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Verurteilung wegen Vollrausches – volle Schuldfähigkeit bis zu Schuldunfähigkeit

KG Berlin – Az.: (4) 161 Ss 65/20 (86/20) – Beschluss vom 10.06.2020

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. Januar 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

Gründe

I.

1. Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten, dem die Amtsanwaltschaft Berlin mit Anklageschrift vom 8. Januar 2019 zwei Vergehen der Sachbeschädigung und der vorsätzlichen Körperverletzung vorgeworfen hatte, mit Urteil vom 23. Mai 2019 wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Zur Person des Angeklagten hat das Amtsgericht ausgeführt, dass dieser seit etwa zehn bis zwölf Jahren alkoholkrank sei. In der Zeit vom Jahr 2016 bis zum Jahr 2018 habe er eine ambulante Therapie gemacht, an der er einmal wöchentlich teilgenommen habe. In dieser Zeit habe er nach eigenen Angaben keinen Alkohol getrunken. Am Tattag sei es zu einem Rückfall gekommen.

Das Amtsgericht hat der Verurteilung die folgenden Feststellungen zugrunde gelegt (Text wie im Original):

„Vorgeschichte

Am 29.08.2018 begann der Angeklagte – der wie er wusste, alkoholkrank ist und zu dem Zeitpunkt seit 2016 ‚trocken‘ war – aus ungeklärtem Grund im Laufe des Nachmittags, obwohl seine damals sieben und zehn Jahre alten Kinder bei ihm in der Wohnung waren, Bier zu trinken. Aufgrund des Alkoholkonsums geriet der Angeklagte, der jedenfalls einmal zuvor, nämlich in der Zeit vom 12.12.2015 bis 13.12.2015 eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hatte und deswegen wegen Vollrausches am 14.06.2017 rechtskräftig verurteilt worden war, nicht ausschließbar sowie für ihn vorhersehbar und vermeidbar in einen Rauschzustand.

Tatgeschehen

Gegen 21.30 Uhr des vorgenannten Tages belästigte der zu diesem Zeitpunkt bereits ersichtlich alkoholisierte Angeklagte – nachdem er außer Bier noch hochprozentige Alkoholika zu sich genommen hatte – die Zeugen Ho, Z und R, die sich an einem Tisch in der Außengastronomie vor der Kneipe ‚Zur E‘ in B.n über einem Laptop sitzend befanden. Er beleidigte diese – obwohl er sie nicht kannte und kein ersichtlicher Anlass bestand – lautstark und entfernte sich trotz mehrfacher Bitte der Zeugen nicht. Als diese aufgrund des aggressiven Auftretens des Angeklagten beabsichtigten, sich in das Innere der Gaststätte zu begeben, trat der Angeklagte gegen die Hand der Zeugin R, in der diese den Laptop des Zeugen Ho trug, da der Zeuge Ho auf eine Gehhilfe angewiesen ist und den Laptop nicht selber tragen konnte. Der Laptop fiel aufgrund des Trittes zu Boden und ließ sich nicht mehr einschalten. Es entstand ein Sachschaden von ca. 100,00 Euro.

Ungeachtet dessen randalierte der Angeklagte weiter, beschimpfte die Zeugen und schlug um sich, unter anderem in Richtung des Zeugen Z. Aufgrund dessen wurde er durch den Zeugen Z und einen unbekannt gebliebenen Gast zu Boden gebracht. Der Zeuge Z hielt den Angeklagten am Boden fest, um weitere tätliche Angriffe zu unterbinden. Der Angeklagte biss dem Zeugen Z daraufhin in dessen Knie. Der Zeuge Z erlitt Schmerzen, blaue Flecken und eine Bisswunde. Er ließ in der Folgezeit einen HIV-Test bei einem Arzt durchführen.

Die dem Angeklagten um 23:00 Uhr entnommene Blutprobe enthielt eine Blutalkoholkonzentration von 2,21 Promille.“

Im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht ausgeführt, es sei „nach den Aussagen der vernommenen Zeugen und der festgestellten Blutalkoholkonzentration nicht auszuschließen, dass der Angeklagte sich zur Tatzeit aufgrund des zuvor in erheblichem Umfang genossenen Alkohols in einem Zustand vollständig aufgehobener Hemmungs- und Steuerungsfähigkeit, mithin in einem solchen der aufgehobenen Schuldfähigkeit im Sinne des § 20 StGB, befunden hat.“

Den Fahrlässigkeitsvorwurf hat es mit Hinweis auf eine – nicht weiter dargestellte – Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässigen Vollrausches durch einen Strafbefehl vom 14. Juni 2017 begründet, aus der sich ergebe, dass der Angeklagte gewusst habe, dass „die Einnahme von Alkohol bei ihm zu einem Rauschzustand führen kann“. In diesem Zusammenhang hat es weiter ausgeführt: „Auch ein Alkoholiker handelt fahrlässig, wenn er sich aufgrund eines unwiderstehlichen Dranges zum Alkoholkonsum in den Rauschzustand versetzt hat“.

