Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Aktuelles Urteil zur Strafzumessung bei gefährlicher Körperverletzung analysiert
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Wie wird die Schwere einer Körperverletzung bei der Strafzumessung bestimmt?
- Welche Faktoren können zu einer Strafmilderung bei gefährlicher Körperverletzung führen?
- Welche Rolle spielt der Zeitablauf seit der Tat für die Strafzumessung?
- Welche rechtlichen Grundlagen bestimmen den Strafrahmen für gefährliche Körperverletzung?
- Inwiefern kann eine erfolgreiche Revision der Staatsanwaltschaft das Strafmaß beeinflussen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Fall betrifft eine gefährliche Körperverletzung, die während eines Vorfalls in einem Bekleidungsfachgeschäft stattfand.
- Die Angeklagte und ihre Schwester reagierten auf eine Abweisung durch eine Mitarbeiterin mit tätlichen Angriffen auf diese und einen Helfer.
- Es bestand eine erhebliche Diskrepanz in der Betrachtung der Schwere der Verletzungen zwischen den Instanzen.
- Das erstinstanzliche Gericht hatte eine Bewährungsstrafe verhängt, während das Landgericht die Strafe auf eine Geldstrafe abänderte.
- Der mildere Strafrahmen des Landgerichts erfolgte unter der Annahme, dass die Strafe der Angeklagten eine unbillige Härte darstellen würde.
- Es wurde nicht ausreichend auf die Art und Schwere der Verletzungen der Geschädigten eingegangen, was die Entscheidung des Landgerichts beeinflusste.
- Das Gericht betonte die Bedeutung der Schwere der Rechtsgutsverletzung und des individuellen Verschuldens bei der Strafzumessung.
- Es wurde ein neues Verfahren angeordnet, um die Angelegenheit unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren erneut zu erörtern.
- Die Entscheidung hat Einfluss auf die Bewertung von Verletzungsfolgen bei Körperverletzungsdelikten und deren Bedeutung für die Strafhöhe.
- Die Angeklagte konnte durch ein Geständnis und den Zeitablauf seit der Tat ihre Situation mildern, was den Richtern als positiv erschien.
Aktuelles Urteil zur Strafzumessung bei gefährlicher Körperverletzung analysiert
Die Strafzumessung bei Körperverletzung ist ein zentraler Aspekt des Strafrechts, der sowohl die Rechte des Opfers als auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Verurteilung einer Person berücksichtigt. Körperverletzung kann in unterschiedlichen Formen auftreten, wobei gefährliche Körperverletzung ein besonders schwerer Tatbestand ist. Bei der Strafzumessung spielen mildernde und schärfende Umstände eine wichtige Rolle, die das Gericht bei der Festlegung der Strafe berücksichtigt. So können beispielsweise Vorstrafen oder die Schwere der Verletzungen Einfluss auf das Urteil haben.
Gerichte müssen bei der Entscheidung über die Strafe den gesetzlichen Strafrahmen anwenden und prüfen, ob in dem konkreten Fall eine Gefängnisstrafe, Geldstrafe oder eine andere Maßnahme angemessen ist. Insbesondere im Jugendstrafrecht können die Möglichkeiten zur Strafmilderung variieren, um den Erziehungsauftrag zu erfüllen. Auch der Täter-Opfer-Ausgleich kann in bestimmten Situationen eine relevante Rolle spielen.
In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, einen aktuellen Fall zu betrachten, der sich mit den Anforderungen an die Strafzumessung bei gefährlicher Körperverletzung auseinandersetzt und die verschiedenen Facetten der richterlichen Entscheidungen beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Gericht mildert Strafe für gefährliche Körperverletzung vor Bekleidungsgeschäft
Das Kammergericht Berlin hat in einem Berufungsverfahren die Strafe für eine Frau, die wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde, erheblich gemildert. Der Fall, der sich am 5. Juli 2021 vor einem Bekleidungsfachgeschäft ereignete, endete nun mit einer Geldstrafe statt der ursprünglich verhängten Freiheitsstrafe.
