LG Frankenthal – Az.: 3 KLs 5171 Js 112/18 – Urteil vom 05.02.2020
1. Der Angeklagte ist schuldig des gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tatmehrheit mit gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall.
2. Unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Göttingen vom 30.07.2018 (Az. 62 Js 14766/18), vom 28.12.2018 (Az. 27 Js 41075/17) – unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 13.03.2019 (Az. 27 Js 41075/17) – und des Urteils des Amtsgerichts Duderstadt vom 19.03.2019 (Az. 44 Js 16764/18) wird der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt.
3. Die erlittene Auslieferungshaft wird im Verhältnis 1 : 1 angerechnet.
4. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.
5. Als Tatmittel werden eingezogen:
PKW Mercedes Benz CLS, FIN …
1 Paar Gartenhandschuhe
1 Spachtel
1. 2 Meisel
1 Damenstrumpf mit Sehschlitzen
Der Wert des Taterlangten in Höhe von 9.804,84 € wird eingezogen. Insoweit haftet der Angeklagte als Gesamtschuldner mit den derzeit unbekannten Mittätern.
Angewendete Strafvorschriften:
§§ 242, 243 Absatz 1 Nr. 1, 249, 250 Absatz 1 Nr. 1b, 22, 23, 53, 54, 73 ff, 74 StGB
Gründe
I.
Der heute 38jährige Angeklagte wurde in … geboren und wuchs in … auf. Nach dem Besuch der Grundschule, wechselte er auf die Hauptschule, die er nach der 7. Klasse mit einem Abgangszeugnis verließ. Anschließend war er als Produktionshelfer und auf Baustellen tätig. Eine Ausbildung hat der Angeklagte mangels Schulabschluss und Angst vor den schulischen Anforderungen nie begonnen. In der Folgezeit war der Angeklagte meist über Personalleasingfirmen als Verpacker, Möbelpacker und Zusteller tätig, wobei es immer wieder zu kurzzeitigen Phasen der Arbeitslosigkeit kam. Etwa sieben Jahre lang war der Angeklagte für die Firma seines Schwagers als Maler und Möbelaufbauer tätig, bevor die Firma 2017 oder 2018 ihre Tätigkeiten einstellte. Zuletzt bezog der Angeklagte Arbeitslosengeld II, knapp 400 Euro monatlich, wobei das Sozialamt auch die Mietkosten seiner Wohnung übernahm.
In seiner Jugend kam der Angeklagte in Kontakt mit Cannabis, das er in der Folge regelmäßig rauchte. Mit 23 oder 24 Jahren begann der Angeklagte auch härtere Drogen, wie Kokain und Heroin zu sich zu nehmen, wobei er diese nach eigenen Angaben niemals intravenös konsumierte. Alkohol war für den Angeklagten nie ein Problem. 2007 schloss der Angeklagte eine sechsmonatige stationäre Therapie zur Bekämpfung seiner Drogensucht erfolgreich ab. Nach einem kurzzeitigen Rückfall 2009 lebte der Angeklagte die nächsten 8 Jahre betäubungsmittelfrei. 2018 zerbrach nach 19 gemeinsamen Jahren die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin. Das Paar hat drei gemeinsame Kinder im Alter von 20, 15 und 10 Jahren. Die Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, leben bei der Kindsmutter. Aufgrund der Trennung erlitt der Angeklagte einen weiteren Rückfall und konsumierte über einen Zeitraum von 6 bis 7 Wochen erneut Cannabis, aber auch Kokain und Heroin. Nach eigenen Angaben gelang es dem Angeklagten aus eigenem Antrieb und ohne fremde Hilfe den Konsum wieder einzustellen. Zu dieser Zeit lernte der Angeklagte über die Internetplattform … seine Ehefrau kennen, die er am 30.11.2018 heiratete. Das Paar lebte zuletzt in … in der …. Dort hatte der Angeklagte ein Kleingewerbe für Malerarbeiten angemeldet. Seine Ehefrau ist nicht berufstätig und lebt von Sozialleistungen
Der Angeklagte wurde bereits am 20.04.2019 in der … festgenommen. Die Festnahme erfolgte jedoch aufgrund einer nationalen Angelegenheit, so dass er sich zunächst bis zum 30.08.2019 in nationaler Haft für die … befand. Erst ab dem 31.08.2019 befand sich der Angeklagte aufgrund des hiesigen Haftbefehls des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 19.03.2019 (Az. 4a Gs 56/19) in Auslieferungshaft. Am 02.09.2019 erfolgte sodann die Auslieferung an die deutschen Behörden. Der Angeklagte befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft, zuletzt in der Justizvollzugsanstalt Frankenthal (Pfalz).
Der Angeklagte ist strafrechtlich in Erscheinung getreten wie folgt:
1. Am 21.08.1996 stellte die Staatsanwaltschaft Braunschweig ein Verfahren wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung nach § 45 Absatz 2 JGG ein.
2. Am 17.10.1997 legte das Amtsgericht Göttingen dem Angeklagten wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache die Erbringung von Arbeitsleistungen auf.
3. Eine weitere Verfahrenseinstellung nach § 45 Absatz 2 JGG erfolgte am 15.01.1999 wegen Diebstahls.
4. Am 02.07.1999 verurteilte das Amtsgericht Göttingen den Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen, davon in einem Fall geringwertiger Sachen, Hehlerei, Körperverletzung in vier Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich begangen mit einer Bedrohung, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in einem weiteren Fall mit gefährlicher Körperverletzung sowie Bedrohung und Beleidigung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten zu einer Jugendstrafe von 6 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung wurde in der Folge widerrufen.
5. Am 15.12.1999 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Göttingen wegen gemeinschaftlichen schweren Diebstahls in 2 Fällen, eines weiteren gemeinschaftlichen Diebstahls und des Diebstahls, sowie der Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung, des Hausfriedensbruch und in Tatmehrheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen unter Einbeziehung des vorgenannten Urteils zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren verurteilt.
6. Das Amtsgericht Göttingen verurteilte den Angeklagten am 01.04.2004 wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten.
7. Am 24.08.2004 verurteilte das Amtsgericht Göttingen den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in Tatmehrheit mit Verkehrsunfallflucht in Tatmehrheit mit gemeinschaftlich begangenen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 3 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
8. Mit Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 09.12.2004 wurden die beiden vorgenannten Urteile zu einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, zusammengefasst. Die Bewährung wurde widerrufen.
9. Am 14.06.2006 verurteilte das Amtsgericht Northeim den Angeklagten wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten auf Bewährung. Die Strafaussetzung wurde widerrufen.
10. Am 30.10.2007 verurteilte das Amtsgericht Sinsheim den Angeklagten wegen Urkundenfälschung und vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr durch andere berauschende Mittel in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten und verhängte eine Sperre für die Fahrerlaubnis bis 15.07.2009.
11. Am 15.01.2008 verhängte das Amtsgericht Göttingen in einem Verfahren wegen Hausfriedensbruch eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten.
12. Das Amtsgericht Göttingen verurteilte den Angeklagten am 26.08.2008 wegen Wohnungseinbruchsdiebstahl in 3 Fällen sowie Diebstahl in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren.
13. Durch Beschluss vom 11.02.2009 bildete das Amtsgericht Sinsheim aus den Urteilen Nr. 10 und Nr. 11 nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten 2 Wochen und hielt die Sperrfrist für die Fahrerlaubnis bis 15.07.2009 aufrecht.
14. Am 25.10.2011 verhängte das Amtsgericht Duisburg gegen den Angeklagten wegen Betruges eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20 Euro.
15. Am 05.07.2012 verurteilte das Amtsgericht Moers den Angeklagten wegen Diebstahl in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
16. Das Amtsgericht Landau (Pfalz) verhängte am 05.03.2015 wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in Tatmehrheit mit Diebstahl unter Einbeziehung des Urteils vom 05.07.2012 eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung und ordnete die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an. Die Bewährungszeit wurde auf 5 Jahre festgelegt.
17. Am 23.06.2016 verhängte das Amtsgericht Göttingen gegen den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro.
18. Das Amtsgericht Göttingen verurteilte den Angeklagten am 30.07.2018 erneut wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 15 Euro. Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
„Am 26.02.2018 gegen 18:35 Uhr befuhr der Angeklagte mit dem VW Transporter mit dem Kurzzeitkennzeichen … unter anderem die … – … – … in …, wobei er unter dem Einfluss von Morphin stand. Der Angeklagte war sich darüber im Klaren, die zum Führen des Fahrzeugs benötigte Erlaubnis der Verwaltungsbehörde nicht inne zu haben. Aufgrund eines Streites mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin hatte der Angeklagte zuvor Drogen und Alkohol zu sich genommen, weswegen es zu der Fahrt mit dem Kraftfahrzeug kam. Der Angeklagte wollte wegen des Streites seinen Onkel besuchen.“
19. Am 28.12.2018 verurteilte das Amtsgericht Göttingen den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Gebrauch eines unversicherten Kraftfahrzeuges in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten auf Bewährung und verhängte eine Sperre für die Fahrerlaubnis bis zum 29.07.2020.
Dem Urteil lagen folgende Feststellungen zugrunde:
„1. Am 09.10.2017 führten Sie den Kleintransporter … auf der … in …, ohne in Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein.
2. Am 26.02.2018 führten Sie den VW-Transporter, FIN-Nr.: … mit dem abgelaufenen Kurzzeitkennzeichen … in der … in …, obwohl Sie wussten, dass Sie nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sind und das Fahrzeug nicht haftpflichtversichert war.
3. Am 01.03.2018 führten Sie den PKW, amtliches Kennzeichen …, auf der … in …, ohne in Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein.
4. Am 15.03.2018 führten Sie den LKW, amtliches Kennzeichen …, auf der .. in …, ohne in Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein.“
20. Mit Beschluss vom 13.03.2019 bildete das Amtsgericht Göttingen aus den beiden vorgenannten Urteilen eine nachträgliche Gesamtstrafe von 9 Monaten, deren Vollstreckung auf Bewährung ausgesetzt wurde unter Aufrechterhaltung der Sperre für die Fahrerlaubnis bis zum 29.07.2020.
