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Verjährungsbeginn bei § 266a StGB – Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

LG Baden-Baden – Az.: 6 Ns 305 Js 5919/16 – Urteil von 12.11.2018

Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bühl vom 27.06.2018 wie folgt abgeändert:

1. Der Angeklagte ist schuldig des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 54 Fällen. Er wird deswegen zur Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt.

2. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.

3. Von den Kosten des Verfahrens und den notwendigen Auslagen des Angeklagten tragen dieser und die Staatskasse jeweils die Hälfte.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 27.06.2018 hat das Amtsgericht Bühl den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 83 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 350 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt.

Die Berufung des Angeklagten führt zu einer teilweisen Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung und zu einer Reduzierung der Gesamtgeldstrafe.

II.

Der 58 Jahre alte Angeklagte ist selbständiger Kaufmann und Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma S… Transport und Logistik GmbH mit Sitz in … .

Der Angeklagte war viele Jahre lang verheiratet und ist seit kurzem geschieden. Angaben zu seinem Einkommen und seinen Vermögensverhältnissen hat der Angeklagte nicht gemacht. Die Spedition S… Transport und Logistik GmbH verfügt seiner Aussage nach aber über insgesamt 15 Fahrzeuge, darunter sieben Sattelzüge, einen 20-Tonner und vier 7,5-Tonner-Lkw. In der Spedition beschäftigt der Angeklagte 30 Arbeitnehmer, davon 28 als Fahrer.

Das Bundeszentralregister enthält für den Angeklagten folgende Eintragungen:

  • 1. 02.06.2018 AG Bühl, Körperverletzung, 20 Tagessätze zu je 50 DM Geldstrafe.
  • 2. 30.06.2000 AG Bühl, Trunkenheit im Verkehr, 40 Tagessätze zu je 50 DM Geldstrafe, Sperre für die Fahrerlaubnis bis 29.12.2000.
  • 3. 29.01.2002 AG Bühl, Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, 3 Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung, Sperre für die Fahrerlaubnis bis 05.05.2003.
  • 4. 14.03.2002 AG Bühl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, 4 Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung, Sperre für die Fahrerlaubnis bis 05.05.2003. Einbezogen wurde die Entscheidung Nr. 3., Strafe erlassen mit Wirkung vom 19.07.2006
  • 5. 03.06.2003 AG Bühl, Versuchte Strafvereitelung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, 2 Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung, Strafe erlassen mit Wirkung vom 28.08.2006.
  • 6. 10.07.2007 AG Bühl, Trunkenheit im Verkehr, 50 Tagessätze zu je 40 Euro Geldstrafe, Sperre für die Fahrerlaubnis bis 09.07.2008.
  • 7. 14.08.2008 AG Bühl, Betrug in drei Fällen, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in drei Fällen, 65 Tagessätze zu je 30 Euro Geldstrafe.

Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte war im Zeitraum 2004 bis Januar 2005 Inhaber der Firma R… S… mit Sitz in B… , die im Transportgewerbe tätig war. Im genannten Zeitraum beschäftigte er zu den in der nachfolgend genannten Tabelle genannten Zeiten den gesondert verfolgten R… R… als Fahrer. Entgegen der ihm bekannten Verpflichtung meldete er Herrn R… nicht zur Sozialversicherung an, um die Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile) zu sparen. Dies wusste er.

Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle (Einzugsstelle DAK, jeweils Gesamtsozialversicherungsbeiträge):

  • 1. Februar 2004 84,84 Euro,
  • 2. März 2004 1.625,56 Euro,
  • 3. April 2004 116,24 Euro,
  • 4. Oktober 2004 364,92 Euro,
  • 5. November 2004   263,10 Euro,
  • 6. Januar 2005 14,38 Euro.

Insgesamt entstand den Sozialversicherungsträgern ein Schaden in Höhe von 2.469,04 Euro.

III.

Der Angeklagte kannte seit langem den früheren Mitangeklagten und kürzlich verstorbenen E… K… K… war in der Vergangenheit selbständig gewesen und hatte sich mit einem Vertrieb alter Autos und Matratzen über Wasser gehalten. Im Jahre 2008 fragte K… den Angeklagten, ob er in dessen Spedition als Fahrer arbeiten könne. Der Angeklagte sagte dies zu und bot K… eine Anstellung an. Da K… aber nicht als angestellter Fahrer beschäftigt sein wollte, kam er mit dem Angeklagten überein, dass er als Selbständiger für die Spedition des Angeklagten fahren und seine Tätigkeit nach geleisteten Stunden in Rechnung stellen solle.

Von Januar 2009 bis April 2016 war K… daraufhin in der Spedition des Angeklagten als Berufskraftfahrer tätig. Dabei fuhr K… jeweils feste, vom Angeklagten vorgegebene Fahrtrouten, für die er regelmäßig einen Lkw der S… Transport und Logistik GmbH benutzte, welcher ihm auch als „sein“ Fahrzeug auf Dauer fest zugeteilt war. Sämtliche Betriebskosten und die Versicherung des Fahrzeugs trug die Spedition.

Der Zeuge K… stellte der Spedition S… Transport und Logistik GmbH jeweils monatliche Rechnungen über die von ihm erbrachten Fahrleistungen, die mit jeweils beigelegten Stunden/Tourenzetteln belegt wurden. Zusätzlich stellte K… der Spedition jeweils 19% Umsatzsteuer in Rechnung, wobei er auf seinen Rechnungen eine nicht mehr gültige, veraltete Steuernummer angab. Die Rechnungen des K… wurden von der Spedition des Angeklagten jeweils einschließlich Umsatzsteuer beglichen.

