LG Dortmund – Az.: 36 KLs 28/19 – Urteil vom 14.02.2020
Der Angeklagte wird wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt.
Die in dem Zeitraum vom 21.05.2019 bis 04.06.2019 in Österreich erlittene Untersuchungshaft wird im Maßstab 1:1 angerechnet.
Die Einziehung des Wertes der Taterträge in Höhe von 362,56 Euro wird angeordnet.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewandte Vorschriften: §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 30a Abs.1 BtMG, 25 Abs. 2, 51, 52, 73c, StGB
Gründe
I.
Persönliche Verhältnisse der Angeklagten
Der Angeklagte wurde am 00.00.1989 als eines von insgesamt sieben Kindern in A1 (Libanon) als Zweitjüngster geboren (vier Brüder und zwei Schwestern). Er ist libanesischer Staatsangehöriger und verwendet diverse Alias-Namen, unter anderem „E1“. Die Eltern des Angeklagten leben im Libanon. Sein Vater handelt mit Fahrzeugen, seine Mutter ist Hausfrau. Ein älterer Bruder des Angeklagten lebt in L und arbeitet als selbständiger Autohändler. Drei weitere Geschwister leben in Österreich und in Italien.
Der Angeklagte besuchte die Schule im Libanon bis zur neunten Klasse. Nach seinem Schulabgang arbeitete der Angeklagte im Autohandel seines Vaters.
Im Jahr 2011 fasste der Angeklagte den Entschluss, den Libanon zu verlassen. Er reiste im Jahr 2012 über Frankreich nach Deutschland ein. Da er in den folgenden Jahren in Deutschland nicht Fuß fassen konnte, orientierte er sich 2015 nach Italien. In Italien wurde dem Angeklagten eine Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt, die ihm ermöglichte sich fortan frei im „Schengen-Raum“ zu bewegen. Der Angeklagte arbeitete in Italien in einer Werkstatt und in einem Café. Zuletzt war er in einem Restaurant beschäftigt.
Der Angeklagte ist bislang zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten:
Am 29.09.2014 verurteilte ihn das Amtsgericht Bonn (Az. 603 Ls 920 Js 828/13-51/14) wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung. Nach Ablauf der dreijährigen Bewährungszeit wurde die Strafe mit Wirkung vom 21.02.2018 erlassen.
Am 27.01.2017 wurde gegen den Angeklagten wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt ohne Aufenthaltstitel durch Strafbefehl des Amtsgerichts Passau (Az. 11 Cs 25 Js 548/17) eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10,00 Euro festgesetzt.
Der Angeklagte wurde am 21.05.2019 um 10:05 Uhr aufgrund des in dieser Sache ergangenen Haftbefehls des Amtsgerichts Dortmund vom 30.11.2018 (Az. 704 Gs 2261/18) in Mauer (Österreich) festgenommen und am Grenzübergang in Schärding am 00.06.2019 den deutschen Behörden übergeben. Seit 00.06.2019 befindet sich der Angeklagte aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Dortmund vom 30.11.2018 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt M1.
II.
Feststellungen zur Sache
Vorgeschichte und Ausgangspunkt des Verfahrens
Schon eine Weile vor dem hier zu Grunde liegenden Tatzeitraum hatte der gesondert verfolgte und inzwischen rechtskräftig verurteilte H1 die bis etwa Mitte 2017 von ihm geführte Gruppierung namens „D1“ aufgebaut, die in G einen schwunghaften Straßenhandel mit Kokain betrieb. Vor seinem Haftantritt, etwa Mitte des Jahres 2017, übergab der H1 die Leitung der „D1“-Gruppierung gegen Zahlung einer Ablösesumme, möglicherweise über einen Zwischenhändler, an den ebenfalls rechtskräftig verurteilten U1 alias U2.
Im Zuge von polizeilichen Ermittlungen gegen diese Gruppierung „D1“ gerieten unter anderem die gesondert verfolgten Q5, Q6 und der Angeklagte ins Visier der Ermittlungsbehörden.
Tatgeschehen im engeren Sinne
U1 war der Kopf und Weisungsgeber der Gruppierung „D1“, deren Mitglieder in G im Bereich P-Straße/E-Straße einen Handel mit Kokain betrieben. Zu der Gruppierung gehörten zum Tatzeitpunkt – neben U1 und dem Angeklagten (genannt „E1“) – jedenfalls Q1, Q2, Q3, Q4, Q5, Q6 und Q7 – genannt „A2“.
Die Gruppierung bestand aus unterschiedlichen Hierarchieebenen.