Tathergang und erstinstanzliches Urteil
Die Angeklagte und ihre Schwester wollten kurz vor Ladenschluss Einlass in ein Bekleidungsgeschäft erhalten. Als eine Sicherheitsmitarbeiterin ihnen den Zutritt verwehrte, eskalierte die Situation. Laut Feststellungen des Amtsgerichts Tiergarten schlugen und traten beide Frauen auf die Sicherheitsmitarbeiterin ein. Ein zu Hilfe eilender Kollege wurde ebenfalls attackiert. Die Hauptgeschädigte erlitt unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades sowie Hämatome und war drei Wochen arbeitsunfähig.
Das Amtsgericht verurteilte die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung.
Berufungsverfahren und Urteilsänderung
Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Berlin I wurde die Strafe deutlich reduziert. Das Gericht änderte die Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro um. Die Ratenzahlung wurde auf monatlich 50 Euro festgesetzt.
Das Landgericht begründete die Strafmilderung mit mehreren Faktoren:
- Die Verletzungen der Geschädigten seien „in überschaubarer Zeit“ verheilt
- Der deutliche Zeitablauf seit der Tat
- Das erstmalige Geständnis der Angeklagten
- Ein erkennbares Umdenken bei der Angeklagten
Das Gericht sah in der Anwendung des Regelstrafrahmens eine „unbillige Härte“ für die Angeklagte und wählte daher den milderen Strafrahmen nach § 224 Abs. 1, zweiter Halbsatz StGB.
Revision der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil Revision ein. Sie argumentierte, dass das Landgericht zu Unrecht von einem minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung ausgegangen sei. Insbesondere kritisierte sie, dass die Verletzungen der Geschädigten und deren Folgen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Die verhängte Strafe erreiche lediglich die Mindeststrafe für einen minder schweren Fall und sei daher nicht mehr Ausdruck eines gerechten Schuldausgleichs.
Entscheidung des Kammergerichts
Das Kammergericht Berlin gab der Revision der Staatsanwaltschaft statt und hob das Urteil des Landgerichts auf. In der Begründung wies das Gericht darauf hin, dass bei Körperverletzungsdelikten das Maß der Gewalt sowie Art und Schwere der Verletzungen zu berücksichtigen seien. Diese Aspekte müssten sowohl bei der Prüfung eines minder schweren Falls als auch bei der konkreten Strafzumessung beachtet werden.
Das Kammergericht kritisierte, dass sich das Landgericht nicht ausreichend mit den erheblichen Verletzungen der Geschädigten auseinandergesetzt habe. Die Bezeichnung des dreiwöchigen Krankenstands als „überschaubar“ ohne nähere Betrachtung der zugrundeliegenden Verletzungen sei nicht angemessen.
Konsequenzen und weiteres Verfahren
Das Kammergericht verwies den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Die neue Kammer muss nun unter Berücksichtigung der Vorgaben des Kammergerichts erneut über die Strafe entscheiden. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass der strengere Regelstrafrahmen zur Anwendung kommt oder innerhalb des gemilderten Strafrahmens eine höhere Strafe verhängt wird.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil unterstreicht die zentrale Bedeutung der Verletzungsfolgen bei der Strafzumessung in Körperverletzungsdelikten. Es verdeutlicht, dass Gerichte das Maß der Gewalt sowie Art und Schwere der Verletzungen sowohl bei der Prüfung eines minder schweren Falls als auch bei der konkreten Strafzumessung sorgfältig berücksichtigen müssen. Eine unzureichende Auseinandersetzung mit diesen Aspekten kann zur Aufhebung des Urteils führen, selbst wenn andere mildernde Faktoren vorliegen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt sind, unterstreicht dieses Urteil die entscheidende Bedeutung der Verletzungsfolgen für Ihre Strafe. Das Gericht muss Art und Schwere der Verletzungen sorgfältig prüfen, um zu entscheiden, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Selbst wenn mildernde Faktoren wie ein Geständnis oder Reue vorliegen, können erhebliche Verletzungsfolgen eine härtere Strafe rechtfertigen. Es ist daher ratsam, im Verfahren detailliert auf die tatsächlichen Folgen der Tat einzugehen und gegebenenfalls Wiedergutmachung zu leisten. Beachten Sie, dass auch eine dreiwöchige Arbeitsunfähigkeit des Opfers als schwerwiegend eingestuft werden kann.