21. Zuletzt verurteilte das Amtsgericht Duderstadt den Angeklagten am 19.03.2019 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro. Das Urteil enthält folgende Feststellungen:
„Obwohl den Angeschuldigten bekannt war, dass das Alt- und Buntmetall in Form von 18 defekten Computern, 3 Küchenspühlen aus Metall und diversen Kupferkabelabschnitten, welches der Geschädigte … vor seinem Wohnhaus in …, … …, abgestellt hatte, im Eigentum des Geschädigten stand, luden die Angeschuldigten das Alt- und Buntmetall im Gesamtwert von 200,00 Euro in ihren mitgeführten Transporter, um die Gegenstände für eigene Zwecke zu verwerten.“
II.
1.
Mit dem auf seinen Sohn … zugelassenen, aber im Eigentum des Angeklagten stehenden PKW Mercedes Benz, Modell CLS, amtliches Kennzeichen …, fuhr der Angeklagte zusammen mit drei weiteren, unbekannten Mittätern am 22.12.2017 nach …. Zuvor hatten sie am Vorabend, den 21.12.2017, gegen 18 Uhr auf einem Parkplatz in der … in … von einem dort abgestellten Fahrzeug der Stadtverwaltung … der Marke Opel Movano die amtlichen Kennzeichen … entwendet und mit Kabelbindern über den zum Fahrzeug des Angeklagten gehörenden Kennzeichen angebracht, um eine Identifizierung zu verhindern. Der Angeklagte und die drei Mittäter warteten, bis kurz vor 20:00 Uhr die letzten Kunden des in der … befindlichen Discounter „…“ die Geschäftsräume verließen und die Mitarbeiter begannen, die Einkaufswägen für die Nacht in den Verkaufsraum zu schieben. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend betraten der Angeklagte und die drei unbekannten Mittäter, die alle ihre Gesichter mit schwarzen Vermummungsmaterial verdeckt hatten, sodann durch den Haupteingang die Ladenräume des Discounters. Als der Filialleiter, der Zeuge …, und der letzte Kunde, der Zeuge …, sodann versuchten, den Tätern den Zugang zu den Geschäftsräumen zu verwehren bzw. die Ladensräume selbst zu verlassen, drängten der Angeklagte und die drei Mittäter unter Vorhalt einer optisch als echt Pistole wahrgenommenen, schwarzen Scheinwaffe und dem Ausruf „Überfall“ beide Männer zurück in den Verkaufsraum des Treffs 3000. Bei dem hierbei entstandenen Handgemenge erlitt der Zeuge … einen kleinen, blutenden Kratzer am Kinn. Die Mitarbeiterinnen … und … ergriffen, nachdem sie die Gefahr erkannten, die Flucht. Während es der Zeugin … gelang über einen Nebenausgang das Gebäude zu verlassen und zu einem benachbarten Wohnhaus zu fliehen, wurde die Zeugin … von einem der vier Täter verfolgt und eingeholt. Unter Vorhalt der Pistole zwangen die Täter die Zeugen …, … und … mit ihnen zu den Lagerräumen zu gehen, wo sich in einem kleinen Büro der verschlossene Tresor mit den Tageseinnahmen befand. Während sich die Zeugen … und … auf den Boden setzen mussten, forderten der Angeklagte und die drei Mittäter den Zeugen … auf, den verschlossenen Tresor zu öffnen, was dieser unter dem Eindruck der vorgehaltenen Waffe und der Drohungen auch tat. Die Täter nahmen das dort befindliche Bargeld in Höhe von 9.804,84 Euro an sich, um es für sich zu behalten. Anschließend forderten sie von den Zeugen ihre Mobiltelefone und rissen ein Telefon heraus. Die Zeugin … und der Zeuge … mussten sich auf den Bauch legen, so dass die Täter ihnen die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken fesseln konnten. Der Zeuge … musste den Tätern noch einmal den Haupteingang aufschließen und anschließend ins Lager zurückkehren. Der Angeklagte und die drei unbekannten Mittäter flohen anschließend mit dem oben genannten Pkw Mercedes Benz vom Tatort.
Auf der Flucht kam es auf der Bundesautobahn …, Anschlussstelle … zu einem alleinverschuldeten Unfall, wobei die linke Seite des Fahrzeugs und der hintere linke Reifen schwer beschädigt wurden. Der Angeklagte und seine Mittäter entschieden sich daraufhin, den vermutlich nahezu fahruntauglichen Pkw auf einem Abstellplatz im Bereich …/… in … abzustellen und anderweitig zu fliehen. Im dortigen … entsorgten sie sodann sowohl die mitgenommenen Mobiltelefone der Zeugen … und …, als auch die zuvor entwendeten Kennzeichen der Stadtverwaltung ….
Die Zeugin … konnte derweilen schnell ihre Fesseln lösen und auch die anderen Zeugen befreien. Wenige Minuten später erschien bereits die durch die Zeugin … in der Zwischenzeit verständigte Polizei. Mit Hilfe des Zeugen … konnte das nach wie vor angeschalteten Handy des Zeugen … geortet und die Gegenstände sowie das Fluchtfahrzeug noch in derselben Nacht sichergestellt werden.
2.
Am Morgen des 27.01.2018 gegen 6:00 Uhr wollte der Angeklagte gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter in die Gaststätte „…“, … in … einbrechen, um aus den Geschäftsräumen dort vermutetes Bargeld und andere wertvolle Gegenstände zu entwenden und für sich zu behalten. Der zur Gaststätte gehörende Biergarten war von einer kleinen Mauer und einem darauf errichteten Eisengitterzaun umgeben und zu dieser Zeit verschlossen. Um auf das Gelände gelangen zu können, bog der Angeklagte auf nicht näher bekannte Weise, vermutlich aber durch bloßen Kraftaufwand mit den Händen, zwei Eisenstangen des Zauns auseinander und stieg durch die hierdurch entstandene Öffnung. Der unbekannt gebliebene Mittäter blieb derweilen außerhalb des Grundstücks und stand Wache. Der Angeklagte versuchte dann mit Hilfe von mitgebrachten Aufbrechwerkzeug die verschlossene Terrassentür der Gaststätte aufzuhebeln. Als sich die von einem Anwohner verständigten Polizeibeamten dem Tatort näherten, gelang dem Mittäter die Flucht. Der Angeklagte, der keine Möglichkeit sah das Grundstück unbemerkt zu verlassen, warf seine Handschuhe weg und legte sich auf den Steinboden. Gegenüber den eintreffenden Beamten gab er vor, auf dem Grundstück geschlafen zu haben. Er ließ sich widerstandslos festnehmen. Ein nennenswerter Schaden ist nicht entstanden.
III.
1. Die Feststellungen zur Person beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten, auf den Feststellungen aus den verlesenen Urteilen des Amtsgerichts Göttingen vom 30.07.2018 (Az. 62 Js 14766/18), vom 28.12.2018 (Az. 27 Js 41075/17) und des Amtsgerichts Duderstadt vom 19.03.2019 (Az. 44 Js 16764/18), sowie auf der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 24.09.2019.
2. Der unter II. festgestellte Sachverhalt steht fest aufgrund der glaubhaften Angaben der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen sowie der sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergebenden Beweismittel.
a) Tatvorwurf 1 (Tat vom 22.12.2017, vgl. II.1.)
Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, nichts mit der Sache zu tun gehabt zu haben. Im Übrigen verteidigte er sich schweigend.
Die Kammer sieht es jedoch nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung als erwiesen an, dass der Angeklagte den unter II.1. beschriebenen Überfall auf den Supermarkt … mit drei nicht näher bekannten Mittätern durchführte. Die hierzu getroffenen Feststellungen beruhen auch den Angaben der Zeugen …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, und … sowie den in Augenschein genommenen Lichtbildern.
Die Schuld des Angeklagten steht dabei ohne jeden vernünftigen Zweifel aufgrund des Zusammenspiels der vielen, den Angeklagten in der Gesamtschau erheblich belastenden Indizien fest, insbesondere der Identifizierung des Fahrzeugs des Angeklagten als Tatfahrzeug und seinen eigenen Angaben gegenüber … im Rahmen seiner Diebstahlsanzeige vom 01.01.2018.
aa) Tathergang
Der Tathergang hat sich zur Überzeugung der Kammer aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugen …, …, …, …, und … wie unter II. 1. dargestellt zugetragen. Eindrücklich und inhaltlich kongruierend schilderten die Zeugen …, …, …, und …, dass mehrere schwarz maskierte Täter kurz vor 20 Uhr, als die Mitarbeiter gerade den Discounter schließen wollten, durch den Haupteingang in den Verkaufsraum eingedrungen seien und „Überfall“ gerufen hätten. Zunächst hätten der Filialleiter, der Zeuge …, und der Zeuge …, der der letzte Kunde an diesem Abend gewesen sei, noch versucht, die Täter wieder nach draußen zu schieben bzw. selbst den Verkaufsraum zu verlassen. Die Täter, die in der Überzahl gewesen seien, hätten sie jedoch wieder zurückgedrängt und hierbei auch eine schwarze Pistole vorgezeigt. Die Zeugin … habe nach Erkennen der Gefahr ihrer Kollegin, der Zeugin …, zugerufen, dass sie wegrennen solle. Während es jedoch der Zeugin … gelungen sei, über einen Nebeneingang das Gebäude zu verlassen und zu fliehen, sei die Zeugin … in eine andere Richtung gelaufen und von dem Täter mit der Waffe eingeholt worden. Letztlich hätten die Täter alle drei verbliebenen Zeugen ins Lager geführt. Dort hätten sich die Zeugen … und … auf den Boden setzen müssen, während die Täter den Zeugen … aufgefordert hätten, den verschlossenen Tresor im Büro zu öffnen. Nachdem der Zeuge … dem Ansinnen nachgekommen sei, hätten sie die drei Kasseneinsätze leergeräumt. Alle drei Zeugen seien im Lagerraum mit Kabelbinder gefesselt worden. Hierzu hätten sie sich auf den Boden legen und die Hände hinter den Rücken halten müssen. Nachdem die Täter schon gehen wollten, seien sie nochmal zurückgekommen und hätten die Handys von den Zeugen verlangt. Da der Zeuge … kein Mobiltelefon bei sich trug, nahmen die Täter nur die Handys der Zeugen … und … an sich. Weil die Haupteingangstür verschlossen gewesen sei, seien die Täter abermals zurückgekehrt und hätten den Zeugen … aufgefordert, ihnen die Tür zu öffnen. Anschließend seien die Täter geflohen. Die Zeugin … und der Zeuge … gaben an, sie hätten sich selbst von den Fesseln befreien können.
