OLG Bamberg – Az.: 1 Ws 215/20 – Beschluss vom 28.05.2020
I. Die weitere Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts wird verworfen.
II. Der Angeklagte hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Mit der mit Beschluss des Amtsgerichts -Strafrichter – zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft wird dem Angeklagten eine gemeinsam mit weiteren Beteiligten begangene gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Zur Hauptverhandlung war der ordnungsgemäß geladene Angeklagte nicht erschienen. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat der Strafrichter die Verhaftung des Angeklagten gemäß § 230 Abs. 2 StPO angeordnet, weil dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung und Belehrung über die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens ohne genügende Entschuldigung der Hauptverhandlung ferngeblieben sei. In dem Beschluss wird mitgeteilt, dass Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB erhoben ist. Genauere Ausführungen zu der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat enthält der Haftbefehl nicht. Der hiergegen eingelegten Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftbefehl verworfen. Hiergegen hat der Verteidiger des Angeklagten weitere Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die weitere Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Angeklagte äußerte sich hierzu mit Verteidigerschriftsatz.
II.
Die nach § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO statthafte und auch sonst zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet.
1. Der Sitzungshaftbefehl des Amtsgerichts entspricht den notwendigen formalen Anforderungen. Ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO hat neben der Bezeichnung des Angeklagten und dem Grund der Vorführung die dem Angeklagten vorgeworfenen Straftat zu bezeichnen (SK/Deiters StPO 5. Aufl. § 230 Rn. 5; KMR/Eschelbach StPO § 230 Rn. 45). Diesen Voraussetzungen genügt der Haftbefehl. Ob auf die Bezeichnung der Straftat ganz verzichtet werden kann (so LG Chemnitz, Beschl. v. 11.08.1995 – 1 Qs 173/95 = StV 1996, 255) kann von daher dahinstehen. Der Ansicht, dass der Haftbefehl auch eine kurze Beschreibung der dem Angeklagten vorgeworfenen Straftat enthalten (Müko/Arnoldi StPO § 230 Rn. 17; LR-Becker StPO 27. Aufl. § 230 Rn. 3) oder darüber hinaus sogar den Formvorschriften des § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO entsprechen muss (OLG Frankfurt, Beschl. v. 02.12.1994 – 1 Ws 245/94 = StV 1995, 237; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 63. Aufl. § 230 Rn. 21; KK/Gmel StPO 8. Aufl. § 230 Rn. 22), was vorliegend nicht der Fall ist, schließt sich der Senat nicht an.
Grundsätzlich gilt, dass ein Haftbefehl aus sich heraus jederzeit und für jedermann verständlich über die Gründe der Verhaftung Auskunft geben muss, zumal den mit Vollstreckung und Vollzug befassten Behörden und Gerichten die Akten selbst oftmals nicht zur Verfügung stehen. Anderenfalls kann er die ihm zukommende Informations- und Umgrenzungsfunktion für alle Beteiligten nicht erfüllen. Allerdings wird bei einem Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO der Tatverdacht (und damit die sich aus § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO ergebenden Angaben) gegen einen Angeklagten im weiteren Verfahren nicht nachgeprüft, da der Haftbefehl einen Tatverdacht und einen Haftgrund nach §§ 112 ff. StPO gerade nicht voraussetzt und sich sein Zweck in der Sicherung der Hauptverhandlung erschöpft (vgl. nur LR/Becker StPO Rn. 32). Soweit die Tat im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung oder im Rahmen der sonstigen Entscheidungen (z.B. Sicherheitsleistung nach § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StPO) ein für die Fortdauer der Haft zu beachtender Faktor sein kann (LR/Becker a.a.O.), wird dem durch die Bezeichnung der Straftat hinreichend Rechnung getragen. Das gleiche gilt für eine Vernehmung durch den Richter des nächsten Amtsgerichts nach §§ 115a Abs. 1 und 2, 115 Abs. 3 StPO, welcher mögliche Bedenken gegen die Aufrechterhaltung der Haft nach § 115a Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 StPO unverzüglich mitzuteilen, die weitere Entscheidung jedoch dem zuständigen Gericht zu überlassen hat, § 115a Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 StPO.
Für diese Auslegung spricht auch die Vorschrift des § 134 Abs. 2 StPO. Sie ist auf Entscheidungen nach § 230 Abs. 2 StPO zugeschnitten und schreibt vor, dass ein Vorführungsbefehl die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat anzugeben hat, während eine mehr oder weniger ausführliche Beschreibung der vorgeworfenen Straftat nicht zu erfolgen braucht. Nachdem – wie bereits ausgeführt – bei einem Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO der Tatverdacht gegen den Angeklagten im weiteren Verfahren gerade nicht nachgeprüft wird und den weiteren Entscheidungen des Gerichts durch die bloße Bezeichnung der dem Angeklagten zur Last liegenden Straftat Rechnung getragen werden kann, wäre es ein leerer Formalismus, Formvorschriften zu verlangen, welchen im Hinblick auf die spezielle Art des Haftbefehls kein relevanter Informations- oder Umgrenzungsgehalt zukommt.
2. Der Sitzungshaftbefehl des Amtsgerichts ist auch materiell rechtmäßig.
……………
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.