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Gemeinschaftliche Körperverletzung durch Anwesenheit eines Tatgenossen

AG Rudolstadt, Az.: 110 Js 23490/12 – 1 Ls, Urteil vom 06.08.2015

Der Angeklagte Marcel L. wird wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Der Angeklagte Steve M. wird wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen wird zur Bewährung ausgesetzt.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Angeklagte Steve M. hat ferner die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Angewendete Vorschriften bezüglich des Angeklagten Marcel L.: §§ 223Abs. 1, 230 Abs. 1 Satz 1,56 Abs. 1 StGB.

Angewendete Vorschriften bezüglich des Angeklagten Steve M.: §§ 223Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2,56 Abs. 1 StGB.

Gründe

I.

D

Gemeinschaftliche Körperverletzung durch Anwesenheit eines Tatgenossen
Von Tinnakorn jorruang

er heute 24 Jahre alte Angeklagte Marcel L. beendete die Schule mit dem Hauptschulabschluß. Eine Lehre konnte er aber nicht abschließen. Gegenwärtig bestreitet er seinen Lebensunterhalt von Arbeitslosengeld II in Höhe von 399,00 Euro monatlich. Der Angeklagte ist der Vater einer am 05.01.2015 geborenen Tochter namens Johanna, die bei der Kindesmutter Melissa A. lebt.

Der Angeklagte Marcel L. ist bislang strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

Durch seit dem 29.08.2013 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts – Strafrichter – Rudolstadt vom 24.07.2013 wurde der Angeklagte wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes eines Butterflymessers zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 Euro verurteilt. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 20.06.2013 gegen 12.40 Uhr bewahrte der Angeklagte in dem von ihm bewohnten Zimmer in dem Mehrfamilienhaus Bahnhofstraße 9 in Bad Blankenburg ein Butterflymesser auf.

Diese Geldstrafe hat der Angeklagte unterdessen bezahlt.

Der heute 28 Jahre alte Angeklagte Steve M. hat keinen Schulabschluß erreicht, jedoch eine Lehre als Hochbaufacharbeiter erfolgreich abgeschlossen. Seit dem 18.05.2015 ist der Angeklagte als Hausmeister in dem Handwerksunternehmen des Raumausstatters Wolfram S. in Quirla beschäftigt, wo er ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200,00 Euro erzielt. Seit einem Jahr ist er mit einer Lebensgefährtin liiert, welche ein Kind in diese Beziehung mitgebracht hat.

II.

1.

Der Angeklagte Marcel L. sah sich seit einiger Zeit Drohungen des 23jährigen Geschädigten André Sch. ausgesetzt, mit dem er in der Vergangenheit verschiedene Eigentumsdelikte verübt hatte, weil dieser ihn nach seiner Haftentlassung im August 2011 beschuldigte, für seinen zweijährigen Gefängnisaufenthalt verantwortlich gewesen zu sein. Nachdem wiederholte Versuche, den Konflikt mittels einer gütlichen Einigung beizulegen, gescheitert waren, die Kontrahenten aber in Bad Blankenburg immer wieder aufeinandertrafen, beschloß der Angeklagte Marcel L., seinen Widersacher unter einem Vorwand an einen geeigneten Ort zu locken, um dort zusammen mit weiteren Personen zu erscheinen und André Sch. durch das demonstrative Auftreten mit mehreren Begleitern einzuschüchtern und dadurch zu veranlassen, künftige Drohgebärden zu unterlassen. Zu diesem Zwecke nahm der Angeklagte Marcel L. über die Internetplattform Facebook, auf der er sich unter einem Frauennamen angemeldet hatte, Kontakt zu André Sch. auf, gab sich als die 19jährige Nutzerin Linda Petzold aus Großkochberg aus und brachte André Sch. dazu, ihn unter diesem Namen seiner Freundesliste in seinem Facebook-Profil hinzuzufügen. Nachdem die Beteiligten zuvor bereits umfangreichen Schriftverkehr per Facebook-Nachrichten geführt hatten, spiegelte der Angeklagte dem Geschädigten sodann vor, ihn zu einer vermeintlichen Verabredung am 19.07.2012 gegen 16.00 Uhr auf dem Besucherparkplatz der Diskothek „SAX“ in Bad Blankenburg treffen zu wollen. In der Folgezeit begab sich der Angeklagte Marcel L. in Begleitung des Angeklagten Steve M. sowie der früheren Mitangeklagten Marco J. und Ronny K. zu dem Parkplatz und wartete auf seinen Kontrahenten. Erst gegen 17.00 Uhr traf der Geschädigte André Sch., der sich erheblich verspätet hatte und seinerseits von dem 23jährigen Nebenkläger Thomas W. begleitet wurde, dort ein. Während sich die früheren Mitangeklagten Marco J. und Ronny K. im Hintergrund hielten und das Umfeld beobachteten, ging der Angeklagte Marcel L. zielgerichtet auf André Sch. zu, um ihn zur Rede zu stellen und von seinem feindseligen Verhalten abzubringen. Er packte ihn an seinem T-Shirt, drückte ihn gegen einen Baumstamm und redete wild gestikulierend auf ihn ein. Bei dem sich anschließenden Gerangel kam André Sch., der aggressiv und lautstark widersprach, zu Fall. Als er sich erheben und dem Angeklagten einen Faustschlag gegen den Kopf versetzen wollte, schlug der Angeklagte Marcel L. dem Geschädigten wiederholt kraftvoll mit der Faust ins Gesicht und in die Magengrube. Ferner trat er ihm wiederholt wuchtig mit seinen beschuhten Füßen gegen den Brustkorb und gegen beide Beine, weshalb das Tatopfer eine Schädelprellung, einen Nasenbeinbruch, eine Augapfelprellung rechts, eine Kinnplatzwunde, eine Thoraxkontusion rechts sowie ein stumpfes Bachtrauma erlitt.

