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Einstellen eines inkriminierten Inhalts in eine private geschlossene WhatsApp-Gruppe

Polizei-Chatgruppen als rechtsfreier Raum? Schockierende rechtsextreme Inhalte unter Polizisten bleiben ohne strafrechtliche Folgen, da das Gericht keine Verbreitung im juristischen Sinne erkennt. Trotz des Austauschs von menschenverachtenden Inhalten in geschlossenen Gruppen sehen die Richter keine Absicht zur Weiterverbreitung. Ein Fall, der die Grenzen der Meinungsfreiheit und die Verantwortung der Polizei auf den Prüfstand stellt.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Die Entscheidung betrifft die Frage, ob das Verbreiten verbotener Inhalte in geschlossenen Chatgruppen strafbar ist.
  • Die Angeschuldigten sind Polizeibeamte, die Bild- und Videodateien mit verfassungswidrigen und volksverhetzenden Inhalten in Chatgruppen ausgetauscht haben.
  • Anlass für die Ermittlungen war eine Drohung an eine Anwältin, die durch die Nutzung eines Dienstrechners eines der Angeschuldigten ausgelöst wurde.
  • Das Landgericht lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, weil die Voraussetzungen für das Verbreiten der Inhalte nicht erfüllt seien.
  • Es gab keine Anzeichen dafür, dass die Angeschuldigten eine Weiterverbreitung der Inhalte über die Chatgruppe hinaus beabsichtigten oder damit rechneten.
  • Der Besitz von kinder- und jugendpornographischen Bildern wurde ebenfalls abgelehnt, da die relevanten Dateien nur im Browser-Cache gespeichert waren.
  • Es bestand kein Nachweis über den Besitzwillen eines der Angeschuldigten in Bezug auf die kritisierten Inhalte.
  • Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde vom OLG verworfen.
  • Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten.
  • Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die rechtliche Bewertung von Verbreitungen in geschlossenen Chatgruppen und deren strafrechtliche Relevanz.

Rechtliche Verantwortung in WhatsApp-Gruppen: Wer haftet bei illegalen Inhalten?

In der heutigen digitalen Welt gehört die Nutzung von Plattformen wie WhatsApp zu unserem Alltag. Insbesondere private Gruppen bieten eine vertrauliche Umgebung, um Nachrichten auszutauschen und Inhalte zu teilen. Doch während die Kommunikation innerhalb solcher geschlossenen Gruppen durch Verschlüsselung und Nutzungsbedingungen geschützt ist, stellen sich zahlreiche rechtliche Fragen, insbesondere wenn es um inkriminierte Inhalte geht. Was passiert, wenn Mitglieder einer WhatsApp-Gruppe Inhalte hochladen, die gegen Gesetze verstoßen? Wer haftet in solchen Fällen, und welche Verantwortung kommt der Gruppenmoderation zu?

Im Zentrum dieser Diskussion stehen nicht nur die Gefahren für die digitale Privatsphäre und die Kommunikationssicherheit der Nutzer, sondern auch die Verantwortung, persönliche Daten zu schützen und unzulässige Inhalte zu melden. Die rechtlichen Aspekte von Private Messaging-Diensten, wie die Haftung für Beiträge und die Einhaltung des Urheberrechts, sind komplex und oft nicht für jeden Nutzer verständlich. Diese Herausforderungen werfen wichtige Fragen auf, die im Folgenden anhand eines konkreten Falls näher betrachtet werden.

Der Fall vor Gericht


Polizeibeamte nach Austausch rechtsextremer Inhalte in Chatgruppen nicht wegen Verbreitung angeklagt

Verbreiten illegaler Inhalte in Whatsappgruppe
(Symbolfoto: Ideogram gen.)

Ein aufsehenerregender Fall von rechtsextremen und volksverhetzenden Inhalten in Polizei-Chatgruppen hat keine strafrechtlichen Konsequenzen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen mehrere Polizeibeamte abgelehnt. Die Richter sahen keinen hinreichenden Tatverdacht für eine strafbare Verbreitung der Inhalte.

