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Strafverfahren wegen Betruges – Voraussetzungen für Absehen von Strafe

OLG Bamberg – Az.: 2 Ss 101/12 – Urteil vom 04.12.2012

I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts vom 23. Juli 2012 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 16.04.2012 wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten. Auf die gegen dieses Urteil unbeschränkt eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht am 23.07.2012 das Urteil des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte schuldig des Betruges ist, dass aber von einer Strafe abgesehen wird. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, die sie im Rahmen der Revisionsbegründung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Sie wendet sich gegen die Anwendung des § 46 a StGB und insbesondere gegen das Absehen von Strafe.

II.

Die zulässige, wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist aufgrund der Sachrüge auch begründet (§§ 337, 267 StPO).

1. Ein Rechtsmittel – insoweit gelten für Berufung und Revision die gleichen Grundsätze (Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 344 Rn. 7) – kann grundsätzlich wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden (Meyer-Goßner § 318 Rn. 16 ff. m.w.N.). Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist (nur) dann nicht wirksam, wenn die Schuldfeststellungen keine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben, wenn also auf der Grundlage der Feststellungen zu dem nicht angefochtenen Schuldspruch überhaupt keine Strafe verhängt werden könnte. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn aufgrund der Feststellungen zur Tat überhaupt keine Strafbarkeit besteht oder wenn die Feststellungen unvollständig, unklar, widersprüchlich oder so knapp sind, dass sie keine Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden können (BGH NStZ 1996, 352 sowie zuletzt u.a. OLG Bamberg, Urteile vom 24.01.2012 – 3 Ss 126/11 und vom 24.07.2012 – 3 Ss 62/12 sowie OLG Hamburg, Beschluss vom 15.03.2012 – 2 – 70/11 [sämtliche bei juris]; vgl. auch Meyer-Goßner § 318 Rn. 17 f. m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Feststellungen des Landgerichts – dies wird von der Verteidigung ersichtlich auch nicht (mehr) in Abrede gestellt – rechtfertigen sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht den Schuldspruch des Betruges. Sie enthalten auch noch ausreichende Feststellungen zum Schadensumfang sowie zur Schadenswiedergutmachung, so dass sie insgesamt eine ausreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenbestimmung sein können.

2. Der Rechtsfolgenausspruch des Landgerichts hält allerdings einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zwar ist die Rechtsfolgenentscheidung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Basis des Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Rechtsfolgenbemessung ist daher grundsätzlich nur möglich, wenn die tragenden Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft oder lückenhaft sind, wenn dieser gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen hat oder wenn die ausgesprochene Rechtsfolge sich nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (Meyer-Goßner § 337 Rn. 34 f. m.w.N.). Diese Erwägungen gelten nicht nur für die Bestimmung einer Strafart oder der Höhe der Strafe, sondern auch für das Absehen von Strafe (BayObLG, Urteil vom 02.03.2004 – 2St RR 171/03 [bei juris] = BayObLGSt 2004, 17 ff. = wistra 2004, 234 f.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die Rechtsfolgenentscheidung des Landgerichts als rechtsfehlerhaft. Es hat insoweit die nachfolgenden bestimmenden Erwägungen getroffen:

„Als Strafrahmen stellt § 263 StGB Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu 5 Jahren zur Verfügung. Für den Angeklagten war zu werten, dass er die äußeren Umstände der Tat einräumte. Das von ihm erlangte Geld hatte keinen erheblichen Wert. Gegen den Angeklagten war zu sehen, dass er bereits erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Gegen ihn musste bereits auch mehrfach wegen Betrugs Geldstrafe oder Freiheitsstrafe mit Bewährung ausgesprochen werden. Die vorliegende Tat beging der Angeklagte während des Laufs einer Bewährungszeit. Aus all diesen Gründen wäre eine Freiheitsstrafe, deren Höhe unter einem Jahr gelegen hätte, zu verhängen gewesen.

Aufgrund der besonderen Umstände hat die Kammer jedoch den Angeklagten zwar des Betrugs schuldig gesprochen, von einer Strafe jedoch gemäß § 46 a StGB abgesehen.

Nach den unwiderlegten Angaben des Angeklagten kümmerte er sich unverzüglich, nachdem ihn die Firma P. angeschrieben hatte, um eine Ratenzahlung. Ihm war es jedoch nicht möglich, eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen und entsprechende Leistung zu tätigen, da ihm das entsprechende Antwortschreiben von seiner früheren Lebensgefährtin nicht zugesandt wurde, obwohl der Angeklagte diese darum gebeten hatte. Nachdem der Angeklagte die Mitteilung von einer Beschuldigtenvernehmung von der Polizei erhalten hatte, setzte er sich unverzüglich mit dieser in Verbindung. Er nahm sodann Kontakt zu der Firma P. auf und machte am 19.11.2011 den Schaden komplett wieder gut. Ein Strafverfolgungsinteresse der Firma P. besteht seitdem nicht mehr.

