LG Oldenburg – Az.: 2 Qs 290/20 – Beschluss vom 11.08.2020
1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Amtsgerichts Westerstede vom 27.07.2020, Az. 42 Cs 1093/19 (390 Js 79268/18), aufgehoben.
2. Die gegen den Verurteilten mit Urteil des Amtsgerichts Westerstede vom 22.07.2019, Az. 42 Cs 1093/19 (390 Js 79268/18), verhängte Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis wird vorzeitig aufgehoben.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen, trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 22.07.2019, Az. 42 Cs 1093/19 (390 Js 79268/18), hat das Amtsgericht Westerstede den Verurteilten wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40,00 € verurteilt und gleichzeitig eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von 15 Monaten angeordnet.
Der Verurteilte hat mit Schreiben vom 25.06.2020 die vorzeitige Aufhebung der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis beantragt.
Mit Beschluss vom 27.07.2020, Az. 42 Cs 1093/19 (390 Js 79268/18), hat das Amtsgericht Westerstede diesen Antrag abgelehnt.
Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte mit Schreiben seines Verteidigers vom 29.07.2020 sofortige Beschwerde eingelegt. Auf die Begründung der Beschwerde wird Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die Staatsanwaltschaft ist gehört worden.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Der Beschluss des Amtsgerichts Westerstede vom 27.07.2020 war aufzuheben und die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis vorzeitig aufzuheben. Die Voraussetzungen für die vorzeitige Aufhebung der Sperre liegen entgegen der Auffassung des Amtsgerichts vor.
Ergibt sich Grund zu der Annahme, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht gemäß § 69a Abs. 7 S. 1 StGB die Sperre vorzeitig aufheben. Voraussetzung für die vorzeitige Aufhebung ist dabei, dass erhebliche neue Tatsachen vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, der Verurteilte besitze nunmehr entgegen der Prognose des erkennenden Gerichts das für einen Kraftfahrer unerlässliche Verantwortungsbewusstsein und werde die Allgemeinheit in Zukunft nicht mehr gefährden (vgl. KG, Beschl. v. 07.08.1998 – 1 AR 845/98-3Ws 420/98, BeckRS 2014, 13824; MüKoStGB/Athing/von Heintschel-Heinegg, 3. Aufl. 2016, § 69a StGB Rn. 53-54). Eine Gewissheit, dass der Eignungsmangel nicht mehr besteht, ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung Umstände vorliegen, die unter Berücksichtigung der Feststellungen, die der Anordnung der Maßregel zugrunde liegen, eine Teilnahme des Verurteilten am Kraftverkehr – vorbehaltlich der anschließenden Prüfung durch die Fahrerlaubnisbehörde – wieder verantwortbar erscheinen lassen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.08.2000 – 3 Ws 153/00, NStZ-RR 2002, 54; MüKoStGB/Athing/von Heintschel-Heinegg, 3. Aufl. 2016, § 69a StGB Rn. 52). Als neue erhebliche Tatsachen im Sinne von § 69a Abs. 7 S. 1 StGB kommt insbesondere die erfolgreiche Teilnahme an einer Alkohol- bzw. Verhaltenstherapie in Betracht (MüKoStGB/Athing/von Heintschel-Heinegg, 3. Aufl. 2016, § 69a StGB Rn. 54; Leipziger Kommentar StGB /Valerius, 13. Aufl. 2020, § 69a Rn. 104).
Die Teilnahme des Verurteilten am Kraftverkehr erscheint wieder verantwortbar. Er hat sich nach dem Abschlussbericht des Fachpsychologen für Verkehrspsychologie …………vom 28.05.2020 einer sucht- und verkehrstherapeutischen Maßnahme unterzogen. Auch bestehen auf Grundlage der Angaben des Verurteilten, des Abschlussberichts und des Abstinenznachweises des Amtsarztes Dr. … (Gesundheitsamt …) hinreichende Anhaltspunkte für eine nachhaltige Alkoholabstinenz des Verurteilten.