Die zeitliche Einordnung des Geschehens um 20 Uhr wurde darüber hinaus auch von den Angaben der Zeugin … (ehemals …) gestützt. Diese arbeitete am Tatabend als Verkäuferin in der benachbarten Bäckerei und schilderte der Kammer glaubhaft, dass sie kurz vor 20 Uhr sah, wie drei oder vier Männer mit schwarzen Sturmhauben oder ähnlichem aus einem silbernen oder grauen Mercedes, vermutlich einer Limousine, ausgestiegen und in den … gerannt seien. Kurze Zeit später seien die Männer wieder aus dem Laden gekommen und weggefahren. Die Angaben der Tatortzeugen stimmten zeitlich somit nicht nur überein, sondern kongruierten auch mit den regulären Schließzeiten des Marktes und mit dem um 20:04 Uhr bei der Polizei eingegangenen Notruf des Zeugen …, der auf Bitten der Zeugin … die Polizei über den gerade stattfindenden Überfall informierte.
Hinsichtlich der Anzahl der Täter waren die Zeugen …, … und … sich sicher, dass es sich um vier maskierte Täter gehandelt habe. Dies deckte sich auch mit den Angaben der Zeugen … und … die übereinstimmend berichteten, dass es drei oder vier maskierte Täter gewesen seien.
Insoweit hatte die Kammer keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben.
bb) Täterschaft des Angeklagten
In der Gesamtschau der Beweismittel ist die Kammer von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Die Kammer hat keinen begründeten Zweifel daran, dass es sich bei dem im Eigentum des Angeklagten stehenden und von ihm als gestohlen gemeldeten Pkw Mercedes Benz CSL, amtliches Kennzeichen … um das Fluchtfahrzeug gehandelt hat. Die Zeugin … gab glaubhaft an, dass sie beobachtet habe, dass die Täter mit einem silbernen oder grauen Auto der Marke Mercedes, vermutlich einer Limousine, auf den Parkplatz des … gefahren, ausgestiegen und nach dem Überfall mit dem Fahrzeug auch wieder geflohen seien. Die Zeugin erinnerte sich ebenfalls daran, dass das Fahrzeug ein Kennzeichen mit der Städtekennung … (…) und den Mittelbuchstaben … und … aufgewiesen habe. Lediglich an die Zahlenkombination konnte sie sich nicht mehr erinnern. Das Fahrzeug habe den Parkplatz Richtung Autobahn verlassen.
Der Zeuge … berichtete der Kammer, dass er am Abend vor der Tat – am 21.12.2017-einen Kennzeichendiebstahl in … aufgenommen habe. Ein Zeuge habe berichtet, dass er gegen 18:15 Uhr beobachtet habe, wie drei bis vier Männer auf einem unbeleuchteten und unbefestigten Parkplatz hinter der … in … an einem silberfarbenen Mercedes die Kfz-Kennzeichen ausgetauscht hätten. Vor Ort sei dann festgestellt worden, dass die amtlichen Kennzeichen … eines der Stadtverwaltung … gehörenden Fahrzeugs Opel Movano entwendet worden seien. Am darauffolgenden Abend sei er dann zusammen mit den Zeugen … und … zum … in …-… gerufen worden, um den Überfall aufzunehmen. Mit Hilfe des Zeugen … sei es zeitnah gelungen, das ebenfalls von den Tätern mitgenommene Mobiltelefon des Zeugen zu orten. Sie hätten es aufgrund der Ortungsdaten kurze Zeit später im … liegend aufgefunden. Das Mobiltelefon sei noch angeschaltet gewesen und das Display habe im Wasser pulsierend aufgeleuchtet. Sie hätten den … sodann weiter abgesucht und ca. 50 bis 100 Meter weiter die am Vortag gestohlenen Kennzeichen … zusammengefaltet im Wasser gefunden. Diese Darstellung wurde von den Zeugen … und … bestätigt.
Alle drei Zeugen gaben weiterhin an, in unmittelbarer Nähe zum Fundort der Handys und der Kennzeichen auf einer Art Abstellplatz den schwer beschädigten Pkw Mercedes Benz CSL, amtliches Kennzeichen …, festgestellt zu haben. Das Fahrzeug habe an der linken Seite einen schweren, augenscheinlich noch frischen Streifschaden aufgewiesen, der linke Außenspiegel habe gefehlt und der hintere linke Reifen sei platt gewesen. Die Motorhaube sei jedoch noch warm gewesen, so dass davon auszugehen gewesen sei, dass das Fahrzeug erst kurz zuvor an dieser Stelle abgestellt worden sei. Weiter gaben die Zeugen an, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß verschlossen gewesen sei und keine ersichtlichen Aufbruchspuren aufgewiesen habe. Sie hätten daher zunächst das Fahrzeug nur von außen besichtigt und mit Taschenlampen hineingeleuchtet. Die vorderen Kennzeichen seien mit Kabelbinder umwickelt gewesen. Diese seien optisch identisch mit der Sorte Kabelbinder gewesen, die während des Überfalls zur Fesselung der Zeugen benutzt worden seien. Aufgrund all dieser Gesamtumstände habe der Verdacht bestanden, dass es sich um das Tatfahrzeug gehandelt habe und man habe den Pkw sichergestellt.
Die Zeugin … schilderte der Kammer, dass sie bei der späteren Durchsuchung des Fahrzeugs diverse Handschuhe, Mützen und einen schwarzen Stoffschlauch mit Sehschlitzen im Innen- und Kofferraum gefunden hätten. Zudem habe im Fußraum des Fahrersitzes eine Münzrolle mit 50 Cent Stücken gelegen. Am Fahrzeug seien weder am Schloss, noch am Zündschloss, noch an den Verkabelungen Beschädigungen oder Veränderungen erkennbar gewesen.
Die Zeugin … ergänzte hierzu noch, dass die aufgefundene Münzrolle aufgrund ihrer Prägung (… der Firma … Sicherheit GmbH zugeordnet werden konnte, die zu dieser Zeit auch den verfahrensgegenständlichen Supermarkt … beliefert habe. Die Autobahnpolizei habe des Weiteren einen vermutlichen Alleinunfall auf der … Anschlussstelle … gemeldet. An der Unfallstelle sei der linke Außenspiegel eines silbernen Mercedes aufgefunden worden, der aufgrund der Teilenummer dem sichergestellten Fahrzeug zugeordnet werden konnte. Die Unfallstelle sei in der Nähe des Tatorts gewesen. Man habe einen denkmöglichen Fluchtweg vom Tatort des Supermarktes über die Unfallstelle bis zum Abstellort des Mercedes rekonstruieren können: Danach sei es möglich gewesen, dass die Täter von … Richtung … auf die … und von dort auf die … Richtung … gefahren seien. Vermutlich hätten die Täter sodann die Abfahrt … genommen, wo es zum Alleinunfall gekommen sie, um anschließend auf der … Richtung … weiterzufahren. Vermutlich sei das Fahrzeug aufgrund des schweren Schadens, insbesondere des beschädigten hinteren linken Reifens, nur noch eingeschränkt fahrbereit gewesen, so dass die Täter die … an der Ausfahrt … verlassen und das Fahrzeug in der Nähe des … abgestellt hätten.
Die Kammer hatte aufgrund all dieser Umstände und Erkenntnisse, insbesondere die zeitliche und örtliche Nähe zum Tatort und zur Fundstelle der Handys und Kennzeichen, die Feststellungen der Polizisten zur warmen Motorhaube, die Beschreibung der Zeugin …, sowie die im Fahrzeug aufgefundenen Gegenstände, keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem sichergestellten Fahrzeug Mercedes Benz CSL, amtliches Kennzeichen …, um das Tatfahrzeug gehandelt hat.
Ferner steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte das Fahrzeug am Tatabend auch zur Begehung des Überfalls genutzt hat. Das Fahrzeug steht im Eigentum des Angeklagten. Zwar ist der Mercedes, wie die Zeugin … angab, auf den Sohn des Angeklagten, …, zugelassen, der Kaufvertrag, den die Kammer im allseitigen Einverständnis in Augenschein genommen hat, weist jedoch den Angeklagten als Käufer auf. Aufgrund der Umstände ist auch davon auszugehen, dass das Fahrzeug zumindest auch vom Angeklagten genutzt wurde. … war zur Tatzeit erst 17 Jahre alt war (geboren am 02.02.2000) und nur im Besitz eines Führerscheins ab 17 Jahren. Im Fahrzeug, insbesondere im Bereich des Fahrersitzes, konnte die DNA des Angeklagten festgestellt werden. Die Zeugin … führte hierzu aus, dass sich an einer Packung Zigaretten, die sich in der Mittelarmlehne befunden habe, an der Fahrertürscheibe und am Lenkrad die DNA des Angeklagten sicherstellen ließ. An dem Stoffschlauch mit Sehschlitzen, der hinten links auf der Rückbank aufgefunden worden sei, habe ferner die DNA von … dem Bruder des Angeklagten, festgestellt werden können. An einem Paar schwarzen Wollhandschuhen, die sich im Kofferraum neben einer schwarzen Sturmmaske und einem Teilstück von einem Kabelbinder befunden hätte, habe sowohl die DNA von …, einem Freund des Angeklagten, als auch vom Angeklagten sichergestellt werden können. Das Auffinden des genetischen DNA-Materials des Angeklagten im Fahrersitzbereich, insbesondere am Lenkrad, spricht dafür, dass der Angeklagte das Fahrzeug auch selbst genutzt, vermutlich auch geführt hat. Die mehreren Vorverurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis belegen insoweit, dass der mangelnde Führerschein für den Angeklagten kein Hindernis dargestellt hätte. Diese Annahme wird darüber hinaus durch die Angaben des Angeklagten selbst gestützt. Dieser hatte bei seiner Diebstahlsanzeige am 01.01.2018 gegenüber der Zeugin … angegeben, das Fahrzeug seit dem 18.12.2017 in Besitz gehabt und insbesondere am Tatabend des 22.12.2017 zum Tatzeitpunkt auch selbst verwendet zu haben.