Umfangreicher Austausch menschenverachtender Inhalte

Zwischen 2014 und 2018 hatten mehrere Polizisten in verschiedenen WhatsApp-Gruppen Bilder und Videos mit volksverhetzenden, rechtsextremen und gewaltverherrlichenden Inhalten geteilt. Die Staatsanwaltschaft wertete dies als strafbare Verbreitung und erhob Anklage. Besonders im Fokus stand eine Gruppe namens „G“, in der 69 von 99 angeklagten Taten stattfanden.

Kein „Verbreiten“ im strafrechtlichen Sinne

Das OLG Frankfurt sah jedoch die Voraussetzungen für eine strafbare Verbreitung nicht erfüllt. Für eine „Mengenverbreitung“ sei der Personenkreis zu klein und bestimmt gewesen. Eine „Kettenverbreitung“ scheitere am fehlenden Vorsatz – es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Angeklagten mit einer Weiterleitung an Dritte rechneten oder dies billigten.

Geschlossene Gruppen mit begrenztem Teilnehmerkreis

Die Richter betonten, es habe sich um geschlossene Gruppen mit begrenztem, sich gut kennendem Teilnehmerkreis gehandelt. In der Hauptgruppe „G“ waren nur 5-8 Personen, meist Kollegen derselben Polizeidienststelle. Auch größere Gruppen wie „I1/I2“ mit bis zu 31 Teilnehmern seien noch „exklusiv“ und „kontrollierbar“ gewesen.

Kein Vorsatz zur Weiterverbreitung erkennbar

Laut Gericht gab es „keine konkreten Anhaltspunkte“, dass die Angeklagten eine Weiterleitung der Inhalte durch Gruppenmitglieder erwarteten oder billigten. Als Polizisten hätten sie eher mit Konsequenzen bei Bekanntwerden rechnen müssen. Der Chatverlauf zeige keine Aufforderungen zur Weiterleitung strafbarer Inhalte.

Verfassungsrechtliche Erwägungen

Das OLG verwies auch auf die vom Bundesverfassungsgericht geforderte „verfassungskonforme Auslegung“ des Verbreitungsbegriffs. Eine zu weite Auslegung würde die Meinungsfreiheit übermäßig einschränken. Für eine strafbare Verbreitung müssten konkrete Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Weitergabe vorliegen.

Keine strafrechtlichen, aber dienstrechtliche Folgen

Trotz Ablehnung strafrechtlicher Konsequenzen betonte das Gericht die „erheblichen Zweifel an der Verfassungstreue“ der beteiligten Polizisten. Der Austausch „nur schwer erträglicher menschenverachtender, rechtsextremer, gewaltverherrlichender, antisemitischer, ableistischer und rassistischer Inhalte“ erfordere dienstrechtliche Konsequenzen.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil verdeutlicht die hohen Anforderungen an eine strafbare Verbreitung von rechtsextremen Inhalten in geschlossenen Chatgruppen. Für eine Strafbarkeit müssen konkrete Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Weitergabe an einen größeren, unkontrollierbaren Personenkreis vorliegen. Dies war hier trotz verwerflicher Inhalte nicht der Fall. Die Entscheidung zeigt die Grenzen des Strafrechts auf und betont die Notwendigkeit dienstrechtlicher Konsequenzen bei Verfassungstreue-Zweifeln bei Polizeibeamten.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Das Urteil des OLG Frankfurt hat wichtige Auswirkungen für Nutzer von WhatsApp-Gruppen: Das bloße Teilen problematischer Inhalte in geschlossenen Chatgruppen mit begrenztem Teilnehmerkreis erfüllt in der Regel nicht den Straftatbestand des „Verbreitens“. Entscheidend ist, ob konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Inhalte über den Kreis der Gruppenmitglieder hinaus weitergegeben werden sollen. Die Gruppengröße allein ist dabei nicht ausschlaggebend. Allerdings können auch bei fehlender Strafbarkeit dienstrechtliche oder arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, wenn die geteilten Inhalte gegen berufliche Pflichten verstoßen. Nutzer sollten daher weiterhin vorsichtig mit heiklen Inhalten in Chatgruppen umgehen.


