OLG Oldenburg, Az.: 1 Ss 85/15, Urteil vom 20.07.2015
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 13. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 25. März 2015 wird auf seine Kosten verworfen.
Jedoch wird der Tenor des angefochtenen Urteils im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die Verurteilung wegen gemeinschaftlicher Tatbegehung entfällt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Vechta hat den Angeklagten am 12. November 2014 wegen „gemeinschaftlichen“ Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.
Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Oldenburg mit Urteil vom 25. März 2015 verworfen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und mit der allein erhobenen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Er beantragt, das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückzuverweisen.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
Die aufgrund der Sachrüge vorzunehmende umfassende materiell-rechtliche Prüfung des Urteils lässt keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler erkennen.
1. Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch und den Strafausspruch. Der Senat teilt insbesondere nicht die Ansicht des Angeklagten, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen zur Mittäterschaft getroffen. Hierzu hat das Landgericht ausreichend ausgeführt, dass der Angeklagte gemeinsam mit seiner Freundin mit dem Zug von ………nach ………. gefahren ist, um verabredungsgemäß in das Wohnhaus des Onkels der Freundin einzubrechen. Dass das Urteil keine ausdrücklichen Feststellungen dazu enthält, wann der Tatplan von den Tätern gefasst worden ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Durch die Formulierung „… nach Vechta gefahren ist, um …“ wird verständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Einbruchsplan vor Fahrtantritt gefasst sein muss. Im Übrigen kann der Tatplan im Einzelnen ohnehin noch bei Tatbegehung konkludent durch eine – wie hier erfolgte (UA S. 3) – arbeitsteilige Tatausführung gefasst werden (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 25 Rn. 34).
Die Annahme des Landgerichts, es liege kein minder schwerer Fall im Sinne von § 244 Abs. 3 StGB vor, ist gleichfalls nicht als rechtsfehlerhaft zu beanstanden.
Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlich rechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst. Das gilt auch, soweit die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14 -, juris m.w.N.).
Das Gericht ist bei der Strafzumessung lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die hierfür bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH, aaO.).
Hier hat das Landgericht zur Strafzumessung eine Gesamtbewertung aller bedeutsamen Umstände vorgenommen. Dass es bei seiner Würdigung wesentliche und bestimmende Umstände unberücksichtigt gelassen hätte, legt die Revision nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich. Dass es insoweit in den Urteilsgründen zur Begründung der Ablehnung eines minder schweren Falles diese Strafzumessungskriterien nicht nochmals wiederholt, sondern mit der Wendung „Für die Annahme eines minder schweren Falls nach § 244 III StGB sieht die Kammer in diesem Zusammenhang keinen Raum.“ auf die vorangegangene Darstellung verwiesen hat, stellt keinen Rechtsmangel dar (vgl. BGH, aaO.).
2. Die im Rahmen der versagten Strafaussetzungsentscheidung getroffene Annahme einer ungünstigen Prognose (§ 56 Abs. 1 StGB) durch das Landgericht begegnet – anders als die Revision meint – keinen durchgreifenden Bedenken.
Wie die Strafzumessung im Allgemeinen, ist auch die Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ihm steht bei der Beantwortung der Frage, ob die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen ist, weil zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB), ein weiter Bewertungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat.
Das Revisionsgericht kann die Entscheidung deshalb grundsätzlich nur auf Ermessensfehler und Rechtsirrtümer – wie einen unzutreffenden Maßstab – überprüfen (vgl. Fischer, aaO., § 56 Rn. 11, 25 m.w.N.). Die Entscheidung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht, sofern keine Rechtsfehler vorliegen, „bis zur Grenze des Vertretbaren“ hinzunehmen, weil allein der Tatrichter sich aufgrund des persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung und der Würdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten eine Überzeugung davon verschaffen kann, ob zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich in Zukunft auch ohne Strafverbüßung straffrei führen wird (stRspr., vgl. BGH NStZ-RR 2008, 276; Urteil vom 03. Juli 2007 – 5 StR 37/07 –, juris; Urteil vom 23. Mai 2007 – 5 StR 97/07 -, juris; ferner Fischer, aaO., § 56 Rn. 11 und 25 m.w.N.).