Die Zeugin … gab im Rahmen der Hauptverhandlung an, dass der Angeklagte am 01.01.2018 bei der Polizeiinspektion in … erschienen sei und seinen Mercedes CSL gestohlenen melden wollte. Er habe ihr gegenüber angegeben, dass er das Fahrzeug seit dem 18.12.2017 in Besitz gehabt habe und mit dem Fahrzeug am 22.12.2017 nach … gefahren sei. Er habe keinen Führerschein, daher habe eine Freundin namens … – den Nachnamen oder eine Adresse habe der Angeklagte nicht nennen können – das Fahrzeug geführt. Sie hätten eine Sinti-Feierlichkeit auf dem Vereinsgelände des VFL … besuchen wollen. Sie hätten das Fahrzeug gegen 20 Uhr in der … in der Nähe eines Art Campingplatzes abgestellt. Der Angeklagte habe ihr sodann den Abstellort auf Google Maps gezeigt. Es habe sich um den tatsächlichen Fundort des Mercedes gehandelt. Der Angeklagte habe weiter angegeben, dass er sich im Veranstaltungstag geirrt habe und sie daher die Feier nicht hätten finden können. Daraufhin sei es zum Streit zwischen ihm und seiner Freundin gekommen und beide seien zu Fuß – wenn auch nicht gemeinsam – zum Bahnhof gelaufen und mit dem Zug nach … bzw. … gefahren. Das Fahrzeug hätte er zurückgelassen, da er nicht die erforderliche Fahrerlaubnis gehabt habe. Aus diesem Grund habe er den Diebstahl auch erst an diesem Tag (01.01.2018) gemerkt, da er die Urlaubsrückkehr seiner Mutter habe abwarten müssen, damit diese das Fahrzeug wegfahren könne. Die Fahrzeugschlüssel würden sich bei ihm und bei seinem Sohn in … befinden. Von einem Schaden am Fahrzeug oder einem Unfall habe der Angeklagte hingegen nichts berichtet.
Diese Schilderungen des Angeklagten hinsichtlich des Tatabends waren jedoch unglaubhaft. Zur Überzeugung der Kammer handelte es sich hierbei um eine Schutzbehauptung, um eine vermeintliche Erklärung für das beschädigte Fahrzeug des Angeklagten bieten zu können. Zum einen erscheint die Darstellung des Angeklagten lebensfremd, dass er eine Freundin, von der er nichts weiter als den Vornamen kannte, obwohl er nach eigenen Angaben schon mehrere Tage mit ihr unterwegs gewesen war, seinen Wagen nach … fahren ließ, um an einer Sinti-Feierlichkeit teilzunehmen, die an diesem Tag gar nicht stattfand. Ebenso unglaubwürdig mutet es dann an, dass diese Freundin das Fahrzeug nach einem Streit dort stehen ließ und sowohl sie als auch der Angeklagte lieber zu Fuß zum Bahnhof liefen, um mit dem Zug nach Hause zu fahren und der Angeklagte das Fahrzeug dann über eine Woche dort stehen ließ. Zum anderen gab der Angeklagte an, das Fahrzeug am 22.12.2017 um 20:00 Uhr – also exakt zum Tatzeitpunkt des Raubüberfalls auf den … Markt – abgestellt haben zu wollen. Die Täter hätten also keine Möglichkeit gehabt, das Fahrzeug vor der Tat vom Abstellort zu entwenden, um es anschließend, wovon die Kammer wie oben ausgeführt überzeugt ist, bei der Raubtat einzusetzen. Selbst wenn sich der Angeklagte in der Uhrzeit geirrt haben sollte, hätten die Täter nach der Tat das beschädigte Fahrzeug genau an dem Ort abstellen müssen, an dem sie es zuvor entwendet hatten, da der Angeklagte den tatsächlichen Fundort des Mercedes der Polizeibeamtin als letzten Abstellplatz nannte. Dies erscheint im Hinblick darauf, dass die Täter nicht gewusst haben können, wann der Eigentümer zurückkehren würde, um das gestohlene Fahrzeug wieder abzuholen, als unnötig riskant und daher unwahrscheinlich. Im Übrigen wurde das Fahrzeug noch am Abend des 22.12.2017 ordnungsgemäß verschlossen und ohne erkennbaren Aufbruchspuren oder Manipulationen am Zündschloss aufgefunden. Der Angeklagte übergab in der Folge auch beide Fahrzeugschlüssel der Kriminalpolizei. Es ist insoweit nicht ersichtlich, wie die Täter das Fahrzeug geöffnet, kurzgeschlossen und insbesondere nach der Tat wieder ordnungsgemäß verschlossen haben könnten ohne in Besitz eines Schlüssels gewesen zu sein. Auf der anderen Seite offenbarte der Angeklagte bei seiner Diebstahlsanzeige am 01.01.2018 gegenüber der Polizei Täterwissen: er hatte Kenntnis vom genauen Abstellort des Fluchtfahrzeugs. Zudem benannte er als Abstellzeitpunkt auch Datum und Uhrzeit des Raubüberfalls und brachte sich hierdurch nochmal in Bezug zur Tatausführung, da er somit selbst angab, das Fluchtfahrzeug zur Tatzeit in Verwendung gehabt zu haben. Dies sprach deutlich für seine Täterschaft.
Die Kammer hat auch keine Bedenken, die durch den Angeklagten gegenüber der Zeugin … im Rahmen seiner Diebstahlsanzeige vom 01.01.2018 gemachten Angaben durch Vernehmung der Zeugin in die Beweisaufnahme einzuführen. Ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht als Beschuldigter gemäß §§ 136 Absatz 1, 163 Absatz 4 StPO, der ein Verwertungsverbot begründen könnte, konnte die Kammer nicht erkennen. Gemäß § 136 Absatz 1 StPO muss ein Beschuldigter bereits bei seiner ersten Befragung durch die Polizeibeamten als Beschuldigter behandelt und gemäß §§ 163a Absatz 4, 136 StPO belehrt werden, da ansonsten gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art 6 Absatz 1 EMRK, Art 2 Absatz 1 und 20 Absatz 3 GG) verstoßen wird. Die Belehrung nach § 136 Absatz 1 Satz 2 StPO soll sicherstellen, dass ein Beschuldigter nicht im Glauben an eine vermeintliche Aussagepflicht Angaben macht und sich damit unfreiwillig selbst belastet (vgl. BGH, Beschluss vom 09.06.2009, Az. 4 StR 170/09 in NStZ 2010, 464). Vorliegend handelte es sich bei dem Gespräch zwischen dem Angeklagten und der Zeugin … jedoch nicht um eine erste Vernehmung des Angeklagten als Beschuldigter. Weder hatte sich der Anfangsverdacht gegen den Angeklagten bezüglich des Raubüberfalls am 22.12.2017 schon soweit erhärtet, dass dieser von den ermittelnden Polizeibehörden als Beschuldigter eingestuft wurde, noch betraf die vom Angeklagten erstatte Anzeige das Tatgeschehen des Raubüberfalls.
Grundsätzlich ist Beschuldigter im Sinne des § 136 StPO derjenige, auf den sich der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden, der sich objektiv in einem Willensakt manifestiert, bezieht. Wird gegen eine Person ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, liegt darin ein solcher Willensakt. Anderenfalls beurteilt sich dessen Vorliegen danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere in der Wahrnehmung des davon Betroffenen darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2007, Az. 1 StR 3/07 in NJW 2007, 2706). Ein solcher Willensakt ist hier nicht ersichtlich. Das Verfahren wurde zu diesem Zeitpunkt noch gegen Unbekannt geführt.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der Beschuldigtenrechte ergibt sich vorliegend kein Verstoß gegen die Belehrungspflicht. Hierbei ist maßgebend, ob ein bereits bestehender Tatverdacht auf hinreichenden Erkenntnissen hinsichtlich der Tat und des Täters oder lediglich auf kriminalistischer Erfahrung beruht. Falls jedoch der Tatverdacht so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn dennoch nicht zur Vernehmung des Beschuldigten geschritten wird (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2009, Az. 3 Ss 85/08 in NStZ-RR 2009, 283; BGH Urteil vom 03.07.2007, Az. 1 StR 3/07 in NJW 2007, 2706). Vorliegend erschien der Angeklagte selbständig und aus eigenem Antrieb auf der Polizeidienststelle …, um das Fahrzeug als gestohlen zu melden. Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund der Angaben der Zeugen …, …, …, und … der Tathergang weitestgehend geklärt. Aufgrund der Angaben der Zeugin …, der Anzeige des Kennzeichendiebstahls vom Vortag und der Auffindesituation des silbernen Mercedes bestand zudem ein hinreichender (wenn nicht sogar dringender) Verdacht, dass es sich bei dem Fahrzeug auch um das bei der Tat verwendete Fluchtfahrzeug handelte. Ein konkreter und gefestigter Tatverdacht gegen den Angeklagten bestand zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht. Das Fahrzeug war auf den Sohn des Angeklagten zugelassen. Wer das Fahrzeug tatsächlich nutzte, war (noch) nicht bekannt. Dem entsprechend auch nicht, ob das Fahrzeug auch vom Angeklagten genutzt wird, der im Übrigen über keine gültige Fahrerlaubnis verfügte. Die Spurenauswertung aus dem Fahrzeug, insbesondere das Ergebnis der DNA-analytische Untersuchung, stand noch aus.
Aufgrund des sichergestellten Fahrzeugs ermittelte man zwar im familiären Umfeld des Angeklagten – zu dem laut Ergebnis der Personenüberprüfung von … am 28.12.2017 fünf Personen angehörten – jedoch hatte sich noch kein Tatverdacht gegen eine bestimmte Person herauskristallisiert. Allein die Angabe des Angeklagten gegenüber der Polizeibeamten, das Fahrzeug als gestohlen melden zu wollen, war daher auch noch nicht geeignet, einen konkreten Tatverdacht zu begründen, da der Angeklagte durch diese Mitteilung sich auch vom Verdacht einer Mittäterschaft hätte entlasten können. Erst durch die nachfolgenden widersprüchlichen und lebensfremden Angaben und das detaillierte Täterwissen über Abstellort des Fahrzeugs und Tatzeitpunkt erhärtete sich ein konkreter Verdacht gegen den Angeklagten und führte zu den weiteren Ermittlungen gegen ihn.