Obwohl dem Angeklagten bekannt war, dass K… in derselben Weise wie die anderen angestellten Fahrer der Spedition tätig wurde, insbesondere feste Touren nach Vorgabe fuhr, der Lkw von der Spedition gestellt wurde und sämtliche Fahrzeugkosten von dieser getragen wurden, meldete er die Erwerbstätigkeit des K… sowie die anfallenden Lohnsummen nicht der Einzugsstelle, der zuständigen Bahn BKK, an und führte die monatlich anfallenden Gesamtsozialversicherungsbeträge auch nicht an diese ab.

K… stellte dem Angeklagten im Zeitraum von Januar 2009 bis April 2016 insgesamt 83 Rechnungen, die sich jeweils auf einen Monat bezogen.

Für den Zeitraum Juni 2011 bis April 2016 handelt es sich um folgende nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge (jeweils in Euro):

…………….

Die Beitragssätze lagen im Tatzeitraum für die Rentenversicherung zwischen 19,9% und 18,7%, für die Krankenversicherung zwischen 14,9% und 15,5%, für die Arbeitslosenversicherung zwischen 2,8% und 3% und für die Pflegeversicherung zwischen 1,95% und 2,35%. Bei der Berechnung wurde für K… die Steuerklasse III zugrunde gelegt.

Den Trägern der Sozialversicherung entstanden hierdurch Schäden in Höhe von insgesamt 58.380,42 Euro.

IV.

Die Feststellungen zur Person beruhen auf den Angaben des Angeklagten, der Auskunft aus dem BZR und dem verlesenen Strafbefehl vom 14.08.2008.

Der Angeklagte hat zu seinen persönlichen Verhältnissen angegeben, seit kurzem geschieden zu sein. Zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen hat er keine Angaben gemacht. Er sei aber Gesellschafter und Geschäftsführer der S… Transport und Logistik GmbH, welche über die o.g. Fahrzeuge und Fahrer verfüge.

Den kürzlich verstorbenen Herrn K… habe er schon seit vielen Jahren gekannt. Als dieser ihn einmal wegen eines Jobs als Fahrer angesprochen habe, habe er ihm eine Anstellung samt Anmeldung bei der Sozialversicherung angeboten. K… habe dies aber abgelehnt und habe selbständig bleiben wollen. Hierauf sei er eingegangen. K… sei dann seit 2009 in seiner Spedition als Fahrer eingesetzt worden, zumeist bei Fahrten für die Firma B…. Er habe monatlich Rechnungen gestellt und diese mit Nachweisen belegt. Die jeweiligen Rechnungsbeträge seien samt Umsatzsteuer ausbezahlt worden. Im Übrigen habe er, der Angeklagte, sich auf seine Frau und seine Tochter verlassen, welche damals die Buchhaltung gemacht hätten.

Die Zeugin ZOIin W… hat angegeben, bei den Durchsuchungen alle Rechnungen und Stundenaufschriebe aufgefunden und zur Berechnung an die Rentenversicherung weitergegeben zu haben. Sowohl der Angeklagte als auch K… seien kooperativ gewesen. K… habe angegeben, im fraglichen Zeitraum keinerlei weitere Arbeitgeber gehabt oder ein anderweitiges Gewerbe betrieben zu haben. Da K… zudem noch angegeben habe, die Einnahmen aus der Fahrertätigkeit nicht versteuert zu haben, auch die Umsatzsteuer habe er nicht abgeführt, sei zusätzlich gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet worden.

Aus dem verlesenen Strafbefehl gegen K… ergibt sich, dass dieser in vorliegender Sache mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bühl vom 26.01.2018, rechtskräftig seit dem 04.07.2018, wegen Beihilfe zum Vorentenhalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 83 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 40.- Euro verurteilt worden war.

Die Höhe der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Kö… und den von ihm gefertigten Auswertungen. Er hat ausgeführt, dass ihm sämtliche Rechnungen und Stundenzettel des Knappe vorgelegen hätten. Diese habe er ausgewertet und auf Seiten der Rentenversicherung die Berechnungen der Sozialversicherungsbeiträge durchgeführt.

Der Sachverständige hat insoweit angegeben, zugunsten des Angeklagten sei bei der Berechnung nicht von der an sich zugrunde zu legenden Steuerklasse VI ausgegangen worden. Da die Individualmerkmale des K… bekannt gewesen seien – verheiratet, 2 Kinder – sei die Steuerklasse III bei den Berechnungen zugrunde gelegt worden. Es sei entsprechend § 14 Abs. 2 SGB IV von einem Nettoarbeitsentgelt ausgegangen worden. Die jeweils ausbezahlten Nettobeträge seien unter Berücksichtigung der Steuerklasse III in ein Bruttoentgelt umgerechnet worden. Aus diesem seien dann unter Anwendung der jeweils gültigen Beitragssätze die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Renten-, Kranken, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung berechnet worden. Die Berechnung selbst erfolge durch ein bundesweit einheitliches Computerprogramm. In dieses würden auch Individualmerkmale, hier z.B. die Steuerklasse, eingegeben. Das Programm berücksichtige automatisch die jeweiligen Bemessungsgrenzen und gesetzlichen Beitragssätze sowie ggf. zusätzliche Beitragssätze von Krankenkassen sowie auch z.B. Progressionsschritte bei der Steuerberechnung. Mit Hand könnten derartige Berechnungen kaum genau gemacht werden.

