StVert 81, 527: Mangel an Ausgeglichenheit, Besonnenheit und Hemmungsvermögen). Darüber hinaus zählen dazu „aus den Antriebskräften der Entwicklung entspringende Entgleisungen“ (BGH St 8, 90) bzw. Motive, auch wenn das äußere Erscheinungsbild der Tat der Begehungsweise durch Erwachsene entspricht (BGH NStZ 01, 102; betr. Spontanverhalten OLG Zweibrücken v 8. 3. 93 NStZ 93, 530; Hamm StV 01, 182). Soweit sich die Jugendverfehlung nicht aus Art und Umständen der Tat ergibt, bedarf es einer individuellen Erforschung der Reife der angeklagten Person. Dabei geht es jedoch nicht um eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit, sondern um die Bedeutung des Entwicklungsverlaufs des konkreten Heranwachsenden für die Tat. Maßgeblich für die Anwendung von Jugendstrafrecht ist, dass die einzelne Tat und ihre Motivation Züge jugendlicher Unreife trägt, auf jugendlichen Leichtsinn, Unüberlegtheit oder soziale Unreife zurückzuführen ist. Ist dies der Fall, so schließt überlegtes, zweckgerichtetes Handeln den jugendtypischen Charakter einer Tat nicht grundsätzlich aus (BGH StV 83, 377). Stets kommt es auf Gestaltung und Entstehungszusammenhänge der konkreten Tat an, wobei dem Tatrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (BGH NStZ 86, 549; BGH NStZ-RR 99, 27).

Nach diesen Grundsätzen ist nicht von einer Jugendverfehlung auszugehen.

Die vorliegende Tat wurde durch die Angeklagte und die hinter ihr stehende Gruppierung Femen geplant, wie die Vorabinformation der Presse und der bereits am 23.12.2013 erfolgte anonyme Hinweis belegen. Das äußere Tatbild trägt eben so wenig jugendtümliche Züge wie die Motivation und Veranlassung der Tat. Denn die Angeklagte ist bereits seit Anfang 2013 mit verschiedenen ähnlich gelagerten Aktionen aktiv geworden, deswegen sogar in Tunesien verhaftet worden. Unabhängig davon, wie die Ziele und die Art der Durchsetzung dieser Ziele bewertet werden, agiert die Angeklagte insoweit nicht etwa spontan und unüberlegt, sondern überlegt und geplant. Dies ergibt sich z.B. aus ihren Angaben in den von ihr nach ihrer Haftentlassung in Tunesien geführten Interviews. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Angeklagte durch andere Femenaktivistinnen zu der Tat hat überreden lassen; vielmehr spricht unter Zugrundelegung ihrer eigenen glaubhaften Einlassung dazu alles dafür, dass sie die Entscheidung zur Begehung der Tat selbstbestimmt und unabhängig aus Überzeugung getroffen hat, durchaus unter Einkalkulierung der sich daraus für sie ergebenden Konsequenzen.

Trotz der Aktivitäten der Angeklagten im Zusammenhang mit Femen ist – wie bereits oben ausgeführt – aus Sicht der Kammer das Verhalten der Angeklagten nicht als Hang zu abenteuerlichem Handeln oder Sich Hineinleben in selbsterhöhende Rollen oder überhöhtem Drang zu Selbstdarstellung – allesamt jugendtypische Verhaltensweisen – zu sehen; vielmehr handelt es sich um durchdachte, überlegte und geplante Aktionen, die nicht aus Abenteuerlust oder Selbsterhöhungstrieb derart provokant ausfallen, sondern um die erwünschte Aufmerksamkeit zu erzielen, die nach der durchaus durchdachten Einschätzung der Angeklagten bei weniger provokanten Aktionen nicht hätte erreicht werden können.

Das Handeln der Angeklagten beruhte auch nicht auf jugendlichem Leichtsinn oder sozialer Unreife. Im Gegenteil beruhte die Tat auf dem bereits zur Tatzeit seit längerem bestehenden, wohl durchdachten politischen Engagement der Angeklagten, unabhängig davon wie die Art der Durchsetzung ihrer Ziele bewertet wird. Die Angeklagte hatte sich dabei sowohl hinsichtlich der vorliegend abzuurteilenden Tat als auch in der Vergangenheit Gedanken über die Folgen ihrer Aktionen gemacht, auch wenn sie diese falsch einschätzte, also durchaus nicht blauäugig gehandelt.