FAQ – Häufige Fragen
In unserer FAQ-Rubrik finden Sie wertvolle Informationen rund um häufig gestellte Fragen zur Strafzumessung bei gefährlicher Körperverletzung. Hier erhalten Sie prägnante Antworten auf zentrale rechtliche Aspekte, um Ihr Verständnis für dieses komplexe Thema zu vertiefen. Tauchen Sie ein in die wichtigsten Informationen, die Ihnen helfen, die Zusammenhänge und Konsequenzen besser zu verstehen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Wie wird die Schwere einer Körperverletzung bei der Strafzumessung bestimmt?
- Welche Faktoren können zu einer Strafmilderung bei gefährlicher Körperverletzung führen?
- Welche Rolle spielt der Zeitablauf seit der Tat für die Strafzumessung?
- Welche rechtlichen Grundlagen bestimmen den Strafrahmen für gefährliche Körperverletzung?
- Inwiefern kann eine erfolgreiche Revision der Staatsanwaltschaft das Strafmaß beeinflussen?
Wie wird die Schwere einer Körperverletzung bei der Strafzumessung bestimmt?
Bei der Strafzumessung für Körperverletzungsdelikte berücksichtigen Gerichte verschiedene Faktoren, um die Schwere der Tat zu bestimmen. Zentral sind dabei die konkreten Auswirkungen auf das Opfer.
Körperliche Folgen
Die Art und das Ausmaß der zugefügten Verletzungen spielen eine entscheidende Rolle. Gerichte bewerten beispielsweise:
- Die Dauer und Intensität der Schmerzen
- Ob bleibende Schäden entstanden sind
- Die Notwendigkeit und Dauer ärztlicher Behandlungen
- Eventuelle Funktionseinschränkungen oder Behinderungen
Stellen Sie sich vor, ein Faustschlag führt zu einer einfachen Prellung – dies wird in der Regel milder bewertet als ein Messerstich, der eine lebensgefährliche Verletzung verursacht.
Psychische Folgen
Neben den körperlichen Auswirkungen berücksichtigen Gerichte auch die psychischen Konsequenzen für das Opfer. Dazu gehören:
- Traumatisierungen oder Angstzustände
- Einschränkungen im Alltag oder Beruf aufgrund psychischer Belastungen
- Notwendigkeit psychotherapeutischer Behandlungen
Tatumstände und Tätermotivation
Die Schwere der Tat wird auch anhand der konkreten Tatumstände und der Motivation des Täters beurteilt. Relevant sind hier:
- Ob die Tat geplant oder im Affekt begangen wurde
- Das Verhältnis zwischen Täter und Opfer
- Eventuelle Provokationen oder Notwehrsituationen
- Die verwendeten Tatmittel (z.B. Waffen oder gefährliche Werkzeuge)
Gesetzliche Einteilung
Das Strafgesetzbuch unterscheidet grundsätzlich zwischen:
- Einfacher Körperverletzung (§ 223 StGB)
- Gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB)
- Schwerer Körperverletzung (§ 226 StGB)
Diese Einteilung gibt einen ersten Anhaltspunkt für die Schwere der Tat. Wenn Sie beispielsweise wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt sind, weil Sie einen Gegenstand als Waffe eingesetzt haben, wird dies in der Regel schwerer bewertet als eine einfache Körperverletzung ohne Hilfsmittel.