An der Richtigkeit der Berechnungen und den Ausführungen des Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Auch soweit im Laufe der Jahre sich die jeweiligen Beitragssätze in geringem Umfang geändert haben (zur Entwicklung vgl. z.B. Wikipedia „Gesamtsozialversicherungsbeiträge“) sind diese bei der Berechnung ebenfalls berücksichtigt worden.

V.

1. Auf einen Tatbestandsirrtum kann sich der Angeklagte nicht berufen, da ihm alle äußeren Umstände bekannt waren. Er selbst hatte K… zunächst angeboten, ihn im Angestelltenverhältnis zu beschäftigen, was dieser nicht wollte und er hat sich gleichwohl auf die von diesem vorgeschlagene freiberufliche Tätigkeit eingelassen. K… war weisungsgebunden, ihm wurden Umfang und Art der von ihm gefahrenen Touren vorgegeben. Ihm wurde der Lkw gestellt, wobei er sogar über ein ihm fest zugeteiltes Fahrzeug verfügte; sämtliche Kosten des Lkw wurden von der Spedition getragen. K… wurde nach einem festen Stundensatz entlohnt. Er trug damit keinerlei wirtschaftliches Risiko und war in gleicher Weise in den Betrieb der Spedition eingebunden wie die anderen, im Angestelltenverhältnis beschäftigten Fahrer. Eine darüber hinaus gehende Tätigkeit des K… war nicht feststellbar und auch dem Angeklagten nicht bekannt.

2. Auch von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum des Angeklagten kann nicht die Rede sein. Insbesondere kann er ein Verschulden nicht auf seine ehemalige Ehefrau oder seine Tochter, die damals im Büro der Spedition tätig waren, abwälzen. Es war der Angeklagte, der K… erst angeboten hat, ihn als angestellten Fahrer zu beschäftigen und der dann aber dem Wunsch K… s. nachgekommen war, ihn als scheinbar Selbständigen zu beschäftigen. Insoweit ist nicht ersichtlich, welches Verschulden das Büropersonal treffen sollte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte erst kurz zuvor mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bühl vom 14.08.2008 wegen inhaltsgleicher Delikte zu einer Geldstrafe verurteilt worden war und ihm daher die Problematik der Scheinselbständigkeit ohne weiteres bestens bekannt gewesen ist.

3. Der Angeklagte ist danach schuldig des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 54 Fällen.

VI.

Bei der Strafzumessung hat die Kammer, ausgehend vom Strafrahmen des § 266a StGB, wie das Amtsgericht in allen Fällen Geldstrafen als tat- und schuldangemessen angesehen.

Zugunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er den äußeren Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt und sich auch seit Beginn des Ermittlungsverfahrens kooperativ gezeigt hat. Weiter war zu berücksichtigen, dass die Taten schon längere Zeit zurückliegen.

Strafmildernd war insbesondere zu werten, dass der Angeklagte den K… als angestellten Fahrer beschäftigen wollte und er vor allem aus Gefälligkeit dessen Wunsch nach Beschäftigung als Selbständiger nachgekommen ist.

Strafschärfend war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte erst wenige Monate vor dem Beginn der Beschäftigung des K… wegen einschlägiger Taten zu einer Geldstrafe verurteilt worden war und ihn dies nicht von der erneuten Tatbegehung abgehalten hat.

Tat- und schuldangemessen erschienen der Kammer danach folgende Einzelstrafen, differenziert nach der Höhe der nicht abgeführten monatlichen Gesamtsozialversicherungsbeiträge:

20 Tagessätze bei Beiträgen bis 199.- Euro,

30 Tagessätze bei Beiträgen von 200.- Euro bis 499.- Euro,

40 Tagessätze bei Beiträgen von 500.- bis 999.- Euro,

50 Tagessätze bei Beiträgen von 1.000.- Euro bis 1.499.- Euro und

60 Tagessätze bei Beiträgen von mehr als 1500.- Euro.

Aus den Einzelstrafen hat die Kammer eine tat- und schuldangemessene Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen gebildet.

Bei der Bildung der Gesamtstrafe wurde erneut zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er, was auch die Betriebsprüfung ergeben hat, ansonsten keinerlei Grund zu Beanstandungen gegeben und eine Vielzahl von Fahrern ordnungsgemäß beschäftigt hat, ferner, dass der Angeklagte vorliegend auf Wunsch des Arbeitnehmers Knappe sich auf dessen Vorschlag eingelassen hat.

Die Höhe des einzelnen Tagessatzes war auf 50.- Euro festzusetzen. Zwar dürfte der Angeklagte, trotz zwischenzeitlicher Scheidung und eventuellen Unterhaltspflichten, als Geschäftsführer einer florierenden Spedition ein höheres als vom Amtsgericht angenommenes Einkommen haben. Eine Erhöhung des Tagessatzes kommt jedoch schon aufgrund § 331 StPO nicht in Betracht.

VII.

Soweit der Angeklagte vom Amtsgericht wegen weiterer, im Zeitraum von Januar 2009 bis Mai 2011 begangener 29 Taten verurteilt wurde, war das Verfahren einzustellen. Diese Taten sind verjährt.

Die Verjährung von Taten nach § 266a StGB beträgt regelmäßig fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 78a StGB erst mit Beendigung der Tat zu laufen.