Insoweit war die Zeugin … auch nicht gehalten, den Angeklagten als Beschuldigten zu belehren. Zumal diese glaubhaft angab, in die Ermittlungen hinsichtlich des Raubüberfalls vom 22.12.2017 nicht eingebunden gewesen zu sein. Sie habe lediglich aufgrund einer standardmäßig durchgeführten Abfrage zu dem als gestohlen gemeldeten Fahrzeug den Vermerk von Kollegen gesehen, dass der Pkw Teil eines Raubes gewesen sein könnte. Sie habe zwar daraufhin versucht, Kontakt zum Fachkommissariat aufzunehmen, jedoch habe sie aufgrund des Feiertags (Neujahrstag) niemanden erreicht. Sie habe dann mit dem Kriminaldauerdienst Rücksprache gehalten, jedoch hätte auch dieser sie nicht näher über die Ermittlungen informieren können. Sie hätten sich sodann darauf geeinigt, dass sie erstmal nur die Anzeige entgegennehmen und die Raubtat nicht erwähnen solle, um eventuelle verdeckten Ermittlungen nicht zu gefährden. Sie habe keine detaillierten Kenntnisse von der Raubtat oder dem Stand der Ermittlungen gehabt. Sie habe den Angeklagten daher nur als Zeugen belehrt, das heißt ihn auf seine Wahrheitspflicht hingewiesen und angemerkt, dass er sich sonst selbst strafbar machen könne.
Es handelte sich somit nicht um die erste Vernehmung des Angeklagten als Beschuldigter bezüglich des Raubüberfalls am 22.12.2017, sondern vielmehr um eine vom Angeklagten selbst initiierte Anzeigenaufnahme, in der er zunächst als Zeuge auftrat und daher auch nur als solcher zu belehren war. Aus der Gesamtschau aller relevanten Umstände war aus der Sicht des Angeklagten auch nicht davon auszugehen, dass seine Zeugenvernehmung dazu diente, ihn des Raubes zu überführen. Hiergegen sprach bereits, dass der Angeklagte nicht zu einer Vernehmung geladen, sondern von sich aus zur Polizei gekommen war und er von der an diesem Tag diensthabenden Polizeibeamtin vernommen wurde. Es gab auch keinen Wechsel in der Vernehmungsperson. Die Fragen der Beamtin bezogen sich auch nur auf den vom Angeklagten angezeigten Diebstahl des Fahrzeugs und nicht auf den hiesigen Raubüberfall.
Im Übrigen hätte vorliegend selbst ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht im Sinne § 136 StPO nicht zu einem Verwertungsverbot geführt, da dem Angeklagten aufgrund der Vielzahl seiner Vorstrafen sein Schweigerecht und das Recht auf Verteidigerkonsultation auch ohne Belehrung bekannt waren. Wer bei Beginn der Vernehmung auch ohne Belehrung gewusst hat, dass er nicht auszusagen braucht, ist nicht im gleichen Maße schutzbedürftig wie derjenige, der sein Schweigerecht nicht kannte. Zwar muss auch er nach §§ 136 Absatz 1 Satz 2, 163a Absatz 4 Satz 2 StPO belehrt werden, jedoch gilt das Verwertungsverbot bei einem Verstoß ausnahmsweise nicht (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2001, Az. 1 StR 220/02 in NJW 2002, 975). Der Angeklagte ist vielfach vorbestraft und auch hafterfahren. Sein Bundeszentralregisterauszug enthält 21 Einträge, 17 davon betreffen einen Zeitraum vor der hiesigen Tat. Die letzte Verurteilung vor der Tat am 22.12.2017 war am 23.06.2016. Es kann daher als gesichert angesehen werden, dass der Angeklagte bereits vielfach und bei verschiedenen Gelegenheiten (polizeiliche Vernehmungen, gerichtliche Einlassungen) auf seine Rechte als Beschuldigter hingewiesen worden ist und er im Rahmen seiner vielen Strafverfahren auch anwaltlich beraten war, so dass davon ausgegangen werden kann, dass ihm sein Recht zu Schweigen und sein Recht einen Verteidiger seiner Wahl konsultieren zu können hinreichend bekannt war.
Nach alledem hat die Kammer die Angaben des Angeklagten gegenüber … als weiteres Indiz für seine Täterschaft berücksichtigt.
Die Möglichkeit, dass der Angeklagte die Tat nicht selbst begangen haben könnte, aber die Täter (womöglich Familienmitglieder) kennt, von diesen von den Details des Tatgeschehens erst im Nachhinein erfahren und um diese zu schütze die Anzeige erstattet haben könnte, hält die Kammer im Hinblick auf die Auswertung der Verkehrsdaten seines Mobiltelefons für unwahrscheinlich. … führte hierzu befragt aus, dass aufgrund eines unmittelbar nach der Anzeigeerstattung durch den Angeklagten beantragten Gerichtsbeschlusses die Verkehrsdaten zur Anschlussnummer …, die dem Angeklagten zugeordnet werden konnte, für den Zeitraum 04.12.17 bis 03.01.18 erlangt werden konnten. Die Auswertung habe ergeben, dass sich der Angeklagte seit dem 18.12.2017 im Bereich … und … und damit auch in Tatortnähe aufgehalten habe. Auffällig sei hierbei gewesen, dass sowohl zum Zeitpunkt des Kennzeichendiebstahls am 21.12.2017 gegen 18:15 Uhr in … und des Raubüberfalls am 22.12.2017 um 20:00 Uhr in … keine Standortdaten vorgelegen hätten. Am 21.12.17 hätten zwischen 13:21 Uhr und 22:05 Uhr und am 22.12.2017 ab 17:09 Uhr keine Standortdaten mehr vorgelegen. Am 21.12.17 habe jemand ab 17:40 Uhr mehrfach versucht, den Anschluss des Angeklagten anzurufen. Da die eingehenden Telefonverbindungen lediglich eine Sekunde gedauert hätten, sei davon auszugehen, dass der Anschluss in diesem Zeitraum ausgeschaltete gewesen sei oder sich in einem Modus befunden hätte, in dem keine Verbindung zum Provider hergestellt werden könne. Am 22.12.2017 um 17:09 Uhr habe sich der Anschluss des Angeklagten noch in … befunden. Danach lägen bis zum 23.12.17 um 13:23 Uhr keine Verbindungsdaten mehr vor. Auffällig sei jedoch gewesen, dass am 23.12.2017, als einen Tag nach der Raubtat in …-…, ab 13:23 Uhr Standortdaten in … vorgelegen hätten, obwohl der Angeklagte gegenüber … am 01.01.2018 angegeben hatte, dass es ihm erst am 01.01.2018, nach der Rückkehr seiner Mutter aus dem Urlaub, möglich gewesen wäre, das Fahrzeug in … abzuholen. Die langen Phasen ohne Verkehrsdaten am 21.12.17 und am 22.12.17 hätten im Übrigen auch nicht zum sonstigen Kommunikationsverhalten des Angeklagten gepasst.
In der Gesamtschau sprechen daher auch die ausgewerteten Verkehrsdaten für eine Täterschaft des Angeklagten. Der Angeklagte, der zu dieser Zeit keinen festen Wohnsitz in … hatte, befand sich sowohl am 21.12.17 als auch am 22.12.17 in der örtlichen Nähe der jeweiligen Tatorte. Es liegen keine Standortdaten vor, die eine Anwesenheit des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten an den Tatorten in … und … ausschließen würden. Entgegen seines sonstigen Kommunikationsverhalten gibt es ausgerechnet in den Tatzeiträumen keine Standortdaten. Am 21.12.2017 scheiterten Anrufversuche bis 22:05 Uhr, was darauf schließen lässt, dass das Mobiltelefon ausgeschaltet war. Da nach kriminalistischer Erfahrung die Täter, insbesondere, wenn sie ortsfremd sind, die Tatörtlichkeiten vor einem Raubüberfall ausspionieren, liegt vorliegend der Verdacht nahe, dass der Angeklagte und die Mittäter nach dem Kennzeichendiebstahl noch weitere Vorbereitungshandlungen für die Raubtat am nächsten Tag unternahmen. Ebenfalls am 22.12.2017 liegen ab 17:09 Uhr keine Standortdaten mehr vor. Wäre der Angeklagte tatsächlich, wie er gegenüber … angab, auf der erfolglosen Suche nach einer Sinti-Feierlichkeit gewesen und wäre im Anschluss aufgrund eines Streits zu Fuß unterwegs gewesen, wäre nach allgemeiner Lebenserfahrung von einer vermehrten Kommunikation auszugehen gewesen. In der Regel versucht man in solchen Fällen den Gastgeber oder andere Gäste zu erreichen, um die Feierlichkeit finden zu können. Insoweit sprachen auch die ermittelten Standortdaten gegen die Schilderungen des Angeklagten.
Dass sich der Anschluss des Angeklagten am 23.12.2017 ab 13:23 Uhr im Bereich … … eingeloggt hatte, widerspricht nicht nur seiner Darstellung gegenüber der Polizei, sondern ergibt nur dann einen Sinn, wenn der Angeklagte bereits an diesem Tag sein Fahrzeug abholen wollte, da es ansonsten keinen ersichtlichen Grund für den ortsfremden Angeklagten geben sollte, sich in … aufzuhalten. Wenn der Angeklagte jedoch das Fehlen seines Fahrzeuges bereits am 23.12.2017 festgestellt haben sollte, stellt sich die Frage, warum er dieses erst über eine Woche später als gestohlen meldete, wenn er nichts über den Zusammenhang mit der Raubtat vom Vortag wusste. Hier liegt viel mehr der Verdacht nahe, dass der Angeklagte nach der misslungenen Flucht am 22.12.17 am nächsten Tag an den Abstellort zurückkehrte, um das Fahrzeug fortzubringen. Da die Täter nicht wissen konnten, dass das Mobiltelefon des Zeugen … trotz des Entsorgens im … von diesem noch zeitnah geortet und daher von der Polizei sichergestellt werden konnte, rechnete der Angeklagte vermutlich nicht damit, dass der Fluchtwagen bereits gefunden und sichergestellt worden war. Die Anzeige neun Tage später war als verzweifelter Versuch des Angeklagten anzusehen, trotz des aufgefundenen Fluchtfahrzeugs den Tatverdacht noch von sich abzulenken.
