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Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

OLG Bremen – Az.: 1 Ss 50/20 – Urteil vom 31.03.2021

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 25.02.2020 wird als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 28.02.2019 verhängte das Amtsgericht Bremen gegen den Angeklagten wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Beleidigung eine Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,- EUR. Gegen dieses Urteil legten die Staatsanwaltschaft Bremen und der Angeklagte jeweils am 01.03.2019 Berufung ein. Mit Urteil der Strafkammer 52 des Landgerichts Bremen vom 25.02.2020 wurde auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten das Urteil vom 28.02.2019 aufgehoben und der Angeklagte wurde wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Übrigen wurden die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen zur Tat getroffen:

„Die Polizeibeamten und Zeugen A. und B. stellten am 13.12.2017 gegen 09:00 Uhr in der C.straße auf Höhe der Hausnummer pp. eine Verkehrsordnungswidrigkeit fest. Danach parkte ein Pkw Land Rover mit dem amtlichen Kennzeichen pp. (rotes Kennzeichen) am rechten Fahrbahnrand fünf Meter vor einer mobil eingerichteten Lichtzeichenanlage im Geltungsbereich eines mobil eingerichteten absoluten Halteverbots.

Während die Zeugen A. und B. den Pkw überprüften und eine entsprechende schriftliche Verwarnung an das Fahrzeug hefteten, kam der Angeklagte auf diese zu und teilte den Zeugen mit, dass er dort parken dürfe und das Halteverbot für ihn keine Geltung beanspruchen würde, weil es sich „um seine“ Einfahrt handeln wurde Die Zeugen belehrten ihn mehrfach darüber, dass das Halteverbot auch für den Angeklagten gelte und forderten ihn mehrfach sachlich und mit ruhigem Ton auf, das Fahrzeug zu entfernen. Ohne Rückäußerung begab sich der Angeklagte in das nahe gelegene Büro des Automobilhandels, in dem er als Geschäftsführer tätig ist. Die Zeugen A. und B. gingen zunächst davon aus, dass der Angeklagte den Schlüssel für das Kfz holen wollte um das Fahrzeug zu entfernen Als er auch nach einigen Minuten nicht zurück kehrte folgte ihm der Zeuge A. in dessen Büro. Dort fand er den Angeklagten hinter dem Schreibtisch sitzend vor, ohne dass dieser Anstrengungen entfaltete, seinen Schlüssel zu holen und den Pkw zu entfernen.

Daraufhin forderte der Zeuge A. den Angeklagten mehrfach auf, sich auszuweisen. Der Angeklagte äußerte daraufhin zu dem Zeugen: „Erst wenn du den Zettel vom Auto nimmst!“. Durch das Duzen fühlte sich der Zeuge in seinem Ehranspruch herabgesetzt. Sodann betrat der Zeuge B. die Geschäftsräume, weil der Zeuge A. nicht alsbald zurückkehrte. Im Weiteren Verlauf der Unterhaltung forderten die Zeugen A. und B. den Angeklagten mehrfach erfolglos auf, sich auszuweisen und kündigten eine Durchsuchung seiner Person für den Fall der weiteren Weigerungshaltung an. Der Angeklagte erklärte sodann aufgebracht, dass die Zeugen seinen Ausweis nicht bekommen wurden und warf dem Zeugen B. eine Visitenkarte zu, woraufhin der Zeuge erklärte, dass dies für die Identitätsfeststellung nicht ausreiche und er ein amtliches Ausweisdokument benötige. Da sich der Angeklagte weiterhin weigerte und sich unkooperativ verhielt, sollte er zum Zwecke der Identitätsfeststellung von den Zeugen nach Ausweisdokumenten durchsucht werden. Dazu ergriffen sie ihn an den Armen, woraufhin sich der Angeklagte mit erheblicher Kraftanstrengung loszureißen versuchte. Auf Grund seiner erheblichen Gegenwehr mussten die Zeugen ihn sodann zu Boden bringen und fixieren. Dagegen wehrte er sich, indem er an dem linken Ärmel des Zeugen B. riss, wodurch dessen linke Hand über den Boden gezerrt wurde. Hierbei erlitt der Zeuge eine Schürfwunde. Die Zeugen A. und B. verbrachten den Angeklagten sodann mit dem Streifenwagen zur Wache. Bei der dortigen intensiven Durchsuchung fanden sie u.a. seinen Personalausweis in der Hosentasche.