FAQ – Häufige Fragen

In dieser FAQ-Rubrik finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um WhatsApp-Gruppen. Besonders im Hinblick auf Haftung und rechtliche Aspekte sind viele Nutzer unsicher, welche Regeln und Risiken bestehen. Unsere prägnanten und fundierten Informationen helfen Ihnen, sich im digitalen Raum sicherer zu bewegen und wertvolles Wissen zu erlangen.

Wann gilt das Teilen von Inhalten in einer WhatsApp-Gruppe rechtlich als Verbreiten?

Das Teilen von Inhalten in einer WhatsApp-Gruppe gilt rechtlich nicht automatisch als „Verbreiten“. Entscheidend sind mehrere Faktoren:

Größe und Zusammensetzung der Gruppe

Bei kleinen, geschlossenen Gruppen, deren Mitglieder sich persönlich kennen und vertrauen, liegt in der Regel kein „Verbreiten“ vor. Anders verhält es sich bei großen Gruppen mit vielen unbekannten Teilnehmern. Hier besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Inhalte unkontrolliert weitergegeben werden.

Vorsatz und Kontrollmöglichkeit

Wenn Sie davon ausgehen können, dass die Gruppenmitglieder die geteilten Inhalte vertraulich behandeln, spricht dies gegen ein „Verbreiten“. Haben Sie hingegen Grund zur Annahme, dass die Inhalte weitergeleitet werden könnten und nehmen dies billigend in Kauf, kann dies als Vorsatz gewertet werden.

Art der Inhalte

Die Natur der geteilten Inhalte spielt eine wichtige Rolle. Bei offensichtlich strafbaren Inhalten wie volksverhetzenden oder kinderpornografischen Materialien ist die Schwelle zum „Verbreiten“ niedriger anzusetzen als bei weniger problematischen Inhalten.

Konkrete Gefahr der Weiterverbreitung

Ein „Verbreiten“ liegt nur vor, wenn eine konkrete, durch tatsächliche Anhaltspunkte belegbare Gefahr besteht, dass der Inhalt an eine unbestimmte Anzahl von Personen weitergegeben wird. Die bloße theoretische Möglichkeit der Weiterleitung reicht nicht aus.

Zweck der Gruppe

Dient die Gruppe primär dem Austausch problematischer Inhalte, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass ein „Verbreiten“ angenommen wird. Bei Gruppen mit anderem Hauptzweck, in denen solche Inhalte nur gelegentlich geteilt werden, ist die rechtliche Bewertung oft milder.

Wenn Sie Inhalte in einer WhatsApp-Gruppe teilen, sollten Sie stets kritisch prüfen, ob eine Weiterverbreitung wahrscheinlich ist. Im Zweifelsfall ist es ratsam, auf das Teilen fragwürdiger Inhalte gänzlich zu verzichten, um rechtliche Risiken zu vermeiden.

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Welche Arten von Inhalten können in einer WhatsApp-Gruppe strafrechtlich relevant sein?

In WhatsApp-Gruppen können verschiedene Arten von Inhalten strafrechtlich relevant sein. Wenn Sie solche Inhalte in einer Gruppe teilen oder empfangen, riskieren Sie möglicherweise rechtliche Konsequenzen. Zu den problematischen Inhalten gehören:

Kinderpornografisches Material

Der Besitz, die Verbreitung und die Herstellung von kinderpornografischem Material sind streng verboten. Selbst wenn Sie solche Inhalte ungewollt in einer WhatsApp-Gruppe erhalten, können Sie sich strafbar machen, wenn Sie diese nicht umgehend löschen.

Volksverhetzende Äußerungen

Nachrichten, Bilder oder Videos, die bestimmte Gruppen aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder anderer Merkmale herabwürdigen oder zu Hass gegen sie aufrufen, fallen unter den Tatbestand der Volksverhetzung. Auch das Teilen solcher Inhalte kann strafbar sein.

Verfassungsfeindliche Symbole

Das Verwenden oder Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, wie etwa Hakenkreuze oder SS-Runen, ist in Deutschland verboten. Wenn Sie solche Symbole in einer WhatsApp-Gruppe posten, machen Sie sich strafbar.

Gewaltdarstellungen

Grausame oder unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere dürfen nicht verbreitet werden. Dies umfasst auch schockierende Videos von realen Gewalttaten oder Unfällen.