2.

Während der Angeklagte Marcel L. auf den Geschädigten André Sch. eindrang, verfolgte der Angeklagte Steve M. den Nebenkläger Thomas W. bis zum Ufer der Schwarza. Dort trat er mit seinem schweren Schuhwerk nach dem Körper des Tatopfers und boxte ihm wiederholt in das Gesicht sowie gegen den Oberkörper. Weil sich Thomas W. heftig wehrte, zückte der Angeklagte Steve M. ein Messer mit einer Klingenlänge von 18 cm, packte das Tatopfer am Kopf und zog es an den Haaren nach hinten. Dabei fuchtelte er mit dem Messer herum, führte Stichbewegungen in Richtung des Nebenklägers aus und fügte ihm bei dieser Gelegenheit oberflächliche Schnittverletzungen am linken Brustkorb zu. Als ihm der Angeklagte Steve M. daraufhin das Messer an die Kehle hielt, griff der Nebenkläger Thomas W. nach diesem, um den Angreifer zu entwaffnen. Dies gelang ihm zwar auch, jedoch umfaßte er zugleich mit seinen Fingern der rechten Hand die einschneidige Messerklinge, weshalb er sich tiefe Schnittwunden am Zeige-, Mittel- und Ringfinger dieser Hand zuzog.

III.

Die Feststellungen zur Person der Angeklagten beruhen auf ihren eigenen Angaben in der Hauptverhandlung sowie, was den Angeklagten Marcel L. angeht, auf dem verlesenen Strafbefehl des Amtsgerichts – Strafrichter – Rudolstadt vom 24.07.2013.

Der Angeklagte Marcel L. ist in vollem Umfang geständig. Er hat insbesondere eingeräumt, daß es seine Idee gewesen sei, den Geschädigten André Sch. auf den Besucherparkplatz der Diskothek zu locken. Er hat ebenfalls zugegeben, den Geschädigten geschlagen und getreten zu haben.

Der Angeklagte Steve M. hat nicht bestritten, den Geschädigten Thomas W. tätlich angegriffen und ihm Faustschläge verabreicht zu haben. Er behauptet jedoch, den Geschädigten nicht mit dem Messer attackiert zu haben.