Während der Tat führte der Angeklagte bewusst und gebrauchsbereit ein einseitig geschliffenes eingeklapptes Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 8,5 cm in seiner Hosentasche mit sich.“

Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit am 02.03.2020 per Fax eingegangenen Schreiben Revision ein. Die schriftlichen Urteilsgründe sind seinem Verteidiger am 23.03.2020 zugestellt worden. Die Revision wurde mit Schriftsatz vom 22.04.2020 begründet. der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 06.08.2020 Stellung genommen.

Der Angeklagte beantragt Freispruch, hilfsweise die Aufhebung des Urteils des Landgerichts und die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Bremen.

II.

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
(Symbolfoto: Von Nomad_Soul/Shutterstock.com)

Die Revision ist statthaft (§ 333 StPO), form- und fristgerecht eingelegt (§ 341 StPO) und begründet (§§ 344, 345 StPO) worden, erweist sich jedoch als unbegründet, da weder der Schuld- noch der Strafausspruch der angefochtenen Entscheidung Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen.

1. Hinsichtlich des Schuldspruchs zeigt die Nachprüfung des Urteils der Strafkammer 52 des Landgerichts Bremen vom 25.02.2020 auf die mit der Revision des Angeklagten allein erhobene Sachrüge nicht auf, dass Urteil in materieller Hinsicht auf Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten beruht.

Die durch das Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB. Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zur Rechtmäßigkeit der Diensthandlung (§ 113 Abs. 3 StGB) sind genügend.

Für die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung im Sinne des § 113 Abs. 3 StGB kommt es nicht auf die materielle Verwaltungsrechtmäßigkeit der Diensthandlung an, sondern auf den strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff, wonach grundsätzlich nur die formale Rechtmäßigkeit ausschlaggebend ist und nur schwerwiegende Mängel der Diensthandlung zu ihrer Unrechtmäßigkeit führen, wie insbesondere eine fehlende sachliche und örtliche Zuständigkeit, die Nichteinhaltung der wesentlichen Förmlichkeiten sowie im Fall von Ermessensvorschriften eine nicht pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, bei der der Beamte nicht auf Grund sorgfältiger Prüfung in der Annahme handelte, zu der Amtshandlung berechtigt und verpflichtet zu sein (siehe u.a. BGH, Urteil vom 10.11.1967 – 4 StR 512/66, juris Rn. 130, BGHSt 21, 334, 361). Um dem Revisionsgericht die rechtliche Einordnung nachvollziehbar zu machen, ist es erforderlich, dass die Urteilsfeststellungen die Diensthandlung, gegen die sich der Angeklagte zur Wehr gesetzt hat, genau erkennen lassen. Hierzu ist es nötig, die Diensthandlung nicht nur ihrer Art nach zu benennen, sondern auch Feststellungen zum Zweck, zur Ausführung und den Begleitumständen zu treffen (siehe OLG Celle, Beschluss vom 08.07.2011 – 31 Ss 28/11, juris Rn. 6, StV 2011, 678; OLG Hamm, Beschluss vom 25.02.2016 – III-3 RVs 11/16, juris Rn. 6; OLG München, Beschluss vom 08.12.2008 – 5St RR 233/08, juris Rn. 10).

a) Die nach den Feststellungen des Landgerichts eingeschrittenen Polizeibeamten A. und B. waren als Bremer Polizeibeamte örtlich und auch sachlich zuständig zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (§ 53 Abs. 1 OWiG).

b) Die Beamten haben auch die wesentlichen Förmlichkeiten für ihre Diensthandlung beachtet, es liegen keine Mängel hinsichtlich der pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens vor und es sind in den Urteilsfeststellungen auch die notwendigen Feststellungen zu Zweck und Ausführung der Diensthandlung enthalten.

aa) Nach § 53 Abs. 1 S. 1 OWiG haben Beamte des Polizeidienstes nach pflichtgemäßem Ermessen Ordnungswidrigkeiten zu erforschen und dabei alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Nach den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 163b Abs. 1 S. 1 1. Halbs. StPO können Beamte des Polizeidienstes auch die zur Feststellung der Identität einer Person erforderlichen Maßnahmen treffen, wenn diese Person einer Verkehrsordnungswidrigkeit verdächtig ist.

