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Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren – Verstoß gegen Belehrungspflicht

AG Gelnhausen – Az.: 48 Ds – 4475 Js 19703/13 – Urteil vom 12.02.2014

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 5 Satz 2 StP0)

I.

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, am 08.11.2013 gegen 22.00 Uhr mit seinem Pkw öffentliche Straßen in Hanau befahren zu haben. Vor Fahrtantritt soll er erhebliche Mengen alkoholischer Getränke konsumiert haben. Seine Blutalkoholkonzentration soll zur Tatzeit mindestens 1,06 Promille betragen haben. Infolge seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit soll er in der XXXXXX von der Fahrbahn abgekommen, auf eine Verkehrsinsel geprallt sein und anschließend ein mobiles Verkehrsschild umgefahren haben. Hierdurch soll Fremdschaden entstanden und der unbekannt gebliebene Mitfahrer des Angeklagten erheblich gefährdet worden sein.

II.

Am 09.11.2013 gegen 9.40 Uhr wurde der Zeuge KOK XXXXXX von einem Bürger angesprochen und darauf aufmerksam gemacht, dass sich eine leblose Person in dem fraglichen Fahrzeug befinden würde.

Der Zeuge XXXXXX begab sich darauf zum Fahrzeug des Angeklagten. Dort konnte er sogleich feststellen, dass mehrere Reifen des Fahrzeugs ohne Luft waren. Auf dem Fahrersitz sah er eine anscheinend schlafende Person. Auf sein Klopfen an die Scheibe, erwachte die Person. Aufgrund der Luft, der roten Augen des Angeklagten und dessen Bewegungen, ging der Zeuge XXXXXX sogleich davon aus, dass der Angeklagte alkoholisiert ist und dass er das Fahrzeug zuvor alkoholisiert gesteuert hat.

Der Angeklagte wurde daraufhin nicht über seine Rechte belehrt und er machte umfangreiche Angaben zur Sache.

Sodann wurde eine positive Atemalkoholprobe und anschließend eine Blutentnahme zur Feststellung der Alkoholkonzentration durchgeführt. Der Angeklagte wurde schließlich nochmals als Beschuldigter vernommen. Er wurde zuvor belehrt. Allerdings erfolgte keine Belehrung darüber, dass die zuerst von ihm gemachten Angaben möglicherweise nicht verwertbar sind mangels Belehrung. In dieser zweiten Vernehmung äußerte sich der Angeklagte erneut umfangreich zur Sache.

Der vor der Hauptverhandlung vom Angeklagten konsultierte Verteidiger widersprach für diesen insbesondere der Vernehmung des Zeugen XXXXXX sowie der Verwertung des Ergebnisses der Blutentnahme.

III.

Dieser Sachverhalt beruht auf der glaubhaften Aussage des Zeugen XXXXXX und den weiteren, aus dem Protokoll ersichtlichen, Beweismitteln.

IV.

Der Angeklagte war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Mit den verwertbaren Beweismitteln ist ihm die vorgeworfene Tat nicht nachzuweisen.

Offen bleiben kann die Verwertbarkeit der Blutentnahme. Wie der Verteidiger zu Recht äußerte ist die Akte insofern widersprüchlich. Aus der vom blutabnehmenden Arzt ausgefüllten Rechnung geht hervor, dass der Bereitschaftsrichter, Richter XXXXXX, die Blutentnahme angeordnet habe. Aus dem vom weiteren Polizeibeamten XXXXXX ausgefüllten Protokoll der Blutentnahme geht hervor, dass der Beschuldigte der Blutentnahme zugestimmt haben soll. Allerdings wird hier die angebliche Äußerung des Beschuldigten lediglich widergegeben, eine Unterschrift, wie sonst üblich, ist der Akte nicht zu entnehmen. Schließlich geht aus dem Vermerk des Zeugen XXXXXX hervor, dass der Oberstaatsanwalt XXXXXX (als Bereitschaftsstaatsanwalt) telefonisch kontaktiert wurde. Dieser habe die Blutentnahme angeordnet.

