LG Hof, Az.: 4 Qs 153/15, Beschluss vom 25.11.2015
I. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Wunsiedel vom 18.11.2015 abgeändert.
II. Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt Dr. Joachim B., B…, als Pflichtverteidiger bestellt.
III. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers.
Gründe
I.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Hof erließ das Amtsgerichts Wunsiedel gegen den Beschwerdeführer Strafbefehl wegen Kennzeichenmissbrauchs und Urkundenfälschung. Nach Einspruch des Angeklagten bestimmte das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung auf 20.11.2015.
Mit Schriftsatz seines Wahlverteidigers vom 13.11.2015 (Bl. 108-109 d.A.) beantragte der Angeklagte die Bestellung seines Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger. Diesen Antrag lehnte das Amtsgericht mit Beschluss vom 18.11.2015 (Bl. 111-112 d.A.) ab.
Der hiergegen mit Schriftsatz vom 18.11.2015 (Bl. 115-116 d.A.) eingelegten Beschwerde des Angeklagten half das Amtsgericht Hof mit weiterem Beschluss vom 19.11.2015 (Bl. 123-125 d.A.) nicht ab. Die Staatsanwaltschaft Hof hat beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (Bl. 127 d.A.).
Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten gerichtlichen Entscheidungen und Anträge Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wunsiedel vom 18.11.2015 ist statthaft (§ 304 Abs. 1 StPO). Insoweit wird auf die zutreffende Begründung der Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts Bezug genommen.
Randnummer 6
Die Beschwerde ist auch zulässig. Es handelt sich – entgegen der Annahme des Amtsgerichts – nämlich nicht um eine Beschwerde des Verteidigers, sondern um die vom Verteidiger in dessen Namen eingelegte Beschwerde des Angeklagten. Eine Beschwer des Angeklagten ist weiterhin gegeben, da das Strafverfahren noch nicht, auch nicht erstinstanzlich, abgeschlossen ist.
Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Dem Angeklagten ist der von ihm benannte Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beizuordnen, da die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung gegeben sind. Wegen der Schwierigkeit der Rechtslage ist gemäß § 140 Abs. 2 StPO die Mitwirkung eines Verteidigers geboten.
Das Recht auf ein rechtsstaatliches, faires Strafverfahren verbietet es grundsätzlich, einen der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtigen Angeklagten zu einem unverstandenen Objekt des Verfahrens herabzuwürdigen. Er muss in die Lage versetzt werden, die ihn betreffenden wesentlichen Verfahrensvorgänge verstehen und sich im Verfahren verständlich machen zu können (BVerfG NJW 1983, 2762).
In Fällen sprachbedingter Verständigungsschwierigkeiten und der Herkunft des Angeklagten aus einem anderen Kulturkreis mit der Folge der unzureichenden Vertrautheit mit dem deutschen Rechtssystem kommt deshalb – als Ausfluss des Rechtes auf ein rechtsstaatliches, faires Strafverfahren – die Bestellung eines Verteidigers grundsätzlich eher in Betracht als dies sonst der Fall ist (vgl. OLG Karlsruhe MDR 1988, 76; OLG Brandenburg StV 2000, 69; OLG Karlsruhe StV 2005, 655; OLG Hamm StV 2005, 659; ständige Rspr. der Beschwerdekammer, vgl. Kammerbeschlüsse v. 21.08.2013, Az.: 4 Qs 145/13; v. 23.06.2014, Az.: 4 Qs 92/14; v. 01.08.2014, Az.: 4 Qs 118/14; v. 24.02.2015, Az.: 4 Qs 17/15).
Vorliegend ist der Angeklagte kroatischer Staatsangehöriger mit Lebensmittelpunkt in Kroatien. Seine polizeiliche Vernehmung erfolgte unter Hinzuziehung eines Dolmetschers.
Sowohl das im gegenständlichen Verfahren zur Anwendung kommende StVG als auch § 267 StGB weisen jedenfalls für einen mit dem deutschen Rechtssystem nicht vertrauten Beschuldigten erhebliche rechtliche Problematiken auf. Es ist vorliegend zudem nicht ausgeschlossen, dass der Ausgang des Strafverfahrens nicht unerheblichen Einfluss auf mögliche ausländerrechtliche Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer haben kann. Die mit den bei dem Beschwerdeführer zu unterstellenden Verständigungsschwierigkeiten einhergehenden Beschränkungen können daher vorliegend nicht durch den Einsatz sonstiger Hilfen, wie etwa Übersetzungshilfen, vollständig und angemessen ausgeglichen werden (vgl. hierzu BGHSt 46, 178; LG Stuttgart, Beschluss v. 29.03.2012, Az.: 5 Qs 13/12, juris; Kammer a.a.O.).
Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts Wunsiedel konnte daher keinen Bestand haben und war auf die Beschwerde des Angeklagten abzuändern.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.