Individuelle Strafzumessung
Trotz dieser Kategorisierung erfolgt die konkrete Strafzumessung immer individuell für den Einzelfall. Das Gericht muss alle Umstände der Tat und die Persönlichkeit des Täters berücksichtigen. Dabei können auch strafmildernde Faktoren wie ein Geständnis, Reue oder Wiedergutmachungsbemühungen eine Rolle spielen.
Beachten Sie, dass die Schwere der Körperverletzung nicht nur für das Strafmaß relevant ist, sondern auch Auswirkungen auf zivilrechtliche Ansprüche des Opfers haben kann, etwa bei der Bemessung von Schmerzensgeld.
Welche Faktoren können zu einer Strafmilderung bei gefährlicher Körperverletzung führen?
Bei einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 StGB können verschiedene Faktoren zu einer Strafmilderung führen. Das Gericht hat bei der Strafzumessung einen gewissen Ermessensspielraum und berücksichtigt dabei verschiedene Umstände:
Täter-Opfer-Ausgleich und Wiedergutmachung
Ein wichtiger Faktor für eine mögliche Strafmilderung ist der Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a StGB. Wenn Sie sich als Täter ernsthaft bemühen, den Schaden wiedergutzumachen oder eine Einigung mit dem Opfer zu erzielen, kann dies strafmildernd berücksichtigt werden. Dies kann beispielsweise durch die Zahlung von Schmerzensgeld oder eine aufrichtige Entschuldigung erfolgen.
Geständnis und Reue
Ein frühzeitiges und umfassendes Geständnis kann sich ebenfalls positiv auf die Strafzumessung auswirken. Wenn Sie als Beschuldigter Reue zeigen und die Tat eingestehen, erspart dies dem Gericht möglicherweise eine aufwendige Beweisaufnahme und kann als Zeichen der Einsicht gewertet werden.
Persönliche Umstände und Vorgeschichte
Das Gericht berücksichtigt auch Ihre persönlichen Lebensumstände und Ihre Vorgeschichte. Wenn Sie bisher nicht vorbestraft sind oder sich in einer besonderen Lebenssituation befanden, die zur Tat beigetragen hat, kann dies mildernd wirken. Auch eine positive Sozialprognose, etwa wenn Sie eine feste Arbeitsstelle haben oder familiär gut eingebunden sind, kann sich günstig auswirken.
Alkoholeinfluss
In manchen Fällen kann auch eine Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt strafmildernd berücksichtigt werden. Dies ist jedoch nicht automatisch der Fall und hängt von den genauen Umständen ab. Eine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund von Alkoholkonsum muss im Einzelfall geprüft werden.
Provokation oder Notwehrlage
Wenn die Tat als Reaktion auf eine Provokation oder in einer Notwehr-ähnlichen Situation erfolgte, kann dies ebenfalls zu einer milderen Beurteilung führen. Das Gericht prüft, ob Sie möglicherweise in einer emotional aufgeladenen Situation überreagiert haben.
Minder schwerer Fall
In bestimmten Situationen kann das Gericht einen minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung annehmen. Dies führt zu einem niedrigeren Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, anstatt der regulären sechs Monate bis zehn Jahre.
Beachten Sie, dass die Entscheidung über eine Strafmilderung immer eine Einzelfallentscheidung des Gerichts ist. Es werden alle Umstände der Tat und Ihre persönliche Situation berücksichtigt. Eine gute Verteidigung durch einen erfahrenen Strafverteidiger kann dazu beitragen, mildernde Faktoren effektiv darzulegen und so möglicherweise eine geringere Strafe zu erreichen.
Welche Rolle spielt der Zeitablauf seit der Tat für die Strafzumessung?
Der Zeitablauf zwischen Tat und Urteil kann bei der Strafzumessung eine wichtige Rolle spielen und unter Umständen zu einer Strafmilderung führen. Dabei gilt grundsätzlich: Je länger der Zeitraum zwischen Tat und Urteil, desto eher kann dies strafmildernd berücksichtigt werden.