Der rechtskräftig verurteilte U1, der den Einsatz der Läufer und deren Bezahlung federführend koordinierte, bezog das Kokain jeweils in Mengen von 50 Gramm bei einem polizeilich nicht identifizierten Lieferanten. Anschließend portionierten D1 oder andere Mitglieder der Gruppierung das Kokain in Fünf-Gramm-Beuteln (sog. „Sandwich“, „Pflanze“), in denen sich wiederum 35 einzelne, verkaufsfertig abgepackte, farbig gekennzeichnete und unterschiedlich schwere Konsumeinheiten mit Kokain befanden. Bubbles, die 0,13 Gramm Kokain enthielten, waren grün verpackt und wurden für 9,00 oder 10,00 Euro durch Mitglieder der Gruppierung an Endkunden auf der Straße verkauft. Bubbles im Wert von 20,00 Euro waren gelb verpackt, während schwarz verpackte Bubbles circa ein Gramm Kokain enthielten. Ein Gramm Kokain hatte einen Verkaufswert von 50,00 Euro.
Unterhalb des Oberhaupts U1 bestand die Ebene der sogenannten „Vorarbeiter“, die den Einsatz der Läufer koordinierten, die Läufer mit Kokain versorgten und in Abstimmung mit U1 für deren Bezahlung zuständig waren. Auf der untersten hierarchischen Ebene waren die Läufer angesiedelt, die einen festen Arbeitslohn für die jeweils geleistete Schicht erhielten. Das Kokain wurde von den Läufern in unterschiedlichen Bubbles „aus dem Mund heraus verkauft“, um diese im Falle einer polizeilichen Kontrolle herunter schlucken zu können.
Der gesondert Verfolgte Q6 fungierte als Bunkerhalter für die Gruppierung. Er lagerte das Kokain in der aus Glaswolle bestehenden Dämmverkleidung eines Heizungsrohrs im Gemeinschaftskeller des von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses in der B-Straße 00 in G.
Der Angeklagte, der die Funktion eines Vorarbeiters hatte, erhielt 120,00 Euro pro Schicht. Die Aufgabe des Angeklagten, der das Kokain auch selbst auf der Straße verkaufte, bestand darin, das Kokain aus dem Versteck zu holen, an die jeweiligen Straßenverkäufer weiterzureichen und die von diesen eingenommenen Geldbeträge an U1 weiterzugeben. Er verfügte über einen Schlüssel zu dem, in dem Gemeinschaftskeller des gesondert verfolgten Q6, angelegten Versteck.
Der Angeklagte ist nicht im Besitz einer betäubungsmittelrechtlichen Erlaubnis.
Dem Angeklagten war bereits bei der ersten von der Kammer festgestellten Tat bewusst, dass der gesondert Verfolgte U1 der Kopf der Gruppierung war, Q6 als Bunkerhalter fungierte und auf Weisung des gesondert Verfolgten U1 mehrere Läufer für den Straßenverkauf eingesetzt wurden. Unter allen genannten Personen gab es das Selbstverständnis, dass sie alle zur Gruppe „D1“ gehörten.
Im Einzelnen konnte die Kammer folgende Taten feststellen, wobei nicht auszuschließen ist, dass das Kokain bei allen Taten aus einer zuvor von U1 bezogenen Gesamtmenge von 50 Gramm stammte, das im Keller des gesondert Verfolgten Q6 lagerte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ebenfalls nicht ausschließbar ist, dass die von dem Angeklagten aus dem Vorrat entnommenen Verkaufseinheiten, die Gegenstand der angeklagten Fälle 3 und 4) sind, zwischenzeitlich, jedenfalls teilweise, wieder zurückgelangt sind.
1.
Ziffer 1) der Anklageschrift (Fallakte 02.02 = vormaliges Verfahren 801 Js 448/18)
Am 00.00.2018 hielten sich von der Gruppierung „D1“ um den gesondert verfolgten U1 der Angeklagte und der gesondert verfolgte Q1 in der Zeit zwischen 15.00 Uhr und 16.52 Uhr auf dem Gehweg Ecke E-Straße/P-Straße in G auf, wobei um 15.15 Uhr der gesondert verfolgte Q7 hinzutrat. Im vorgenannten Zeitraum veräußerten sie insgesamt 4,18 Gramm Kokain brutto mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % an verschiedene Abnehmer, wobei die Verkäufe polizeilich beobachtet wurden.
Der gesondert verfolgte Q1 veräußerte in der Zeit von 15.25 Uhr bis 16.07 Uhr an vier Abnehmer Kokainbubbles, die er jeweils zuvor aus seinem Mund geholt hatte, nämlich um 15.25 Uhr an den gesondert verfolgten Z ein Bubble mit 0,21 Gramm Kokain brutto, um 15.48 Uhr an den gesondert verfolgten Z2 ein Bubble mit 0,9 Gramm Kokain brutto, um 16.00 Uhr an einen unbekannten männlichen Abnehmer ein Bubble mit mindestens 0,2 Gramm Kokain brutto und um 16.07 Uhr an einen weiteren männlichen Käufer einen Bubble mit mindestens 0,2 Gramm Kokain brutto.