Dass für die Begehung einer solchen Tat – wie von der Verteidigung vorgebracht – ein geraumes Maß an Naivität und Mut erforderlich ist und ein Erwachsener in dieser Form nicht handeln würde, ist zur Überzeugung der Kammer unzutreffend. So handelt es sich bei den übrigen Aktivistinnen der Femen um erwachsene Frauen, die mehrfach derartige Aktionen in Deutschland und anderen Ländern durchgeführt haben. Naivität ist zudem gerade bei der Angeklagten angesichts ihres durchdachten Handelns – wie es sich schon hinsichtlich ihrer früheren Aktionen aus ihren Interviews und bezüglich der Tat aus ihren Erklärungen am Tag danach ergibt – in keiner Weise festzustellen.

Dem Hilfsbeweisantrag der Angeklagten auf Einholung eines gerichtlichen Gutachtens eines klinischen Jugendpsychologen zum Beweis der Tatsachen, dass die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit der Angeklagten bei Berücksichtigung auch ihrer Umweltbedingungen ergibt, dass sie zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einer Jugendlichen gleichstand, hilfsweise dass es sich nach der Art, den Umständen und den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt, war gemäß § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht nachzugehen, da die Kammer selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt.

Die darin enthaltenen Tatsachenbehauptungen haben im Sinne der vorstehend aufgeführten Feststellungen in der Hauptverhandlung in vollem Umfang ihre Bestätigung gefunden.

Die Vorsitzende ist seit 2004 als Vorsitzende der 1. Kleinen Jugendkammer des Landgerichts Köln tätig. Auch die Schöffen in Jugendsachen sind generell gemäß § 35 Abs. 2 JGG erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren.

Bei der Reifeentscheidung nach § 105 JGG bedarf es nach ständiger Rechtsprechung der Anhörung eines Sachverständigen nur dann, wenn Anlass zu Zweifeln über eine normale Reifeentwicklung des betreffenden Heranwachsenden besteht, insbesondere wegen Auffälligkeiten in seiner sittlichen und geistigen Entwicklung (BGH, NStZ 1984, 467 – 468). Solche Zweifel bestehen hier aus den zuvor ausgeführten Gründen nicht. Dem steht nicht entgegen, dass der Vertreter der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung vor der Kammer die Auffassung vertreten hat, dass Zweifel an der altersgemäßen Entwicklung der Angeklagten zur Tatzeit verbleiben. Denn die dafür vorgebrachten Argumente sind für die Begründung von Zweifeln an einer normalen Reifeentwicklung der Angeklagten zur Überzeugung der sachkundigen Kammer – in Übereinstimmung mit der Auffassung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft – nicht geeignet; eben so wenig sind sie geeignet, das Vorliegen einer Jugendverfehlung – auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes in dubio pro reo – zu begründen. Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, dass der in der Hauptverhandlung anwesende Vertreter der JGH selbst keine Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt der Angeklagten gemäß § 38 JGG vorgenommen hat, sondern sich insoweit lediglich auf den schriftlichen Bericht des zuständigen Mitarbeiters des Fachamtes Straffälligen- und Gerichtshilfe der Stadt Hamburg nach dessen Gespräch mit der Angeklagten am 17.6.2014 bezogen hat. In diesem ist zwar ausgeführt, dass trotz fehlender belastender Einflüsse im Zuge von Erziehung und Heranwachsen sich aus den näheren Umständen der Tat Hinweise ergeben würden, die eher für eine jugendtypische Verfehlung sprechen und die das Einwirken von größeren Entwicklungskräften nahelegen. Aufgeführt sind in diesem Bericht dabei insbesondere der überhöhte Drang zur Selbstdarstellung, der Hang zur Einnahme selbstwerterhöhender Rollen und zu abenteuerlichem Handeln, die auf eine eher nicht abgeschlossene Entwicklung schließen lassen würden. Der Bericht hat es deswegen den Erkenntnissen der Hauptverhandlung vorbehalten, ob letzte Reifeverzögerungen mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden können. Aus den oben aufgeführten Gründen sind jedoch zur Überzeugung der Kammer die in diesem Bericht für die Anwendung von Jugendrecht aufgeführten Kriterien kein Hinweis auf eine noch nicht abgeschlossene Entwicklung, sondern allgemeine Charakterzüge der Angeklagten und ihrer Persönlichkeit altersunabhängig immanent. Die vom Vertreter der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung vor der Kammer angeführten Gründe – die erst jetzt bekannt gewordene konfliktbehaftete Beziehung der Angeklagten zu ihren Eltern und der Umstand, dass diese sie sowohl nach ihrem Aufenthalt in Bolivien als auch ihrer Haft in Tunesien und nach der vorliegenden Tat des Hauses verwiesen haben – greifen zur Überzeugung der Kammer ebenfalls nicht. Zwar ist zutreffend, dass es in die Entwicklung junger Menschen einschneidet, wenn Eltern nicht verfügbar sind. Die hier aufgeführten Ereignisse fanden aber erst statt, nachdem die Angeklagte nach einer überwiegend konfliktfreien und behüteten Jugend bereits Heranwachsende war und durch eigenständige Entscheidungen gegen den Willen ihrer Eltern ihre Selbständigkeit und Reife dokumentiert hatte. Auf diesen Umstand angesprochen, blieb der Vertreter der Jugendgerichtshilfe die Antwort schuldig.