Grundsätzliche Bedeutung des Zeitablaufs
Der Zeitablauf als solcher mindert zwar nicht die Tatschuld, kann aber dazu führen, dass Tat und Täter in einem günstigeren Licht erscheinen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie sich seit der Tat über einen längeren Zeitraum straffrei geführt haben. In einem solchen Fall kann das Gericht zu dem Schluss kommen, dass das Strafbedürfnis abgenommen hat und eine mildere Strafe ausreichend ist.
Einzelfallbetrachtung erforderlich
Wichtig ist: Es gibt keine festen Regeln, ab wann und in welchem Umfang der Zeitablauf zu einer Strafmilderung führt. Stattdessen muss das Gericht in jedem Einzelfall prüfen, welche Bedeutung dem Zeitablauf zukommt. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:
- Ihr Verhalten seit der Tat
- Die Art und Schwere des Delikts
- Die Auswirkungen der Tat auf das Opfer
Besondere Relevanz bei positiver Entwicklung
Besonders relevant wird der Zeitablauf, wenn Sie sich seit der Tat positiv entwickelt haben. Stellen Sie sich vor, Sie haben vor mehreren Jahren eine Körperverletzung begangen, führen aber mittlerweile ein geordnetes Leben, gehen einer geregelten Arbeit nach und sind nicht erneut straffällig geworden. In einem solchen Fall kann der Zeitablauf in Verbindung mit Ihrer positiven Entwicklung deutlich strafmildernd wirken.
Abgrenzung zu anderen Faktoren
Der Zeitablauf als solcher ist von anderen Faktoren zu unterscheiden, die ebenfalls mit dem Verstreichen von Zeit zusammenhängen können:
- Eine überlange Verfahrensdauer kann eigenständig strafmildernd berücksichtigt werden.
- Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung kann sogar zu einer Kompensation zu Ihren Gunsten führen.
Wenn Sie mit einer Anklage wegen Körperverletzung konfrontiert sind und zwischen Tat und Verhandlung bereits viel Zeit vergangen ist, sollten Sie diesen Aspekt gegenüber dem Gericht unbedingt ansprechen. Ein erfahrener Strafverteidiger kann Ihnen dabei helfen, den Zeitablauf und Ihre positive Entwicklung seit der Tat angemessen darzustellen und so möglicherweise eine mildere Strafe zu erreichen.
Welche rechtlichen Grundlagen bestimmen den Strafrahmen für gefährliche Körperverletzung?
Die rechtliche Grundlage für den Strafrahmen bei gefährlicher Körperverletzung ist § 224 des Strafgesetzbuchs (StGB). Dieser Paragraf legt fest, dass eine gefährliche Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft wird.
Regelfall und minder schwerer Fall
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen dem Regelfall und dem minder schweren Fall:
- Regelfall: Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren
- Minder schwerer Fall: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren
Wenn Sie in eine Situation geraten, in der Sie wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt werden, ist es wichtig zu wissen, dass das Gericht bei der Strafzumessung verschiedene Faktoren berücksichtigt.
Faktoren für die Strafzumessung
Bei der Festlegung des konkreten Strafmaßes innerhalb dieses Rahmens berücksichtigt das Gericht verschiedene Aspekte:
- Schwere der Verletzungen
- Tatumstände
- Vorstrafen des Täters
- Soziales Umfeld des Täters
- Eventuelle Reue oder Wiedergutmachungsbemühungen
Versuchte gefährliche Körperverletzung
Es ist wichtig zu wissen, dass auch der Versuch einer gefährlichen Körperverletzung strafbar ist. In diesem Fall kann das Gericht eine Strafmilderung vornehmen, wobei die Höchststrafe auf maximal 3/4 der ursprünglichen Höchststrafe reduziert werden kann.
Wenn Sie mit einem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung konfrontiert sind, ist es ratsam, sich umgehend juristischen Beistand zu suchen. Ein erfahrener Strafverteidiger kann Ihnen helfen, Ihre Rechte zu wahren und möglicherweise eine Strafmilderung zu erwirken.