Denn selbst wenn die Alkoholisierung und Fahruntüchtigkeit des Angeklagten nachzuweisen wären, ist nicht nachzuweisen, dass der Angeklagte in diesem Zustand sein Fahrzeug steuerte. Denn spätestens nachdem der Zeuge XXXXXX feststellte, dass der Angeklagte offensichtlich alkoholisiert ist und er gleichzeitig den Verdacht hegte, dass er in diesem Zustand einen Unfall mit seinem Fahrzeug verursacht hat, hätte er diesen gemäß § 136 StPO als Beschuldigten belehren müssen. Der Verstoß gegen diese Belehrungspflicht begründet ein Verwertungsverbot (Meyer/Goßner, StPO, 52. Auflage, § 136 Rn. 20). Der Schluss, dass der Angeklagte das offensichtlich beschädigte Fahrzeug alkoholisiert gesteuert hatte, liegt objektiv nahe und auch subjektiv hatte der Zeuge den Verdacht, deshalb handelte es sich nicht um eine informatorische Befragung und auch nicht um eine Spontanäußerung des Angeklagten.

Weil diese ersten Äußerungen des Angeklagten nicht verwertbar sind, hätte er vor der erneuten Beschuldigtenvernehmung ausdrücklich auch hierauf hingewiesen werden müssen. Denn die gewöhnliche Belehrung macht dem Angeklagten nicht deutlich, dass seine ersten Angaben nicht verwertbar sind, so dass er davon ausgehen musste, dass ihm aufgrund seiner bereits erfolgten Einlassung die Tat sowieso nachzuweisen ist, weshalb er weitere ausführliche Äußerungen machen kann. Wird der Beschuldigte bei der folgenden Beschuldigtenvernehmung nicht „qualifiziert” – d.h. über die Unverwertbarkeit seiner bisher gemachten Aussagen – belehrt, so folgt daraus zwar nicht ohne weiteres ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der nachfolgend gemachten Aussage. In solchen Fällen ist die Verwertbarkeit vielmehr durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 283 ff.).

Weil es sich einerseits bei der angeklagten Tat um keine schwerwiegende handelt, andererseits eindeutig eine erste Beschuldigtenbelehrung geboten war, die zweite ausführliche Vernehmung -ohne qualifizierte Belehrung- nur etwa eine Stunde nach der ersten Vernehmung -zu einem Zeitpunkt als der Angeklagte wie die Atemalkoholkontrolle zeigte, noch unter Alkoholeinfluss stand- stattfand, führt die Abwägung vorliegend zu einem Verwertungsverbot.

Auch aus sonstigen Beweismitteln lässt sich die Tat nicht nachweisen. So hat der anfangs noch kooperative Angeklagte von Anfang an geäußert, den Namen des Mitfahrers nicht nennen zu wollen. Aus den Spuren an der Verkehrsinsel (so sind Reifenspuren an einem Bordstein und ein umgefahrenes, mobiles Baustellenschild, zu erkennen) alleine kann ebenso wenig wie im Zusammenhang mit der möglichen Alkoholisierung des Angeklagten in der Tatnacht, auf dessen Täterschaft geschlossen werden. Auch dass dessen Fahrzeug bzw. dessen Reifen beschädigt waren, genügt in der Gesamtschau nicht, um den Angeklagten der Tat zu überführen. Denn wenn man die Angaben des Angeklagten zur Sache, wie es zwingend ist, komplett außer Acht lässt, ergeben sich noch genügend Möglichkeiten, wie es dazu gekommen ist. Insbesondere wurde nicht festgestellt und es erscheint auch jetzt nicht mehr möglich, nachzuweisen, dass es zwischen dem Fahrzeug des Angeklagten und dem Bordstein der Verkehrsinsel bzw. dem mobilen Schild zu einer Kollision kam.

Der Angeklagte war deshalb aus tatsächlichen Gründen freizusprechen und der vorläufig beschlagnahmte Führerschein herauszugeben.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO. Weil der Angeklagte freigesprochen wurde, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. Da der Angeklagte ausdrücklich auf eine Entschädigung hinsichtlich des beschlagnahmten Führerscheines verzichtete, war eine Entscheidung hierüber nicht geboten.

 

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