Der Angeklagte veräußerte in der Zeit von 15.29 Uhr bis 16.03 Uhr auf dieselbe Art und Weise in vier weiteren Fällen Bubbles mit Kokain, und zwar um 15.29 Uhr an zwei männliche Personen ein Bubble mit mindestens 0,2 Gramm Kokain brutto, um 15.52 Uhr an die gesondert verfolgten Z3 und Z4 ein Bubble mit 0,22 Gramm Kokain brutto, um 15.58 Uhr an einen männlichen Abnehmer ein Bubble mit mindestens 0,2 Gramm Kokain brutto und um 16.03 Uhr an ein Pärchen mindestens einen Bubble mit mindestens 0,2 Gramm Kokain brutto.
Der gesondert verfolgte Q7 veräußerte in der Zeit von 16.35 Uhr bis 16.52 Uhr ebenfalls in vier Fällen Kokain an verschiedene Abnehmer, nämlich um 16.35 Uhr an den gesondert verfolgten D3 einen Bubble mit einem Gramm Kokain brutto sowie einen weiteren Bubble mit 0,23 Gramm Kokain brutto, um 16.37 Uhr an den gesondert verfolgten D4 einen Bubble mit 0,22 Gramm Kokain brutto, um 16.43 Uhr an einen männlichen Abnehmer einen Bubble mit mindestens 0,2 Gramm Kokain brutto und um 16.52 Uhr an eine weitere männliche Person, die zuvor als Beifahrer aus einem Pkw entstiegen war, erneut einen Bubble mit mindestens 0,2 Gramm Kokain brutto.
Gegen 15.47 Uhr übergab der Angeklagte und um 15.56 Uhr Q1 das zwischenzeitlich eingenommene Geld an den gesondert verfolgten Q3, der sodann jeweils die Lokalität „S1“, Ecke P-Straße/E-Straße betrat.
2.
Ziffer 2) der Anklageschrift (Vormaliges Verfahren 801 Js 439/18)
Am 00.00.2018 gegen 14:35 Uhr veräußerte der Angeklagte auf der P-Straße in G vor dem Haus Nr. 0 an den gesondert verfolgten Q8 einen Bubble Kokain mit 0,23 Gramm Kokain brutto und einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 %.
3.
Ziffer 3) der Anklageschrift (Telefonüberwachung vom 14.01.2018)
Am 00.00.2018 gegen 02:25 Uhr befand sich der Angeklagte im Besitz von einer Einheit von 5 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 %, verpackt in einem Beutel mit jeweils 35 Bubbles, den er aus einem von dem gesondert verfolgten Q5 angelegten Versteck hinter mehreren Holzstücken zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs geholt hatte.
4.
Ziffer 4) der Anklageschrift (Telefonüberwachung vom 17.01.2018)
Am 00.00.2018 gegen 00:26 Uhr befand sich der Angeklagte im Besitz von einer zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Menge von 35 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 %, verpackt in sieben Beuteln mit jeweils 35 Bubbles, die aus einem Vorrat von ursprünglich zehn Beuteln dieser Art und einem Gesamtgewicht von 50 Gramm Kokain netto stammten.
5.
Ziffer 5) der Anklageschrift (Vormaliges Verfahren 803 Js 559/18)
Am 00.00.2018 hielten sich von der Gruppierung „D1“ der Angeklagte und die gesondert verfolgten Q1 und Q4 in der Zeit zwischen 14.20 Uhr und 16.00 Uhr auf dem Gehweg vor dem Cafe S1 in der P-Straße 0 in G auf, wobei um 15.55 Uhr der gesondert verfolgte Q7 hinzutrat. Im vorgenannten Zeitraum, der polizeilich observiert wurde, veräußerten sie insgesamt 1,2 Gramm Kokain brutto mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % an verschiedene Abnehmer. Die Käufer wandten sich hierbei jeweils zunächst an den Angeklagten, der sie sodann an den gesondert verfolgten Q1 verwies und anschließend das von Q1 eingenommene Bargeld von diesem übernahm.