bb) Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die Polizeibeamten A. und B. zunächst nach Feststellung einer Ordnungswidrigkeit in Form des gemäß §§ 49 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. 41 Abs. 1, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, Abschnitt 8, Zeichen 62, Zeichen 283 (absolutes Halteverbot), verkehrsordnungswidrig geparkten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen HB-061365 eine schriftliche Verwarnung an das Fahrzeug geheftet. Die Verkehrsordnungswidrigkeit wegen verkehrsordnungswidrigen Parkens richtet sich gegen diejenige Person, die als Fahrer den Pkw dort abgestellt hat. Anders als in der Entscheidung OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.01.1984 – 2 Ss 639/83, NJW 1984, 1571 entfällt vorliegend auch nicht die Rechtmäßigkeit der für die Erfüllung des Tatbestands des § 113 StGB relevanten Diensthandlung dadurch, dass der Angeklagte hat erkennen lassen, mit dieser Verwarnung nicht einverstanden zu sein, so dass wegen der Mitwirkungsbedürftigkeit dieses Verwaltungshandelns gemäß § 56 Abs. 2 OWiG dessen Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit nicht gegeben wäre: Die Widerstandshandlung des Angeklagten richtete sich vorliegend nicht gegen die Verwarnung, sondern gegen die nachfolgende Identitätsfeststellung durch die Polizeibeamten, so dass deren Rechtmäßigkeit für die Erfüllung des Tatbestands des § 113 StGB maßgeblich ist.

cc) Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts folgten die Polizeibeamten A. und B. sodann dem Angeklagten in dessen Büro, nachdem sich der Angeklagte als möglicher Fahrer des Pkw zu erkennen gegeben hatte, indem er ihnen mitgeteilt hatte, dass er an der betreffenden Stelle parken dürfe und das Halteverbot für ihn keine Geltung beanspruchen würde, weil es sich „um seine“ Einfahrt handeln wurde. Im Büro forderte die Zeugen A. und B. den Angeklagten mehrfach erfolglos auf sich auszuweisen und kündigten eine Durchsuchung seiner Person für den Fall der weiteren Weigerungshaltung an. Da sich der Angeklagte weiterhin weigerte und sich unkooperativ verhielt, sollte er nach den Feststellungen des Landgerichts zum Zwecke der Identitätsfeststellung von den Zeugen nach Ausweisdokumenten durchsucht werden, und hiergegen leistete der Angeklagte Gegenwehr.

(a) Die Feststellung der Identität des Angeklagten durch die Polizeibeamten A. und B. erfolgte auf der Grundlage der §§ 46 Abs. 1 OWiG, 163b Abs. 1 S. 1 1. Halbs. StPO, wonach die Beamten des Polizeidienstes berechtigt sind, die zur Feststellung der Identität einer Person erforderlichen Maßnahmen treffen, wenn diese Person einer Verkehrsordnungswidrigkeit verdächtig ist. Durch die vorherigen Angaben hatte sich der Angeklagte gegenüber den Polizeibeamten wie dargelegt der Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit durch das dem mobil eingerichteten Halteverbot entgegen erfolgende Parken seines Pkw verdächtig gemacht.

(b) Da der Angeklagte verweigerte, sich auszuweisen, war nach § 163b Abs. 1 S. 2 und S. 3 StPO eine Durchsuchung seiner Person zulässig. Die Erforderlichkeit der Durchsuchung des Angeklagten zur Feststellung der Identität seiner Person entfiel weder dadurch, dass die Polizeibeamten ohne weiteres den Halter des Fahrzeugs und auch die Identität des Geschäftsführers des Betriebs des Angeklagten hätten feststellen können, noch durch die Hingabe einer Visitenkarte des Angeklagten. Der Angeklagte hatte sich durch seine eigenen Angaben gerade als möglicher Fahrer des Fahrzeugs verdächtig gemacht, der gegebenenfalls als solcher auch verschieden sein konnte vom Halter und vom auch durch die Visitenkarte ausgewiesenen Geschäftsführer des Betriebs, so dass die einschreitenden Polizeibeamten die Feststellung der Identität der Person des Angeklagten für erforderlich erachten konnten. Der Angeklagte ist zudem gemäß §§ 163b Abs. 1 S. 1 2. Halbs. i.V.m. 163a Abs. 4 S. 1 StPO belehrt worden.

