LG Kiel, Az.: 8 Qs 48/15
Beschluss vom 23.11.2015
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Der Beschuldigte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde ist gemäß § 304 StPO statthaft und zulässig, in der Sache selbst jedoch unbegründet.
Gemäß § 111 a Abs. 1 StPO kann der Richter dem Beschuldigten durch einen Beschluss dessen Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass ihm die Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB entzogen werden wird. Gemäß § 69 Abs. 1 StGB entzieht das Gericht einem Angeklagten die Fahrerlaubnis, wenn dieser wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt wird, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, und wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Ist die rechtswidrige Tat ein Vergehen der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB), der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB), des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden ist oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder des Vollrausches (§ 323 a StGB), der sich auf eine der vorerwähnten Taten bezieht, so ist der Täter gemäß § 69 Abs. 2 StGB regelmäßig als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet anzusehen.
Das Amtsgericht hat das Vorliegen dringender Gründe im vorbezeichneten Sinne bejaht und die Auffassung vertreten, dass der Beschuldigte der Begehung einer Straftat des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach der Verursachung eines bedeutenden Fremdsachschadens gemäß § 142 StGB dringend verdächtig sei. Die Kammer tritt dem mit der Maßgabe bei, dass sich der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten auch auf ein von ihm tateinheitlich begangenes Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG sowie auf ein tatmehrheitlich dazu begangenes weiteres Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG erstreckt.
Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis besteht der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte am 04.11.2014 kurz nach 17.30 Uhr mit dem auf seine Ehefrau … zugelassenen und von ihm geführten PKW der Marke VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen … beim Versuch des Ausparkens auf dem Parkplatz der Volkshochschule an der … in … das von der Geschädigten … dort um 17.25 Uhr abgestellte Fahrzeug der Marke VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen … im Wege einer Streifkollision derart an dessen vorderem rechten Kotflügel beschädigte, dass die Beseitigung des dadurch entstandenen Schadens ausweislich der Reparaturkalkulation der Fa. … vom 19.11.2014 voraussichtlich 1.675,90 € netto erfordern wird. Nach der Kollision stieg der Beschuldigte aus dem von ihm geführten Fahrzeug aus, sah sich das von ihm beschädigte andere Fahrzeug an, stieg sodann wieder ein und entfernte sich vom Unfallort, ohne zugunsten der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, an dem Unfall beteiligt gewesen zu sein, ermöglicht oder eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet zu haben, ohne dass jemand bereit war, derartige Feststellungen zu treffen.
Nachdem dem Beschuldigten, der ausweislich der Auskunft des Bürger- und Ordnungsamtes der … vom 21.04.2015 am 21.12.2013 nach seinem Zuzug aus … in die Wohnung seiner Ehefrau, der Zeugin …, in den … eingezogen war und lediglich über einen am 16.08.2010 ausgestellten und unter anderem das Führen von PKW erlaubenden … Führerscheins verfügte, die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden war, befuhr er darüber hinaus am 17.08.2015 gegen 02.35 Uhr mit dem Fahrzeug der Marke Mercedes Vito mit dem amtlichen Kennzeichen … unter anderem die … in … Den ihn in diesem Zusammenhang im Hinblick auf eine Fehleinstellung der Scheinwerfer des Fahrzeuges einer Verkehrskontrolle unterziehenden Polizeibeamten teilte er mit, einen … Führerschein der Klasse B zu besitzen und eine Umschreibung des Führerscheins bei der Führerscheinstelle in … beantragt zu haben, wobei er zum Nachweis dieses Umstandes eine amtlich beglaubigte Übersetzung im Original, der als Anhang eine doppelseitige Kopie seines Führerscheins beilag, sowie eine Einzahlungsquittung der Stadt … vorlegte, die die Antragungstellung bestätigte.
Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Beschuldigte durch seinen Verteidiger unter anderem vorgetragen lassen, dass es sich bei der telefonischen Mitteilung der Zeugin … gegenüber der Polizei dahingehend, dass ihr Ehemann, der Beschuldigte, zwar zur Tatzeit gefahren sei, indes keinen Unfall verursacht habe, nicht verwertbar sei, da die zuvor seitens der Polizei an sie gerichtete schriftliche Frage, wer am 04.11.2014 das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … geführt, mit diesem einen Unfall verursacht und sich sodann unerlaubt vom Unfallort entfernt habe, mit keinerlei Belehrung im Hinblick auf ein der Zeugin etwa und hier im Hinblick auf ihre Ehe mit dem Beschuldigten auch tatsächlich zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht verbunden gewesen sei. Ferner ergebe sich aus der von dem Verteidiger vorgelegten Teilnahmebescheinigung des Amtes für Kultur und Weiterbildung der …, dass der Beschuldigte vom 20.10. bis zum 4.11.2014 und damit auch am Unfalltag an einem Kurs teilgenommen und in dessen Rahmen am Unfalltag in der Zeit von 17.00 Uhr bis 17.30 Uhr eine Prüfung absolviert habe, so dass der Schaden entgegen den Bekundungen des Zeugen …auch nicht beim Einparken verursacht worden sein könne.
Mit dieser Begründung vermag das Rechtsmittel keinen Erfolg zu haben.