Die Einlassung des Angeklagten Steve M., das Tatopfer nicht mit dem Messer verletzt zu haben, ist aber durch die glaubhafte Aussage des Nebenklägers Thomas W. widerlegt. Dieser hat bekundet, der Täter habe ihm das Messer an den Hals gehalten. Bei seiner Abwehr des Messerangriffs seien die Beugesehnen des Zeige- und Mittelfingers der rechten Hand zerschnitten worden. Diese Schilderung des Nebenklägers war lebensnah und in sich stimmig. Daß der Angeklagte dem Tatopfer oberflächliche Schnittverletzungen am linken Thorax beigebracht hat, wurde, obschon der Nebenkläger sich an das Zustandekommen dieser Verletzungen nicht zu erinnern vermochte, durch die verlesene Diagnose des Chefarztes der Klinik für Handchirurgie Bad Neustadt vom 20.07.2012 aussagekräftig belegt.

IV.

Der Angeklagte Marcel L. hat sich somit der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht.

Hingegen liegt eine mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangene Tat im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht vor. Gemeinschaftlich wird eine Körperverletzung begangen, wenn mindestens zwei Personen, die im Verhältnis der Mittäterschaft oder Teilnahme zueinander stehen, bei ihrer Ausführung einverständlich zusammenwirken und so die Gefährlichkeit des Angriffs für das Opfer bewußt in einer Weise erhöhen, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist (vgl. BGHSt 47, 383, 387; BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 Gemeinschaftlich 4), indem der Geschädigte durch die Zahl der Angreifer eingeschüchtert oder in seinen Verteidigungs- oder Fluchtmöglichkeiten eingeschränkt wird. Daraus ergibt sich, daß wenigstens zwei unterstützungsbereite Personen am Tatort anwesend sein und eine aktive Rolle spielen müssen (Matt/Renzikowski-Engländer, StGB, 1. Aufl., § 224 Rn. 12). Die bloße Anwesenheit einer weiteren Person, die sich rein passiv verhält, als psychische Beihilfe genügt dagegen zur Erfüllung dieses Qualifikationstatbestandes noch nicht (BGH, Urt. v. 20.03.2012 – 1 StR 447/11; BGH, Beschl. v. 21.07.2015 – 3 StR 261/15; von Heintschel-Heinegg-Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 224 Rn. 38; MK StGB-Hardtung, 2. Aufl., § 224 Rn. 34; A/W/H/H-Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, 3. Aufl., § 6 Rn. 56). Angesichts des Grundes der Strafschärfung sind Tatgenossen, die keine Bereitschaft zum Eingreifen erkennen lassen, mangels der erforderlichen Konfrontation des Opfers mit mehreren Personen nicht Beteiligte im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (vgl. Wessels/Hettinger, Strafrecht Besonderer Teil 1, 38. Aufl., Rn. 281). Der Angeklagte Steve M. hat lediglich den Nebenkläger Thomas W. tätlich angegriffen; Verletzungshandlungen zum Nachteil des Geschädigten André Sch. hat er weder vollzogen noch unterstützt. Die früheren Angeklagten Marco J. und Ronny K. haben nicht aktiv in das Geschehen eingegriffen. Vielmehr hielten sie sich im Hintergrund und suggerierten dem Opfer auch keine Eingriffs- oder Unterstützungsbereitschaft zugunsten des Angeklagten Marcel L.. Damit fehlt es an der strafschärfungsbegründenden erhöhten Gefährdung, der das Opfer typischerweise ausgesetzt ist, wenn es am Tatort der „Übermacht“ mehrerer, miteinander zusammenwirkender Gegner unmittelbar gegenübersteht, so daß die Voraussetzungen für ein gemeinschaftliches Handeln im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dann auch nicht vorliegen können.

Der Angeklagte Steve M. hat sich einer gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht.

Der Angeklagte hat die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen, weil ein Messer bei konkret gefährdender Anwendung unter Berücksichtigung seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung geeignet ist, erhebliche körperliche Verletzungen bei dem Angegriffenen hervorzurufen (vgl. LK-Lilie, StGB, 11. Aufl., § 224 Rn. 23).

