AG Eilenburg, Az.: 8 Cs 818 Js 61559/14, Urteil vom 16.06.2015
1) Der Angeklagte ist schuldig des fahrlässigen Gebrauchs eines nicht haftpflichtversicherten Fahrzeugs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 3 Fällen.
2) Er wird deshalb verwarnt.
3) Die Verurteilung zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 € bleibt vorbehalten.
4) Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie seine eigenen Auslagen.
Angewandte Vorschriften: §§ 1, 6 Abs. 1 und 2 PflVG, 223 Abs. 1, 229, 230 Abs. 1, 52 StGB
Gründe
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
I.
Der Angeklagte hat den Beruf eines Baufacharbeiters erlernt. Er erzielt derzeit einschließlich der Zuschläge ein Einkommen von netto 1.500,00 €. Er unterliegt der Lohnpfändung in Höhe von 200,00 €. Zudem hat er Kindesunterhalt in Höhe von 200,00 € zu zahlen.
Strafrechtlich ist er bislang nicht in Erscheinung getreten.
II.
Am Vormittag des 14.06.2014 fuhr der Angeklagte mit dem PKW Renault mit dem amtlichen Kennzeichen … auf dem F. Weg. Das Fahrzeug gehörte ihm, seine Lebensgefährtin war jedoch intern verpflichtet, die Beiträge zur Versicherung zu zahlen. Dieser ihrer Verpflichtung war sie in den letzten Monaten vor dem Unfall nicht mehr nachgekommen, sodass das Versicherungsverhältnis gekündigt worden war. Dies war dem Angeklagten nicht bekannt, hätte ihm aber bei besserer Kommunikation bekannt sein können.
Gegen 11.30 Uhr verursachte der Angeklagte dadurch einen Verkehrsunfall, dass er auf den vorausfahrenden PKW VW Passat mit dem amtlichen Kennzeichen … auffuhr, der verkehrsbedingt halten musste. Dadurch erlitten die Insassen dieses Fahrzeugs, nämlich der Fahrzeugführer J. W., seine Ehefrau C. C.-W, und das Kind R. W. Verletzungen, nämlich unfalltypische Schleudertrauma bzw. Distorsionen der Halswirbelsäule.
Wegen dieses Unfalls und seiner Folgen wurde der Angeklagte mit Versäumnisurteil des Landgerichts Leipzig vom Januar 2015 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 2.750,00 € verurteilt, sowie zur Begleichung von Sachschäden in Höhe von ca. 4.500,00 €.
Strafanträge wurden form- und fristgerecht gestellt, zudem bejahte die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung.
III.
Diese Sachverhaltsfeststellungen, die tateinheitlich die Tatbestände des fahrlässigen Gebrauchs eines nicht haftpflichtversicherten Fahrzeugs und der fahrlässigen Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen erfüllen, stehen fest aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister wurde verlesen.
IV.
Der Angeklagte war wegen dieser Straftat nach § 59 StGB zu verwarnen. Die Verurteilung zu einer tat- und schuldangemessenen Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 € war vorzubehalten. Die Bewährungszeit war auf 13 Monate festzusetzen. Beginnend im Juli 2015 hat der Angeklagte auf das Konto der Geschädigten jeweils zum 20. eines Monats monatlich 100,00 € einzuzahlen, insgesamt 12 Monate lang. Diese Zahlungen sind auf die durch Urteil des Landgerichts Leipzig vom 12.01.2015 titulierte Schmerzensgeldforderung anzurechnen.
Die gewählte Rechtsfolge, nämlich der Ausspruch einer Verwarnung mit Strafvorbehalt, war nach Auffassung des Gerichts von Verfassungs wegen geboten. Dies folgt einerseits aus dem das Strafrecht im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beherrschenden ultima-ratio-Prinzps, andererseits aus der dem Rechtsgüterschutz dienenden Funktion, die auch und gerade dem Strafrecht zukommt.
Der Straftatbestand des Verstoßes gegen das Haftpflichtversicherungsgesetz dient dazu zu gewährleisten, dass im Falle eines Verkehrsunfalls der entstandene Fremdschaden finanziell ausgeglichen wird. Er ist darauf ausgerichtet, die finanzielle Entschädigung der Geschädigten zu gewährleisten. Auch die Strafbarkeit der fahrlässigen Körperverletzung ist, da das Verhaltensunrecht nur in Kombination mit dem eingetretenen Verletzungserfolg die Strafbarkeit begründet, zwar auch auf Beachtung der jeweils erforderlichen Sorgfalt, letztendlich aber auf die Vermeidung eines Schadenseintritts gerichtet.
Der Ausspruch einer unbedingten Geldstrafe führte insofern zu einem sachwidrigen Ergebnis, als den Geschädigten die Möglichkeiten der Befriedigung ihrer berechtigten Schadensersatzansprüche durch die vorrangige Bedienung des staatlichen Strafanspruchs genommen würde. Dieser Eingriff des Staates in die berechtigten Interessen der Geschädigten bedürfe einer Rechtfertigung auch gegenüber den mittelbar hiervon Betroffenen, also den Geschädigten. Dies gilt umso mehr, wenn Einkommen und Vermögen des Schadensverursachers im Bereich der Pfändungsfreigrenze liegen. Dann bereicherte sich der Staat zulasten derjenigen, die zu schützen er vorgäbe.
Von den drei Funktionen des Strafrechts, dem Risikomanagement, der Konfliktlösung und der kontrafaktischen Bestätigung der verletzten Norm(en) könnte nur der Aspekt des Risikomanagements als der gegenüber der Konfliktlösung vorrangigen Funktion deren Nichtbefriedigung rechtfertigen. Da vorliegend nicht ersichtlich ist, dass von dem Angeklagten eine Gefahr weiteren erheblichen strafbaren Verhaltens ausgeht, und weil der Angeklagte gerade durch die Wiedergutmachung des Schadens die Gültigkeit der von ihm verletzen Rechtsnormen anerkennt, gebietet die Rechtsordnung nicht nur nicht die Vollstreckung einer Geldstrafe, sondern sie verbietet sie zugunsten der Erfüllung der berechtigten Interessen der Geschädigten.
§ 59 StGB eröffnet insofern die Möglichkeit, schädliche Nebenfolgen des Strafens zumindest abzumildern, wenn nicht gar zu verhindern. Die festgesetzte Strafe erhält ihre Funktion als Druckmittel für den Fall der Nichterfüllung der im Rahmen des Bewährungsbeschlusses angeordneten Schadenswiedergutmachungspflicht. Im Sinne der hier vertretenen Anwendung der Norm kann es indessen auf eine besondere „Würdigkeit“ des Angeklagten (§ 59 Abs.1 Nr.2 StGB) nicht ankommen, weil auch die Strafrechtsordnung letztlich nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Verwirklichung des bestmöglichen Rechtsgüterschutzes besteht. Danach ist die Anwendung des § 59 StGB nicht aus persönlichen Gründen des Angeklagten sondern zur Abwendung von Übel geboten, die andernfalls die Geschädigten zu tragen hätten.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.