Zunächst besteht auch aus der Sicht der Kammer gegen den Beschuldigten der dringende Verdacht im Hinblick auf ein von diesem begangenes unerlaubtes Entfernen vom Unfallort gemäß § 142 StGB. Da der Unfallverursacher nach den Bekundungen des Zeugen… nach der Kollision aus seinem Fahrzeug ausstieg und sich das Fahrzeug der Geschädigten ansah, kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass er die Kollision bemerkt und mithin Kenntnis von seiner Unfallbeteiligung hatte. Gleichwohl entfernte er sich – ebenfalls ausweislich der Angaben des Zeugen – vom Unfallort, ohne auch nur kurze Zeit auf einen Feststellungsberechtigten zu warten. Dass der Zeuge den von dem Beschuldigten insoweit selbst eingeräumten Ausparkvorgang mutmaßlich als Einparkvorgang fehlinterpretierte, steht der Glaubhaftigkeit seiner Angaben im Übrigen nicht entgegen, zumal er selbst ausgesagt hat, dass er durch ein lautes Knirschen auf die Kollision aufmerksam geworden sei, so dass vieles dafür spricht, dass er auch erst von diesem Zeitpunkt an verlässliche Wahrnehmungen gemacht hat. Auch übersteigt der von dem Unfallverursacher verursachte Schaden die von der Kammer in ständiger Rechtsprechung bei 1.400,00 € gezogene Bedeutsamkeitsgrenze.
Allerdings ist dem Beschuldigten darin beizutreten, dass der Tatverdacht gegen ihn sich nicht auf die in der Ermittlungsakte dokumentierte telefonische Äußerung der Zeugin gegenüber der Polizei gründen lässt, da diese in der Tat Verwertbarkeitsbedenken begegnen dürfte, da ihr eine schriftliche Nachfrage der Polizei nach der Person des Unfallverursachers vorangegangen war, der es an jeglicher Belehrung der Zeugin in Bezug auf ein ihr etwa hinsichtlich ihres Ehemannes bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht fehlte, obwohl nach dem bis dahin vorliegenden Ermittlungsergebnis klar war, dass es sich bei dem Unfallverursacher um einen Mann gehandelt hatte. Selbst wenn die Zeugin auf den Erhalt der Anfrage hin im Rahmen eines Anrufes bei der Polizei sogleich darauf hingewiesen haben sollte, dass ihr Ehemann zum fraglichen Zeitpunkt ihr Fahrzeug geführt habe, würde dies keine verwertbare sogenannte Spontanäußerung mehr darstellen, sondern eine auf die mangelnde Belehrung zurückzuführende Äußerung im Rahmen einer vernehmungsähnlichen Situation, in deren Rahmen Belehrungsdefizite der hier vorliegenden Art die eine Nichtverwertbarkeit von Angaben, die möglicherweise im Falle ordnungsgemäß erfolgter Belehrung nicht gemacht worden wären, zur Folge haben dürfte.
Ein dringender Tatverdacht gegen den Beschuldigten liegt indes in Anbetracht der weiteren Ermittlungsergebnisse auch in Bezug auf ein von ihm begangenes unerlaubtes Entfernen vom Unfallort gleichwohl vor. Denn der Zeuge … hat den Unfallverursacher als einen ca. … Jahre alten Mann mit dunklen Haaren beschrieben. Diese Beschreibung ist für sich genommen zwar nicht besonders unterscheidungskräftig, trifft indes auf den Beschuldigten in vollem Umfang zu und begründet in Verbindung mit dem Umstand, dass er Ehemann der Halterin des unfallverursachenden Kraftfahrzeuges ist und sich ausweislich seiner eigenen Angaben und der von seinem Verteidiger vorgelegten Teilnahmebescheinigung der Stadt … in der Nähe des Unfallortes aufhielt, einen dringenden Tatverdacht gegen ihn. Wer anderes als der Beschuldigte bei dieser Sachlage das Fahrzeug seiner Ehefrau geführt haben sollte, ist weder von ihm selbst vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Darüber hinaus besteht aber auch der dringende Verdacht gegen den Beschuldigten, sich tateinheitlich wegen eines Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar gemacht zu haben, da seine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 29 Abs. 1 FeV als diejenige des Inhabers einer in einem anderen Staat als einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilten Fahrerlaubnis nach der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland nur noch sechs Monate lang, mithin nur noch bis zum 20.06.2014, weiter gegolten hatte (vgl. zur Frage der Tatbestandsmäßigkeit eines solchen Sachverhaltes und der Verfassungsmäßigkeit seiner Strafbarkeit der zu der durch die FeV abgelösten Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IntVO) ergangenen Beschluss des BVerfG vom 16.09.2004 – 2 BvR 1603/04). Angesichts der bereits dargelegten näheren Umstände der Kontrolle des Beschuldigten am 17.08.2015 spricht alles dafür, dass dieser sich erst im Jahr 2015 um eine „Umschreibung“ seines Führerscheins bemüht hat.
Aus den gleichen Gründen sowie darüber hinaus in Anbetracht des Umstandes, dass ihm zu jenem Zeitpunkt die Fahrerlaubnis durch die angefochtenen Beschlüsse des Amtsgerichts bereits entzogen worden war, besteht gegen ihn auch der dringende Verdacht eines weiteren am 17.08.2015 begangenen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG (vgl. dazu das weitere gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren zum Aktenzeichen 565 Js 44481/15).
Allerdings ist die Beschlagnahme des Führerscheines gemäß § 111 a Abs. 6 StPO auf die Zeit bis zu der trotz einer entsprechenden Anordnung des Amtsrichters bislang offenkundig noch nicht erfolgten Anbringung eines „Sperrvermerkes“ auf demselben beschränkt. Das führt indes nicht zum Erfolg der Beschwerde (vgl. auch BGH, NJW 1999, 228 f.), sondern allein dazu, dass die Eintragung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Vollstreckungsbehörde nach der Verwerfung der Beschwerde nunmehr unverzüglich nachzuholen und der Führerschein danach wieder an den Beschuldigten herauszugeben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.