Tateinheit zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung bei einer gegen ein und dieselbe Person durch eine Handlung verübten Tat ist ausgeschlossen (BGH, NStZ 1997, 493; SK StGB-Wolters, 8. Aufl., § 229 Rn. 6). Bei vom Vorsatz einer Körperverletzung nicht umfaßten, sorgfaltswidrig herbeigeführten Verletzungsfolgen, nämlich den vorliegend infolge der Abwehr der Messerattacke durch den Nebenkläger entstandenen Schnittwunden an der rechten Hand, kommt die Fahrlässigkeit, wenn – wie hier – § 226 StGB nicht eingreift, nur als Strafzumessungsgrund im Rahmen der vorsätzlichen Körperverletzung in Betracht (Fischer, StGB, 62. Aufl., § 229 Rn. 4).

V.

Bei der Strafzumessung hat sich das Gericht vor allem von folgenden Überlegungen leiten lassen:

Die gegen den Angeklagten Marcel L. zu verhängende Strafe war aus dem Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht. Hier sprach gegen den Angeklagten vor allem, daß durch sein Vorgehen die körperliche Integrität des Tatopfers in einer Weise beeinträchtigt wurde, die mit erheblichen Schmerzen verbunden war. Jedoch hat der Angeklagte den Tatentschluß ersichtlich nur deshalb gefaßt, weil er von dem Geschädigten bedroht worden war. Seine Motivation ist daher, ungeachtet des überlegten, nicht spontanen Tatentschlusses und obwohl die von dem Angeklagten geübte Selbstjustiz keinesfalls tolerabel erscheint, angesichts des pflichtwidrigen Vorverhaltens des Geschädigten noch als menschlich verständlich und nachvollziehbar zu bewerten.

Unter Abwägung der aufgezeigten und aller übrigen gemäß § 46 StGB maßgeblichen, für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hielt das Gericht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten für tat- und schuldangemessen, zur Erreichung aller Strafzwecke unbedingt erforderlich, aber auch – noch – ausreichend.

Ein Härteausgleich wegen der einbeziehungsfähigen, aber bereits durch vollständige Bezahlung vollstreckten Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts – Strafrichter – Rudolstadt vom 24.07.2013 war nicht veranlaßt (vgl. BGH, NStZ 2011, 283, 284; BGH, Beschl. v. 24.02.2011 – 4 StR 488/10). Eine ausgleichspflichtige Härte konnte für den Angeklagten hier – anders als bei Vollstreckung einer Geldstrafe durch Ersatzfreiheitsstrafe – nicht entstehen.

Bei dem Angeklagte Steve M. war dem Strafausspruch der Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB zugrundezulegen, der von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe reicht. Ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung liegt nicht vor. Eine Gesamtwürdigung aller Umstände, die der Tat selbst innewohnten, sie begleiteten, ihr vorausgingen oder nachfolgten und die für die Wertung der Tat und der Person des Angeklagten bedeutsam sind, ergibt vorliegend nicht, daß das gesamte Tatbild im Hinblick auf die Intensität des Unrechts und das Ausmaß des Verschuldens vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Die Abwägung sämtlicher wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände wies diese Tat angesichts des festgestellten Tatbildes und der festgestellten Tatumstände sowie nach ihrer verschuldeten Intensität vielmehr durchaus dem Regelstrafrahmen zu, da die strafmildernden Umstände die strafschärfenden Aspekte nicht so deutlich überwiegen, daß die Anwendung des Regelstrafrahmens eine unverhältnismäßige Härte bedeuten würde. Der Vorfall erhält bezüglich dieses Angeklagten dadurch sein entscheidendes Gepräge, daß er das von dem Angriff völlig überraschte Opfer eigenhändig körperlich mißhandelt und erheblich an seiner Gesundheit beschädigt hat, obwohl er den Geschädigten zuvor nicht kannte und dieser ihm keinerlei Grund für diese entwürdigende Vorgehensweise geliefert hatte. Das Gericht erblickt die für die Strafzumessung zentralen Gesichtspunkte insoweit in der hohen Gewaltbereitschaft des Angeklagten, seiner geringen Hemmschwelle und seinem brutalen Vorgehen, die für das Ausmaß der verwirklichten Schuld von erheblichem Gewicht sind. Die Tat des Angeklagten hebt sich durch die Gefühlsroheit und die besondere Gewaltbereitschaft, die bei der Tat zu Tage getreten ist, von anderen vergleichbaren Taten zu seinem Nachteil deutlich ab. Aufgrund einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände kam demgemäß trotz seiner Unbestraftheit und seiner Teilgeständigkeit die Annahme eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB nicht in Betracht.