Einigkeit besteht beim Tatbestand des § 266a StGB darüber, dass es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt handelt (BGHSt 47, 318; BGH, Beschluss vom 11.08.2011 – 1 StR 295/11; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 78a Rn 14, 266a Rn 14) und die Tat jeweils vollendet ist, wenn die Zahlung nicht fristgerecht zum Fälligkeitszeitpunkt, vorliegend jeweils der drittletzte Bankarbeitstag eines Monats (§ 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV), erfolgt.

Bei echten Unterlassungsdelikten beginnt nach insoweit einhelliger Auffassung die Verjährung, wenn die Plicht zum Handeln fortfällt, das ist, wenn die geforderte Handlung fristgebunden ist, nicht schon bei Fristablauf der Fall, wenn die Handlungspflicht fortbesteht (Fischer aaO § 78a).

1. Dabei geht die herrschende Meinung davon aus, dass auch im Fall des § 266a Abs. 1 StGB eine derartige Handlungspflicht fortbesteht.

Nach Auffassung des BGH sind Taten nach § 266a Abs. 1, Abs. 2 StGB erst beendet, wenn die Beitragspflicht erloschen ist, sei es durch Beitragsentrichtung oder Wegfall des Beitragsschuldners (BGH, Beschluss vom 27.09.1991 – 2 StR 315/91 – = wistra 1992,23; BGHSt 53, 24, Rn 41; BGH Beschluss vom 26.07.2017 – 1 StR 180/17 -, wobei in dieser Entscheidung ausdrücklich auch § 266a Abs. 2 StGB genannt wird).

Eine nähere Begründung dieser Auffassung erfolgt nicht, in der Entscheidung vom 27.09.1991 wird allein auf die Kommentierung von Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 23. Aufl., Bezug genommen.

Die Auffassung des BGH wird geteilt vom OLG Jena (Urteil vom 20.05.2005 – 1 Ss 252/04 – NStZ-RR 2006, 170) und vom OLG Bamberg (Beschluss vom 25.06.2018 – 3 OLG 110 Ss 41/18 – juris).

Die Kommentarliteratur folgt dem BGH überwiegend, wobei weitgehend dessen Formulierung übernommen wird (Fischer StGB aaO § 266a Rn 21b; Perron in Schönke/Schröder 29. Aufl. § 266a Rn 31; Saliger in Satzger/Schluckebier/Widmaier StGB, 4. Aufl. § 266a Rn 30; Radtke in MK, § 266a Rn 76; Schmid in LK 12. Aufl. § 78a Rn 12).

Erörtert werden dann diejenigen Tatbestände, welche die Handlungspflicht entfallen lassen und damit eine Beendigung der Tat herbeiführen sollen.

Als derartige Beendigungstatbestände werden in erster Linie die (verspätete) Zahlung der Beiträge genannt, aber auch der Wegfall des Beitragsschuldners, etwa bei Auflösung einer sozialversicherungspflichtigen juristischen Person bzw. ihre Liquidierung, ferner die Niederschlagung der Forderung durch die Einzugsstelle gemäß § 76 SGB IV, das Ausscheiden des Täters aus der Vertreterstellung (Schmid aaO) oder, zusätzlich, der Eintritt der endgültigen Handlungsunmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, z.B. bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Perron aaO, OLG Dresden, NStZ 2011, 163).

Da jedoch keiner dieser vorzeitigen Beendigungstatbestände überhaupt eintreffen muss (Borchardt in Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 6. Aufl. § 266a Rn 24) hat dies zur Folge, dass eine Tatbeendigung durchaus erst mit der sozialrechtlichen Verjährung der Forderung der Einzugsstelle eintreten kann (so auch OLG Jena aaO).

Bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen beträgt die Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 SGB IV dreißig Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge fällig geworden sind. Geht man z.B. von einer Tatvollendung im Januar aus, tritt die sozialrechtliche Verjährung damit 30 Jahre und 11 Monate nach der Nichtzahlung der Beiträge ein; erst dann ist die Tat beendet. Und auch erst dann beginnt die fünfjährige strafrechtliche Verjährungsfrist. Diese kann sich im Fall einer Unterbrechungshandlung nach § 78c StGB zudem nochmals verdoppeln, so dass im Extremfall die Tat erst 40 Jahre und 11 Monate nach der Nichtzahlung der Beiträge verjährt ist. Dies ist länger als die absolute Verjährungsfrist für die höchstmöglichen zeitigen Freiheitsstrafen in § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB.

2. Insbesondere diese faktische Unverjährbarkeit (Borchardt aaO, Gribbohm, LK 11. Aufl. § 266a Rn 67) hat dazu geführt, dass das Hinausschieben des Verjährungsbeginns als unangemessen aufgefasst und nicht als mit Sinn und Zweck der Verfolgungsverjährung vereinbar angesehen wird (juris Literaturnachweis zu Reichling/Winsel, JR 2014, 331 – 342).

Demgemäß wird die Forderung erhoben, § 266a Abs. 1 und 2 StGB als ein an die Verletzung sozialrechtlicher Meldepflichten anknüpfendes Erfolgsdelikt einzuordnen, das zu einer Vorenthaltung von Beiträgen führt (Loose, wistra 2018, 207; Möhrenschlager in LK, 12. Aufl. § 266a Rn 112ff).

Gegen die herrschende Meinung werden vor allem folgende Argumente angeführt:

a) Bei dem vergleichbaren Tatbestand der Hinterziehung von Fälligkeits- und Anmeldesteuern tritt die Vollendung der Tat immer dann ein, wenn die Steueranmeldung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht vorliegt; zeitgleich tritt i.d.R. die Vollendung der Tat ein (Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 370 AO, Rn 99, s.a. Fischer aaO § 78a Rn 15).