Die Tat der Angeklagten ist danach nach allgemeinem Strafrecht zu ahnden.

Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Auszugehen war von dem sich aus § 167 StGB ergebenden Strafrahmen, der Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe androht.

Eine Milderung des Strafrahmens gemäß §§ 17 S.2, 49 StGB ist nicht vorzunehmen. Dies folgt schon daraus, dass die Kammer bereits das Vorliegen eines Verbotsirrtums verneint hat. Selbst wenn ein solcher anzunehmen wäre, wäre jedoch zur Überzeugung der Kammer eine Milderung der Strafe nicht vorzunehmen, da sich der Angeklagten hier aufdrängen musste, dass sie sich über die Strafbarkeit ihres Handeln vorab zu informieren hatte, und der Verbotsirrtum durch nur geringfügige Anstrengungen der Angeklagten vermeidbar gewesen wäre.

Bei der Bemessung der Strafe innerhalb des danach gegebenen Strafrahmens hat die Kammer strafmildernd das jedenfalls zum äußeren Tathergang umfassende Geständnis der Angeklagten berücksichtigt sowie ihr Bedauern darüber, unterschätzt zu haben, wie sehr sich die Gottesdienstbesucher durch ihre Tat verletzt gefühlt haben.

Zugute zu halten war der Angeklagten darüber hinaus, dass sie bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.

Für die Angeklagte sprach auch, dass sie die Tat aus Überzeugung und nicht aus finanziellen Motiven beging, da die höchstwahrscheinlich für die Filmrechte geflossenen finanziellen Mittel jedenfalls nicht ihr zu Gute gekommen sind.

Strafmildernd hat sich zudem ausgewirkt, dass die Angeklagte noch jung ist und durch den Schlag eines Gottesdienstbesuchers und das unsanfte Herausbringen aus dem Dom Schmerzen und Verletzungen in Form von Schürfwunden und Hämatomen an den Füßen und Rücken erlitt.

Strafmildernd hat die Kammer schließlich berücksichtigt, dass die Tat jetzt schon fast 1 ½ Jahre zurück liegt und die Angeklagte durch die von ihr unverschuldete lange Verfahrensdauer nicht ausschließbar zusätzlichen Belastungen ausgesetzt war.

Demgegenüber war strafschärfend zu berücksichtigen, dass die Angeklagte sich für ihre Protestaktion den Weihnachtsgottesdienst im Kölner Dom am 1. Weihnachtsfeiertag und damit einem besonders hohen christlichen Feiertag in einem besonderen Kirchengebäude ausgewählt hat. Auch wenn Grund hierfür der Umstand war, dass sich ihr Protest gegen J K M richtete und dieser gerade diesen Gottesdienst leitete, zudem an diesem Tag seinen 80. Geburtstag feierte, muss sich die Tatsache, dass aufgrund ihrer Wahl eine besondere Vielzahl von Gottesdienstbesuchern durch die Tat zumindest kurzfristig beeinträchtigt worden ist, auch wenn der Gottesdienst nach kurzer Unterbrechung normal fortgesetzt werden konnte, strafschärfend auswirken. Zudem ist angesichts der präzisen Planung und Vorbereitung der Tat einschließlich der der Angeklagten bekannten Vorabinformation der Presse die von der Angeklagten aufgewandte kriminelle Energie als nicht unerheblich einzuschätzen.

Bei Abwägung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände hielt die Kammer die Verhängung einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,- Euro gegen die Angeklagte zur Ahndung der Tat für unbedingt geboten, Schuld angemessen, aber auch ausreichend, um das von ihr gesetzte Unrecht zu sühnen, sie in Zukunft von derartigen Taten abzuhalten und ihr eindringlich vor Augen zu führen, dass sie sich in Zukunft straffrei zu führen hat.

Die Höhe des Tagessatzes war dabei gemäß § 40 StGB mit 10,- € zu bemessen.

Die Ermäßigung der Tagessatzhöhe ergibt sich aus der eingetretenen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten.

Dass sie in Zukunft weiterhin Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bekommen und eine Arbeitsstelle finden wird, ist derzeit ungewiss. Die Kammer ist daher davon ausgegangen, dass die Angeklagte zumindest öffentliche Leistungen in Form des Arbeitslosengeldes II in Höhe des derzeit geltenden Basisregelsatzes von 399,- € erhalten wird.

VII.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 StPO.

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