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Handeltreiben mit Betäubungsmitteln – Gewerbsmäßigkeit

Oberlandesgericht in Bremen – Az.: 1 Ss 28/18 – Beschluss vom 05.06.2018

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bremen- Blumenthal vom 13.02.2018 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Im Übrigen wird die Revision als offensichtlich unbegründet verworfen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Rechtsfolgenausspruch – und auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bremen- Blumenthal zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bremen-Blumenthal hat den Angeklagten am 13.02.2018 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in einem besonders schweren Fall in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und die Einziehung sichergestellten Bargelds i.H.v. EUR 1.490,- angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte am 20.02.2018 Berufung eingelegt. Das Urteil des Amtsgerichts mit Entscheidungsgründen ist dem Verteidiger des Angeklagten am 07.03.2018 zugestellt worden. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 03.04.2018 hat der Angeklagte erklärt, das Urteil mit der Revision anfechten zu wollen, und die Verletzung materiellen Rechts gerügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 08.05.2018, auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 13.02.2018 im Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Rechtsfolgenausspruch an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal zurückzuverweisen und im Übrigen die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision des Angeklagten ist statthaft (§ 335 Abs. 1 StPO), form- und fristgerecht eingelegt (§ 341 StPO) und begründet worden (§§ 344, 345 StPO) und infolge der sich aus der Verurteilung für den Angeklagten ergebenden Beschwer damit zulässig. Die Revision hat auf die Sachrüge des Angeklagten hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal. Hinsichtlich des Schuldausspruchs war die Revision dagegen auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Bremen vom 08.05.2018 als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge des Angeklagten deckt im Schuldspruch keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit kann auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Bremen in ihrer Stellungnahme vom 08.05.2018 Bezug genommen werden.

2. Dagegen ist die Revision des Angeklagten hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs erfolgreich und führt insoweit zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal.

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Ihm obliegt es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur dann eingreifen, wenn der Strafrahmen fehlerhaft gewählt ist, die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (siehe BGH, Beschluss vom 11.01.2011 – 3 StR 441/10, juris Rn. 5, NStZ 2011, 270; Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 27.01.2017 – 1 Ss 57/16).

Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal war hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs aufzuheben, da es in diesem Sinne auf fehlerhaften und nicht ausreichenden Zumessungserwägungen beruht. Hierzu kann auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Bremen in ihrer Stellungnahme vom 08.05.2018 verwiesen werden:

„Das Amtsgericht ist zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe in beiden Fällen des Verkaufs von Cannabiskraut gewerbsmäßig gehandelt (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) und hat für die konkrete Strafzumessung den Strafrahmen für einen besonders schweren Fall aus § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG zugrunde gelegt, womit die Mindeststrafe für jede der beiden Taten bei einem Jahr Freiheitsstrafe lag. Die Zumessungserwägungen des Amtsgerichts sind fehlerhaft, weil wesentliche Umstände nicht berücksichtigt und andere falsch bewertet wurden.

Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen will (BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 1 gewerbsmäßig 6). Wenn in Anbetracht der Abgabemengen und der Tatfrequenz nur von einem geringen Gewinn auszugehen ist, bedarf die Annahme, der Angeklagte habe sich eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen wollen, einer eingehenden Begründung (BGH a.a.O. sowie StV 2017, 303, 304). Bereits daran fehlt es. Bei dem Verkauf von 738 mg Marihuana für 10,– Euro lag der Gewinn des Angeklagten zwangsläufig bei höchstens 10,– Euro, falls er das Cannabiskraut kostenlos erhalten haben sollte. Für welchen Preis der Angeklagte am 08.05.2017 11,98 g Marihuana an den gesondert verfolgten Lukas Fischer verkauft hat, ist nicht bekannt. Offenbar hat der Käufer als Zeuge von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Zu dem in Bremen-Nord marktüblichen Preis für Marihuana hat das Amtsgericht Bremen-Blumenthal keine Feststellungen getroffen. Bei Zugrundelegung eines Verkaufspreises von 10,– Euro für 800 mg wären 150,– Euro zu erzielen gewesen, womit der Angeklagte dann in fünfeinhalb Monaten (29.11.2016 bis 08.05.2017) auf Einnahmen von ca. 160,– Euro aus dem Verkauf von Marihuana käme, mithin knapp 30,– Euro monatlich. Das dürfte schwerlich den Schluss auf eine Einnahmequelle von einigem Umfang zulassen.

Zur erforderlichen wiederholten Tatbegehung hat das Amtsgericht festgestellt, der Verurteilung lägen bereits zwei selbständige Taten zu Grunde; zudem sei der Angeklagte im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit diesen Taten ebenfalls wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden. Zu Letzterem fehlt es im Urteil an Feststellungen. Zur Person des Angeklagten ist ausgeführt, er sei strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten. Die Auskunft aus dem Bundeszentralregister enthalte vier Einträge. So sei er unter anderem mit Entscheidung des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 03.04.2017, Az. 34 Ds 412 Js 40271/16, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Bedrohung verwarnt und das Verfahren nach § 47 JGG eingestellt worden. Abgesehen davon, dass der der Ermahnung (nicht Verwarnung) zugrunde liegende Sachverhalt nicht mitgeteilt wird, stellt eine Einstellung des Verfahrens durch den Richter nach § 47 JGG keine Verurteilung dar, sondern eben eine Einstellung des Verfahrens, und zwar durch Beschluss. Der Umstand, dass das Gericht die Einstellung nach § 47 JGG einer Verurteilung gleichgestellt hat, hat sich möglicherweise sowohl bei den Einzelstrafen als auch bei der Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.