In Fällen des Schmuggels, bei denen unter Verstoß gegen die Gestellungspflicht z.B. Tabaksteuer nicht erklärt wird, wird eine Beendigung der Tat jedenfalls dann angenommen, wenn die Tabakwaren die gefährliche Phase des Grenzübertritts passiert haben und an ihrem Bestimmungsort „zur Ruhe gekommen sind“ (BGH, Beschluss vom 14.10.2015 – 1 StR 521/14 –, Beschluss vom 08.07.2014 – 1 StR 240/14 – juris).

Die extrem unterschiedlichen Zeitpunkte einer möglichen Tatbeendigung bei der Steuerhinterziehung einerseits und bei § 266a Abs. 1 und 2 StGB andererseits leuchteten nicht ein. Vielmehr sei in Parallele zum Steuerstrafrecht davon auszugehen, dass das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen am Tag der Fälligkeit nicht nur vollendet, sondern auch beendet sei (Möhrenschlager aaO Rn 114).

b) Die Annahme, dass eine Beendigung der Tat auch durch Wegfall des Schuldners eintreten könne, führe zu einer – auch im Hinblick auf Art. 3 GG – problematischen Ungleichbehandlung von natürlichen und juristischen Personen (Loose aaO; Beukelmann in Dölling/Duttge/Rössner, Nomos Kommentar Gesamtes Strafrecht, § 78a Rn 6).

Während die Auflösung einer GmbH oder die Abberufung eines Geschäftsführers für diesen jeweils die Beendigung der Tat bedeute und damit die Verjährung zu laufen beginne, bleibe der einzelne Arbeitgeber oder derjenige Geschäftsführer – wie hier der Angeklagte -, der weitgehend unbeanstandet seinen Betrieb über Jahrzehnte hinweg führt, ebenso lange in der auch strafrechtlichen Haftung.

Dieser Einwand trifft zu. Dem Kammervorsitzenden sind aus seiner langjährigen Tätigkeit in Strafsachen etliche Fälle in Erinnerung, bei denen Täter systematisch ausländische Arbeitnehmer im Inland als Scheinselbständige vermittelt haben, wobei diese Vermittlungen jeweils mittels kurzfristig gegründeter GmbHs durchgeführt wurden, welche ebenso schnell wieder liquidiert wurden. Gerade der Intensivtäter, der alle Tricks in diesem Bereich ausnützt und sich dazu Firmen mit beschränkter Haftung bedient, wird für seine kriminelle Energie noch zusätzlich durch eine deutlich kürzere Verjährungsfrist begünstigt.

Unter diesem Hintergrund vermag die Kammer die Auffassung des OLG Jena (aaO), eine derartige unterschiedliche Behandlungsweise sei einfach hinzunehmen, unter keinem Aspekt zu teilen.

3. Das Unbehagen an der herrschenden Meinung ergibt sich auch daraus, dass überhaupt nicht ersichtlich ist, welchen nachvollziehbaren Grund es bei § 266a Abs. 1 StGB für eine zeitliche Trennung von Vollendung und Beendigung geben sollte. Die Behauptung, allein eine noch bestehende Zahlungspflicht schiebe die Beendigung der Tat hinaus, leuchtet nicht unmittelbar ein.

Es lohnt sich daher ein Blick auf die bislang höchstrichterlich entschiedenen Fälle, die das Fortbestehen einer Handlungspflicht bei Unterlassungsdelikten zum Gegenstand haben:

a) Soweit ersichtlich hat sich mit der Frage der Beendigung bei einem echten Unterlassungsdelikt erstmals die Entscheidung RGSt 9, 353 befasst. Dort hatte entgegen einer strafbewehrten Vorschrift der Gewerbeordnung ein Fabrikant es unterlassen, die Beschäftigung Jugendlicher vor Beginn deren Arbeitsaufnahme bei der Ortspolizeibehörde anzuzeigen. Dieser damals als Übertretung eingestufte Straftatbestand hatte eine Verjährungszeit von 3 Monaten. Der Fabrikant hatte geltend gemacht, die Jugendlichen „seit länger als Jahresfrist“ beschäftigt zu haben, weswegen die Sache verjährt sei. Das Landgericht war dem gefolgt und hatte argumentiert, das Gesetz verlange eine Anzeige vor dem Beginn der Beschäftigung. Dieser Zeitraum sei mit der Aufnahme der Arbeit abgelaufen, so dass ab diesem Zeitpunkt die Verjährung zu laufen begonnen habe.

Dieser Ansicht ist das RG zu Recht nicht gefolgt. Zunächst führt es zahlreiche Arbeitsschutzvorschriften an, deren Sinn insbesondere der Schutz Jugendlicher sei. Sodann wird darauf hingewiesen, dass sich die Verbotsnorm selbst illusorisch machen würde, wäre es dem Täter gestattet, „eine vorerst untersagte Beschäftigung eintreten zu lassen und durch diese Tatsache straflos ein Verhältnis herbeizuführen, dessen Bestand das Gesetz gerade unter Strafdrohung zu verhindern beabsichtigt“.