2. Die Amtsanwaltschaft Berlin hat gegen dieses Urteil Berufung erhoben und diese mit dem Ziel der Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe und des Wegfalls der Strafaussetzung zur Bewährung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

3. a) Das Landgericht hat – ausdrücklich in Kenntnis der von ihm als „sehr streng“ bezeichneten „Rechtssprechung des Kammgerichts“ – die Berufungsbeschränkung für wirksam und die Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts für „noch ausreichend“ erachtet.

Das Amtsgericht habe (in objektiver Hinsicht) festgestellt, dass „der Angeklagte sich am Tattag in einen ‚Rauschzustand‘ versetzt habe, was die Kammer als Feststellung eines ‚Rauschs‘ im Sinne von § 323a Abs. 1 StGB anzieht (sic).“

Da das Amtsgericht den Rauschzustand angesichts der vorangegangenen Verurteilung des Angeklagten wegen Vollrausches als „vorhersehbar und vermeidbar“ angesehen habe, sei in subjektiver Hinsicht bezüglich der Verursachung des Rausches Fahrlässigkeit belegt und überdies festgestellt, dass auch „die Fähigkeit, sich anders zu verhalten, also Steuerungsfähigkeit,“ vorgelegen habe. Der vom Amtsgericht nicht ausdrücklich festgestellte natürliche Vorsatz in Bezug auf die Rauschtaten liege jedenfalls für die Körperverletzung vor, auch sei es „für die Frage der Wirksamkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob nur eine oder zwei Rauschtaten festgestellt worden sind“.

Das Landgericht hat überdies angenommen, dass die Berufungsbeschränkung auch dann als wirksam anzusehen sei, wenn man annehmen wollte, dass die amtsgerichtlichen Feststellungen einen Vollrausch nicht hinreichend belegten. Auch wenn der Angeklagte die Körperverletzung und Sachbeschädigung schuldhaft begangen hätte, handelte es sich um dieselbe Tat wie die vom Amtsgericht abgeurteilte, weil Vollrausch und Rauschtat eine Tat im Sinne des § 264 StPO seien. Auch für den Fall, dass das Amtsgericht „möglicherweise zu unrecht von einem Vollrausch anstelle der ‚Rauschtat‘ ausgegangen ist und nicht nur zu letzterer sondern – unter Umständen unnötigerweise – auch noch zu der Verursachung des Rauschs Feststellungen getroffen“ habe, sei „in jedem Falle ein strafbares Verhalten festgestellt.“ Es stünden dann auch nicht unterschiedliche Strafrahmen im Raum, da die Strafrahmen des Vollrausches und der vorsätzlichen Körperverletzung identisch seien.

Auf der Grundlage dieser Überlegungen hat das Landgericht – das die Bewertung der Tat durch das Amtsgericht als fahrlässig begangen indessen ausdrücklich als nicht nachvollziehbar bezeichnet hat – angenommen, dass der Schuldspruch und die ihn betreffenden Feststellungen des angefochtenen Urteils, auf dessen Gründe „insoweit“ verwiesen werde, in Rechtskraft erwachsen seien; es hat demgemäß eigene Feststellungen zur Tat nicht getroffen.

Da wegen der wirksamen Berufungsbeschränkung auch keine Beweisaufnahme zu den Geschehnissen vor dem Lokal geboten gewesen sei, hätten die Ausführungen der Sachverständigen Dr. T, wonach die Annahme eines Vollrausches nicht nahe liege, „keine ausreichende Tatsachengrundlage“ und seien daher „ohne Relevanz“. Dies gelte auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass der ärztliche Bericht über die Blutentnahme neben der Attestierung einer deutlichen alkoholischen Beeinflussung u.a. eine deutliche Sprache, klares Bewusstsein, vollständige Orientierung, vollständige Erinnerung an den Vorfall, geordneten Denkablauf und beherrschtes Verhalten des Angeklagten konstatiert habe.

b) In der Sache hat das Landgericht den Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass es zusätzlich zu der Freiheitsstrafe die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und auch deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt hat.

