OLG Frankfurt – Az.: 2 Ss 90/11 – Beschluss vom 24.03.2011
Auf die Revision des Angeklagten A wird das Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom … 2010 aufgehoben.
Die Aufhebung erstreckt sich auch auf die Verurteilung der nicht revidierenden Angeklagten B, C und D (§ 357 StPO).
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Darmstadt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Darmstadt hat die Angeklagten am … 2010 wegen gemeinschaftlich begangenen Diebstahls mit Waffen jeweils zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Restvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hiergegen richtet sich die gemäß § 335 StPO statthafte, auch form- und fristgemäß eingelegte und in gleicher Weise begründete Sprungrevision des Angeklagten A, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die zulässige Revision hat einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die erhobene Sachrüge greift durch und führt zur Aufhebung des Urteils.
II.
Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen bereits nicht den Schuldspruch wegen gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen gemäß §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB.
Nach den Feststellungen fassten die Angeklagten am … 2010 in dem X-Markt in O1, den Entschluss, mitnehmenswerte Gegenstände zu entwenden, wobei die Angeklagten A und D die Gegenstände entwenden und die Angeklagten B und C die Tat verdecken und für den Abtransport der Gegenstände sorgen sollten. Der Angeklagte D trennte den Sicherungsdraht einer Stichsäge zum Verkaufspreis von 189.- € durch und steckte sie in die Tasche der Angeklagten C. Der Angeklagte D nahm einen Bohrhammer zum Verkaufspreis von 459.-€ aus der Warenauslage und steckte diesen in seinen Hosenbund. Anschließend passierten alle Angeklagten ohne Bezahlung den Kassenbereich. Während der Tatausführung führte der Angeklagte A ein Teppichbodenlegermesser in seiner rechten Hosentasche mit sich, was die anderen Angeklagten wussten.
Diese Feststellungen sind noch geeignet, den Schuldspruch wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu tragen, belegen jedoch nicht, dass die Angeklagten mit dem für eine Tatbestandsverwirklichung gemäß § 244 Abs. 1 Ziff. 1 a 2. Alt. StGB notwendigen Vorsatz gehandelt haben.
Das Amtsgericht geht zutreffend davon aus, dass es sich bei dem Teppichmesser um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ i. S. des § 244 Abs. 1 Ziff. 1 a StGB handelt (vgl. Fischer, StGB, 58. Auflage, § 244 Rdnr. 18; BGH NStZ-RR 2001, 41). Der Qualifikationstatbestand enthält jedoch eine eingrenzende subjektive Komponente durch das Merkmal des „Beisichführens“, das voraussetzt, dass der Täter das gefährliche Werkzeug bewusst gebrauchsbereit bei sich hat (BGH NStZ-RR 2003,12). Es ist Aufgabe des Tatrichters, ausreichende Feststellungen zum Vorstellungsbild des Täters zu treffen, wobei die Anforderungen um so höher sind, je weniger der bestimmungsgemäße Gebrauch des Gegenstandes eine Zweckentfremdung als potentielles Nötigungsmittel nahelegt (vgl. OLG Schleswig, NStZ 2004, 212).
So liegt der Fall hier. Bei dem Teppichmesser handelt es sich um einen bei der Arbeit benötigten Gegenstand, dessen Beisichführen als sozialadäquat zu bewerten wäre, wenn der Täter nicht gerade eine Straftat beginge, was den Schluss nahe legt, dass dem Täter die Verfügbarkeit dieses Gegenstandes während der Begehung des Diebstahls gar nicht bewusst war (OLG Schleswig, a.a.O.). Das angefochtene Urteil lässt indes insoweit ausreichende Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten vermissen.
Ungeachtet dessen wäre auch die Beweiswürdigung des Amtsgerichts zu beanstanden, da nicht erkennbar ist, wie das Gericht entgegen der Einlassung des Angeklagten A, er habe das Teppichmesser dabei gehabt, weil er gerade von der Arbeit gekommen sei und nicht mehr daran gedacht, zu der Überzeugung gelangt ist, dass sich der Angeklagte des Mitsichführens des Teppichmessers bewusst war und dies Eingang in den gemeinsamen Tatplan gefunden haben soll.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, ist das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Aufhebung ist auch auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten zu erstrecken, da das Urteil an einer Gesetzesverletzung leidet, die die Mitangeklagten gleichermaßen betrifft (§ 357 StPO).