Beleidigungen und üble Nachrede

Auch wenn es sich um eine private Gruppe handelt, können Beleidigungen oder falsche Tatsachenbehauptungen über andere Personen strafrechtliche Folgen haben.

Urheberrechtlich geschütztes Material

Das unbefugte Teilen von urheberrechtlich geschützten Inhalten wie Musik, Filmen oder E-Books kann zwar nicht strafrechtlich, aber zivilrechtlich relevant sein.

Beachten Sie: Auch wenn Sie diese Inhalte nicht selbst erstellt haben, kann das bloße Weiterleiten oder der Besitz auf Ihrem Gerät bereits strafbar sein. In WhatsApp-Gruppen werden empfangene Medien oft automatisch auf Ihrem Smartphone gespeichert. Wenn Sie fragwürdige Inhalte erhalten, sollten Sie diese umgehend löschen und gegebenenfalls die Gruppe verlassen.

Die strafrechtliche Relevanz hängt auch vom Kontext und der Größe der Gruppe ab. In einer kleinen, geschlossenen Gruppe von Ihnen bekannten Personen ist die Gefahr einer Strafverfolgung geringer als in einer großen, öffentlichen Gruppe. Dennoch sollten Sie in allen Fällen vorsichtig sein und im Zweifel auf das Teilen fragwürdiger Inhalte verzichten.

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Welche Rolle spielt die Größe und Zusammensetzung einer WhatsApp-Gruppe für die rechtliche Bewertung?

Die Größe und Zusammensetzung einer WhatsApp-Gruppe sind entscheidende Faktoren für die rechtliche Bewertung, insbesondere wenn es um das Einstellen von möglicherweise strafbaren Inhalten geht.

Je größer die Gruppe und je weniger persönlich die Beziehungen zwischen den Mitgliedern sind, desto eher wird das Teilen von Inhalten als „Verbreiten“ im strafrechtlichen Sinne gewertet. Dies kann erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Einfluss der Gruppengröße

Bei kleinen, geschlossenen Gruppen mit wenigen Mitgliedern, die sich persönlich kennen, besteht eher eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung. Hier kann das Teilen von Inhalten unter Umständen als privater Austausch gewertet werden.

Wenn Sie jedoch Mitglied einer großen Gruppe mit vielen Ihnen unbekannten Teilnehmern sind, müssen Sie davon ausgehen, dass geteilte Inhalte als öffentlich zugänglich betrachtet werden können. In solchen Fällen kann bereits das Posten eines problematischen Inhalts als strafbares „Verbreiten“ eingestuft werden.

Bedeutung der persönlichen Beziehungen

Die Art der Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern spielt eine wichtige Rolle. Handelt es sich um enge Freunde oder Familienangehörige, bei denen Sie von Diskretion ausgehen können? Oder sind es lose Bekannte oder gar Fremde?

Je vertrauter die Beziehungen sind, desto eher kann von einem geschützten privaten Raum ausgegangen werden. Bei Gruppen mit vielen Ihnen unbekannten Teilnehmern müssen Sie hingegen damit rechnen, dass Inhalte weitergeleitet oder öffentlich gemacht werden könnten.

Rechtliche Konsequenzen

Wenn Sie in einer großen, öffentlichen Gruppe strafbare Inhalte teilen, kann dies schnell als Verbreiten im Sinne des Strafrechts gewertet werden. Dies gilt besonders, wenn die Gruppe Personen mit bestimmten Tendenzen (z.B. extremistische Ansichten) umfasst, bei denen mit einer Weiterverbreitung zu rechnen ist.

Bei kleinen, privaten Gruppen mit engen persönlichen Bindungen kann das Teilen von Inhalten unter Umständen als nicht-öffentliche Kommunikation eingestuft werden. Allerdings entbindet Sie dies nicht grundsätzlich von der strafrechtlichen Verantwortung für die geteilten Inhalte.

Bedenken Sie stets: Auch in vermeintlich privaten Gruppen können Inhalte leicht weitergeleitet oder gespeichert werden. Eine absolute Vertraulichkeit ist in digitalen Räumen nie garantiert. Seien Sie daher vorsichtig mit dem, was Sie in WhatsApp-Gruppen teilen, unabhängig von deren Größe oder Zusammensetzung.