Die Kammer verkennt bei der Einordnung der Verkehrsdatenauswertung nicht, dass es sich bei der überprüften Anschlussnummer nicht um die einzige auf den Angeklagten zugelassene Nummer handelte und der Angeklagte zu den Tatzeitpunkten auch andere, womöglich auch nicht auf ihn zugelassene Anschlüsse verwendet haben könnte, jedoch hält es die Kammer für unwahrscheinlich, dass der Angeklagte, ohne Kenntnis von den geplanten Straftaten, ausgerechnet zu den Tatzeiten des Kennzeichendiebstahls am 21.12.17 und des Raubüberfalls am 22.12.17 einen anderen Anschluss nutzte und davor und danach wieder die überprüfte Rufnummer.
Die Auswertung der Verkehrsdaten sprach in der Gesamtschau gegen die Annahme, dass der Angeklagte sein Fahrzeug an die Täter verliehen und selbst nicht an der Tat beteiligt gewesen sein könnte. Hätte der Angeklagte nichts von den geplanten Straftaten gewusst, wäre es ein ungewöhnlicher Zufall gewesen, dass der Angeklagte – entgegen seiner üblichen Gewohnheiten – ausgerechnet zu den Tatzeitpunkten seinen Mobiltelefonanschluss nicht nutzte. Hätte der Angeklagte hingegen von den Taten gewusst, aber sich nicht daran beteiligt, wäre ebenfalls nicht zu erwarten gewesen, dass er sein Mobiltelefon zu den Tatzeiten ausschaltet, sondern im Gegenteil für ein sicheres Alibi gesorgt hätte.
Die Annahme einer Täterschaft des Angeklagten widersprach vorliegend auch nicht den von den am Tatort anwesenden Zeugen gemachte Täterbeschreibungen. Die Wahrnehmungen der Zeugen zu Körpergröße und Statur der Täter deckten sich, wie in solchen Fällen erfahrungsgemäß nicht unüblich, nicht vollständig, zeichneten aber ein gewisses Bild, das mit dem äußeren Erscheinungsbild des Angeklagten übereinstimmte. So gab der Zeuge …, der selbst 1,78 m misst, an, dass ein Täter größer, ein Täter kleiner und zwei Täter etwa genauso groß wie er gewesen seien. Die Zeugin …, die ihre Körpergröße mit 1,63 m angab, schätzte einen Täter auf 1,85 m und einen Täter kleiner als sie, zu den anderen Tätern konnte sie keine Angaben machen. Auf Vorhalt, dass sie bei der Polizei den als kleiner beschriebenen zweiten Täter noch mit ungefähr 1,70 m beschrieben habe, gab sie an, dass er in ihrer heutigen Erinnerung kleiner als sie, ihre Aussage bei der Polizei jedoch ereignisnäher gewesen sei. Die Zeugin …, die selbst 1,75 m groß ist, ordnete alle vier Täter ungefähr bei 1,70 m ein, räumte allerdings ein, durch ihre erfolgreiche Flucht nur einen kurzen Eindruck gewonnen zu haben. Der Zeuge …, der eine Körpergröße von ca. 1,80 m aufweist, schätzte alle Täter ungefähr zwischen 1,70 m und 1,80 m ein. Keiner sei sonderlich kleiner oder größer als er selbst gewesen. In der Gesamtschau der Zeugenaussagen ließ sich daher entnehmen, dass alle vier Täter eine Größe zwischen 1,70 m und 1,80 m aufwiesen, wobei die Größe untereinander ein wenig variierte. Die Statur der Täter beschrieben die Zeugen übereinstimmend als schlank und teilweise kräftig gebaut. Keiner der Täter sei auffällig beleibt gewesen. Der Angeklagte maß, wie die Zeugin … überzeugend gegenüber der Kammer ausführte, bei seiner erkennungsdienstlichen Erfassung im Jahr 2011 – also im Alter von 30 Jahren – 1,78 m. Seine Statur wurde als schlank beschrieben. Dies stimmte mit den Wahrnehmungen der Kammer vom Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung auch noch überein, so dass sich sein Erscheinungsbild mit den Täterbeschreibungen in Einklang bringen ließ. Darüber hinaus beschrieben die Zeugen … und … übereinstimmend, dass die Täter untereinander in einer ausländischen, vermutlich osteuropäischen, Sprache und teilweise mit starkem Akzent Deutsch gesprochen hätten. Der Angeklagte gehört, wie auch der Rest seiner Familie, den Sinti an und ist des Sintitikes (Sprache der Sinti) mächtig. Auch insoweit passten die Wahrnehmungen der Tatortzeugen zum Erscheinen des Angeklagten.
Des Weiteren ist die Tatausführung der Raubtat dem Angeklagten auch nicht wesensfremd. Der Bundeszentralregisterauszug des Angeklagten weist 21 Einträge auf. Seit 1996 bis 2018 ist der Angeklagte hierbei mit 12 Vermögensstraftaten aufgefallen. Ebenso gab es einzelne Verurteilungen wegen Gewaltdelikten. Dass beim Angeklagte zu dieser Zeit auch die (vermutlich finanzielle) Notwendigkeit zur Begehung von Vermögendelikten bestand, belegt ferner der nur wenige Wochen später versuchte Einbruchsdiebstahl in … (vgl. II.2.).
Mögen all diese Indizien für sich allein genommen zur Überführung des Angeklagten noch nicht ausreichen, so führt doch die Gesamtschau der belastenden Umstände zur vollen Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten.
b) Tatvorwurf 2 (Tat am 27.01.2018, vgl. II.2.)
Auch bezüglich der Tat II.2. bestritt der Angeklagte generell eine Täterschaft und machte im Übrigen von seinem Schweigerecht Gebrauch.
Er wird jedoch durch die nachgenannten Beweismittel, insbesondere den Angaben der Zeugen …, … und … sowie der in Augenschein genommenen Lichtbilder vom Tatort und von den sichergestellten Gegenständen überführt werden.
Der Zeuge …, ein Anwohner, berichtete der Kammer glaubhaft, dass er am Morgen des 27.01.2018 zwischen 05:30 Uhr und 06:10 Uhr an seinem geöffneten Wohnzimmerfenster, das auf den Biergarten der Gaststätte „…“ hinausgehe, stand, um eine Zigarette zu rauchen. Hierbei habe er zwei Männer gesehen, die aus Richtung Marktplatz zur Gaststätte gegangen seien. Seine Sicht sei sehr gut gewesen. An dieser Stelle würden sieben Straßenlaternen für eine helle Beleuchtung sorgen. Seine Wohnung läge im 2. Obergeschoss und keine 100 Meter von dem Lokal entfernt. Morgens sei es in diesem Teil der Stadt noch sehr ruhig, so dass er alles gut habe hören können. Während ein Mann bei einem Baum stehen geblieben sei und sich umgesehen habe, sei der andere einfach durch den Eisengitterzaun in den Biergarten gestiegen. Er sei sich sicher, dass der Mann nicht über den Zaun gestiegen sei. Er habe kurz darauf ein „KlackKlackKlack“ Geräusch gehört. Er habe früher auf Baustellen gearbeitet und das Geräusch daher wiedererkannt. So klinge es, wenn man versuche, mit einer Brechstange oder einem Schraubenzieher etwas aufzuhebeln. Er habe sofort an einen Einbruch gedacht und die Polizei verständigt. Wenige Minuten später sei die Polizei dann bereits eingetroffen. Der zweite Mann, der auf der Straße geblieben sei, sei zunächst in Richtung seines Eingangs gegangen und dann nicht mehr zu sehen gewesen. Er wohne seit 1997 in dieser Wohnung. Ihm sei zuvor eine Beschädigung am Zaun nicht aufgefallen.
Die Wahrnehmungen des Zeugen … wurden sodann auch von den Feststellungen der eintreffenden Beamten gestützt. … und … berichteten der Kammer übereinstimmend, dass sie vor Ort zunächst keine Personen feststellen konnten, ihnen jedoch eine Lücke im Eisengitterzaun aufgefallen sei. Zwei der Stangen seien auseinandergedrückt und hierdurch der Zwischenraum vergrößert worden. Der Zaun habe den Biergarten vollkommen umgeben und das dazugehörige Tor sei verschlossen gewesen. Die Beamten hätten den Biergarten daraufhin selbst durch die Öffnung im Zaun betreten. Diese sei insoweit groß genug gewesen, dass ein erwachsener Mensch hindurchgepasst habe. Die Zeugin … schilderte, dass sie beim Absuchen des Geländes beinahe über den am Boden liegenden Angeklagten gestolpert wäre. Dieser habe versteckt hinter einer kleinen Mauer, die einen Baum umgeben habe, auf dem bloßen Steinboden gelegen. Der Angeklagte habe zunächst behauptet, sich dort zum Schlafen hingelegt zu haben. Bei der anschließenden Durchsuchung habe man unter seiner Mütze einen Damenstrumpf mit Sehschlitzen sowie Hebelwerkzeug gefunden. Die Terrassentür habe frische Hebelspuren aufgewiesen, sei jedoch noch verschlossen gewesen. Dort habe man einen weiteren Meisel gefunden. Etwas weiter entfernt hätten sie auch Handschuhe festgestellt. Der Zeuge … ergänzte die Angaben seiner Kollegin dahingehend, dass es sich zwar um stabile Gitterstäbe gehandelt habe, diese aber mit genügend Kraftaufwand auseinandergedrückt werden könnten. Nach Angaben des Betreibers sei der Zaun zuvor noch intakt gewesen
In Anbetracht der Tatsache, dass der Zeuge … den Angeklagten erst wenige Minuten zuvor in den frühen Morgenstunden durch den Zaun auf das Gelände eindringen sah, und der Angeklagte ohne Decke oder Unterlage auf dem bloßen Steinboden lag, war die Darstellung des Angeklagten gegenüber den Beamten, sich dort zum Schlafen hingelegt zu haben, als Schutzbehauptung zu werten. Ebenso war seine Behauptung, den Zaun nicht verändert zu haben, nach den Angaben der Zeugen … und … als widerlegt anzusehen. Vielmehr sprach das Zusammenspiel mit dem unbekannt gebliebenen Mittäter, der wohl Schmiere stehen sollte, dem mitgebrachten Vermummungsmaterial (Handschuhe und selbstgebastelte Strumpfmaske) und Aufbruchswerkzeug (zwei Meisel und ein Spachtel) sowie den frischen Hebelspuren an der verschlossenen Terrassentür dafür, dass nach dem gemeinsamen Tatplan der Angeklagte durch den Zaun auf das verschlossene Gelände gelangen und dort die Terrassentür aufhebeln sollte, um in den um diese Tageszeit noch leeren Räumen des Lokals nach Wertgegenständen zu suchen und dieses für sich und den Mittäter zu behalten. Nach allgemeiner Lebenserfahrung befindet sich in Gaststätten wie das „…“ – selbst wenn der Betreiber die Tageseinnahmen täglich zur Bank bringen sollte – immer ein Grundstock an Bargeld, das für den täglichen Betrieb als Wechselgeld benötigt wird. Ebenso kann auch regelmäßig mit PCs oder Musikanlangen gerechnet werden. Insoweit stand für die Kammer zweifelsfrei fest, dass es dem Angeklagten und dem unbekannten Mittäter, die in keinerlei Beziehung zur Gaststätte oder deren Eigentümer stehen, es bei dem Versuch in die Räume der Gaststätte einzubrechen allein darum ging, das fremde Gewahrsam an dem dort befindlichen Bargeld und anderen Wertgegenständen zu brechen.