Sodann führt das RG aus, dass allein schon durch die Unterlassung der Anzeige der Tatbestand erfüllt und die Strafbarkeit begründet ist. Mit der faktisch nachfolgenden – verbotswidrigen – Beschäftigung entfalle aber nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erstattung der Anzeige. Vielmehr setzte sich das Unterlassungsdelikt so lange fort, bis die Anzeige nachträglich erfolgt oder aber die Beobachtung des Gesetzes durch besondere Umstände sich erübrige. Bis dahin habe der Staat „nach der individuellen Natur des hier fraglichen Reates (Tatbestands) ein bleibendes Interesse daran, von der … Beschäftigung … durch den Fabrikbesitzer Kenntnis zu erhalten“. Der beschäftigende Fabrikant entziehe „sich demnach seiner fortbestehenden Obliegenheit durch die, strafrechtlich noch nicht abgeschlossene (beendigte), Handlung (Unterlassung), wenn er fernerhin dem gesetzlichen Gebote in gleicher Weise den noch möglichen und einflussreichen Gehorsam versagt, er „begeht“ auch nach angefangener Beschäftigung das Omissivdelikt … durch die fortdauernde Unterlassung der gebotenen Anzeige, indem er den gesetzwidrigen Zustand aufrecht erhält“.

b) In der Entscheidung RGSt 59, 6 hat das RG schließlich den auch heute gern zitierten Satz geprägt, bei einem sogenannten echten Unterlassungsdelikt beginne die Verjährung zu laufen, sobald die Verpflichtung zum Handeln wegfalle.

Bei dem zugrundeliegenden Fall handelte es sich um einen strafbewehrten Verstoß gegen die Verpflichtung, den Verkauf einer Anlage zu Herstellung von Acetylen (Schweißgas) der Ortspolizeibehörde anzuzeigen. Der Angeklagte hatte, nachdem es beim Käufer der Anlage zu einem Unfall gekommen war, geltend gemacht, die Übertretung sei verjährt, da die erste richterliche Handlung erst nach Ablauf der dreimonatigen Verjährungszeit vorgenommen worden sei.

Dem ist das RG zutreffend nicht gefolgt und hat ausgeführt, dass, wenn unter Strafdrohung ein gewisses Handeln binnen einer bestimmten Frist oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgeschrieben wird, dies regelmäßig nicht die Bedeutung habe, dass mit dem Ablauf der Frist oder dem Eintritt des Zeitpunktes die Verpflichtung selbst wegfällt.

Das RG belässt es jedoch nicht allein bei dieser Behauptung, sondern begründet seine Ansicht näher: Bereits aus der Acetylenverordnung ergebe sich kein Anhalt dafür, dass die Verpflichtung des Verkäufers, der Ortspolizeibehörde den Erwerber zu bezeichnen, nur bis zur Ablieferung der Anlage dauern solle. Vielmehr spreche der Zweck der Vorschrift für eine weiter bestehende Anzeigepflicht, da das Gesetz „eine Überwachung der Azetylenanlagen auf Innehaltung der Sicherheitsbestimmungen unter allen Umständen sicherstellen will“. Die Anzeigepflicht dauere damit fort, bis sie ihr genügt werde oder ihre Erfüllung, etwa wegen inzwischen erfolgter Anzeige durch den Erwerber, überflüssig werde.

c) Hinsichtlich des Tatbestands der unterlassenen Konkursanmeldung hat sich der BGH in BGHSt 28, 371 ohne weitere inhaltliche Begründung auf die Kommentierung von Dreher/Tröndle StGB 38. Aufl. § 78a Rn 8 berufen und die Meinung vertreten, dass selbst bei einer zwischenzeitlichen strafrechtlichen Verurteilung bei fortbestehenden Konkursgründen eine erneute Verurteilung möglich wäre. Letztgenannte Auffassung erscheint zumindest bedenklich (BGH, Beschluss vom 28.10.2008 – 5 StR 166/08 = BGHSt 53, 24, Rn 32; Kleindiek/Ransiek in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 9. Aufl. 2018, § 15a Rn 41).

In der Entscheidung vom 28.10.2008 hat der BGH den Tatbestand der Insolvenzverschleppung erneut als Dauerdelikt und Unterlassungstat bezeichnet, welche erst beendet sei, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet werde. Allein die Stellung eines Insolvenzantrags durch einen Gläubiger enthebe den Geschäftsführer nicht seiner Antragspflicht, da der Gläubiger den Antrag jederzeit zurücknehmen könne. Der BGH begründet diese Auffassung – zutreffend – damit, Zweck der Antragspflicht sei, bei Vorliegen von Insolvenzgründen eine Entscheidung des Insolvenzgerichts über die weitere werbende Tätigkeit der GmbH oder aber die geordnete Verwertung ihres Vermögens zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger herbeizuführen.

Ergänzt werden kann, dass § 15a InsO auch ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellt; durch die Strafandrohung soll sichergestellt werden, dass die Insolvenzantragspflicht zum Schutz des Vermögens von Alt- und Neugläubigern der Gesellschaft erfüllt wird; den durch die Weiterführung der Geschäfte hervorgerufenen Gefahren soll vorgebeugt werden (Kleindiek/Ransiek aaO Rn 25, 40).