Es hat nicht ausschließen können, dass schon bei Trinkbeginn die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten „erheblich eingeschränkt“ gewesen sei, weil dieser „seinem Drang, Alkohol zu trinken, wieder einmal nicht widerstehen konnte,“ und deshalb den Strafrahmen gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB verschoben. Bei der Bemessung der Freiheitsstrafe hat das Landgericht, ersichtlich gegen seine Überzeugung und mit Verweis auf von ihm als unzutreffend angesehene Rechtsprechung des Kammergerichts, dem Angeklagten strafmildernd zugute gehalten, dass neben der Freiheitsstrafe auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist. Zu ihrer Entscheidung, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe – wie auch der Maßregel – zur Bewährung auszusetzen (und damit der Berufung der Amtsanwaltschaft den Erfolg zu versagen), hat die Kammer den Hinweis angefügt, diese habe sie „kraft ihres Sachverstands“ getroffen, weil ihre Mitglieder neben dem Vorsitzenden „ein Diplom-Soziologe mit Studium der Rechtswissenschaft im Nebenfach und eine Diplom-Kauffrau mit Kenntnissen der psychologischen Terminologie“ gewesen seien. Einer weiteren Darlegung der Gründe für diese Inanspruchnahme eigenen Sachverstands habe es deshalb nicht bedurft, weil der Angeklagte durch diese Entscheidungen nicht beschwert sei.

II.

Mit seiner zulässigen Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Dem Rechtsmittel kann ein vorläufiger Erfolg nicht versagt werden.

1. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu der Revision u.a. wie folgt Stellung genommen:

„Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil das Landgericht zu Unrecht eine wirksame Beschränkung der Berufung (…) angenommen und deshalb über den Verfahrensgegenstand nur unvollständig entschieden hat.

Verurteilung wegen Vollrausches - volle Schuldfähigkeit bis zu Schuldunfähigkeit
(Symbolfoto: Von Nomad_Soul/Shutterstock.com)

a) Im Rahmen einer zulässigen Revision hat das Revisionsgericht auf die Sachrüge von Amts wegen – unabhängig von einer sachlichen Beschwer und ohne Bindung an die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts – zu prüfen, ob dieses zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung nach § 318 Satz 1 StPO und damit einer Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils ausgegangen ist (vgl. BGHSt 27, 70; Kammergericht, Beschluss vom 7. Februar 2017 – [5] 121 Ss 4/17 [3/17] -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 318 Rdn. 33, § 352 Rdn. 4).

Grundsätzlich gebietet es die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 Satz 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren (vgl. Kammergericht, Urteil vom 22. September 2014 – [4] 161 Ss 148/14 [203/14] -). Somit führt nicht jeder Mangel des infolge der Beschränkung grundsätzlich in Rechtskraft erwachsenen Teils des Urteils, insbesondere auch nicht jede Lücke in den Schuldfeststellungen, zur Unwirksamkeit der Beschränkung (vgl. Kammergericht a.a.O.).

Die wirksame Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt jedoch voraus, dass das angefochtene Urteil seine Prüfung ermöglicht. Dies ist namentlich dann nicht der Fall, wenn die Feststellungen zur Tat so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung des Berufungsgerichts bilden können (vgl. BGHSt 33, 59; KG a.a.O. und Beschluss vom 30. März 2012 – [2] 161 Ss 28/12 [7/12] – m.w.N.). Die Beschränkung ist ferner insbesondere dann unwirksam, wenn auf der Grundlage der Feststellungen zum Schuldspruch überhaupt keine Strafe verhängt werden könnte (vgl. BGH NStZ 1996, 352; Kammergericht, Beschluss vom 30. März 2012 – [2] 161 Ss 28/12 [7/12] – m.w.N.).

(…)

b) Nach diesen Grundsätzen ist die von der Amtsanwaltschaft erklärte Beschränkung der Berufung (…) unwirksam. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur Tat sind so lückenhaft, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung des Berufungsgerichts bilden können. Sie tragen nicht den Schuldspruch wegen fahrlässigen Vollrausches (§ 323a Abs. 1 StGB).

Die Voraussetzungen für einen Rausch im Sinne des § 323a StGB sind nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Erforderlich ist insoweit, dass sich der Täter in einen Intoxikationszustand versetzt hat, der ihn so beeinträchtigt, dass jedenfalls der Bereich erheblich verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB sicher nachgewiesen – ein Fall nicht auszuschließender Schuldfähigkeit also nicht gegeben – ist. Wenn schon zweifelhaft bleibt, ob überhaupt ein Rausch vorgelegen hat, ist eine Anwendung des § 323a StGB nicht möglich (BGH, Beschluss 7. August 1986 – 4 StR 365/86; Kammergericht, Beschluss vom 4. Mai 2017 – (5) 121 Ss 42/17 (32/17) -; Fischer, StGB, 67. Auflage, § 323a, Rn. 12).

Ein solcher Zustand wird hier durch die Feststellungen nicht belegt.