IV.
In rechtlicher Hinsicht hat der Angeklagte in Fall II.1. den Tatbestand des gemeinschaftlichen schweren Raubes und in Fall II.2. den des versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall erfüllt, §§ 242 Absatz 1 und 2, 243 Absatz 1 Nr. 1, 249, 250 Absatz 1 Nr. 1b, 22, 23, 25 Absatz 2 StGB. Beide Taten stehen in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zueinander.
1. Tat am 22.12.2017 (II.1.)
In rechtlicher Hinsicht hat sich der Angeklagte und die drei noch unbekannten Mittäter danach des gemeinschaftlichen schweren Raubes, gemäß §§ 249 Absatz 1, 250 Absatz 1 Nr. 1b, 25 Absatz 2 StGB, schuldig gemacht, indem der Angeklagte und die drei Mittäter mit der vorgehaltenen schwarzen Pistole die anwesenden Zeugen bedrohten, sie zwangen, mit ihnen in die Lagerräume zu gehen, den Zeugen … nötigten, den verschlossenen Tresor zu öffnen und zu dulden, dass sie das darin befindliche Bargeld an sich nahmen. Aufgrund des gemeinsamen Auftretens und des offenen zur Schaustellens der Waffe gleich zu Beginn der Tat, muss davon ausgegangen werden, dass die Verwendung der Waffe Teil des gemeinsamen Tatplans war, um eine mögliche Gegenwehr der Zeugen überwinden zu können. Die einzelnen Tatelemente werden daher gemäß § 25 Absatz 2 StGB jedem der vier Täter zugerechnet, so dass es vorliegend nicht darauf ankommt, welcher der vier maskierten Täter die Pistole verwendet. Da im Rahmen der Beweisaufnahme nicht abschließend geklärt werden konnte, welche Art von Waffe der Angeklagte und die drei noch unbekannten Mittäter verwendet haben, war gemäß dem Grundsatz in dubio pro reo zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass es sich um keine echte, scharfe Schusswaffe, sondern lediglich um eine Scheinwaffe gehandelt hat. Da die Zeugen …, …, …, und … übereinstimmend und glaubhaft angaben, die Waffe aufgrund ihrer optischen Erscheinung als schwarze Pistole für echt gehalten zu haben, handelte es sich jedoch nicht um eine offensichtlich ungefährliche Waffe. Nach ständiger Rechtsprechung werden Scheinwaffen von § 250 Absatz 1 Nr. 1b StGB erfasst. Hierunter sind Gegenstände zu fassen, von denen weder auf Grund ihrer bestimmungsgemäßen Eigenschaften oder ihrer objektiven Beschaffenheit noch bei dem vom Täter beabsichtigten konkreten Einsatz eine objektive Gefahr für Leib und Leben ausgeht, die jedoch bei ihrer Verwendung durch den Täter eine diesen Werkzeugen und Mitteln vergleichbare Bedrohungswirkung entfalten (BGH, Urteil vom 18.01.2007, Az. 4 StR 394/06 in NStZ 2007, 332; Urteil vom 25.08.2007, Az. 5 StR 216/07 in NStZ-RR 2007, 375; Beschluss vom 11.05.2011, Az. 2 StR 618/10 in NStZ 2011, 703). Hierunter fallen neben ungeladenen echten Schusswaffen auch von echten Schusswaffen optisch nicht zu unterscheidende Spielzeugwaffen oder Waffenattrappen, so dass es vorliegend für die rechtliche Einordnung unerheblich war, ob es sich bei der von den Tätern verwendete Waffe tatsächlich um eine echte, wenn auch ungeladene Schusswaffe gehandelt hat oder um eine Waffenattrappe. Zugunsten des Angeklagten war somit abweichend von der Anklageschrift vorliegend nur eine Strafbarkeit gemäß § 250 Absatz 1 Nr. 1b StGB anzunehmen.
2. Tat vom 27.01.2018 (II.2.)
Die Tat vom 27.01.2018 war rechtlich als versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall, §§ 242, 243 Absatz 1 Nr. 1, 22, 23 StGB einzuordnen. Der Einbruchsdiebstahl (§§ 242, 243 Absatz 1 Nr. 1 StGB) setzt voraus, dass der Täter zur Ausführung der Tat in einen umschlossenen Raum einbricht oder sich dort verborgen hält. Ein umschlossener Raum ist ein Raumgebilde, das mindestens auch zum Betreten von Menschen bestimmt und mit (zumindest teilweise künstlichen) Vorrichtungen zur Abwehr des Eindringens versehen ist. Hierunter fallen auch eingehegte Obstgärten, umzäunte Lagerplätze oder umzäunte Friedhöfe (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 243 RN 8). Der Innenhof der Gaststätte, der als Biergarten Teil des Gastraums ist, ist von einer niedrigen Mauer mit einem aufgesetzten, über mannshohen Eisengitterzaun umgeben und hierdurch vor unbefugtem Betreten geschützt. Es handelt sich somit um einen umschlossenen Raum im Sinne des § 243 Absatz 1 Nr. 1 StGB. Bei den Ladenräumen der Gaststätte „…“ handelt es sich um Geschäftsräume, da sie Teile eines Gebäudes sind, die den speziellen Zweck haben, dem Aufenthalt von Menschen während der Arbeitszeit bzw. zur Vornahme beruflicher oder sonstiger geschäftlicher Tätigkeit zu dienen. Das Einbrechen setzt voraus, dass der Täter eine den Zutritt verwehrende Umschließung von außen öffnet oder eine bereits vorhandene Lücke erweitert, so dass ein Zutritt möglich wird. Eine Substanzverletzung ist nicht zwingend erforderlich. Es muss sich jedoch um eine nicht ganz unerhebliche Anstrengung handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 26.02.2014, Az. 4 StR 584/13 in StV 2014, 481; MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 243 Rn 20; Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 243 Rn 11). Beim Einsteigen überwindet der Täter die Umschließung hingegen mit Geschicklichkeit oder Kraft, ohne sie aufzubrechen oder zu beseitigen (vgl. MüKo StGB, 3. Auflage 2017, 243 Rn 22). Vorliegend verbog der Angeklagte, um überhaupt auf das um- und verschlossene Gelände der Gaststätte kommen zu können, zwei Eisenstangen am Zaun des Anwesens, so dass eine über den normalen Spalt hinausgehende Öffnung entstand, durch die er hindurchsteigen konnte. Anschließend setzte der Angeklagte mit einem nicht näher bekannten Aufbrechwerkzeug an, die verschlossene Terrassentür aufzuhebeln. Auch wenn diese trotz der Hebelversuche verschlossen blieb, bevor der Angeklagte sein Vorhaben aufgrund der ankommenden Polizeistreife als fehlgeschlagen aufgeben musste, hat der Angeklagte bereits durch das Auseinanderdrücken der Eisenstangen des Zauns das Tatbestandmerkmal des Einbrechens erfüllt und vollendet.
Aufgrund der Störung des Tatvorgangs durch die eintreffenden Beamten gelang es dem Angeklagten weder in die Geschäftsräume der Gaststätte zu kommen, noch etwas zu entwenden, so dass insoweit nur von einem versuchten Diebstahl ausgegangen werden kann. Der Angeklagte hat zur Tatbestandsverwirklichung des Diebstahls auch unmittelbar angesetzt. Das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur – vollständigen – Tatbestandserfüllung führt oder im unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet. Diese Voraussetzung kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestands entsprechende Handlung vornimmt; regelmäßig genügt es allerdings, wenn der Täter ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht. Es muss aber immer das, was er zur Verwirklichung seines Vorhabens unternimmt, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.2016, Az. 2 StR 43/16 in NZM 2016, 907). Vorliegend ist der Angeklagte nicht nur durch den Zaun in den Biergarten eingedrungen, sondern hat sich bereits durch Aufhebelversuche an der verschlossenen Terrassentür zu schaffen gemacht, die zu den Räumen der Gaststätte führte. Nach der Vorstellung des Angeklagten sollte dort nach Wertgegenständen, insbesondere Bargeldbeständen, gesucht und bei Auffinden an sich genommen werden. Der Angeklagte stand in keiner Beziehung zu der Gaststätte oder seinem Besitzer. Er hatte neben typischen Aufbrechwerkzeug (Spachtel in der Jackentasche, 2 Steinmeißel vor der Tür liegend aufgefunden) auch spurenvermeidende Kleidung (Handschuhe) und Vermummungskleidung (Damenstrumpfhose mit Sehschlitzen) bei sich. Das gesamte Verhalten des Angeklagten und seines unbekannt gebliebenen Mittäters (Umsehen, Schmierestehen im Außenbereich, Flüchten bei Hören eines sich nähernden Fahrzeugs) spricht des Weiteren dafür, dass der einzige Zweck des Einbrechens darin lag, innerhalb der verlassenen Gaststätte nach Wertgegenständen und Bargeld zu suchen und diese gegebenenfalls an sich zu nehmen. Daher war vorliegend die bereits durchgeführten Aufhebelversuche an der Terrassentür schon als unmittelbares Ansetzen zur bevorstehendes Einwirken auf fremdes Gewahrsam zu sehen. Weitere erforderliche Zwischenschritte um auf den Gewahrsam des Gebäudeinhabers einwirken zu können, waren vorliegend nicht ersichtlich.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt bei versuchtem Diebstahl, aber voll verwirklichtem Regelbeispiel – wie es vorliegend der Fall ist – ein versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall vor (vgl. BGH, Beschluss vom 22.08.1984, Az. 3 StR 209/84).