Gemessen daran begegnet die vom Landgericht im Rahmen von § 56 StGB vorgenommene Gesamtwürdigung keinen rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat die wesentlichen negativen sowie positiven Umstände ausreichend in den Blick genommen.
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht seiner Gesamtwürdigung zudem einen zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt.
Die Erwartensklausel des § 56 Abs. 1 S. 1 StGB verlangt die begründete Erwartung, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Diese Erwartung setzt keine sichere Gewähr für ein künftiges straffreies Leben voraus. Ausreichend ist vielmehr, dass die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens größer ist als diejenige neuer Straftaten (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2004 – 1 StR 339/04 -, juris; Fischer, aaO., § 56 Rn. 4; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 56 Rn. 17). Es ist nicht erforderlich, dass eine jeden Zweifel ausschließende Gewissheit, eine sichere Gewähr oder auch nur ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad vorliegt (vgl. BGH, aaO.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 202; MüKo-Groß, 2. Aufl. § 56 Rn. 24; LK-Hubrach, StGB, 12. Aufl., § 56 Rn. 12; jeweils m.w.N.).
Die von diesen Grundsätzen ausgehenden Grenzen hat das Landgericht beachtet. Die im Rahmen der Aussetzungsprüfung verwendete Formulierung „hinreichend sichere Erwartung“ kann offenkundig weder mit dem Begriff „sichere Gewähr“ gleichgestellt werden, noch stellt sie eine zu hohe Anforderung an die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen straffreien Lebens. Dies wäre möglicherweise denkbar, wenn die Kammer als Maßstab – anders als hier – allein eine „sichere Erwartung“ fordern würde. Die Ergänzung der Worte „sichere Erwartung“ um den Begriff „hinreichend“ schränkt jedoch einen solchen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad entscheidend und in erheblichem Maße ein.
Diese Einschränkung folgt aus einer vorzunehmenden Auslegung des Begriffs „hinreichend“. Dieser findet in § 203 StPO („hinreichender Tatverdacht“) Erwähnung und beschreibt einen Wahrscheinlichkeitsgrad. Im Rahmen von § 203 StPO ist der Tatverdacht bereits dann hinreichend und führt zur Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf der Grundlage des Ermittlungsergebnisses eine Verurteilung in der Hauptsache wahrscheinlich ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 203 Rn. 2; LR-Stuckenberg, StPO, 26. Auflage, § 203 Rn. 6 ff.; KK-Schneider, StPO, 6. Aufl., § 203 Rn.3). Das ist der Fall, wenn entweder die Verurteilung überwiegend wahrscheinlich erscheint oder ein Zweifelsfall mit ungefähr gleicher Wahrscheinlichkeit von Verurteilung und Nichtverurteilung vorliegt, zu dessen Klärung die besonderen Erkenntnismittel der Hauptverhandlung notwendig sind.
Die Formulierung „hinreichend sichere Erwartung“ beschreibt daher bei verständiger Würdigung eine überwiegend und damit größere Wahrscheinlichkeit für ein zukünftig straffreies Leben als die Begehung neuer Straftaten. Der zusätzliche Begriff „sicher“ ist in diesem Zusammenhang für die Einhaltung des Maßstabs unschädlich, weil dadurch lediglich dem Umstand Rechnung getragen wird, dass hinsichtlich des Vorliegens der Wahrscheinlichkeit der Zweifelssatz keine Anwendung findet, sondern der Tatrichter entsprechend überzeugt sein muss (vgl. hierzu LK-Hubrach, aaO. Rn. 12; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, aaO. Rn. 17; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO. Rn. 204; SSW-Mosbacher, StGB, 2. Aufl., § 56 Rn. 25).
3. Es war jedoch der Tenor des angefochtenen Urteils durch den Senat im Schuldspruch dahingehend abzuändern, dass die gemeinschaftliche Begehung des Wohnungseinbruchsdiebstahls entfällt. Denn es ist im Tenor nicht mitzuteilen, ob der Angeklagte als Allein- oder Mittäter gehandelt hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 24).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.