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Wie wird der Vorsatz zur Weiterverbreitung rechtlich beurteilt?

Der Vorsatz zur Weiterverbreitung wird rechtlich anhand des sogenannten Eventualvorsatzes (dolus eventualis) beurteilt. Dies bedeutet, dass Sie als Täter die Weiterverbreitung des inkriminierten Inhalts als mögliche Folge Ihres Handelns ernsthaft für möglich halten und sich damit abfinden müssen.

Beurteilung des Vorsatzes

Bei der rechtlichen Beurteilung des Vorsatzes zur Weiterverbreitung in einer privaten geschlossenen WhatsApp-Gruppe spielen mehrere Faktoren eine Rolle:

  1. Kenntnis des Inhalts: Sie müssen sich bewusst sein, dass der von Ihnen geteilte Inhalt möglicherweise strafbar ist.
  2. Bewusstsein der Verbreitungsmöglichkeit: Es wird geprüft, ob Sie sich darüber im Klaren waren, dass andere Gruppenmitglieder den Inhalt weiterverbreiten könnten.
  3. Gruppengröße und -zusammensetzung: Die Anzahl der Gruppenmitglieder und Ihr Verhältnis zu ihnen können Indizien für Ihren Vorsatz sein.
  4. Art des geteilten Inhalts: Je brisanter oder kontroverser der Inhalt, desto eher wird ein Vorsatz zur Weiterverbreitung angenommen.

Rechtliche Konsequenzen

Wenn ein Gericht zu dem Schluss kommt, dass Sie mit Eventualvorsatz gehandelt haben, können Sie für die Weiterverbreitung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt selbst dann, wenn Sie die tatsächliche Weiterverbreitung nicht aktiv gefördert haben.

Stellen Sie sich vor, Sie teilen einen beleidigenden Inhalt in einer WhatsApp-Gruppe mit 20 Mitgliedern. Auch wenn Sie nicht wollen, dass dieser Inhalt die Gruppe verlässt, müssen Sie damit rechnen, dass dies geschehen könnte. Wenn Sie dies billigend in Kauf nehmen, liegt Eventualvorsatz vor.

Abgrenzung zur Fahrlässigkeit

Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann im Einzelfall schwierig sein. Bei der bewussten Fahrlässigkeit erkennen Sie zwar die Möglichkeit der Weiterverbreitung, vertrauen aber darauf, dass dies nicht geschehen wird. Gerichte ziehen zur Unterscheidung oft die sogenannte Hemmschwellentheorie heran, besonders bei schwerwiegenden Delikten.

