LG München I, Az.: 2 Qs 12/14, Beschluss vom 20.03.2014
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers … vom 25.11.2013 wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 13.11.2013 – ER I Gs 9512/13 – aufgehoben.
Gründe
Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen sind zwar dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 StGB), die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist jedoch (zwischenzeitlich) unverhältnismäßig.
1. Die Kammer geht davon aus, dass im Rahmen der Hauptverhandlung ein Tatnachweis gegen den Beschuldigten zu führen sein wird. Zwar dürfte nach vorläufiger Einschätzung einer Verwertung der Aussage der Ehefrau des Beschuldigten im Rahmen der informatorischen Erstbefragung die Vorschrift des § 252 StPO entgegen stehen, jedoch wird aus Sicht der Kammer ein Tatnachweis aufgrund der Erklärung gegenüber der Versicherung (Bl. 75 d. A., dort insbes. Ziff. 2) zu führen sein.
2. Aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs seit der Tat ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis mittlerweile unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls als unverhältnismäßig anzusehen.
a) Bei der Vorschrift des § 111a StPO handelt es sich um eine Kann-Bestimmung, die nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu treffen ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage 2013, § 111a Rn. 3). Eine rein schematische Betrachtungsweise verbietet sich. Vielmehr setzt die Entscheidung nach § 111a StPO eine umfassende Abwägung der Gesamtumstände voraus, da sie in der Regel einen gravierenden Eingriff bedeutet (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Janker, StVR, 22. Auflage 2012, § 111a Rn. 4a). Dass die Staatsanwaltschaft die Anordnung erst längere Zeit nach der Tatbegehung beantragt, steht grundsätzlich nicht entgegen (vgl. Meyer-Goßner a. a. O.), ebensowenig eine längere unbeanstandete Verkehrsteilnahme nach der Tat. Wegen der meist erheblichen Auswirkungen ist das Verfahren aus Gründen der Verhältnismäßigkeit jedoch tunlichst zu beschleunigen (vgl. BVerfG NZV 2005, 537) und Detailfragen sind ggf. in der schleunigst anzuberaumenden Hauptverhandlung zu klären (LG Köln ZfS 1992, 427, zitiert nach juris), bei Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot kann die Aufhebung der vorläufigen Entziehung wegen Unverhältnismäßigkeit geboten sein, vgl. zum Ganzen Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Janker a. a. O. m. w. N.. Mit zunehmender zeitlicher Distanz zwischen Tatgeschehen und dem Zeitpunkt des vorläufigen Entzuges der Fahrerlaubnis sind erhöhte Anforderungen an die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz der Allgemeinheit einerseits und dem Interesse des Fahrerlaubnisinhabers an der uneingeschränkten Nutzung seiner Fahrerlaubnis andererseits zu stellen (vgl. Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung/Bruns, 7. Auflage 2013, § 111a Rn. 3).
b) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben. Dabei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Tat bereits am 26.3.2013, also vor nunmehr fast einem Jahr, begangen worden ist. Bis die erforderlichen Beweismittel zur Verfügung standen, die die dringende Annahme begründeten, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird war somit bereits ein erheblicher Zeitraum verstrichen. Durch die Tat ist zwar ein erheblicher Fremdsachschaden eingetreten, jedoch sind in der Tat – über die Verwirklichung des Straftatbestands des unerlaubten Entfernens vom Unfallort hinaus – keine gravierende, weitere erschwerend hinzukommende Umstände in der Person des Beschuldigten oder im Rahmen der konkreten Tatbegehung hinzugetreten, die zu der Beurteilung führen müssten, dass das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der Schutz der Allgemeinheit das Interesse des Beschuldigten an der Teilnahme am Straßenverkehr überwiegt und es so geboten erscheinen ließen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufrecht zu erhalten. Der Führerschein wurde außerdem bereits am 25.11.2013 beschlagnahmt (Bl. 105 d. A.), nachdem die Schadensanzeige durch die Versicherung am 28.6.2013 übersandt worden war (Bl. 75 d. A.) und nachdem das Gutachten der DEKRA bereits vorlag (Bl. 77 ff. d. A., Eingang bei der Staatsanwaltschaft am 17.10.2013), ohne dass bislang weitere Ermittlungen erfolgt wären oder Anklage erhoben worden wäre.
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erschien es daher unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufrecht zu erhalten, auch wenn aus Sicht der Kammer der Tatnachweis im Rahmen der Hauptverhandlung zu führen sein wird.