Q1 veräußerte in der Zeit von 14.25 Uhr bis 15.48 Uhr an sechs Abnehmer Kokainbubbles, die er jeweils zuvor aus seinem Mund geholt hatte, nämlich um 14.25 Uhr an eine unbekannte männliche Person ein Bubble mit mindestens 0,2 Gramm Kokain brutto, um 14.35 Uhr an zwei unbekannte männliche Personen zwei Bubbles mit jeweils mindestens 0,2 Gramm Kokain brutto, um 15.05 Uhr an den gesondert verfolgten D5 ein Bubble mit 0,2 Gramm Kokain brutto, um 15:18 Uhr an eine unbekannte weibliche Person ein Bubble mit mindestens 0,2 Gramm Kokain brutto und um 15.48 Uhr an den gesondert verfolgten D6 einen Bubble mit 0,2 Gramm Kokain brutto.
Gegen 15.55 Uhr verließ der gesondert verfolgte Q7 das Cafe S2 und begab sich zu dem Angeklagten, der ihm das aus den Kokainverkäufen stammende Bargeld übergab.
6.
Ziffer 6) der Anklageschrift (Fallakte 02.01 und TÜ vom 21.01.2018)
Am 00.00.2018 befand sich der Angeklagte im Besitz einer Menge von mindestens 19,818 Gramm Kokain netto, die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war:
14,818 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 87,2 % und einer Wirkstoffmenge von 12,9 Gramm Kokainhydrochlorid waren auf Anweisung des U1 von dem Angeklagten im Einverständnis des gesondert verfolgten Q6 im Waschkeller des von Q6 bewohnten Hauses P3-Straße 00 in G und versteckt worden, und zwar in der Dämmverkleidung eines dort an der Decke verlaufenden Heizungsrohres, tief in der darin befindlichen Glaswolle. Das Kokain, auf das der Angeklagte als Vorarbeiter der Gruppierung – wie in den anderen Fällen auch – zwecks Verteilung an die einzelnen Läufer ebenfalls Zugriff hatte, war in zahlreiche Bubbles abgepackt, die sich wiederum in drei grünlichen Verpackungstüten von annähernd demselben Gesamtgewicht befanden.
Am 00.00.2018 gegen 03.00 Uhr begab sich der rechtkräftig verurteilte U1 gemeinsam mit einem weiteren, bislang nicht ermittelten Mittäter, in den Waschkeller, um diesem zu zeigen, wo das am Folgetag von der Gruppierung zu verkaufende Kokain gebunkert war. Da U1 das versteckte Kokain zunächst nicht fand, ließ er sich von dem Angeklagten in einem zwischen 03.13 Uhr und 03.14 Uhr geführten Telefonat erklären, dass er tief in die silberne Ummantelung des Heizungsrohres zu greifen habe. Auch dort wurde U1 nicht fündig und brach die Suche ab.
Bei der am 00.00.2018 durchgeführten Durchsuchung des Waschkellers in der P3-Straße 00 an der von dem Angeklagten dem gesondert verfolgten U1 mitgeteilten Stelle das dort aufbewahrte Kokain sichergestellt werden.
Ebenfalls am 00.00.2018, und zwar gegen 08:44 Uhr, befand sich der Angeklagte im Besitz eines weiteren Beutels der vorgenannten Art, in dem sich 35 Bubbles Kokain mit einem Gesamtgewicht von 5 Gramm netto und einem Wirkstoffgehalt von 80 % befanden. Die Kokainbubbles aus diesem Beutel veräußerten der Angeklagte und die an diesem Tag tätigen Straßenverkäufer innerhalb der folgenden ein bis zwei Stunden an verschiedene Abnehmer.
III.
Beweiswürdigung
Die Feststellungen zur Person beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten, soweit die Kammer ihnen gefolgt ist.
Hinsichtlich der Vorverurteilungen hat die Kammer den Bundeszentralregisterauszug vom 24.06.2019 und auszugsweise die Feststellungen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 29.09.2014 (Az. 603 Ls 920 Js 828/13-51/14) in der Hauptverhandlung verlesen. Hinsichtlich seiner Festnahme und Überstellung nach Deutschland hat die Kammer eine E-Mail der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 31.05.2019 (Bl. 296 d.A.) sowie die Abschlussmeldung der Bundespolizei München vom 04.06.2019 (Bl. 297 d.A.) auszugsweise verlesen.
Die Feststellungen zur Vorgeschichte basieren auf den glaubhaften Angaben der Zeugen Kriminaloberkommissar T1 und T2, die übereinstimmende Angaben dazu gemacht haben, wie das bis 2017 von H1 betriebene Geschäft „D1“ an U1 – gegebenenfalls über einen Zwischenhändler – weitergegeben worden sei.
Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der geständigen Einlassung des Angeklagten, die die Kammer überprüft hat sowie auf den weiteren ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls erhobenen Beweisen.
