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Voraussetzungen für Wohnungsdurchsuchung bei Verdacht des Eigenkonsums?

LG Mainz – Az.: 3 Qs 31/19 – Beschluss vom 17.07.2019

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft … gegen die Ablehnung der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung des Amtsgerichts Mainz – Ermittlungsrichter – vom 18.06.2019 (Az. 409 Gs 1754/19) wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Die Staatsanwaltschaft Mainz führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; 3 Abs. 1, 1 Abs. 1 BtMG.

Mit Verfügung vom 17.06.2019 hat die Staatsanwaltschaft bei dem Amtsgericht … – Ermittlungsrichter – eine Anordnung gemäß den §§ 102, 94 StPO zur Durchsuchung und Beschlagnahme von Beweismitteln beantragt, da der Verdacht bestehe, dass der Beschuldigte in seiner Wohnung Cannabisprodukte vorhalte, um seinen regelmäßigen Konsum zu ermöglichen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 18.06.2019 hat das Amtsgericht Mainz – Ermittlungsrichter – (Az.: 409 Gs 1754/19) den gegen den Beschuldigten gerichteten Antrag abgelehnt. Die Entscheidung hat das Amtsgericht damit begründet, der Antrag der Staatsanwaltschaft basiere auf einem Vorgang, der bereits drei Monate zurück liege. Es bedürfe nähere Anhaltspunkte dafür, dass bei einem in Rede stehenden Eigenkonsum auch bei einer Betäubungsmittelvergangenheit der Konsum fortgesetzt wird und die plausible Vermutung formuliert werden könne, der Beschuldigte besitze weiterhin Drogen. Der Beschuldigte habe die positiven THC-Werte im März 2019 mit einem Konsum in den Niederlanden erklärt, was nicht zu der Vermutung führe, dass der Beschuldigte in Deutschland THC-Produkte vorrätig halte. Ein solcher Rückschluss würde auf einen Generalverdacht hinauslaufen, der für eine Durchsuchungsanordnung einer Wohnung unter Berücksichtigung des besonderen Schutzes des Art. 13 Grundgesetz nicht ausreichend sei. Zudem sei eine Durchsuchung auch aus den Gründen der Verhältnismäßigkeit abzulehnen. Wegen des Verkehrsverstoßes im März 2019 sei lediglich ein Ordnungswidrigkeitenverfahren durchgeführt worden. Es gebe keine Gesichtspunkte dafür, dass der Beschuldigte derzeit Betäubungsmittel zu Hause aufbewahre.

Gegen den die beantragte Anordnung ablehnenden Beschluss hat die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 24.6.2019 Beschwerde eingelegt. Wegen der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf Blatt 21 ff. der Akten verwiesen. Das Amtsgericht – Ermittlungsrichter – hat der Beschwerde nicht abgeholfen. In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 27.06.2019 hat das Amtsgericht zudem ergänzt, dass sich die Frage der Verhältnismäßigkeit nicht alleine auf den Verkehrsverstoß sondern auch auf den Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln beziehe.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Die Durchsuchung und Beschlagnahmeanordnung rechtfertigt sich aus den Vorschriften der §§ 94 Abs. 1 und Abs. 2, 102 StPO. Nach diesen Vorschriften kann bei demjenigen, der als Täter oder Teilnehmer einer Straftat verdächtig ist, eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Aufgefundene Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, können beschlagnahmt werden. Erforderlich ist danach lediglich ein Verdacht, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigt (sog. Anfangsverdacht) und eine auf kriminalistische Erfahrung gestützte Vermutung, dass die als Beweismittel die oder entlastenden Gegenstände sich in den zu durchsuchenden Räumen befinden und, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist.

1.) Es ist schon fraglich, ob der Beschuldigte im Sinne eines Anfangsverdachts der Begehung der eingangs näher bezeichneten Tat verdächtig ist. Die Annahme eines Verdachts diesen Grades ist zwar bereits begründet, wenn es nach den kriminalistischen Erfahrungen unter Bewertung konkreter Tatsachen und nicht bloß vager Anhaltspunkte und Vermutungen als möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt, wobei auch entfernte Indizien herangezogen werden können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. § 152 Rdnr. 4). Es ist auch unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität einer Wohnungsdurchsuchung verfassungsrechtlich nicht geboten, die Maßnahme vom Vorliegen eines erhöhten Verdachtsgrades abhängig zu machen, wie er für andere Maßnahmen gilt (vgl. BVerfG NJW 2015, 851-853).

