OLG München – Az.: 4 OLG 13 Ss 11/14 – Beschluss vom 17.01.2014
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 15. Oktober 2013 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Landshut zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch Urteil vom 8.5.2013 hat das Amtsgericht Freising gegen den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der mit Urteil des Amtsgerichts Düren vom 3.4.2012, Az. 12 Ds 504 Js 518/11 – 436/11, verhängten Strafe eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verhängt und ihm die Verfahrenskosten und seine notwendigen Auslagen auferlegt.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Landshut aufgrund der Hauptverhandlung vom 15.10.2013 ohne Verhandlung zur Sache kostenfällig verworfen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der zum Hauptverhandlungstermin ordnungsgemäß geladene und über die Folgen eines nicht bzw. nicht genügend entschuldigten Ausbleibens belehrte Angeklagte sei ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben. Weiter führte das Landgericht u.a. aus, dass nicht beurteilt werden bzw. nachvollzogen werden könne, ob die im über seinen Verteidiger übermittelten Attest vom 11.10.2013 bestätigte Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit glaubhaft erscheine oder nicht. Es handele sich bei dem ausstellenden Arzt nicht um einen Psychiater, so dass an der Diagnose einer Depression Zweifel angebracht seien. Damit lägen die Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 StPO für ein Verwerfungsurteil vor.
II.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 9.1.2014 zutreffend ausgeführt, dass das zulässige Rechtsmittel mit der (Verfahrens-)Rüge der Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO einen – zumindest vorläufigen – Erfolg hat. Sie hat Antrag auf Aufhebung des Urteils des Landgerichts Landshut vom 15.10.2013, wie oben tenoriert, gestellt.
Im Einzelnen hat sie Folgendes ausgeführt:
1. Wird mit der Revision gegen ein gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, dass ein Angeklagter nicht genügend entschuldigt gewesen sei, setzt die Überprüfung der vom Landgericht vorgenommenen Wertung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus. Danach sind die den Mangel enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau mitzuteilen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung prüfen kann, ob die Rüge begründet ist, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. An die Zulässigkeit der Rüge einer Verletzung des § 329 StPO dürfen allerdings keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden (BayObLGSt 1999, 69, 71; OLG München, Beschl. v. 09.03.2011, 4 StRR 31/11).
Ergibt sich, dass ein Angeklagter vor dem Hauptverhandlungstermin Entschuldigungsgründe vorgebracht hat, ist es ausreichend, wenn ausgeführt wird, das Berufungsgericht hätte das Ausbleiben des Angeklagten nicht als unentschuldigt ansehen dürfen (vgl. OLG Nürnberg, NJW 2009, 1761). So liegt es hier. Darüber hinaus hat die Revision die Aufklärungsrüge erhoben und gerügt, dass das Landgericht eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem die ärztliche Bescheinigung ausstellenden Arzt unterlassen hat (RB S. 11).
2. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg, weil das Berufungsgericht die ihm auch bei einer Entscheidung nach § 329 Abs. 1 StPO obliegende Aufklärungspflicht verletzt hat.
a) Im Revisionsverfahren erfolgt die Prüfung, ob das Landgericht den Rechtsbegriff der „genügenden Entschuldigung“ i.S.d. § 329 Abs. 1 StPO zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt und gewürdigt hat. Dabei darf das Revisionsgericht nur solche Entschuldigungsgründe berücksichtigen, die der Berufungskammer im Zeitpunkt der Entscheidung erkennbar waren (BGHSt 28, 384, 387 f.).
b) Es kommt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 StPO jedoch nicht darauf an, dass sich der Angeklagte selbst entschuldigt hat. Es reicht vielmehr hin, wenn die Prüfung ergibt, dass das Fernbleiben des Angeklagten genügend entschuldigt ist. Das Berufungsgericht muss daher nach allgemeiner und zutreffender Auffassung von Amts wegen prüfen, ob Umstände ersichtlich sind, die das Ausbleiben des Angeklagten genügend entschuldigen (BGHSt 17, 391, 396; Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 329 Rn. 26 a.E.; Paul in: Karlsruher Kommentar StPO 6. Aufl. § 329 Rn. 7; Gössel in: Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. §329 Rn. 102).
Hierzu kann auch ein inhaltlich unzureichendes Entschuldigungsschreiben hinreichenden Anlass bieten (Gössel aaO., § 329 Rn. 22; OLG Nürnberg, NJW 2009, 1761). Bei der Vorlage eines privatärztlichen Attests, bei dem die Diagnose nicht angegeben ist, gehört zu den dann im Einzelfall erforderlichen Ermittlungen auch die fernmündliche Erkundigung beim ausstellenden Arzt über die näheren Umstände des Krankheitsbildes, um auf dieser Grundlage über das Genügen der Entschuldigung entscheiden zu können (OLG Nürnberg aaO.). Die dafür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen liegen mit der Vorlage des Attestes durch den Angeklagten schon deshalb vor, weil der ausstellende Arzt damit konkludent von seiner Schweigepflicht entbunden wird (OLG Karlsruhe NStZ 1994, 141, 142; BayObLGNStZ-RR 1999, 143; Paul aaO., Rn. 9). Das Landgericht hätte seinen Zweifeln an der Erheblichkeit der Erkrankung von Amts wegen nachgehen müssen (vgl. Meyer-Goßner aaO. Rn. 26 m. w. Nachw.).
Diese im Freibeweisverfahren durchführbaren Ermittlungen hat die Berufungskammer unterlassen.
Dem tritt der Senat bei.
Das Urteil war somit auf Revision des Angeklagten aufzuheben, § 349 Abs. 4 StPO.