Aufgrund dieser Umstände war es vertretbar, von der Strafe abzusehen, auch wenn der Angeklagte während des Laufs einer Bewährungszeit die Tat beging.“

c) Diese Feststellungen tragen weder das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 StGB noch des § 46 a Nr. 2 StGB. Sie rechtfertigen auch nicht das Absehen von Strafe nach dieser Vorschrift.

aa) § 46 a Nr. 1 StGB, der sich vor allem auf den Ausgleich von immateriellen Folgen einer Straftat bezieht, aber auch bei Vermögensdelikten in Betracht kommt (vgl. Fischer StGB 59. Aufl. § 46 a Rn. 10 m.w.N.), setzt voraus, dass ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss. Das Verhalten des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, die erfolgten Leistungen des Täters müssen nach einem objektivierenden Maßstab als so erheblich anzusehen sein, dass damit das Unrecht der Tat als ausgeglichen erachtet werden kann (BayObLG a.a.O. sowie OLG Bamberg, Urteil vom 19.09.2007 – 3 Ss 106/05 = NStZ-RR 2007, 37 f.). Die vom Landgericht festgestellten Bemühungen des Angeklagten reichen hierfür nicht aus. Insbesondere kann nicht von ‚Übernahme von Verantwortung‘ gesprochen werden, wenn der Angeklagte sich zwar unverzüglich um eine Ratenzahlung bemüht haben will, den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung dann allerdings deswegen hat scheitern lassen, weil er sich darauf verlassen haben will, dass seine frühere Lebensgefährtin ihm entsprechende Schreiben der Geschädigten zusendet. Insbesondere ist kein Grund ersichtlich, weshalb er sich nicht nach seinem Wegzug nach N. erneut mit der Firma P. in Verbindung hätte setzen können, wenn er dies gewollt hätte.

bb) § 46 a Nr. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt und dies erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat. Auch hier müssen die Leistungen Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein. Insoweit genügt nach allgemeiner Auffassung die reine Schadenswiedergutmachung im Sinne einer rein rechnerischen Kompensation nicht, da die Vorschrift des § 46 a Nr. 2 StGB nicht als Instrument zur einseitigen Privilegierung reuiger Täter (‚Freikauf‘) missverstanden werden darf (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 147 = wistra 2010, 152 f.; OLG Hamm NStZ-RR 2008, 71; OLG München, Urteil vom 02.08.2007 – 5St RR 113/07 = wistra 2007, 437 f. = StRR 2008, 33 f.; OLG Bamberg a.a.O.). Hier hat das Landgericht über die reine Zahlung der offenen Forderung hinaus keine weiteren Feststellungen getroffen. Die Erheblichkeit einer persönlichen Leistung des Angeklagten im Sinne des § 46 a Nr. 2 StGB kann hier auch nicht etwa zweifelsfrei aus den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen entnommen werden (vgl. OLG München a.a.O.). Eine Erheblichkeit liegt angesichts eines aufzuwendenden Gesamtbetrags in Höhe von 130,47 € auch eher fern.

d) Unabhängig davon fehlt es für die Entscheidung, von Strafe abzusehen, auch an einer tragfähigen Gesamtbewertung. Selbst wenn – wie hier nicht – die Voraussetzungen nach § 46 a Nr. 1 oder Nr. 2 StGB vorliegen, handelt es sich bei § 46 a StGB um einen vertypten Strafmilderungsgrund, der nach allgemeinen Regeln zu behandeln ist. Daher wäre sodann erst im Rahmen einer Gesamtbewertung darüber zu befinden gewesen, ob der Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist. Nur wenn dies der Fall ist, erscheint überhaupt eine weitere Prüfung im Hinblick auf ein Absehen von Strafe veranlasst. Hierzu muss zunächst in einem weiteren Schritt eine (fiktive) Strafzumessung zur Bestimmung einer konkret verwirkten Strafe durchgeführt werden. Liegt diese unter 1 Jahr Freiheitsstrafe bzw. 360 Tagessätzen Geldstrafe, so kann in einem letzten Schritt entschieden werden, ob von Strafe abgesehen werden soll (vgl. Fischer § 46 a Rn. 4 ff. m.w.N.; LK/Theune StGB 12. Aufl. § 46 a Rn. 61 ff.). Auch diese Prüfung lässt das angefochtene Urteil vermissen.

III.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist daher das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben (§ 353 StPO). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

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