Der Angeklagte hat sich zur Sache zunächst über eine von dem Verteidiger verlesene schriftliche Erklärung, die er sich zu Eigen gemacht hat, eingelassen. Hierzu hat er Rückfragen zugelassen und am selben Hauptverhandlungstag persönlich eine weitere, umfassendere Einlassung abgegeben und hierzu ebenfalls Rückfragen der Kammer beantwortet.
Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass die in der Anklageschrift vom 27.06.2019 dargestellten äußeren Geschehensabläufe zu den Betäubungsmittelgeschäften grundsätzlich zutreffend seien, wobei er zunächst die angeklagte Tat 4.) bestritten hat. Der rechtskräftig verurteilte U1, der Chef der Gruppierung gewesen sei, habe ihn angeworben. Er habe sowohl selbst Betäubungsmittel auf der Straße verkauft als auch andere Straßenverkäufer der Gruppierung mit Kokain versorgt und deren Einnahme eingesammelt. Das verkaufte Kokain habe U1, wie er von diesem gehört habe, in Einheiten von 50 Gramm angekauft.
Hinsichtlich der in der Anklageschrift aufgeführten Namen der Personen, die Mitglieder der Gruppierung gewesen sein sollen, hat er sich zunächst dahingehend eingelassen, dass diese Personen zwar dazu gehört hätten, er mit ihnen jedoch nichts zu tun gehabt habe. Im weiteren Verlauf der Einlassung hat er sich dahingehend eingelassen, dass die gesondert verfolgten Q1, Q7 und Q3 ebenfalls für den rechtskräftig verfolgten U1 Kokain auf der Straße an Endkunden verkauft hätten, was er zu Beginn jedoch nicht gewusst habe. Der gesondert verfolgte Q5 habe auf eigene Rechnung gearbeitet. Der gesondert verfolgte Q6 habe als Bunkerhalter fungiert, wobei er – also der Angeklagte – und U1 über einen Schlüssel zu dem Versteck im Gemeinschaftskellerraum des gesondert verfolgten Q6 verfügt hätten. Ob Q5 einen Schlüssel zu dem Versteck im Gemeinschaftskeller gehabt hat, wisse er nicht. Im weiteren Verlauf der Einlassung hat der Angeklagte eingeräumt, dass auch Q5 für die Gruppierung gearbeitet habe. Auf Nachfrage hat er geäußert, dass sie alle „D1“ gewesen seien und Kunden bei allen nach „D1“ gefragt hätten.
Bereits aufgrund der Einlassung des Angeklagten, sie alle (gemeint sind die von ihm benannten, festgestellten Personen) seien „D1“ gewesen, liegt ein Zusammenschluss von jedenfalls drei Personen mit dem Willen zur Bindung für die Zukunft und für eine gewisse Dauer vor. Dass es keine ausdrückliche Bandenabrede gegeben habe, wie der Angeklagte durch seinen Verteidiger erklären ließ, steht in tatsächlicher Hinsicht zu seiner umfassend geständigen Einlassung hinsichtlich der Strukturen der „D1-Gruppierung“, deren Arbeitsweise und seiner eigenen Rolle innerhalb der Gruppe im Widerspruch und ist daher von der Kammer als Schutzbehauptung gewertet worden.
Die Feststellungen zu den Strukturen und der Arbeitsweise der Gruppierung D1 basieren zudem insbesondere auf den glaubhaften Angaben der Zeugen Kriminaloberkommissar T1, T2, T3, Q2 und T2. Die Feststellungen zu der Rolle des Angeklagten innerhalb der Gruppierung fußen sowohl auf seiner eigenen Einlassung – „er sei oberhalb der Läufer, aber unter U1 gewesen“ – als auch auf der glaubhaften Aussage des Zeugen Kriminaloberkommissar T1, wonach der Angeklagte der Ebene eines Vorarbeiters zuzuordnen gewesen sei.
Die Zeugin T2, die Beisitzerin in dem gegen U1 gerichteten Strafverfahren vor der 35. großen Strafkammer des Landgerichts Dortmund gewesen ist, hat bekundet, dass U1 sich dahingehend eingelassen habe, circa alle zwei Wochen 50 Gramm Kokain bei einem palästinensischen Lieferanten gekauft zu haben.
Die Kammer hat Lichtbilder von Personen, die nach den getroffenen Feststellungen Mitglieder der Gruppierung gewesen sind, in Augenschein genommen (FA 02.01, X1 Sonderband Vernehmung T2, Bl. 5, 10, 15, 20, 25, 30, 35, 40, 46 und 47). Die Zeugen Q2 und T2 haben unter Vorhalt der Lichtbilder die gesondert verfolgten bzw. rechtskräftig verurteilten Q6, U1, Q7 sowie diverse andere Personen unter Benennung von Alias- bzw. Spitznamen nachvollziehbar der Gruppierung D1 zuordnen können. Dass beide Zeugen angegeben haben, den Angeklagten nicht zu kennen, steht angesichts des der Verurteilung zugrunde liegenden kurzen Tatzeitraums, nicht im Widerspruch zu den von der Kammer getroffenen Feststellungen.