Wichtig: Die rechtliche Beurteilung des Vorsatzes hängt stark vom Einzelfall ab. Entscheidend ist, ob Sie die Weiterverbreitung für möglich hielten und sich damit abfanden. Wenn Sie in einer WhatsApp-Gruppe einen möglicherweise strafbaren Inhalt teilen, sollten Sie sich stets bewusst sein, dass Sie die Kontrolle über dessen Verbreitung verlieren können.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Verbreiten: Das Verbreiten bezeichnet im rechtlichen Sinne die Weitergabe von Inhalten an einen größeren, nicht mehr kontrollierbaren Personenkreis. Bei WhatsApp-Gruppen ist entscheidend, ob konkrete Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Weitergabe über den Kreis der Gruppenmitglieder hinaus vorliegen. Die bloße technische Möglichkeit der Weiterleitung reicht nicht aus. Relevant sind Faktoren wie Gruppengröße, Zusammensetzung und erkennbarer Zweck. Bei kleinen, geschlossenen Gruppen mit eng verbundenen Mitgliedern wird in der Regel kein Verbreiten angenommen.
  • Vorsatz: Der Vorsatz beschreibt das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Beim Verbreiten in Chatgruppen ist entscheidend, ob der Täter mit einer Weiterleitung an Dritte rechnete und dies billigend in Kauf nahm. Ein bedingter Vorsatz reicht aus, bloße Fahrlässigkeit genügt nicht. Konkrete Anhaltspunkte wie Aufforderungen zur Weiterleitung oder die Gruppenzusammensetzung können den Vorsatz begründen. Im vorliegenden Fall verneinte das Gericht den Vorsatz, da die Polizisten eher negative Konsequenzen bei Bekanntwerden befürchten mussten.
  • Mengenverbreitung: Bei der Mengenverbreitung werden Inhalte gleichzeitig oder nacheinander an eine Vielzahl von Empfängern übermittelt. In Chatgruppen kann dies vorliegen, wenn viele unverbundene Personen Zugriff haben. Die Grenze zur strafbaren Mengenverbreitung ist fließend und hängt von Faktoren wie Gruppengröße und -zweck ab. Im Urteil wurde selbst bei 31 Teilnehmern keine Mengenverbreitung angenommen, da es sich um eine geschlossene Gruppe von Kollegen handelte.
  • Kettenverbreitung: Die Kettenverbreitung liegt vor, wenn der Täter Inhalte an einzelne Personen weitergibt in der Erwartung, dass diese sie ihrerseits weiterverbreiten. In Chatgruppen kann dies relevant sein, wenn zur Weiterleitung aufgefordert wird. Entscheidend ist der Vorsatz des ursprünglichen Absenders bezüglich der weiteren Verbreitung. Im Urteil wurde eine Kettenverbreitung verneint, da keine konkreten Anhaltspunkte für eine erwartete Weitergabe vorlagen.
  • Verfassungskonforme Auslegung: Dieser Grundsatz verlangt, Gesetze im Einklang mit dem Grundgesetz auszulegen. Beim Verbreitensbegriff ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit zu berücksichtigen. Eine zu weite Auslegung würde dieses Recht unverhältnismäßig einschränken. Daher sind an die Annahme einer strafbaren Verbreitung in Chatgruppen hohe Anforderungen zu stellen. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Weitergabe an einen größeren Personenkreis vorliegen, ist der Tatbestand erfüllt.
  • Dienstrechtliche Konsequenzen: Auch wenn keine Strafbarkeit vorliegt, können Verstöße gegen Dienstpflichten arbeitsrechtliche Folgen haben. Bei Beamten wie Polizisten können erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue zu disziplinarischen Maßnahmen führen. Dies kann Abmahnungen, Versetzungen oder sogar Entlassungen umfassen. Die Schwelle für dienstrechtliche Konsequenzen liegt niedriger als für strafrechtliche. Auch das private Verhalten von Beamten kann relevant sein, wenn es Rückschlüsse auf die dienstliche Integrität zulässt.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 130 StGB (Volksverhetzung): Diese Vorschrift stellt unter Strafe, wer zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert. Im vorliegenden Fall wurden in den Chatgruppen volksverhetzende Inhalte ausgetauscht, die möglicherweise unter diese Strafnorm fallen könnten.
  • § 130 Abs. 3 StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen): Hier geht es um das Verbreiten von Kennzeichen oder Propagandamaterial verfassungswidriger Organisationen. In den Chatgruppen wurden Symbole und Inhalte geteilt, die möglicherweise unter diese Vorschrift fallen könnten.
  • § 131 StGB (Gewaltdarstellung): Dieser Paragraph verbietet die Verbreitung von Medien, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere in einer Art darstellen, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt. In den Chatgruppen wurden auch gewaltverherrlichende Inhalte geteilt, die möglicherweise unter diese Strafnorm fallen könnten.
  • § 184b StGB a.F. (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften): Diese Vorschrift (in der alten Fassung) stellte unter Strafe, wer kinderpornographische Schriften verbreitet, erwirbt oder besitzt. Einem der Angeschuldigten wurde vorgeworfen, kinderpornographische Bilder besessen zu haben.
  • § 184c StGB a.F. (Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Schriften): Diese Vorschrift (in der alten Fassung) stellte unter Strafe, wer jugendpornographische Schriften verbreitet, erwirbt oder besitzt. Einem der Angeschuldigten wurde vorgeworfen, jugendpornographische Bilder besessen zu haben.

Das vorliegende Urteil

 

OLG Frankfurt – Beschluss vom 08.07.2024 – Az.: 1 Ws 171/23, 1 Ws 174/23, 1 Ws 175/23, 1 Ws 176/23, 1 Ws 177/23


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