4. Nach Ansicht der Kammer ist folgende differenzierte Betrachtungsweise geboten:

a) Bei fahrlässigen wie vorsätzlichen Erfolgsdelikten beginnt die Verjährung mit dem vollständigen Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs (Fischer aaO § 78a Rn 7), mit dessen Eintritt damit auch regelmäßig die Beendigung eintritt. Soweit für eine Beendigung, z.B. beim Tatbestand des Diebstahls eine der Vollendung nachfolgende Sicherung der Beute oder beim Betrug der endgültige Eintritt des Vermögensvorteils verlangt wird (Fischer aaO § 242 Rn 53, § 263 Rn 201), handelt es sich regelmäßig um kurze Zeiträume, die unmittelbar an das eigentliche Tatgeschehen anknüpfen. Für den Bereich der Unterlassungsdelikte ist dies vergleichbar mit der Rechtsprechung zur Hinterziehung von Tabaksteuer, s.o., wo eine Beendigung der Tat angenommen wird, wenn die geschmuggelte Ware „zur Ruhe gekommen ist“. Festzuhalten ist danach, dass bei den Erfolgsdelikten Vollendung und Beendigung in vielen Fällen zusammenfallen oder zumindest in engem zeitlichem Zusammenhang eintreten werden.

b) Bei echten Unterlassungsdelikten tritt die Vollendung ein, wenn die geforderte Handlung im Falle einer Fristbindung nicht fristgerecht erfolgt oder auf bestimmte Ereignisse entgegen dem gesetzlichen Gebot nicht reagiert wird (z.B. bei § 138, 323c Abs. 1 StGB). Dabei scheint es bei dieser Deliktsgruppe schon der Regelfall zu sein, dass Vollendung und Beendigung der Tat zeitlich erheblich auseinanderfallen.

Das Hinausschieben der Beendigung hat neben dem späteren Beginn der Verjährung aber auch noch weitere Konsequenzen. So ist insbesondere eine Beihilfe zu der Tat nach ständiger Rechtsprechung noch nach der Vollendung der Haupttat möglich, nicht mehr jedoch nach ihrer Beendigung (Fischer, aaO, § 27 Rn 6).

Das Hinausschieben der Beendigung bedarf danach besonderer Begründung, da das Strafrecht als „ultima ratio“ des Rechtsgüterschutzes nur eingesetzt wird, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist (Burghart in: Leibholz/Rinck, GG, Art. 2 GG, Rn 300).

Das bloße Unterlassen als „Verbotensein“ allein vermag daher eine – über den Vollendungszeitpunkt hinausgehende – Strafbarkeit nicht zu begründen; eine solche lässt sich vielmehr nur unter Bezug und durch den Blick auf diejenigen Rechtsgüter begründen, welche die jeweilige Handlungs- oder Verbotsnorm schützen will.

Es ist daher über den bloßen Wortlaut des Gesetzes hinaus zu fragen, welches Rechtsgut mit der jeweiligen Norm wie geschützt werden soll und ob ein solcher Schutz noch erforderlich ist.

c) Diese Forderung hat die oben zitierte Rechtsprechung durchaus berücksichtigt:

In der Entscheidung RGSt 9, 353 wird ausdrücklich auf das zu schützende Rechtsgut – Jugendschutz in der Arbeitswelt – abgestellt und das fortwährende Interesse des Staates an der Gewährleistung dieses Schutzes betont. Das RG begründet die nicht eingetretene Beendigung im Kern damit, dass aktuell und auch in Zukunft eine Gefahr für das zu schützende Rechtsgut gegeben ist, solange die geforderte Anzeige nicht erstattet ist.

In RGSt 59, 6 ist das geschützte Rechtsgut Leben und Hab und Gut der Allgemeinheit, die vor unbekannten und damit auch nicht zu überwachenden gefährlichen Anlagen geschützt werden soll. Auch hier bedeutet dies, dass die Nichterstattung der geforderten Anzeige die dem Rechtsgut drohende Gefahr solange aufrecht erhält, bis die Unkenntnis der Überwachungsbehörde beseitigt ist und diese ihrer Aufsichtspflicht nachkommen kann. Demnach tritt eine Beendigung der Tat erst ein, wenn die Behörde von der gefährlichen Anlage Kenntnis erhält, sei es durch den Angeklagten oder in sonstiger Weise.

In BGHSt 53, 24 ist der BGH zu Recht davon ausgegangen, dass die unterlassene Stellung des Insolvenzantrags eine fortwährende Gefahr für die Gläubiger darstellt, da die geordnete Verwertung des Vermögens nicht stattfinden kann und diese hierdurch benachteiligt werden können.

Als weitere Beispiele mögen §§ 138 und 283 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7b StGB dienen.

Der Tatbestand des § 138 StGB soll Dritte davor bewahren, Opfer von Verbrechen zu werden. Diese Gefahr besteht aber über den Zeitpunkt, in dem der Täter von den geplanten Straftaten erfährt und zur Anzeige verpflichtet ist, hinaus und zwar solange, bis die Verbrechen begangen, d.h. die zu schützenden Rechtsgüter verletzt wurden oder die Taten sonst abgewendet oder ihre Durchführung aufgegeben wurden.

Die echten Unterlassungsdelikte des § 283 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7b StGB sollen, ebenso wie § 15a InsO, die Gläubiger vor den Gefahren schützen, die von einer insolventen Handelsfirma, über deren Vermögen nichts bekannt ist, ausgehen. Auch hier begründet die unterlassene Handlung im Wesentlichen eine andauernde Gefahrenlage für die geschützten Rechtsgüter.

d) Allen o.g. Entscheidungen und gesetzlichen Regelungen (wobei zahlreiche Anzeige-, Melde- und Überwachungspflichten insbesondere im Nebenstrafrecht existieren) ist gemein, dass bei Tatvollendung die spezifischen Gefahren, welchen mit der jeweiligen Gebots- oder Verbotsnorm begegnet werden soll, weiterbestehen. Das zeitliche Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes findet seine Berechtigung also darin, dass der Unterlassende verpflichtet bleibt, diejenigen Rechtsgüter, denen weiterhin Gefahr droht, auch in Zukunft zu schützen und er zu diesem Zweck auch weiterhin verpflichtet bleibt, tätig zu werden und die geforderte Handlung zu erbringen.