Die von der Kammer getroffenen Feststellungen zu der Arbeitsweise und der Zusammensetzung der Gruppierung D1 werden zudem gestützt durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Protokolle der Telefonüberwachung betreffend die zwischen U1, dem Angeklagten und anderen Mitgliedern der Gruppierung geführten Telefongespräche (FA 02.01, Bl. 24, 28, 45, 47, 75, 81, 100, 102 und 104).
Die konkreten Feststellungen zu den einzelnen Taten beruhen zum einen auf der Einlassung des Angeklagten, wonach die in der Anklageschrift aufgeführten Geschehensabläufe grundsätzlich zutreffend seien.
Hinsichtlich der unter II.1) getroffenen Feststellungen hat die Kammer das Geständnis des Angeklagten überprüft, indem sie die Strafanzeige zu dem polizeilichen Aktenzeichen (AZ01) (FA 02.02, Bl. 18-28, 30) sowie den Vermerk des Kriminalhauptkommissars T4 (FA 02.02, Bl. 77) in der Hauptverhandlung verlesen hat.
Die Tatsache, dass der Angeklagte die Betäubungsmittelgeschäfte am 00.00.2018 im zeitlichen und räumlichen Kontext zusammen mit den gesondert verfolgten Q1 und Q7 vorgenommen und dem gesondert verfolgten Q3 das eingenommene Geld übergeben hat, lässt aus Sicht der Kammer den Schluss zu, dass der Angeklagte spätestens ab dem Zeitpunkt Kenntnis von der konkreten Gruppenhierarchie und der Beteiligung weiterer Personen – neben U1 und Q6 – gehabt hat.
Die konkreten Feststellungen der Kammer unter II.2) beruhen sowohl auf der geständigen Einlassung des Angeklagten als auch auf der in der Hauptverhandlung verlesenen Strafanzeige (FA 02.02, Bl. 83-84).
Der Angeklagte hat sich vor dem Hintergrund des in der Hauptverhandlung verlesenen Protokolls der Telefonüberwachung vom 14.01.2018 (Gespräch vom 14.01.2018, 02:25:20 bis 02:28:34 Uhr, FA 02.01 zur TA 014, Bl. 289-290) eingelassen, über den Besitz des Schlüssels zum Versteck die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf die Drogen in dem Versteck bei Q6 gehabt zu haben. Soweit in dem verlesenen Gesprächsprotokoll die Rede davon war, dass er „eins entnommen habe“, sei damit – so der Angeklagte – eine Tüte, also fünf Gramm Kokain, bestehend aus 35 Bubbles, gemeint gewesen.
Nachdem der Angeklagte den Fall 4) der Anklageschrift zunächst bestritten hatte, hat er später – im weiteren Verlauf der Einlassung – angegeben, dass er drei Päckchen selbst im Keller gebunkert habe. Hinter dem Holz seien zehn „Pflanzen“ versteckt gewesen, wovon er drei genommen habe. Die Kammer ist vor dem Hintergrund seiner weiteren Einlassung, wobei er – nach erneutem Vorhalt des Protokolls der Telefonüberwachung vom 17.01.2018 (Gespräch vom 17.01.2018, 00:26:34 bis 00:31:01 Uhr, FA 02.01 zur TA 014, Bl. 302-303) – auch eingeräumt hat, dass es in dem Gespräch vom 17.01.2018 um sieben „Pflanzen“ gegangen sein könne, davon überzeugt, dass sich der Angeklagte an dem Tag im Besitz von 35 Gramm Kokain befunden hat.
Die von der Kammer getroffenen Feststellungen unter II. 5) basieren auf dem Geständnis des Angeklagten sowie auf der auszugsweise verlesenen Strafanzeige vom 20.01.2018 (Hauptakte, Band 1, Bl. 186-192, Spitzklammern).
Die unter II.6) getroffenen Feststellungen zu der Tat am 00.00.2018 fußen auf dem Geständnis des Angeklagten, den in der Hauptverhandlung verlesenen Protokollen der Telefonüberwachung vom 21.01.2018 (Gespräch vom 21.01.2018, 03:13:08 bis 03:14:15 Uhr, HA, Band 1, Bl. 74, Gespräch vom 21.01.2018, 08:44:46 bis 08:46:50 Uhr, FA 02.01 zur TA 014 Bl. 309-310), dem in der Hauptverhandlung durch Verlesen eingeführten polizeilichen Vermerk vom 22.01.2018 (FA 01.02 500 Js 322/18, Bl. 10) sowie den in Augenschein genommenen Lichtbildern des Kellers (FA 01.02 500 Js 322/18, Bl. 14 ff).