Das Amtsgericht hat – anders als von der Kammer angenommen – festgestellt, dass sich der Angeklagte nicht ausschließbar in einen Rauschzustand versetzt hat. Nach den Aussagen der vernommenen Zeugen und der festgestellten Blutalkoholkonzentration konnte das Amtsgericht nicht ausschließen, dass der Angeklagte sich zur Tatzeit aufgrund des zuvor in erheblichem Umfang genossenen Alkohols in einem Zustand vollständig aufgehobener Hemmungs- und Steuerungsunfähigkeit im Sinne des § 20 [StGB] befand. Die Voraussetzungen des Rausches dürfen aber nicht nach dem Grundsatz ‚im Zweifel für den Angeklagten‘ angenommen werden, da sich dies wegen der tatbestandsbegründenden Wirkung im Rahmen des § 323a StGB zum Nachteil des Angeklagten auswirken würde; vielmehr ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein die Voraussetzungen des § 21 StGB erreichender Rausch nicht gegeben ist (Kammergericht, Beschluss vom 4. Mai 2017 – (5) 121 Ss 42/17 (32/17) -).

c) Anders als von der Kammer angenommen, ist die Berufungsbeschränkung auch nicht deshalb wirksam, weil (…) das Urteil des Amtsgerichts (…) jedenfalls (…) ausreichende Feststellungen zur Rauschtat und damit Feststellungen zu einem strafbaren Verhalten des Angeklagten mit identischem Strafrahmen enthält.

In einem Fall des Zweifels, der von voller Schuldfähigkeit bis zu Schuldunfähigkeit reicht, ist der Angeklagte konsequenterweise freizusprechen (MüKo-StGB/Geisler, 3. Aufl. 2019, StGB § 323a Rn. 27). Denn der Tatbestand des § 323a kann nicht festgestellt werden, und auch eine Verurteilung aus dem im Rausch verwirklichten Delikt scheidet wegen der (nicht ausschließbaren) Schuldunfähigkeit des Täters aus. Ein Rückgriff auf die Grundsätze der Wahlfeststellung ist ebenfalls nicht möglich. Die Anwendung dieser Grundsätze setzt die rechtsethische und psychologische Gleichwertigkeit der alternativ festgestellten Taten voraus, die zwischen dem (nur) abstrakt gefährlichen Sichberauschen und der konkret verwirklichten Rauschtat gerade nicht gegeben ist (BGH, Beschluss vom 07. August 1986 – 4 StR 365/86 -; MüKo-StGB/ Geisler, 3. Aufl. 2019, StGB § 323a Rn. 27).

So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hat keinen Sachverhalt festgestellt, der eine Strafbarkeit des Angeklagten begründet. Für den Tatbestand des § 323a StGB fehlt die Feststellung eines sicheren Rausches und für eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen der Rauschtaten, der Sachbeschädigung und der Körperverletzung, fehlt es an der Feststellung der sicheren Schuldfähigkeit [der Senat bemerkt: es fehlt am sicheren Ausschluss der Schuldunfähigkeit]“.

2. Diese Ausführungen begründen die vom Senat getroffene Entscheidung; zu ergänzen ist das Folgende:

a) Die Ausführungen des Amtsgerichts zu der (vom Gericht nur als „Vorgeschichte“ zum „Tatgeschehen“ angesehenen) Tathandlung des abgeurteilten Vollrausches werden den Anforderungen an die erforderlichen Feststellungen evident nicht gerecht. Dass der Angeklagte „im Laufe des Nachmittags“ begonnen habe „Bier zu trinken“ und infolgedessen „nicht ausschließbar (…) in einen Rauschzustand“ geraten sei, genügt – auch unter Berücksichtigung der ebenso pauschalen und unzureichenden Darstellung, er habe (zu einem unbekannten Zeitpunkt in unbekannter Form) „noch hochprozentige Alkoholika zu sich genommen“ – nicht.