Bei den Erkenntnissen aus dem Therapieabschlussbericht handelt es sich um neue Tatsachen. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung vom 22.07.2019 und der Anlage zum Protokoll war dem Amtsgericht bei der Anordnung der Sperre zwar die Teilnahme des Verurteilten an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme bekannt. Diese hatte allerdings erst am 29.05.2019 begonnen, weshalb ein erfolgreicher Therapieabschluss noch nicht absehbar war und bei Bemessung der Dauer der Sperre nicht berücksichtigt werden konnte. Der nunmehr vorliegende Abschlussbericht geht inhaltlich weit über die Teilnahmebescheinigung vom 19.07.2019 hinaus. Zudem lagen dem Amtsgericht bei der Anordnung der Sperrzeit die Nachweise zur Alkoholabstinenz des Verurteilten nicht vor.
Diese neuen Tatsachen erlauben eine von der ursprünglichen Anordnung abweichende Beurteilung dahingehend, dass eine Teilnahme des Verurteilten am Kraftverkehr nunmehr – vor Ablauf der ursprünglich angeordneten Sperrzeit – wieder verantwortbar erscheint. Ausweislich des Therapieabschlussberichts hat sich der Verurteilte in insgesamt 26 Verkehrstherapiestunden (Einzelgespräche) intensiv und selbstkritisch mit seinen Verkehrsauffälligkeiten unter Alkoholeinfluss auseinandergesetzt. Der Abschlussbericht enthält ausführliche Angaben zur Biografie des Verurteilten und seinem Alkoholkonsum. Nach Einschätzung des Verkehrspsychologen habe der Verurteilte den Zusammenhang zwischen seiner persönlichen Problematik und seinem vermehrten Alkoholkonsum begriffen und gelernt, dafür und für sein weiteres Leben Verantwortung zu übernehmen. Seine Einstellung zum Alkohol habe der Verurteilte grundlegend geändert. Die Motivation zur Abstinenz sei bei ihm nachvollziehbar und ausreichend gefestigt. Die Motive, die zuvor zu seinem Alkoholkonsum geführt hätten, seien nicht mehr wirksam. Es sei zu erwarten, dass der Verurteilte über die Fähigkeiten und den Willen verfüge, um auch in zukünftig belastenden Situationen auf Alkohol verzichten zu können. Diese psychologische Einschätzung wird gestützt durch die vom Verurteilten vorgelegte Bescheinigung des Amtsarztes Dr. … (Gesundheitsamt …), wonach in der Zeit vom 21.08.2019 bis 20.05.2020 bei insgesamt 6 Untersuchungen keine Hinweise auf einen Alkoholkonsum des Verurteilten gefunden wurden.
Die genannten Umstände lassen auf eine ausreichende Aufarbeitung des Alkoholproblems des Verurteilten, insbesondere im Hinblick auf sein Verhalten im Kraftfahrzeugverkehr, schließen. Der vorzeitigen Aufhebung der Sperre steht dabei nicht entgegen, dass der Verurteilung und der Bemessung der Sperrzeit neben dem Vergehen der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung (Fahrt und Unfall unter Alkoholeinfluss) auch das vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis zu Grunde lag. Die neuen Tatsachen lassen auch im Hinblick auf dieses Fehlverhalten des Verurteilten eine Teilnahme im Kraftverkehr wieder verantwortbar erscheinen. Auf Grundlage des vorliegenden Verfahrens und des ausführlichen Therapieabschlussberichts besteht ein Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum und dem Fahren ohne Fahrerlaubnis. Ausweislich der ausführlichen biographischen Ausführungen im Therapieabschlussbericht verlor der Verurteilte seine Fahrerlaubnis im Jahr 2001 aufgrund einer Fahrt unter Alkoholeinfluss. Auch fand die der Verurteilung vom 22.07.2019 zu Grunde liegende Fahrt ohne Fahrerlaubnis im alkoholisierten Zustand statt. Die therapeutische Behandlung des Alkoholproblems des Verurteilten erscheint vor diesem Hintergrund nach Auffassung der Kammer geeignet, die Eignungsmängel des Verurteilten insgesamt erfolgreich zu beseitigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.