Inwiefern kann eine erfolgreiche Revision der Staatsanwaltschaft das Strafmaß beeinflussen?
Eine erfolgreiche Revision der Staatsanwaltschaft kann das Strafmaß erheblich beeinflussen und zu einer Erhöhung der ursprünglich verhängten Strafe führen. Dies ist besonders relevant, wenn Sie als Angeklagter mit einem milderen Urteil gerechnet haben.
Gründe für eine Revision der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft kann Revision einlegen, wenn sie der Ansicht ist, dass das Urteil rechtliche Fehler enthält oder das Strafmaß zu niedrig ausgefallen ist. Mögliche Gründe können sein:
- Fehlerhafte Anwendung des Strafrechts
- Unzureichende Berücksichtigung von Strafzumessungsgründen
- Verfahrensfehler, die sich zugunsten des Angeklagten ausgewirkt haben
Auswirkungen auf das Strafmaß
Bei einer erfolgreichen Revision kann das Revisionsgericht folgende Entscheidungen treffen:
- Aufhebung des Urteils: Das ursprüngliche Urteil wird aufgehoben und die Sache an eine andere Kammer des Landgerichts oder an ein anderes Landgericht zurückverwiesen. Dieses Gericht muss dann erneut über den Fall verhandeln und ein neues Urteil fällen, wobei es an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts gebunden ist.
- Eigene Entscheidung: In bestimmten Fällen kann das Revisionsgericht selbst eine Entscheidung treffen, wenn keine neuen Tatsachenfeststellungen erforderlich sind. Dies kann zu einer unmittelbaren Erhöhung des Strafmaßes führen.
Bedeutung für den Angeklagten
Wenn Sie als Angeklagter von einer Revision der Staatsanwaltschaft betroffen sind, sollten Sie Folgendes beachten:
- Die Möglichkeit einer Straferhöhung besteht, auch wenn Sie selbst keine Revision eingelegt haben.
- Es ist wichtig, sich auf ein mögliches neues Verfahren vorzubereiten und gegebenenfalls neue Beweise oder Argumente vorzubringen.
- Eine kompetente Verteidigung ist in dieser Phase besonders wichtig, da nur etwa 3% aller Revisionen erfolgreich sind.
Verfahrensablauf
Der Ablauf einer Revision durch die Staatsanwaltschaft gestaltet sich wie folgt:
- Die Staatsanwaltschaft legt innerhalb einer Woche nach Urteilsverkündung Revision ein.
- Innerhalb eines Monats muss die Revision begründet werden.
- Das Revisionsgericht prüft die Zulässigkeit und Begründetheit der Revision.
- Bei Erfolg wird entweder das Urteil aufgehoben und zurückverwiesen oder das Revisionsgericht entscheidet selbst.
Bedenken Sie, dass eine Revision der Staatsanwaltschaft eine ernsthafte Angelegenheit ist, die Ihre rechtliche Situation erheblich beeinflussen kann. Es ist ratsam, sich in einem solchen Fall umgehend mit einem erfahrenen Strafverteidiger zu beraten, um Ihre Rechte bestmöglich zu wahren und auf mögliche Konsequenzen vorbereitet zu sein.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Gefährliche Körperverletzung: Dies ist eine schwerwiegende Form der Körperverletzung nach § 224 StGB. Sie liegt vor, wenn die Tat mit einem gefährlichen Werkzeug (z.B. Messer), durch einen hinterlistigen Überfall, gemeinschaftlich oder mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen wird. Im vorliegenden Fall wurde sie durch gemeinschaftliches Handeln und Tritte gegen den Körper verwirklicht. Die Strafe ist Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren, in minder schweren Fällen 3 Monate bis 5 Jahre.