Innerhalb des so gefundenen Strafrahmens war zugunsten des Angeklagten Steve M. insbesondere sein straffreies Vorleben zu berücksichtigen. Mildernd wirkte ferner, daß er weithin geständig war. Die Schnittwunden am Zeige-, Mittel- und Ringfinger, die bei der Abwehr des Messerangriffs entstanden, waren für den Angeklagten, wenngleich sie von seinem Vorsatz nicht umfaßt waren, vorhersehbar und fallen deshalb strafschärfend ins Gewicht.

Unter Abwägung der aufgezeigten und aller übrigen gemäß § 46 StGB maßgeblichen, für und wider den Angeklagten streitenden Strafzumessungsgesichtspunkte erachtete das Gericht für die von dem Angeklagten begangene Tat eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten für tat- und schuldangemessen und zur Erfüllung aller Strafzwecke ausreichend.

VI.

Die Vollstreckung der Strafen konnte nach § 56 Abs. 1 StGB unter Zurückstellung gewisser Bedenken zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Gericht geht infolge des von ihm in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrucks davon aus, daß die Angeklagten bereits durch den Verlauf dieses Verfahrens und die Verhängung der Strafe so nachhaltig beeindruckt sind, daß sie künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen werden. Eine Gewähr oder Gewißheit der Legalbewährung ist nicht erforderlich. Für die Bejahung einer günstigen Prognose ist vielmehr ausreichend, daß die Wahrscheinlichkeit künftig straffreien Verhaltens größer einzuschätzen ist als die Möglichkeit neuer Straftaten (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 30; BGH, NStZ-RR 2005, 38; LK-Hubrach, StGB, 12. Aufl., § 56 Rn. 12; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 56 Rn. 8). Gegen beide Angeklagten wird erstmals eine Freiheitsstrafe verhängt. Bei der erforderlichen umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände, die Rückschlüsse auf ihr künftiges Verhalten erlauben, kam hier insbesondere dem Umstand gewichtige Bedeutung zu, daß für die Angeklagten, welche zuvor noch keinem Freiheitsentzug ausgesetzt waren, die wegen des anhängigen Verfahrens erlittene Untersuchungshaft, die einen schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) darstellte, mit einem der Strafhaft gleichkommenden nachhaltigen Warneffekt verbunden war, der bei der Prognose in Rechnung zu stellen ist (vgl. BGH, StV 1995, 414, 415), weil von einem „Erstverbüßer“ allgemein erwartet werden kann, daß das der bloßen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe nicht vergleichbare Erlebnis von deren Vollstreckung seine Wirkung nicht verfehlt und den Täter befähigt, künftigen Tatanreizen zu widerstehen (vgl. KG, StV 1999, 605), weshalb in Zukunft mit einer die Strafgesetze allgemein, also nicht nur für die Dauer der festgesetzten Bewährungszeit (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 22; BayObLG VRS 62, 37, 38), respektierenden Lebensführung der Angeklagten zu rechnen ist.

Auch gebietet hier nicht die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der erkannten Strafe. Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn der Verzicht auf deren Vollstreckung im Hinblick auf die schwerwiegenden Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müßte und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (BGH, NStE Nr. 5 zu § 56 StGB; BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 21). Mit Rücksicht auf die angeführten Milderungsgründe ist auszuschließen, daß die Rechtstreue der über die Besonderheiten des Einzelfalls unterrichteten Bevölkerung ernsthaft beeinträchtigt und es von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen wird, daß die Vollstreckung der Strafen im vorliegenden Fall zur Bewährung ausgesetzt wird.

VII.

Was den Angeklagten Marcel L. anbelangt, folgt die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.

Was den Angeklagten Steve M. betrifft, ergibt sich die Kostenentscheidung aus §§ 465Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.

Die Kosten der Beteiligung des Nebenklägers, der sich der erhobenen öffentlichen Klage wirksam angeschlossen hat, sind von diesem Angeklagten zu erstatten, weil er wegen der den Nebenkläger Thomas W. betreffenden Tat verurteilt wurde.

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