(c) Der Rechtmäßigkeit der von den einschreitenden Polizeibeamten ergriffenen Maßnahmen stand auch nicht der Schutz des Grundrechts aus Art. 13 GG entgegen. Die polizeiliche Maßnahme unterfiel nicht als Durchsuchung dem Richtervorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 GG und es ist nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils das Betreten der Geschäftsräume des Angeklagten wie auch das weitere Verweilen dort auch nicht gegen dessen erklärten bzw. erkennbaren Willen erfolgt, so dass auch kein sonstiger rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts vorlag (siehe BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, juris Rn. 141, BVerfGE 65, 1).

(d) Die ergriffene Maßnahme stellt sich nach den Feststellungen des Landgerichts schließlich auch nicht als unverhältnismäßig dar, dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die vorgenommene Durchsuchung nach Identitätspapieren sich grundsätzlich als mildere Maßnahme im Vergleich zur Verbringung auf das Polizeirevier zur Identitätsfeststellung darstellte.

2. Auch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs beruht das landgerichtliche Urteil auf keinen Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten.

a) Kein Rechtsfehler im Rahmen der Strafzumessung ist darin zu erkennen, dass das das Landgericht den Strafrahmen dem besonders schweren Fall eines Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 2 StGB entnommen hat.

aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist insoweit ein Rechtsfehler der landgerichtlichen Entscheidung in Bezug auf die Beweiswürdigung und die Tatsachenfeststellungen nicht zu erkennen, wobei grundsätzlich zu beachten ist, dass die revisionsgerichtliche Überprüfung der Beweiswürdigung darauf beschränkt ist, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind, was in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall ist, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr. des BGH, siehe zuletzt u.a. BGH, Urteil vom 16.08.2012 – 3 StR 237/12, juris Rn. 6, NStZ-RR 2012, 369). Das Landgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass der Angeklagte während der Tat bewusst und gebrauchsbereit ein einseitig geschliffenes eingeklapptes Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 8,5 cm in seiner Hosentasche mit sich führte. Diese Feststellungen berufen auch nicht aufgrund einer widersprüchlichen, unklaren oder lückenhaften Beweiswürdigung, sondern das Landgericht hat hierzu ausgeführt, dass der Angeklagte eingeräumt habe, das Taschenmesser bei sich geführt zu haben, um damit Pakete im Büro öffnen zu können. Damit trägt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht nur das objektive Beisichführen, sondern auch die Feststellung des subjektiven Bewusstseins hiervon in dem konkreten Moment der Tat, nämlich während des Aufenthalts in dem Büro, wo der Angeklagte Pakete öffnen wollte. Der Fall ist gerade nicht der vom Angeklagten herangezogenen Entscheidung BGH, Beschluss vom 27.09.2002 – 5 StR 117/02, juris Rn. 15 f., NStZ-RR 2003, 12, vergleichbar, worin der BGH ausführte, dass bei kleineren Taschenmessern aus dem Merkmal des objektiven Beisichführens nicht notwendigerweise auch auf ein im Moment der Tatausführung vorliegendes subjektives Bewusstsein davon geschlossen werden kann: Vorliegend sind die subjektiven Voraussetzungen des bewussten Beisichführens vielmehr vom Landgericht in rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung konkret festgestellt worden. Dabei schließt insbesondere auch das bewusste Beisichführen des Taschenmessers das Bewusstsein von dessen Natur als gefährliches Werkzeug ohne weiteres ein.

bb) Das bewusste und gebrauchsbereite Beisichführen des Taschenmessers erfüllt die Voraussetzungen des Regelbeispiels nach § 113 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB. Das Taschenmesser ist, wenn auch keine Waffe, so doch ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift (siehe zum selben Begriff im Rahmen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB BGH, Beschluss vom 03.06.2008 – 3 StR 246/07, NJW 2008, 2861); die frühere Voraussetzung einer Verwendungsabsicht ist – mit Wirkung für Taten nach dem 29.05.2017 – in § 113 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB n.F. nicht mehr enthalten.

cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Strafzumessung durch das Landgericht auch nicht deswegen fehlerhaft, weil verkannt worden wäre, dass die indizielle Wirkung des Regelbeispiels nach den konkreten Umständen widerlegt wäre.