- Minder schwerer Fall: Bei der gefährlichen Körperverletzung kann das Gericht einen minder schweren Fall annehmen, wenn das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der üblicherweise vorkommenden Fälle abweicht. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, auch solche, die nicht zur Tatbestandsverwirklichung gehören. Im konkreten Fall sah das Landgericht einen minder schweren Fall, was vom Kammergericht kritisiert wurde. Die Annahme eines minder schweren Falls führt zu einem milderen Strafrahmen.
- Strafzumessung: Dies bezeichnet den Vorgang, bei dem das Gericht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens die konkrete Strafe festlegt. Dabei müssen alle für und gegen den Täter sprechenden Umstände berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden. Im vorliegenden Fall wurde die Strafzumessung des Landgerichts vom Kammergericht als fehlerhaft angesehen, da die Schwere der Verletzungen nicht ausreichend gewürdigt wurde.
- Regelstrafrahmen: Dies ist der vom Gesetz vorgesehene normale Strafrahmen für eine Straftat. Bei der gefährlichen Körperverletzung beträgt er 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe. Das Landgericht sah die Anwendung des Regelstrafrahmens als „unbillige Härte“ an und wählte den milderen Strafrahmen, was vom Kammergericht kritisiert wurde.
- Revision: Dies ist ein Rechtsmittel gegen Urteile, bei dem nur Rechtsfehler, nicht aber die Beweiswürdigung überprüft werden. Im vorliegenden Fall legte die Staatsanwaltschaft Revision gegen das Urteil des Landgerichts ein. Das Revisionsgericht (hier das Kammergericht) prüfte die Rechtsanwendung und hob das Urteil wegen fehlerhafter Strafzumessung auf.
- Zurückverweisung: Wenn das Revisionsgericht ein Urteil aufhebt, kann es die Sache an das Ausgangsgericht zurückverweisen. Dieses muss dann unter Beachtung der rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts neu verhandeln und entscheiden. Im konkreten Fall verwies das Kammergericht den Fall an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück, die nun erneut über die Strafe entscheiden muss.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 224 StGB (Gefährliche Körperverletzung): Diese Vorschrift regelt eine qualifizierte Form der Körperverletzung, bei der der Täter oder die Täterin gefährliche Werkzeuge oder Beisammenschlagen verwendet oder lebensgefährdende Verletzungen verursacht. Im vorliegenden Fall wurde die gefährliche Körperverletzung durch das Zusammenwirken mehrerer Personen (gemeinschaftlich) und durch Tritte gegen den Körper begangen.
- § 223 StGB (Körperverletzung): Dieser Paragraph definiert die einfache Körperverletzung, bei der eine Person eine andere körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt. Im vorliegenden Fall erlitt das Opfer ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades, Hämatome und Schmerzen, was den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt.
- § 224 Abs. 1, zweiter Halbsatz StGB (Minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung): Diese Regelung ermöglicht eine Strafmilderung, wenn die gefährliche Körperverletzung aufgrund besonderer Umstände als minder schwer anzusehen ist. Im vorliegenden Fall wurde diese Möglichkeit vom Landgericht in Betracht gezogen, aber vom Kammergericht kritisiert, da die Schwere der Verletzungen nicht ausreichend berücksichtigt wurde.
- § 46 StGB (Strafzumessung): Dieser Paragraph enthält allgemeine Grundsätze für die Strafzumessung. Das Gericht muss die Umstände der Tat, die Persönlichkeit des Täters oder der Täterin und die Auswirkungen der Tat berücksichtigen, um eine gerechte Strafe zu finden. Im vorliegenden Fall wurde die Strafzumessung des Landgerichts vom Kammergericht beanstandet, da die Schwere der Verletzungen nicht ausreichend gewürdigt wurde.
- § 52 StGB (Tagessatzsystem): Diese Vorschrift regelt die Berechnung von Geldstrafen anhand von Tagessätzen. Die Höhe eines Tagessatzes richtet sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters oder der Täterin. Im vorliegenden Fall wurde die Freiheitsstrafe vom Landgericht in eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro umgewandelt.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 3 ORs 29/24 – Urteil vom 03.05.2024
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