3. § 154a StPO
Soweit bei der Tat vom 22.12.2017 zusätzlich noch tateinheitlich der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Absatz 1 Nr. 4 StGB), der Freiheitsberaubung (§ 239 Absatz 1 StGB) und des erpresserischen Menschenraubs (§ 239a StGB) und bei der Tat vom 27.01.2018 der Tatbestand der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) im Raum stand, wurde das Verfahren diesbezüglich bereits in der Anklageschrift vom 24.09.2019 durch die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) nach § 154a StPO beschränkt.
V.
1. Strafrahmen
a) Tat II. 1.
§ 249, 250 Absatz 1 Nr. 1b StGB sieht eine Mindeststrafe von nicht unter drei Jahren Freiheitsstrafe vor. Gründe, die vorliegend die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 250 Absatz 3 StGB gerechtfertigt hätten, lagen bei Gesamtwürdigung der Tat und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten auch unter Berücksichtigung aller unten angeführten, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände nicht vor. Die Tat wich in ihrem Schweregrad nicht dergestalt vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle nach unten ab, dass die Anwendung des Normalstrafrahmens nicht mehr geboten gewesen wäre. Dagegen sprachen bereits die hohe Bargeldsumme, die erbeutet wurde, die gemeinschaftliche Begehung und die teilweise schweren psychischen Folgen für die Zeugen.
b) Tat II. 2.
Der Strafrahmen gemäß §§ 242, 243 Absatz 1 StGB liegt zwischen drei Monaten und 10 Jahren. Von der Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 23 Absatz 2, 49 StGB hat die Kammer nach einer Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Persönlichkeit des Angeklagten Abstand genommen. Der Angeklagte ist bereits vielfach, einschlägigen vorbestraft und stand zum Tatzeitpunkt auch unter einer laufenden, ebenfalls einschlägigen Bewährung. Nur wenige Wochen zuvor beging der Angeklagte den Raub im Supermarkt …. Der Angeklagte hatte bereits das Hindernis des Zauns überwunden, um auf das Gelände zu gelangen, und sich mit einem Hebelwerkzeug an der Terrassentür zu schaffen gemacht. Aufgrund der Tatausführung, insbesondere den mitgebrachten Tatwerkzeug, dem Vermummungsmaterials, den Handschuhen sowie des Aufpassens durch einen zweiten Mann war von einer hohen kriminellen Energie des Angeklagten auszugehen. Die weitere Tatausführung wurde lediglich dadurch verhindert, dass der Zeuge … zufällig das Eindringen des Angeklagten durch den Zaun beobachtet hat, das Geräusch aufgrund seiner Berufserfahrung auf Baustellen richtig einordnen konnte und geistesgegenwärtig die Polizei verständig, die nur wenige Minuten später bereits am Tatort eintrafen.
2. Kein §§ 21, 49 StGB
Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB waren beim Angeklagten im Tatzeitraum nicht gegeben. Weder lagen Hinweise für eine seelische Erkrankung im Sinne einer Psychose oder eines hirnorganischen Psychosyndroms vor, noch wurde ein solches vom Angeklagten vorgetragen. Des Weiteren gab es auch keine Anhaltspunkte für einen Alkohol- oder Betäubungsmittelmissbrauch in Form eines akuten Intoxikationzustands zu den einzelnen Tatzeitpunkten oder einer verfestigten Suchtmittelabhängigkeit, die Auswirkungen auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit hätten haben können. Eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 StGB kam daher nicht in Betracht.
3. Strafzumessung im engeren Sinn
Bei der Strafzumessung im engeren Sinn hat die Kammer zugunsten des Angeklagten gewertet, dass beide Taten nunmehr über zwei Jahre zurückliegen. Bei der Tat II.2. war des Weiteren zu sehen, dass der Einbruchsdiebstahl im Versuchsstadium stecken blieb und nur ein geringer Sachschaden entstanden ist. Ebenso hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte aufgrund der Verurteilung mit einem Bewährungswiderruf zu rechnen hat und sich bereits seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft befindet.
Gegen den Angeklagten sprach hingegen die Vielzahl an großteils auch einschlägigen Vorbelastungen. Zudem stand er während der Taten unter einer laufenden Bewährung. Der Angeklagte wurde im Laufe seines Lebens bereits vielfach verurteilt und ist auch hafterfahren. Dies hat jedoch nicht genügt, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Zwischen den hiesigen Taten liegen nur wenige Wochen. Hinsichtlich der Tat II.1. war ferner zu sehen, dass der Raub durch mehrere Täter gemeinschaftlich begangen wurde, was die Gefährlichkeit erhöht. Ferner war die Höhe der erbeuteten Schadenssumme zu berücksichtigen. Besonders schwer wog vorliegend jedoch, dass die geschädigten Zeugen lange, teilweise noch heute unter den Folgen der Tat zu leiden hatten. Der Zeuge … gab an, aufgrund des Erlebten zwei Wochen krankgeschrieben gewesen zu sein. Auch danach sei es ihm einige Wochen lang nicht gut gegangen. Zwar ginge es ihm heute besser, doch jährlich im Dezember, wenn es auf Weihnachten zugehe, bekomme er wieder Alpträume. Die Zeugin … gab an, dass sie noch einige Monate nach der Tat zusammengezuckt sei, wenn schwarz gekleidete Personen auf sie zugegangen seien. Sie habe anfangs auch Angst gehabt, im Büro des Supermarktes zu sein. Die Enge habe sie nicht aushalten können, nachdem sie gesehen hätte, dass die Täter dort alles verwüstet hätten. Sie sei eine Woche lang krankgeschrieben gewesen und habe auch einige Mal die Hilfe einer Psychologin in Anspruch genommen. Mit der Zeit sei es jedoch deutlich besser geworden. Die Zeugin … berichtete, dass sie noch heute psychisch unter den Folgen der Tat zu leiden habe. Nach der Tat sei sie für 12 Wochen krankgeschrieben gewesen. Sie habe große Angst um ihr Leben gehabt. Sie habe während der Tat gedacht, dass sie hier sterben werde. Noch heute leide sie unter Angstzustände in der Dunkelheit und an ihrem Arbeitsplatz. Sie sei noch immer in psychologischer Behandlung. Ihr werde es bei der Arbeit schlecht, wenn es auf den Abend zugehe. Sie gehe auch nicht mehr ohne Begleitung raus und schon gar nicht, wenn es dunkel sei.
Unter Berücksichtigung all dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte war für
die Tat II.1. eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren 6 Monate
und
für die Tat II.2. eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten
als tat- und schuldangemessen anzusehen.
Aus diesen war unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Göttingen vom 30.07.2018 (Az. 62 Js 14766/18) und vom 28.12.2018 (Az. 27 Js 41075/17) unter Auflösung der in dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 13.03.2019 (Az. 27 Js 41075/17) gebildeten Gesamtstrafe und der Einzelstrafen aus dem Urteils des Amtsgerichts Duderstadt vom 19.03.2019 (Az. 44 Js 16764/18) unter Erhöhung der höchsten Einsatzstrafe von 5 Jahren 6 Monate und nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, die mit
6 Jahren und 3 Monaten
allen Strafzwecken gerecht wird.
VI.
Der Angeklagte wurde in der … bereits am 20.04.2019 „aufgrund nationaler Angelegenheit“ festgenommen. Er befand sich jedoch erst seit dem 31.08.2019 bis zu seiner Auslieferung am 02.09.2019 in Auslieferungshaft aufgrund des verfahrensgegenständlichen Haftbefehls. Gemäß § 51 Abs. 1 und 4 Satz 2 StGB war daher über die Anrechnung der Auslieferungshaft auf die anerkannte Strafe zu entscheiden (vgl. Fischer, StGB, 67. Auflage, 2020, § 51 Rn. 18). Gründe für ein Absehen der Anrechnung gemäß § 51 Abs. 1 S. 2 StGB lagen nicht vor. Die Kammer hält eine Anrechnung der erlittenen Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 für angemessen. Anhaltspunkte, die eine andere Bewertung gerechtfertigt hätten, waren vorliegend nicht ersichtlich.
VII.
1) § 73c StGB
Bezüglich der durch die Raubtat am 22.12.2017 (vgl. II.1.) erlangten Beute in Höhe von 9.804,84 Euro war gemäß § 73c StGB die Einziehung eines entsprechenden Geldbetrages anzuordnen. Voraussetzung für die Einziehung ist, dass der Tatbeteiligte durch die Tat oder für sie etwas erlangt hat, § 73 Abs.1 StGB. Durch die Tat erlangt sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs, sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum, zugeflossen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.06.2004, Az. 2 BvR 1136/03 in StV 2004, 409), insbesondere die Beute (vgl. BGH, Beschluss vom 14.01.2016, 1 StR 615/15). Da es sich um eine gemeinschaftlich begangene Tat handelt, haftet der Angeklagte hinsichtlich dieses Wertes gesamtschuldnerisch zusammen mit den drei derzeit noch unbekannten Mittätern.
2) § 74 StGB
Als Tatmittel gemäß § 74 Absatz 1 StGB war der bei der Raubtat am 22.12.2017 (Tat II.1.) als Fluchtwagen verwendete PKW Mercedes Benz CLS, FIN … einzuziehen. Dieser ist zwar auf den Sohn des Angeklagten zugelassen, aus dem Kaufvertrag ergibt sich jedoch, dass der Angeklagte ihn erworben hat. Da der Angeklagte selbst über keine gültige Fahrerlaubnis verfügt, war davon auszugehen, dass die Zulassung auf seinen damals noch 17jährigen Sohn zum Schein erfolgte. Im Übrigen wäre auch eine Einziehung gemäß § 74a StGB vorliegend möglich gewesen.
Ebenso war die Einziehung des bei der Tat am 27.01.2018 (Tat II.2.) verwendeten Paars Gartenhandschuhe, Spachtels, zwei Meisel sowie der Damenstrumpf mit Sehschlitzen gemäß § 74 Absatz 1 StGB anzuordnen.
VIII.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.