Es kann die Indizwirkung eines Regelbeispiels ausnahmsweise durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, dass sie das Tatunrecht oder die Schuld deutlich vom Regelfall abheben und daher die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint (siehe BGH, Urteil vom 13.01.1987 – 1 StR 654/86, NStZ 1987, 222). Dies bedeutet, dass trotz Vorliegens eines Regelbeispiels in Ausnahmefällen ein besonders schwerer Fall verneint werden kann, wenn eine Reihe von gewichtigen Strafmilderungsgründen – hierbei kann es sich um vertypte oder sonstige Milderungsfaktoren handeln – Unrecht und Schuld des Täters als gemindert erscheinen lassen (siehe BGH, Beschluss vom 04.08.2015 – 3 StR 267/15, BeckRS 2015, 16316). Hierbei handelt es sich auch um solche Fragen der Strafzumessung, die der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegen (siehe BGH, Beschluss vom 11.12.2008 – 5 StR 536/08, juris Rn. 13, NStZ-RR 2009, 279).

Das Vorliegen solcher besonderer strafmildernder Umstände, die das Tatunrecht oder die Schuld deutlich vom Regelfall abheben würden, ist vorliegend aber nicht festzustellen.

Dabei könnte allerdings durchaus als ein zugunsten des Angeklagten sprechender strafmildernder Umstand darin gesehen werden, dass die Widerstandshandlung hier im Büro des Angeklagten erfolgte und damit in einem Raum, der für den Angeklagten den Schutz nach Art. 13 GG genießt, und in dem das Beisichführen eines als gefährliches Werkzeug einzuordnenden Gegenstands den Zwecken der normalen Betätigung in diesem Raum entsprechen kann. Auch wenn nach den vorstehenden Ausführungen vorliegend die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung von der Betroffenheit des Schutzbereichs des Art. 13 GG unberührt bleibt, ist doch festzustellen, dass es als strafmildernder Umstand zu berücksichtigen in Betracht kommt, wenn sich der Angeklagte bei der Widerstandsleistung in seinem eigenen Büro und damit in einem für ihn geschützten Raum aufhält und lediglich wegen des Beisichführens eines gefährlichen Werkzeugs – ohne eine entsprechende Absicht auch einer Verwendung desselben zur Widerstandsleistung – das Vorliegen eines Regelbeispiels anzunehmen wäre. Vorliegend kann dies aber letztlich schon deswegen im Ergebnis nicht zu einer Entkräftung des Regelbeispiels führen, weil der Angeklagte bereits aufgrund des Vorgeschehens auf der Straße damit rechnen musste, dass die Polizeibeamten ihm in seine Geschäftsräume folgen und dort weiter seine Personalien feststellen wollen würden. Auch wenn er sich in der konkreten Konstellation im Büro nicht mehr aktiv nach außen in eine außerhalb des Schutzes des Art. 13 GG liegende Situation bewegt hat, in der es dann zu Widerstandshandlungen kommen würde, war diese Situation mithin durch sein Vorverhalten im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang herausgefordert, so dass die zusätzliche abstrakte Gefährdung durch das Beisichführen des gefährlichen Werkzeugs nicht wertungsmäßig entkräftet ist.

Auch die sonstigen Faktoren des konkreten Falls begründen keine strafmildernden Umstände, die das Tatunrecht oder die Schuld deutlich vom Regelfall abheben würden. Der Widerstand des Angeklagten erfolgte mit erheblicher Kraftanstrengung und seine Gegenwehr machte es weiter erforderlich, ihn zu Boden zu bringen und zu fixieren, wogegen er sich weiter wehrte. Dass die Polizeibeamten sich – wie im landgerichtlichen Urteil ausgeführt – über die Respektlosigkeit des Angeklagten geärgert hatten und dass auch der Zeuge B. lauter gewesen sei, begründet ebenfalls keine abweichende Bewertung, zumal all dies an der Rechtmäßigkeit der Diensthandlung nichts ändert. Dass die Situation wie geschehen aus einer Nichtigkeit eskalierte, bleibt hier dem Angeklagten zuzuschreiben, dem es unschwer möglich gewesen wäre, durch Vorzeigen seines Ausweises die Feststellung seiner Identität zu ermöglichen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

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