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Corona-Pandemie – Aufhebung eines Verhandlungstermins sowie Verfahrensaussetzung

OLG München – Az.: 2 Ws 364/20 H – Beschluss vom 20.03.2020

I. Die Beschwerde des Angeklagten K. M. N. B. gegen die Verfügung der stellvertretenden Vorsitzenden der 2. Strafkammer des Landgerichts München I vom 18.03.2020 wird als unzulässig verworfen.

II. Der Angeklagte K. M. N. B. und sein Verteidiger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Gegen den Angeklagten B. findet im gegenständlichen Verfahren seit 12.11.2019 die Hauptverhandlung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts München I als Schwurgericht statt. 16 Verhandlungstermine wurden bereits durchgeführt. Als weitere Termine für die Hauptverhandlung sind Montag, der 23.03.2020 und Dienstag, der 31.03.2020 bestimmt.

Der Angeklagte B. und sein Verteidiger beantragten mit Schriftsatz vom 18.03.2020, wegen der Gefahr, sich mit Coronaviren anzustecken, diese Termine aufzuheben und die Hauptverhandlung auszusetzen. Auf den Schriftsatz vom 18.03.2020 wird im Übrigen Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 18.03.2020 lehnte die stellvertretende Vorsitzende der 2. Strafkammer des Landgerichts München I sowohl die Aufhebung der Termine als auch die Aussetzung des Verfahrens ab, verfügte außerdem die Abladung der geladenen Sachverständigen und Zeugen mit Ausnahme des Zeugen T. und ordnete umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen zur Reduzierung der Ansteckungsgefahr an. Im Einzelnen wird auf die Verfügung vom 18.03.2020 Bezug genommen.

Gegen diese Verfügung legten der Angeklagte B. und sein Verteidiger mit Schriftsatz vom 20.03.2020, eingegangen am selben Tag, jeweils Beschwerde ein, die der Verteidiger mit weiterem anwaltlichen Schriftsatz, ebenfalls vom 20.03.2020, ergänzend begründete. Bei Durchführung der Verhandlungstermine seien Leib und Leben des Angeklagten gefährdet, da er sich in einer öffentlichen Verhandlung, bei der etliche Personen im Gerichtssaal anwesend seien, trotz der angeordneten Vorsichtsmaßnahmen leicht mit dem Coronavirus infizieren könne. Zudem sei es in Anbetracht der seitens der Staatsregierung verhängten Ausgangsbeschränkungen unmöglich, den Grundsatz der Öffentlichkeit auch nur im Ansatz noch zu wahren. Auf die Schriftsätze des Verteidigers jeweils vom 20.03.2020 wird im Übrigen verwiesen.

Die stellvertretende Vorsitzende der 2. Strafkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beschwerde wurde dem Oberlandesgericht München am 20.03.2020 vorgelegt.

II.

Die Beschwerden gegen die richterliche Verfügung vom 18.03.2020 sind unzulässig, da nicht statthaft. Denn nach § 305 S. 1 StPO sind die Ablehnung der Aufhebung von Verhandlungsterminen und der Aussetzung eines Verfahrens grundsätzlich nicht anfechtbar, da solche Entscheidungen der Urteilsfällung vorausgehen und deshalb nur zusammen mit dem Urteil mit dem dagegen statthaften Rechtsmittel, hier der Revision, angefochten werden können (KK – StPO/Gmel, 8. Auflage 2019, StPO § 228 Rn. 14; KK – StPO/Zabeck, 8. Auflage 2019, StPO § 305 Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 22.11.2001 – 2 BvQ 46/01, NStZ-RR 2002, 113; OLG Düsseldorf, NJW 1997, 2533; OLG Hamm, NJW 1978, 283).

Lediglich in Ausnahmefällen kann eine Beschwerde statthaft sein, etwa wenn die Terminaufhebung und Verfahrensaussetzung vom Gericht ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig abgelehnt wurde (OLG Celle, NStZ 2012, 176 für die Ablehnung eines Antrags auf Terminverlegung; vgl. auch OLG München, NStZ 1994, 451).

Solches lässt sich hier jedoch nicht feststellen.

Zum einen ist trotz der erheblichen, nicht im Bereich der Justiz liegenden Einschränkungen aufgrund der Anordnungen der Bayerischen Staatsregierung der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt. Denn nicht nur die Vertreter der Presse haben Zutritt zu der Verhandlung, sondern auch sonstige Personen, z.B. Angehörige, sofern sie sich im Rahmen der verhängten Ausgangsbeschränkungen halten. Eine absolute Ausgangssperre hat die Bayerische Staatsregierung nicht angeordnet. Deshalb werden stichprobenartige körperliche Untersuchungen von Zuhörern vorgenommen, um Verdachtsfälle auf Infizierung mit dem Coronavirus von vorneherein herauszufiltern und erst gar nicht in den Sitzungssaal zu lassen. Auch dürfen nicht alle vorhandenen Sitzplätze belegt werden, vielmehr müssen größere Abstände zwischen den einzelnen Zuhörern sein. Diese Sicherheitsvorkehrungen wären im Falle einer Ausgangssperre überflüssig. Dann könnte nämlich allen potentiellen Zuhörern mit Ausnahme der Vertreter der Presse der Zutritt zum Sitzungssaal ohne Prüfung auf eine Infizierung mit dem Coronavirus unter Berufung auf die staatlich angeordnete Ausgangssperre verweigert werden.

Zum anderen wurden in der angefochtenen Verfügung das Gesundheitsrisiko für die Verfahrensbeteiligten, mithin auch für den Angeklagten B., im Falle der Durchführung der Hauptverhandlung einerseits und das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung des Strafprozesses andrerseits, damit dem staatlichen Strafanspruch Geltung verschafft werde, sorgfältig abgewogen. Auf die Verfügung vom 18.03.2020 wird Bezug genommen. Das Gericht hat nicht nur Sicherheitsvorkehrungen gegen eine mögliche Ansteckungsgefahr getroffen, sondern auch die Dauer des Verhandlungstermins erheblich verkürzt, um das Ansteckungsrisiko zu mindern. Zudem werden für alle Besucher des Strafjustizzentrums Kontrollen in Form von Selbstauskünften durchgeführt, um einer Verbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken.

Aus den genannten Gründen wären die Beschwerden, selbst wenn sie als statthaft und damit als zulässig erachtet würden, jedenfalls unbegründet.

Ob zusätzlich noch weitere Maßnahmen, wie etwa im Schriftsatz des Verteidigers vom 20.03.2020 beantragt, erforderlich sind, um die Gefahr einer Ansteckung möglichst gering zu halten, muss die 2. Strafkammer in eigener Zuständigkeit entscheiden.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 473 Abs. 1 StPO.

 

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