Vorliegend ist bei dem Beschuldigten der letzte Konsum THC-haltiger Produkte im März 2019 nachgewiesen. Insgesamt ist er in den davor liegenden 8 Monaten 4-mal wegen Cannabiskonsums im Rahmen von Verkehrskontrollen aufgefallen. Zwar ist der Staatsanwaltschaft zuzustimmen, dass bei dem Beschuldigten durchaus von einem wiederholten Verstoß gegen das BtMG auszugehen ist. Jedoch besteht hier nur der allgemeine Verdacht, dass bei einem Betäubungsmittelkonsumenten – bei dem eine Betäubungsmittelvergangenheit bislang noch nicht hinreichend festgestellt ist – auch immer Betäubungsmittel aufzufinden sind. Bei den Kontrollen der Person des Beschuldigten und des von ihm genutzten PKW wurden in der Vergangenheit jeweils jedenfalls keine Betäubungsmittel aufgefunden. Da es sich auch nur um den Vorwurf des Besitzes von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum handelt, steht es zudem zu vermuten, dass die Betäubungsmittel zeitnah konsumiert werden.

Voraussetzungen für  Wohnungsdurchsuchung bei Verdacht des Eigenkonsums?
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov /Shutterstock.com)

2.) Der erhebliche Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Beschuldigten bedarf zudem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 20, 162 [186f.] = NJW 1966, 1603; BVerfGE 96, 44 [51] = NJW 1997, 2165 = NStZ 1997, 502 L). Die Durchsuchung muss insbesondere in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfGE 20, 162 [186f.] = NJW 1966, 1603; BVerfGE 59, 95 [97]; BVerfGE 96, 44 [51] = NJW 1997, 2165 = NStZ 1997, 502 L; BVerfG, NJW 2005, 1917 [1922]). Die Durchsuchung muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten Zweck vor allem Erfolg versprechend sein (vgl. BVerfGE 42, 212 [220] = NJW 1976, 1735; BVerfGE 96, 44 [51] = NJW 1997, 2165 = NStZ 1997, 502 L). Dabei ist es grundsätzlich Sache der ermittelnden Behörden, über die Zweckmäßigkeit und die Reihenfolge vorzunehmender Ermittlungshandlungen zu befinden. Ein Grundrechtseingriff ist aber jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn nahe liegende grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die vorgenommene Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des in diesem Verfahrensabschnitt vorliegenden Tatverdachts steht.

Die Stärke des Tatverdachts steht hier schon außer Verhältnis zur Schwere des mit der Durchsuchung verbundenen Grundrechtseingriffs. Selbst wenn dahingestellt bleiben kann, ob der Verdachtsannahme mehr als nur vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen zu Grunde lagen, so sind die auf eine Täterschaft des Beschuldigten hinweisenden Umstände allenfalls von geringem Gewicht (NStZ-RR 2006, 110, beck-online). Aber auch die geringe Schwere des Tatvorwurfs steht außer Verhältnis zur Schwere des mit der Durchsuchung verbundenen Grundrechtseingriffs. Insoweit ist auf § 29 Abs. 5 BtMG zu verweisen, wonach von der Strafverfolgung bei dem Besitz geringer Mengen Betäubungsmittel – Cannabis zählt zudem zu den sog. weichen Drogen – zum Eigenverbrauch abgesehen werden kann. Dass bei dem Beschuldigten Betäubungsmittel in größeren als nur zum Eigenverbrauch vorgehaltenen Mengen aufgefunden werden, ist aus dem bisherigen Ermittlungsergebnis nicht ersichtlich. Zudem ist der Beschuldigte bislang nicht wegen Betäubungskriminalität vorbestraft. Vor diesem Hintergrund ist es nicht ausgeschlossen, dass bei einem – unterstellten – Auffinden von geringen Mengen THC-haltiger Produkte für den Eigenverbrauch, bei dem Beschuldigten von Strafverfolgung abgesehen würde.

Nach alledem hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft keine Aussicht auf Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

 

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