Der Rausch muss als Tatbestandsmerkmal des § 323a Abs. 1 StGB zweifelsfrei vorliegen, also zur sicheren Überzeugung des Tatrichters erwiesen sein; bleiben Zweifel über das „Ob“ der Berauschung, ist eine Verurteilung nach § 323a StGB ausgeschlossen (vgl. nur BGHSt 32, 48, 54 f.; BGHR StGB § 323a Abs. 1 Rausch 1; BGH NStZ-RR 2017, 135, 137; Senat, Beschluss vom 9. November 2007 – [4] 1 Ss 39/07 [121/07] –; Popp in LK-StGB 12. Aufl., § 323a Rn. 89; Conen in AnwK-StGB 3. Aufl., § 323a Rn 19; Geisler in MüKo-StGB 3. Aufl., § 323a Rn. 28; Fischer, StGB 67. Aufl., § 323a Rn. 12 mwN). Die Verurteilung wegen Vollrausches setzt die (sichere) Feststellung eines Rausches voraus, weil nur dann die strafbarkeitsbegründende Tathandlung, das Sich-in-einen-Rausch-versetzen, an die auch die Strafzumessung anknüpft, gegeben ist. Dass das Tatgericht – wie vorliegend das Amtsgericht – einen Rausch (lediglich) nicht ausschließt, bietet keine tragfähige Grundlage für die Anwendung des § 323a StGB, zeigt doch schon diese Formulierung, dass es an der erforderlichen sicheren Feststellung eines tatbestandsmäßigen Rausches gerade fehlt. Eine auf den Zweifelssatz gestützte Anwendung des § 323a StGB, bei dem das unrechtsbegründete Tatbestandsmerkmal des Rausches im Wege einer Vermutung (gleichsam „zu Gunsten“ des Angeklagten) angenommen wird, ist unzulässig; das – ggf. kriminalpolitisch unerwünschte – Ergebnis eines Freispruchs darf nicht durch eine strafbarkeitsbegründende Analogie vermieden werden (vgl. Fischer aaO).

Die vom Landgericht mit der kritischen Bemerkung „sehr streng“ versehene Entscheidung des 5. Strafsenats des Kammergerichts (StV 2019, 276 = VRS 131, 313 = OLGSt StGB § 323a Nr. 6), wonach die Anwendung des § 323a StGB erfordert, dass sich der Täter in einen Intoxikationszustand versetzt hat, der ihn so beeinträchtigt, dass jedenfalls der Bereich erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB sicher nachgewiesen – ein Fall nicht auszuschließender Schuldfähigkeit also nicht gegeben – ist, stellt lediglich die logische Folge aus den gesetzlichen Anforderungen dar und entspricht im Übrigen der dort weiter nachgewiesenen sonstigen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung.

Das Amtsgericht hat demgegenüber unter Verstoß gegen die dargelegten Grund-sätze – vom Landgericht verkannt – einen tatbestandlichen Rausch des Angeklagten lediglich nicht ausgeschlossen und damit unterstellt.

b) Dass der Schuldspruch des Amtsgerichts gleichwohl eine tragfähige Tatsachengrundlage gehabt hat, kann auch nicht dem Zusammenhang der amtsgerichtlichen Urteilsgründe entnommen werden.

Zunächst vermag die Mitteilung des Amtsgerichts, der Angeklagte sei bei den beiden unter der der Überschrift „Tatgeschehen“ dargestellten Geschehnissen „bereits ersichtlich alkoholisiert“ gewesen, die eindeutige Feststellung eines Rausches nicht zu ersetzen.

Überdies fehlt es an der rechtsfehlerfreien Feststellung, dass der Angeklagte die Körperverletzung und Sachbeschädigung im Zustand jedenfalls erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen hat. Das Amtsgericht hat sich auf die Mitteilung der aus der um 23.00 Uhr gewonnenen Blutprobe ermittelten Blutalkoholkonzentration beschränkt, ohne sich zur Höhe der angenommenen Blutalkoholkonzentration zur Zeit der beiden genannten Taten zu verhalten oder gar die Folgen dieser konkretisierten Alkoholisierung für die Frage der Schuldfähigkeit unter Berücksichtigung der psychodiagnostischen Beurteilungskriterien in nachprüfbarer Weise darzulegen. Die gänzlich pauschale Mitteilung, es sei „nach den Aussagen der vernommenen Zeugen und der festgestellten Blutalkoholkonzentration nicht auszuschließen, dass der Angeklagte sich zur Tatzeit aufgrund des zuvor in erheblichem Umfang genossenen Alkohols in einem Zustand vollständig aufgehobener Hemmungs- und Steuerungsfähigkeit, mithin in einem solchen der aufgehobenen Schuldfähigkeit im Sinne des § 20 StGB, befunden hat“, genügte den Anforderungen nicht; sie lässt vielmehr besorgen, dass das Amtsgericht das Tatbestandsmerkmal des Rausches fehlerhaft (vgl. nur Fischer aaO Rn. 4; Conen aaO) mit Schuldunfähigkeit gleichgesetzt hat, wie auch im Übrigen seiner Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis des § 323a StGB zugrunde liegen dürfte.

c) Die – hilfsweise angestellten und später auch nicht zum Tragen gekommenen – Überlegungen des Landgerichts, wonach die Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch deshalb wirksam (und damit der nach den obigen Ausführungen nicht tragfähig begründete Schuldspruch wegen Vollrausches rechtskräftig) sei, weil der Angeklagte nach den bindenden Feststellungen des Amtsgerichts jedenfalls wegen der Rauschtaten – bzw. nach den Ausführungen des Landgerichts zum natürlichen Vorsatz zumindest wegen einer diese beiden Taten – zu bestrafen sei, gehen fehl.

Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob eine solche Verfahrensweise des zur Prüfung einer Berufungsbeschränkung berufenen Gerichts, gleichsam der „Rückgriff“ auf die Rauschtaten (oder gar auf nur auf eine einzige von mehreren) mit der Folge eines Austausches der Tathandlung, mit dem Hinweis darauf, dass „in jedem Fall ein strafbares Verhalten festgestellt“ sei, ohne einen Eingriff in den Schuldspruch möglich wäre. Bedenken bestehen gegen eine solche Verfahrensweise jedenfalls mit Blick darauf, dass eine sachgerechte Erfassung des Tatvorwurfs des Vollrausches auch Auswirkungen auf die Rechtsfolgenbestimmung hat und sich beim Vollrausch die Strafzumessung maßgeblich am Verschulden hinsichtlich der Herbeiführung des Rausches orientieren muss (vgl. nur KG, Urteil vom 11. April 2007 – [2] 1 Ss 552/06 [1/07] – mwN). Der vorliegende Fall zeigt überdies, dass allein schon ein Schuldspruch wegen Vollrausches, und sei er auch fehlerhaft zustande gekommen, dem Angeklagten ungünstige Wirkungen haben kann, soweit und wenn – wie hier – bei einem neuen Vorwurf der subjektive Tatbestand im Wesentlichen mit dem Verweis auf eine vorangegangene Verurteilung wegen Vollrausches begründet wird.

Dieser Frage brauchte der Senat nicht weiter nachzugehen, weil schon die Voraussetzungen für die vom Landgericht befürwortete Sachbehandlung nicht gegeben sind. Die Kammer hat nicht in rechtsfehlerfreier Weise dargelegt, dass die (vom Amtsgericht als nicht ausschließbar zugrunde gelegte) Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei der Begehung der beiden Bezugstaten sicher ausgeschlossen war. Soweit die Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe hierzu in der Berufungshauptverhandlung erklärt habe, sie könne „eine Aufhebung der Schuldfähigkeit nicht erkennen“, hat das Landgericht dies lediglich referiert und sich nicht nach eigener kritischer Überprüfung mit nachprüfbaren Erwägungen zu eigen gemacht. Vielmehr hat die Kammer ihren Bericht über diese Aussage der Sachverständigen in den Zusammenhang mit deren Ausführungen zum Nichtvorliegen eines Rausches gestellt, die sie ausdrücklich verworfen hat, weil die Darstellung der Sachverständigen „ohne Relevanz“ gewesen sei. Dies beruhte nach der Darstellung der Kammer darauf, dass der Sachverständigen eine ausreichende Tatsachengrundlage gefehlt habe, was wiederum darauf zurückzuführen ist, dass die Kammer wegen ihrer fehlerhaften Annahme, die Berufungsbeschränkung sei wirksam, keine Beweisaufnahme zum Zustand des Angeklagten bei den mutmaßlichen Rauschtaten durchgeführt hat.

d) Hinzu kommt, dass das Amtsgericht auch keine hinreichenden Feststellungen zum subjektiven Tatbestand eines fahrlässigen Vollrausches getroffen hatte (vgl. hierzu etwa OLG Hamm, Beschluss vom 18. Februar 2014 – III-1 RVs 12/14 – [juris]). Den Fahrlässigkeitsvorwurf hat es, offensichtlich in Ermangelung konkreter Feststellungen zum Trinkverhalten am Tattag und zu sonstigen unter Alkoholeinfluss begangenen Straftaten des Angeklagten, letztlich allein auf die Tatsache gestützt, dass der Angeklagte im Juni 2017 – durch einen Strafbefehl – wegen Vollrausches verurteilt worden sei, weil er in der Zeit vom 12. bis 13. Dezember 2015 im Zustand der Schuldunfähigkeit „eine Straftat“ begangen habe (wobei sich nicht einmal die Feststellung findet, dass dieser Vollrausch alkoholbedingt war). Dies genügte jedenfalls ohne jede Darlegung der damaligen Tathandlung und der Rauschtat nicht, um die Vorhersehbarkeit für den Angeklagten zu belegen, er werde durch den Konsum von Bier am Nachmittag (in völlig unbekannter Art und Menge) in einen Rausch im Sinne des § 323a Abs. 1 StGB geraten und in diesem Zustand Rauschtaten begehen. Soll der Fahrlässigkeitsvorwurf mit einer vorangegangenen Verurteilung wegen Vollrausches begründet werden, hat der Tatrichter jedenfalls den konkreten Gegenstand der Verurteilung, die Begleitumstände der früheren Tat(en) sowie die Umstände des der Verurteilung zugrunde liegenden Verfahrens in den Blick zu nehmen und in nachprüfbarer Weise im Urteil mitzuteilen. Denn nur dann kann beurteilt werden, ob sich aus der früheren Verurteilung dem Angeklagten zuzurechnende Erkenntnisse über die Folgen seines Verhaltens in Bezug auf das Sich-Berauschen mit Alkohol im zu beurteilenden (neuen) Fall ergeben. Dies gilt in besonderer Weise, wenn es sich um eine einmalige Vorverurteilung wegen Vollrausches handelt, die überdies nur durch einen Strafbefehl und damit ohne die Richtigkeitskontrolle in einer Hauptverhandlung erfolgt ist. Diesen Anforderungen war das Amtsgericht in keiner Weise gerecht geworden. Ohne dass es darauf ankommt, weisen auch die Ausführungen des Landgerichts zu jener Verurteilung (UA S. 7) keine genügend konkreten Feststellungen hinsichtlich der Tathandlung des § 323a Abs. 1 StGB aus, die die Schlussfolgerung auf die subjektive Tatseite im hiesigen Verfahren ohne weiteres als tragfähig erscheinen lassen würden.

