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Anforderungen an die Anklageschrift bei beabsichtigter wahlfeststellender Verurteilung

OLG Oldenburg – Az.: 1 Ss 81/11 – Beschluss vom 23.05.2011

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 24. Januar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

Soweit der Angeklagte wegen Diebstahls oder Hehlerei oder Unterschlagung verurteilt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Im Übrigen wird die Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.

Gründe

Dem Angeklagten wird mit der zugelassenen Anklage zur Last gelegt, am 4. Juni 2009 die Geldbörse der Zeugin H… gestohlen zu haben, in der sich unter anderem eine EC-Karte befand, und unter Verwendung der Kontoverbindung der Zeugin in der Zeit vom 7. bis 30. Juli 2009 in Betrugsabsicht in drei Fällen Waren bzw. Dienstleistungen bestellt zu haben, deren Preis und Gebühren jeweils im Lastschriftverfahren vom Konto der Geschädigten abgebucht worden seien. Er ist wegen dieser Taten vom Amtsgericht Lingen am 30. August 2010 wegen Diebstahls sowie wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt worden.

Seine Berufung hat das Landgericht Osnabrück am 24. Januar 2011 mit der Maßgabe verworfen, dass er wegen Diebstahls oder Hehlerei oder Unterschlagung und wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt wird. Die Änderung des Schuldspruchs wegen der ersten Tat hat das Landgericht damit begründet, dass es nicht festzustellen vermochte, auf welche konkrete Weise der Angeklagte in den Besitz der EC-Karte kam. Er habe diese entweder selbst am 4. Juni 2009 gestohlen oder „in der Folgezeit“ gefunden und sich angeeignet oder sie sich von einer dritten Person verschafft, die ihrerseits die Karte durch ein Vermögensdelikt erlangt hatte.

Die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Revision des Angeklagten ist zulässig und begründet. Sie führt unter Aufhebung des Urteils zur Verfahrenseinstellung wegen der ersten Tat und im Übrigen zur Zurückverweisung.

Soweit der Angeklagte wahlweise wegen Diebstahls oder Unterschlagung oder Hehlerei verurteilt worden ist, besteht das vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernis der fehlenden Anklage. Angeklagt war insoweit nur ein am 4. Juni 2009 begangener Diebstahl. Zwar hat das Landgericht in der Hauptverhandlung einen rechtlichen Hinweis auf eine mögliche wahlweise Ahndung der Entwendung der EC-Karte wegen Diebstahls, Unterschlagung oder Hehlerei erteilt. Die beiden letztgenannten Alternativen beinhalten indessen zeitlich und örtlich sowie im Tathergang jeweils einen ganz anderen Sachverhalt als das angeklagte historische Geschehen. Eine „in der Folgezeit“ nach dem angeklagten Diebstahl vom 4. Juni 2009 begangene Unterschlagung oder Hehlerei sind der Anklageschrift nicht zu entnehmen und stellen sich auch nicht als Teil eines einheitlichen Lebenssachverhaltes mit dem in der Anklage bezeichneten Geschehen dar. Es handelt sich dabei vielmehr um prozessual selbständige Taten, wegen derer eine Verurteilung nur hätte ergehen können, wenn sie (gegebenenfalls durch Nachtragsanklage) angeklagt gewesen wären, vgl. OLG Celle NJW 1988, 1255; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, 304.

Wegen des – einen abtrennbaren Teil des Urteils betreffenden – Prozesshindernisses war das Verfahren insoweit einzustellen. Darauf, dass – wie von der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt wird – das Urteil auch keine tragfähige Begründung für die vom Landgericht angenommene Begehung der wahlweise angenommenen Straftaten enthält, kommt es wegen der Verfahrenseinstellung nicht mehr an.

Das Urteil kann auch hinsichtlich der drei Betrugstaten keinen Bestand haben. Die vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch. Denn ihnen ist nur zu entnehmen, dass der Angeklagte die Kontendaten der Zeugin für drei Zahlungsvorgänge im Lastschriftverfahren verwandte und dass diese Lastschriftbelastungen später storniert wurden. Gegenüber der Zeugin verübte Betrugstaten liegen hierin schon deshalb nicht, weil die Zeugin vom Angeklagten nicht getäuscht wurde und demgemäß auch keine irrtumsbedingte nachteilige Vermögensverfügung traf. Ob dies bei den Begünstigten der Lastschriften der Fall war, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Denn es teilt nicht mit, in welchem Zusammenhang die Lastschriftermächtigungen standen, was über sie bezahlt werden sollte, und wer in diesem Zusammenhang mit welchem Inhalt und mit welcher Folge vom Angeklagten getäuscht wurde. Die pauschale Angabe im Urteil, der Angeklagte habe bei den Lastschriftbegünstigten „Waren bzw. Dienstleistungen“ oder „Leistungen“ bestellt (UA S. 5), reicht insoweit nicht aus.

Nach alledem war nach § 353 StPO das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben, hinsichtlich der 1. Tat das Verfahren entsprechend § 206a Abs. 1 StPO mit der Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO einzustellen und die

Sache im Übrigen gemäß § 354 Abs. 2 StPO an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück zurückzuverweisen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.

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