LG Dresden – Az.: 16 Qs 14/20 – Beschluss vom 27.03.2020
1. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Strafrichterin – Dresden vom 16.12.2019 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und seine eigenen außergerichtlichen Kosten trägt der Angeklagte.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Hiergegen hat dieser Beschwerde eingelegt.
Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung sowie auf die Begründung des Rechtsmittels wird Bezug genommen. Ebenso wird auf das nicht rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 11.02.2020 verwiesen.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 304 ff. StPO), hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen (§ 111a StPO), weil dringende Gründe vorliegen, dass die Fahrerlaubnis dem Angeklagten letztlich durch Entscheidung im derzeit noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren endgültig entzogen wird (§ 69 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 2 StGB).
1. Nach den schlüssigen und von dem Beschwerdeführer nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts Dresden im Urteil vom 11.02.2020 ist der Angeklagte der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 u. 2 StGB) zumindest dringend verdächtig. Er hat die Tat in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung insoweit – nach nachvollziehbarer Überzeugung der Strafrichterin glaubhaft – eingeräumt. Im Kern wendet sich der Angeklagte nun gegen die Prognose, dass ihm die Fahrerlaubnis endgültig entzogen werde; zum derzeitigen Verfahrensstand – nachdem das Amtsgericht ihm die Fahrerlaubnis entzogen hat – entspricht dies der Annahme, dass seine Berufung zumindest in diesem Punkt Erfolg haben werde. Die Kammer teilt aber aus den folgenden Gründen die Prognose des Amtsgerichts.
a) Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist in der Regel davon auszugehen, dass der Täter ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges ist, wenn er sich eines Vergehens d. § 316 StGB schuldig gemacht hat. Dass der Angeklagte einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 u. 2 StGB) schuldig ist steht zwar nicht rechtskräftig fest, ist aber – nicht nur wegen seines Geständnisses – hochwahrscheinlich. Auf die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen. Damit ist das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB erfüllt. Dabei spielt nach dem Wortlaut der genannten Vorschriften keine Rolle, dass der Straftatbestand des § 316 StGB auch mit anderen Fahrzeugen erfüllt werden kann, die Anwendbarkeit von § 69 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB hingegen die Benutzung eines Kraftfahrzeuges voraussetzt (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 69 Rn. 25 m.w.N.). Bei dem vom Angeklagten zur Tatbegehung verwendeten E-Scooter handelt es sich nach der Legaldefinition des § 248b Abs. 4 StGB jedenfalls um ein Kraftfahrzeug (vgl. auch § 1 StVG).
b) Aufgrund des klaren Wortlauts der Vorschrift des § 69 StGB sieht die Kammer keinen Raum für die Annahme einer abweichenden Rechtsfolge (ebenso: LG München, Beschluss vom 29.11.2019 – 26 Qs 51/19, DAR 2020, 111 = juris Rn. 18 ff.; a.A.: AG Dortmund, Urteil vom 21.01.2020 – 729 Ds 60 Js 513/19-349/19, juris Rn. 19). Es ist somit ein Regelbeispiel erfüllt.
c) Um von der Wirkung des Regelbeispiels abweichen zu können, müssen besondere Umstände objektiver und subjektiver Art gegeben sein, welche die Vermutung mangelnder Eignung zum Zeitpunkt der Tat widerlegen oder einen Eignungsmangel jedenfalls zum Zeitpunkt der Aburteilung ausschließen (Fischer, a.a.O., Rn. 34 m.w.N.). Derartige Besonderheiten kann die Kammer hier nicht erkennen. Insbesondere liegen sie nicht schon darin, dass der Straftatbestand des § 316 Abs.1 u. 2 StGB hier „nur“ mit einem E-Scooter begangen wurde. Zwar mag von einem solchen Gefährt eine geringere Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen als z.B. von einem Pkw, während sich der Verlust der Fahrerlaubnis lediglich auf die zukünftige Verwendung von fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen (§ 2 StVG), also insbesondere Pkw, auswirkt. Dies ändert an der Rechtslage aber nichts. Der Gesetzgeber lässt dem Gericht hier weder einen Spielraum noch existieren für E-Scooter an diesem Punkt Sonderregelungen. Auch wenn unter Verkehrsteilnehmern derzeit noch nicht allgemein bekannt sein sollte, dass E-Scooter als Kraftfahrzeuge im Sinne des Strafgesetzbuchs anzusehen sind, bleibt es bei dieser Rechtslage. Insbesondere ist für einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB) im Bereich der Rechtsfolgen kein Raum. Im Übrigen hat der Angeklagte auch eingeräumt, dass ihm die Kraftfahrzeugeigenschaft des E-Scooters bekannt war. Nur am Rande sei erwähnt, dass es nach Ansicht der Kammer zur Fahrtauglichkeit im Sinne des § 69a Abs. 1 Satz 1 StGB auch gehört, dass man sich als Inhaber einer Fahrerlaubnis über die für E-Skooter geltenden Regelungen erkundigt, bevor man diese verwendet. Dies war dem Angeklagten hier vor der Tat durchaus möglich und zumutbar (s. z.B. https://www.autobild.de/artikel/e-scooter-fuehrerschein-regeln-strafen-15106399.html vom 28.06.2019). Auch das Unternehmen, bei dem der Angeklagte den Skooter gemietet hatte, weist, insbesondere auf seiner Website, auf die Rechtslage hin (z.B. aktuell: https://www.li.me/de/how-to-lime).
d) Auch wenn es nicht darauf ankommt, weist die Kammer zusätzlich darauf hin, dass die Besonderheiten des vorliegenden Falles jedenfalls nicht ausschließlich gegen eine Fahruntauglichkeit des Angeklagten sprechen. Dass zur Tatzeit nur wenig Verkehr herrschte und der Angeklagte keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigte, kann Zufall gewesen sein. Dass er – wider besseres Wissen – die falsche Straßenseite befuhr, könnte erfahrungsgemäß als Fehleinschätzung der Gefährlichkeit dieser Situation durchaus auch eine typische Folge seiner Alkoholisierung gewesen sein. Dies spricht für eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte auch versucht sein könnte, ein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug, insb. Pkws, in vergleichbar unverantwortlicher Weise im Straßenverkehr zu führen. Schließlich ist zu bedenken, dass die gemessene Blutalkoholkonzentration über eine Stunde nach der Tat gemessen wurde, so dass von einer höheren Alkoholisierung zur Tatzeit auszugehen ist. Vor diesem Hintergrund könnten die im Urteil beschriebene Überraschung des Angeklagten hierüber und das Fehlen von Ausfallerscheinungen während der Tat für eine Alkoholgewöhnung des Angeklagten sprechen. Die an dieser Stelle verharmlosende Einlassung des Angeklagten, er habe nur eine kurze Strecke bis zur nächsten Bushaltestelle mit dem E-Scooter zurücklegen wollen, hat die Strafrichterin im Übrigen überzeugend widerlegt.
2. Die Verwendung des E-Skooters als Besonderheit des vorliegenden Falles kann im Ergebnis also nicht bei der Frage, ob dem Angeklagten die Fahrerlaubnis – vorläufig und endgültig – zu entziehen ist, ausschlaggebende Berücksichtigung finden. Im Rahmen der Strafzumessung ist dies anders. Die Strafrichterin hat dies in ihrem Urteil vom 22.01.2020 richtigerweise auch ausdrücklich herausgestellt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.