3. Wegen der Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung hätte das Landgericht die notwendigen Feststellungen zum Schuldspruch in eigener Verantwortung treffen müssen. Da dies nicht geschehen ist, musste das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen werden.

4. Für die neue Hauptverhandlung ist darauf hinzuweisen, dass für eine Verurteilung wegen Vollrausches hinreichende Feststellungen dazu, wie der Angeklagte den Rausch herbeigeführt hat, von entscheidender Bedeutung sind. Aus ihnen muss sich der Zeitraum der Alkoholaufnahme, die Art und die Menge der alkoholischen Getränke, die Umstände des Alkoholkonsums und das Trinkverhalten des Angeklagten ergeben. Allein aus der Aufnahme einer beträchtlichen Menge Alkohol, die letztlich zum Erreichen einer hohen Blutalkoholkonzentration erforderlich ist, können keine zuverlässigen Schlüsse zur subjektiven Tatseite bei einem alkoholgewohnten Täter, der die Auswirkungen des Alkohols bei sich kennt, gezogen werden (vgl. nur OLG Düsseldorf NVZ 1992, 328; KG, Beschluss vom 26. August 2011 – [2] 1 Ss 293/11 [46/11] – mwN). Soweit es die Ermittlung der Blutalkoholkonzentration zur Zeit der Rauschtaten angeht, ist zu beachten, dass insoweit die sog. Maximalrechnungsmethode nicht zur Anwendung kommt (vgl. KG StV 2019, 276; OLG Braunschweig NStZ-RR 2014, 287). Die Feststellungen zum Trinkverhalten des Verurteilten sind auch Grundlage einer sicheren Zuordnung zu den Begehungsalternativen der vorsätzlichen und der fahrlässigen Herbeiführung des Rausches und ermöglichen die Festlegung einer dem konkreten Tatgeschehen und dem individuellen Verschulden angemessenen Rechtsfolge. Sie sind deshalb unverzichtbar (vgl. KG, Beschluss vom 26. August 2011 – (2) 1 Ss 293/11 [46/11] – mwN).

Soweit es die Frage angeht, ob (schon) bei der Tathandlung des § 323a Abs. 1 StGB, zum Zeitpunkt des Sichberauschens, eine erhebliche Verminderung oder gar Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten vorlag, wird der neue Tatrichter, sollte er eine Schuldunfähigkeit verneinen, Formulierungen wie die eines „unwiderstehlichen Dranges zum Alkoholkonsum“ (Hervorhebung hier) kritisch zu prüfen und ggf. zu vermeiden haben, weil sie den Bestand des Urteils gefährden können. In der Sache dürfte es allerdings auch nicht nahe liegen, bei dem Angeklagten nach einer mehr als zweijährigen Abstinenz und angesichts seiner bei der Bewährungsentscheidung verwerteten Verhaltensweisen im Alltag einen solchen „unwiderstehlichen Drang“ anzunehmen. Der neu mit der Sache befasste Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, die Einlassung des Angeklagten zu den Gründen für seinen Alkoholkonsum am Tattag gründlicher zu bewerten, als dies im angefochtenen Urteil im Zusammenhang mit den Ausführungen dazu, dies sei „allenfalls die halbe Wahrheit“, geschehen ist.