Für die Frage des Hinausschiebens der Beendigung ist daher entscheidend, ob gerade die Gefahr für das Rechtsgut, die mit dem Gebot oder Verbot gebannt werden soll, noch fortbesteht.

5. Die Kammer geht danach davon aus, dass ein zeitliches Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts bei einem echten Unterlassungsdelikt nur dann gerechtfertigt ist, wenn für das jeweils geschützte Rechtsgut eine spezifische Gefahrenlage aufgrund der Unterlassung über den Zeitpunkt der Vollendung der Tat hinaus fortbesteht.

a) In den oben unter 3 und 4.c genannten Fällen waren die Taten daher jeweils nicht beendet, weil die spezifische Gefahr für das Rechtsgut weiterhin bestand. Für diese Fälle trifft danach auch der Satz zu, dass die Handlungspflicht fortbestand. Dies dürfte auf die meisten Unterlassungsdelikte zutreffen.

b) Davon kann beim Tatbestand des § 266a Abs. 1 StGB jedoch nicht die Rede sein.

Vorliegend waren die einzelnen Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt jeweils mit der Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge zum Fälligkeitstag des jeweiligen Monats (§ 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV) vollendet. Damit war zugleich der Vermögensschaden bei der Einzugsstelle eingetreten. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren Gefahren dem geschützten Rechtsgut – das Beitragsaufkommen der Sozialversicherung (Fischer aaO § 266a Rn 2) – durch das weitere Unterlassen drohen sollten. Derartige Gefahren sind schlicht nicht erkennbar. Das Nichtabführen von weiteren Beiträgen kann schon deswegen nicht als weiterbestehende Gefahr angesehen werden, weil es jeweils eine eigene, neue Tat darstellt.

Tatbestandsmäßige Schäden, die mit der Vollendung der Tat eintreten oder bei Vollendung bereits eingetreten waren, können daher nicht nochmals zur Begründung einer künftigen Gefahr herangezogen werden.

Dass die Forderung der Sozialversicherung fortbesteht, begründet daher keine Handlungspflicht, die Auswirkungen auf die Beendigung der Tat haben könnte. Denn insoweit handelt es sich um einen bloßen Anspruch auf Wiedergutmachung des Schadens. Für das Gericht ist kein Unterschied erkennbar zwischen dem weiter bestehenden Erfüllungsanspruch, den das Opfers eines Betrugs hat (Das Opfer liefert die Ware, die vom Täter für einen bestimmten Zeitpunkt versprochene Zahlung wird nicht geleistet) und dem Anspruch der Sozialversicherung. Im Beispiel des Betruges käme auch keiner auf die Idee, eine Beendigung der Tat erst mit der zivilrechtlichen Verjährung des Schadensersatzanspruchs des Opfers anzunehmen.

Die Behauptung der herrschenden Meinung, die Beendigung der Tat trete erst mit dem Erlöschen der Beitragspflicht ein, erweist sich danach als unzutreffend, weil sie fälschlich von einer weiter bestehenden Handlungspflicht ausgeht.

Vorliegend war aber mit Vollendung der tatbestandliche Schaden jeweils eingetreten und die weitere Nichtzahlung, also das weitere Unterlassen, begründet keine weiter bestehende oder zusätzliche Gefahr für das Beitragsaufkommen der Sozialversicherung. Wenn aber nach Tatvollendung keine weiteren spezifische Gefahren für das geschützte Rechtsgut mehr gegeben sind, können an diese auch keine Handlungspflichten angeknüpft werden.

Zudem widerstrebt es bereits dem umgangssprachlichen Verständnis, die nachträgliche Bezahlung von Sozialversicherungsbeiträgen allein als Beendigung der Tat anzusehen und nicht als Schadenswiedergutmachung nach einer bereits vollendeten und beendeten Tat.

Danach ist aber davon auszugehen, dass die jeweiligen Taten durch die Nichtzahlung zum Fälligkeitstag nicht nur vollendet, sondern zugleich beendet waren.

6. Die Entscheidung des BGH vom 27.09.1991 (2 StR 315/91 – wistra 1992, 23) stellt ein reines obiter dictum dar, da das dortige Verfahren, soweit es § 266a StGB betraf, in der Revisionsinstanz gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden war. Die nachfolgenden, o.g. Entscheidungen des BGH nehmen, wenngleich im Beschluss vom 07.03.2012 – 1 StR 662/11 – als gefestigte Rechtsprechung bezeichnet, lediglich auf das erstgenannte obiter dictum Bezug und enthalten selbst keine ratio decidendi.

Die Kammer ist daher ebenso wenig an die bisherige Rechtsprechung des BGH gebunden, wie an die Entscheidungen der OLGe Jena und Bamberg.

7. Das Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten wurde am 06.06.2016 eingeleitet und die Einleitung ihm mit Schreiben des Hauptzollamts vom 07.06.2016 bekannt gegeben (§ 78c Abs. 1 Nr.1, Abs. 2 StGB). Die fünfjährige Verjährungsfrist war danach für die vor Juni 2011 begangenen Delikte zum Zeitpunkt der Unterbrechungshandlung bereits abgelaufen.

Soweit der Angeklagte wegen weiterer 29 Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens im Zeitraum Januar 2009 bis Mai 2011 verurteilt wurde, war die Verfolgung dieser Taten damit verjährt.

Das Verfahren war insoweit gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen.

VIII.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 273 StPO.

 

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