Das Vorliegen eines – hier vom Amtsgericht angenommenen – Regelfalls nach § 29 Abs. 3 BtMG befreit das Gericht nicht von der Prüfung, ob die Anwendung des Regelstrafrahmens nach § 29 Abs. 1 BtMG ausreicht (BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Strafrahmenwahl 6 und 7). In § 29 Abs. 3 Satz 2 BtMG werden Regelbeispiele benannt, deren Vorliegen nicht dazu zwingt, einen besonders schweren Fall zu bejahen (BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Strafrahmenwahl 5). Selbst wenn das Amtsgericht Bremen-Blumenthal bei seiner erneuten Entscheidung wieder zu dem Ergebnis käme, dass der Angeklagte gewerbsmäßig mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel getrieben hat, würde – wie natürlich auch im vorliegenden Urteil – zur Ablehnung der Anwendung des Strafrahmens aus § 29 Abs. 1 BtMG nicht der Satz reichen, es seien keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, aus denen dennoch auf den Normalstrafrahmen zurückgegriffen werden sollte. Die weitere Begründung, der Angeklagte sei kurz vor der Tat am 08.05.2017 einschlägig wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden, ist ohnehin falsch.

Es kann bei dem in § 29 Abs. 1 BtMG vorgesehenen Normalstrafrahmen sein Bewenden haben, wenn in der Tat oder in der Person des Täters außergewöhnliche Umstände vorliegen, die sein Unrecht oder seine Schuld deutlich vom Regelfall abheben und deshalb im Einzelfall die Anwendung des erschwerten Strafrahmens nicht angemessen erscheinen lassen (BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Strafrahmenwahl 5). Eine ausdrückliche Erörterung dieser Frage erübrigt sich nur dann, wenn die Anwendung des Normalstrafrahmens nach Lage des Falles fernliegt (BGH a.a.O.). Bei einer nicht sonderlich großen Menge von Betäubungsmitteln, mit denen der Angeklagte Handel getrieben hat, ist zu erörtern, ob nicht schon allein deshalb die Anwendung des Strafrahmens des § 29 Abs. 1 BtMG in Frage kommt (BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Strafrahmenwahl 7 und 9). Diese Erörterung hat das Amtsgericht unterlassen.

Bei der konkreten Strafzumessung hat das Amtsgericht zu Lasten des Angeklagten seine Vorstrafen berücksichtigt. Insbesondere sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Angeklagte kurz vor der Tat am 08.05.2017 einschlägig wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden sei und sich die Verurteilung offenbar nicht zur Warnung dienen lassen habe. Wie oben schon gesagt, sind im Urteil vom 13.02.2018 keine Vorstrafen des Angeklagten aufgeführt. Schon allein dieser Umstand hätte eine Aufhebung des Urteils im Strafausspruch zur Folge haben müssen.

Grundsätzlich kommt im Rahmen der Strafzumessung der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit eine eigenständige Bedeutung zu, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diesbezüglich ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis von sog. „harten“ Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sog. „weichen“ Drogen wie Cannabis besteht (BGH NStZ 2016, 615). Das Amtsgericht hat es versäumt, die relative Ungefährlichkeit von Marihuana bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.

Konkreter (Mindest-)Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des von dem Angeklagten verkauften Cannabiskrauts bedarf es dann nicht, wenn auszuschließen ist, dass sich deren Fehlen zum Nachteil des Angeklagten auf das Strafmaß ausgewirkt hat. Der Qualität und Reinheit der gehandelten Betäubungsmittel kommt insoweit nur die Bedeutung eines von mehreren Strafzumessungsgründen zu, die nicht erschöpfend aufgezählt werden müssen, sondern gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur soweit sie für die Strafzumessung bestimmend sind (BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 1 Schuldumfang 1). Ist hingegen nicht auszuschließen, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehalts das Strafmaß zugunsten des Angeklagten beeinflusst hätte, läge in dem Unterlassen der Angabe ein Rechtsfehler, der wiederum zur Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch zwingen würde (BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 4 Menge 8; BGH, Urteil vom 04.03.2010 – 3 StR 559/09 -, BeckRS 2010, 08667). Dass sich der Wirkstoffgehalt bei nur 738 mg Cannabiskraut auf das Strafmaß auswirken könnte, erscheint ausgeschlossen. Bei einem Nettogewicht von 11,98 g hingegen sollte der Wirkstoffgehalt, falls er nicht sachverständig bestimmt wird, unter Beachtung des Grundsatzes „im Zweifel für den Angeklagten“, ggf. aufgrund der Beurteilung sachkundiger Beteiligter, geschätzt werden (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 4 Menge 5 und Menge 8; BGH StV 2013, 703; OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2003, 23, 24).“

Diesen Ausführungen tritt der Senat nach eigener Prüfung bei.

3. Die Sache war gemäß § 354 Abs. 2 StPO hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal zurückzuverweisen. Dabei wird auch über die erweiterte Einziehung als Bestandteil des Rechtsfolgenausspruchs neu zu entscheiden sein.

4. Eine Kostenentscheidung konnte der Senat nicht treffen, weil der Erfolg des Rechtsmittels aufgrund der Zurückverweisung noch ungewiss ist. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens war deshalb dem Amtsgericht zu übertragen (vgl. Karlsruher Kommentar-Gieg, 7. Aufl., 2013, § 464 StPO Rn. 3).

 

 

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