Sofern der neue Tatrichter zur (verlässlichen) Feststellung eines Rausches im Sinne des § 323a Abs. 1 StGB gelangen, insoweit erneut lediglich zu einem Fahrlässigkeitsvorwurf kommen und zudem – wie hier das Landgericht – eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Zeitpunkt des Sich-Berauschens annehmen sollte, wird sorgfältig zu prüfen sein, ob dem Angeklagten zur Last gelegt werden darf, dass dieser „gemeint haben mag, er werde auch ein achtes Mal glimpflich davonkommen“ (gemeint ist: eine erneute Strafaussetzung zur Bewährung bekommen). Denn diese Ausführungen im angefochtenen Urteil lassen besorgen, dass die Kammer von einer bewusst-abwägenden Entscheidung des Angeklagten ausgegangen ist, die mit dem Fahrlässigkeitsvorwurf und dem Umstand, dass der Angeklagte sein Verhalten nicht mehr uneingeschränkt steuern konnte, er nach den Ausführungen der Kammer sogar „seinem Drang, Alkohol zu trinken, wieder einmal nicht widerstehen konnte“ (Hervorhebung hier) – seine Fähigkeit, der Versuchung zum übermäßigen Genuss alkoholischer Getränke zu widerstehen, also nicht nur erheblich vermindert war –, nicht ohne weiteres vereinbar scheint.

Sollte das neue Tatgericht ebenfalls zur Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB kommen, muss dies nicht zwingend zur Strafmilderung führen. Soweit das Landgericht vorliegend aus der von ihm kritisierten, in anderem rechtlichen Zusammenhang ergangenen Rechtsprechung des Kammergerichts auf die Notwendigkeit einer Strafmilderung geschlossen hat, beruht dies auf einem Fehlverständnis dieser Rechtsprechung. Es trifft zu, dass das Kammergericht wiederholt in Fällen, in denen eine Unterbringung nach § 64 StGB fehlerhaft nicht angeordnet worden war, wegen einer möglichen Wechselwirkung zwischen Straf- und Maßregelausspruch auch den Strafausspruch aufgehoben hat. Daraus folgt aber nicht die Konsequenz, dass der Tatrichter bei Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB in jedem Fall stets die Strafe zu mildern hat. Die Aufhebung auch des Strafausspruchs in Fällen erfolgreicher Anfechtung der Nichtanordnung einer Maßregel, die entgegen der Annahme des Landgerichts auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfolgt (vgl. nur BGHSt 38, 362; BGH NStZ 1992, 33; Beschluss vom 28. April 1992 – 1 StR 181/92 – [juris]), dient dem Zweck, dem Tatrichter eine umfassende neue Bewertung der Rechtsfolgenseite in eigener Verantwortung zu ermöglichen, soweit im Einzelfall – vor allem, aber nicht nur, wenn ein teilweiser Vorwegvollzug der Strafe gemäß § 67 Abs. 2 StGB in Betracht kommt (vgl. dazu nur Senat, Beschluss vom 10. Januar 2011 – [4] 1 Ss 542/10 [271/10] – mwN) – eine Wechselwirkung zwischen beiden Rechtsfolgen vorliegen kann, weil sich die für deren Anordnung jeweils wesentlichen Gesichtspunkte nicht voneinander trennen lassen. Daraus sind, anders als das Landgericht meint, keine zwingenden Vorgaben für die tatgerichtliche Strafzumessung abzuleiten (vgl. nur Schneider in LK-StGB 13. Aufl., § 46 Rn. 17 mwN).

Abschließend bemerkt der Senat, dass eine Berufungskammer ihre Sachkunde, über die Fragen einer Straf- und Maßregelaussetzung zur Bewährung (§§ 56, 67b StGB) entscheiden zu können, nicht gesondert zu begründen hat, dies jedenfalls nicht in der hier geschehenen Weise erfolgen sollte. Sollte das Landgericht meinen, es hätte insoweit sachverständiger Hilfe bedurft, würde dies selbst im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Maßregel die grundlegende Aufteilung der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit zwischen Sachverständigem und Gericht außer Acht lassen. Aufgabe des Sachverständigen ist es, im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose festzustellen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Angeklagte erneut Straftaten begehen wird, welcher Art diese Straftaten sind und welche Häufigkeit und welchen Schweregrad sie haben werden. Schon die Frage, ob sich aus der Wahrscheinlichkeitsaussage über das zukünftige Legalverhalten des Angeklagten die Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten im Sinne von § 64 Satz 1 StGB ergibt, erfordert eine allein vom Gericht zu treffende normative Entscheidung (vgl. BGHR StGB § 64 Satz 1 Gefährlichkeit 1). Dies gilt selbstverständlich ebenso für die Entscheidung über die Bewährungsfrage (§ 67b StGB), auch wenn der Tatrichter gehalten sein kann, in Erfüllung seiner Pflicht zur Darlegung der Gründe für diese – allein von ihm zu treffende und zu verantwortende – Entscheidung die Stellungnahme eines herangezogenen Sachverständigen mitzuteilen und sich mit ihr in nachvollziehbarer Weise auseinander zu setzen.

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