LG Frankfurt/Main – Az.: 5/9a Qs 29/20 – Beschluss vom 10.06.2020
In dem Strafverfahren wegen vorläufigen Entzugs der Fahrerlaubnis hier Beschwerde des Beschuldigten vom 14.04.2020 hat die 9. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main am 10.06.2020 beschlossen:
Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 30.03.2020 (Az. 443 Js 2095/20 — 931 Gs) eingelegte Beschwerde des Beschuldigten wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auf Kosten des Beschuldigten als unbegründet verworfen.
Gründe
Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen bestehen weiterhin dringende Gründe für die Annahme, dass dem Beschuldigten im Urteil wegen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nach §§ 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 142 StGB die Fahrerlaubnis wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort entzogen werden wird,
Zunächst wird auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts im Rahmen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Auch das zur Begründung der Beschwerde Vorgetragene rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
Völlig zutreffend wertet das Amtsgericht die Einlassung des Beschuldigten wie auch die Aussage der Zeugin pp., der Ehefrau des Beschuldigten, die Geschädigte habe signalisiert, dass der Beschuldigte nach zweimaligem Auffahren auf ihren Pkw den Unfallort verlassen könne, als Schutzbehauptungen. Die nachvollziehbaren und glaubhaften Aussagen der geschädigten Zeugin und des Zeugen pp. widerlegen diese Angaben.
Es entstand durch den Unfall ein bedeutender Schaden am Pkw der Geschädigten. Entgegen dem Beschwerdevortrag ist für die Bewertung des bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ein Grenzwert von 1.600,00 EUR zugrunde zu legen (grundlegend hierzu Kammer, Beschluss vom 07.10.2019 — Az. 9a Qs 55/19 – 858 Js 33689/19). Hierbei geht das Amtsgericht zutreffend davon aus, dass eine zivilrechtliche bzw. steuerrechtliche Bewertung des Schadens nicht angezeigt ist. Maßgeblich kann strafrechtlich im Verfahren nach §111a StPO nur der objektiv entstandene Reparaturschaden einschließlich der Mehrwertsteuer sein, da ansonsten ein vorläufiger Entzug der Fahrerlaubnis, insbesondere jeweils davon abhängig sein könnte, ob der Geschädigte zufällig zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, zivilrechtlich eine fiktive Schadensberechnung wählt, wie hoch das Alter und die Laufleistung des beschädigten Fahrzeuges ist oder inwieweit eine Haftpflichtversicherung Schäden reguliert. Von solchen (und weiteren der zivilrechtlichen Schadensberechnung folgenden) Zufälligkeiten, die erst sukzessive und auch erst nach dem Unfallereignis bekannt werden, kann die Frage der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung nicht abhängen, so dass nach ständiger Rechtsprechung der Kammer stets und einheitlich auf den Reparaturschaden einschließlich Mehrwertsteuer abzustellen ist. Hinzu kommt, dass allein dieser Reparaturschaden zum Zeitpunkt des Unfalls für die Beteiligten erkennbar ist und nicht von einer nachträglichen wirtschaftlichen Betrachtung abhängen kann.
Dem folgend hat das Amtsgericht den Fremdschaden zutreffend gemäß dem Gutachten des Sachverständigen vom 29.01.2020 mit 1.702,68 EUR angenommen. An der Richtigkeit des Gutachtens bestehen keine begründeten Zweifel. Insbesondere ist der Einwand der Beschwerde, es seien nicht unfallkausale Schäden Teil der angesetzten Reparaturkosten, nicht nachvollziehbar. Die angesetzten Schadensposten stammen allesamt aus einer Schädigung der Fahrzeugfront. Die Schadensstelle entspricht daher den Angaben aller Zeugen und der Einlassung des Beschuldigten betreffend das Schadensbild am Fahrzeug der Geschädigten.
Dieser Fremdschaden war für den Beschuldigten auch erkennbar. Der Beschuldigte bemerkte nach seiner Einlassung, dass er zweimal auf den parkenden Pkw der Geschädigten aufgefahren war. Gleichwohl hat sich der Beschuldigte hiernach endgültig von der Unfallörtlichkeit entfernt, ohne Nachschau an seinem oder dem Fahrzeug der Geschädigten zu halten. Hierdurch hat der Beschuldigte auch die Verursachung eines bedeutenden Fremdschadens billigend in Kauf genommen, ohne seinen Pflichten aus § 142 StGB nachzukommen. Hieran können auch anderweitige und lediglich vorläufige Schadensschätzungen der Polizeibeamten nichts ändern.
Der vorläufige Entzug der Fahrerlaubnis ist auch nicht unverhältnismäßig im Sinne des § 62 StGB, da eine solche Prüfung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 StGB entbehrlich ist, so dass die vom Beschuldigten dargelegten persönlichen bzw. familiären Auswirkungen außer Betracht bleiben (vgl. Fischer, StGB § 69 Rn. 49).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.