Die Feststellungen zu dem Wirkstoffgehalt hinsichtlich des am 22.01.2018 sichergestellten Kokains beruhen auf der Untersuchung des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen vom 04.04.2018, welche die Kammer durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt hat.
Soweit die Betäubungsmittel, mit denen der Angeklagte Handel getrieben hat, nicht sichergestellt werden konnten, hat die regelmäßig mit Betäubungsmittelstrafsachen befasste Kammer den Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % Kokainhydrochlorid aufgrund bestehender Erfahrungswerte zu Gunsten des Angeklagten geschätzt. Das im Straßenverkauf in G gehandelte Kokain weist Wirkstoffgehalte deutlich jenseits der 80 %, häufig jenseits der 90 % auf. Als Schätzgrundlage hat die Kammer auch berücksichtigt, dass am 22.01.2018 im Rahmen der Durchsuchung in dem Waschkeller des von Q6 bewohnten Mehrfamilienhauses eine Menge von 14,818 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 87,2 % sichergestellt wurde, das der Gruppierung zuzurechnen ist.
IV.
Rechtliche Würdigung
Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 30 Abs.1 Nr.1, 30a Abs.1, 52 BtMG strafbar gemacht.
Der Angeklagte hat als Mitglied einer Bande gehandelt. Es liegt eine Bandenabrede vor, weil der Angeklagte jedenfalls konkludent mit U1 vereinbart hat, sich in die bereits bestehende Gruppierung, durch die arbeitsteilig der Umsatz von Kokain in G zu Gewinnzwecken erzielt wurde, einzugliedern. Dem Angeklagten, dem innerhalb der Gruppierung die Rolle eines Vorarbeiters unterhalb des Chefs und Weisungsgebers, U1, zukam, wusste spätestens ab 05.01.2018 auch, dass U1 verschiedene Läufer, die der Angeklagte namentlich kannte sowie einen Bunkerhalter – Q6 – beschäftigte.
Der Angeklagte ist Täter des Handeltreibens. Er hatte Tatherrschaft, denn er konnte mittels eines Schlüssels jederzeitigen Zugriff auf das Kokain, das sich im Keller des gesondert verfolgten Q6 befand, ausüben. Seine Tatherrschaft kommt ferner durch seine – gegenüber den Läufern der Gruppierung – vorhandene herausgehobene Stellung als Vorabeiter zum Tragen. Zudem erhielt der Angeklagte einen festen Arbeitslohn pro Schicht und handelte damit auch eigennützig.
Die im Einzelnen unter II. 1. bis 6. festgestellten Taten stellen sich entsprechend dem von der Kammer am 30.01.2020 erteilten Hinweis materiell-rechtlich als eine Tat des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dar. Die grundsätzlich rechtlich selbständigen, dem Angeklagten gemäß den Feststellungen der Kammer zuzurechnenden Betäubungsmittelgeschäfte vom 05.01., 09.01., 14.01., 17.01., 20.01. und 21.01.2020 sind zu einer Tat miteinander verknüpft, weil zugunsten des Angeklagten festzustellen ist, dass die jeweiligen Mengen aus einer zuvor von dem rechtskräftig verurteilten U1 erworbenen und zum Verkauf durch die Mitglieder der Gruppierung D1 bestimmten Gesamtmenge von 50 Gramm Kokain stammten. Dadurch werden die dem Angeklagten zuzurechnenden Handelsmengen miteinander verknüpft. Denn der Handel mit Betäubungsmitteln verbindet im Rahmen eines und desselben Güterumsatzes die aufeinanderfolgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (BGH Beschluss vom 16.04.1996, Az. 4 StR 80/96; Fischer, 66. Auflage, 2019, Vor § 52, Rn. 13, 17). Das gilt insbesondere dann, wenn – wie es hier jedenfalls nicht auszuschließen ist – mehrere Einzelverkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren (vgl. BGH Beschluss vom 05.03.2002, Az. 3 StR 491/01).
Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht die nicht geringe Menge bei Kokain der Wirkstoffmenge von 5 Gramm Kokainhydrochlorid. Zugrunde zu legen ist hier die im Gemeinschaftskeller des gesondert verfolgten Q6 sichergestellte Menge von 14,818 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 87,2 % (= Wirkstoffmenge von 12,9 Gramm Kokainhydrochlorid) sowie 35,182 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % (= Wirkstoffmenge von 28,14 Gramm Kokainhydrochlorid). Daher ist die nicht geringe Menge hier bei einer Gesamtwirkstoffmenge von 41,04 Gramm um das 8-fache überschritten. Entscheidend und insofern nicht im Widerspruch zu der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Beschluss des BGH vom 05.03.2002, Az. 3 StR 491/01) ist, dass bei den einzelnen angeklagten Taten zu Ziffern 3., 4. und 6. jeweils bereits die nicht geringe Menge bezogen auf das gehandelte Kokain überschritten war und dieser Grenzwert nicht erst infolge der von der Kammer angenommenen Bildung einer Bewertungseinheit erreicht worden ist.
V.
Strafzumessung
Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Für das bandenmäßige Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sieht das Gesetz Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren vor (§ 30a Abs. 1 BtMG). In minder schweren Fällen beträgt der Strafrahmen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (§ 30a Abs. 3 BtMG).
Die Kammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falls mit der daraus resultierenden Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG geprüft und nach der gebotenen Abwägung bejaht.
Von einem minder schweren Fall ist auszugehen, wenn nach der tatrichterlichen Beurteilung aufgrund der Strafzumessungskriterien im engeren Sinne und der Gesamtabwägung von Tat- und Täterpersönlichkeit die strafmildernden Umstände die strafschärfenden derart überwiegen, dass das Tatbild vom Durchschnitt der vom Gesetzgeber bei der Bestimmung des Regelstrafrahmens bedachten Fälle in einer Weise nach unten abweicht, als die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Fall als minder schwerer einzustufen ist, muss eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, die für die Wertung von Tat und Täter bedeutsam sein können, angestellt werden.
Die Kammer hat sich bei dieser Abwägung von folgenden, für und wider den Angeklagten sprechenden Umständen leiten lassen:
Zu Gunsten des Angeklagten ist zunächst zu berücksichtigen, dass er sich geständig eingelassen und somit die Hauptverhandlung einfacher und kürzer gestaltet hat. Des Weiteren ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass das am 05.01.2018, am 09.01.2018, am 20.01.2018 und am 22.01.2018 sichergestellte Kokain nicht in den Verkauf gelangt ist und (mit Ausnahme des am 22.01.2018 sichergestellten Kokains) wegen der polizeilichen Beobachtung auch nicht die Gefahr bestand, dass es in den Verkauf gelangen würde. Zudem wirkt sich der kurze Tatzeitraum von 16 Tage positiv aus. Zu seinen Gunsten ist ferner zu berücksichtigen, dass er als Erstverbüßer einer Freiheitsstrafe besonders haftempfindlich ist.
Zu Lasten des Angeklagten ist indes die gehandelte Menge von jedenfalls 50 Gramm Kokain (8-fache Überschreitung der nicht geringen Menge) zu berücksichtigen. Dabei gehört Kokain mit Blick auf die gesundheitlichen und sozialen Folgen des Konsums zu den gefährlicheren Rauschgiften. Ferner fiel negativ ins Gewicht, dass der Angeklagte als Jugendlicher einschlägig vorbestraft ist sowie seine exponierte Stellung als „Vorarbeiter“ innerhalb der Gruppierung D1.
Nach Abwägung aller für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände überwiegen zur Überzeugung der Kammer die strafmildernden die strafschärfenden noch in einer Weise, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 30a Abs.3 BtMG geboten erscheint.
Innerhalb des so anwendbaren Strafrahmens hat die Kammer nach nochmaliger Abwägung sämtlicher für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten erkannt, die sie für tat- und schuldangemessen erachtet.
VI.
Einziehung
Der aus dem Tenor ersichtliche Geldbetrag unterliegt als Wert des Tatertrags der Einziehung gemäß §§ 73, 73c StGB. Hiernach ordnet das Gericht, wenn der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat etwas erlangt hat, dessen Einziehung an. Bei mehreren Beteiligten kann gegen jeden einzelnen von ihnen grundsätzlich nur eingezogen werden, was der jeweilige Beteiligte selbst tatsächlich erlangt hat (Fischer, 66. Auflage, 2019, § 73, Rn. 29).
Nach den vorstehenden Feststellungen hat der Angeklagte durch die Tat insgesamt 362,56 EUR aus den Kokainverkäufen erlangt. Dabei hat die Kammer zugrunde gelegt, dass der Angeklagte bei der festgestellten Tat II.1) insgesamt 0,82 g Kokain, bei der festgestellten Tat II.2) 0,23 Gramm Kokain, bei der festgestellten Tat II.5) 1,2 Gramm Kokain und bei der festgestellten Tat II.6) 5 Gramm Kokain zum Preis von jeweils mindestens 50 Euro pro Gramm verkauft hat.
VII.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 465 StPO.