AG München – Az.: 1120 Ls 364 Js 167016/17 – Urteil vom 27.03.2018
I. Die Angeklagte … ist schuldig des vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 24 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
II. Sie wird daher zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 8 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, verurteilt.
III. Die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 360 € wird angeordnet.
IV. Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.
Gründe
abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO
I.
Dieses Urteil beruht auf einer Verständigung, § 257 c StPO. Zwischen den Verfahrensbeteiligten wurden auf Initiative des Verteidigers Gespräche mit dem Ziel einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung geführt. Eine Einigung kam im Hauptverhandlungstermin vom 27.03.2018 zustande. Inhalt des Gesprächs war der Sachverhalt nach Aktenlage sowie sämtliche Strafzumessungsgesichtspunkte. Auf Grundlage eines Geständnisses stellte das Gericht einen Strafrahmen zwischen 1 Jahr 4 Monate und 1 Jahr 9 Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung in Aussicht. Die Verständigung kam zustande.
II.
Die am 21.02.1946 in München geborene Angeklagte ist ledige deutsche Staatsangehörige. Die Angeklagte ist Rentnerin. Die Angeklagte besuchte die Gehörlosenschule bis zur 8. Klasse und erlernte im Anschluss den Beruf der Schneiderin.
Aufgrund eines Sturzes von einer Treppe im Alter von 7 Jahren leidet die Angeklagte an Taubheit. Die Angeklagte wohnt zur Miete. Die Miete beträgt 1.000 EUR im Monat. Sie erhält eine monatliche Rente in Höhe von 130 EUR. Sie lebt von einer Erbschaft. Derzeit sind knapp 300.000 EUR auf ihrem Konto zur Verfügung. Die Angeklagte hat keine Schulden und keine Unterhaltsverpflichtungen.
Die Angeklagte leidet an Appetitlosigkeit. Um diese Appetitlosigkeit zu überwinden, findet der Konsum von Marihuana statt. So konsumierte die Angeklagte ca. 1-2 Gramm pro Tag.
Die Angeklagte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
III.
1. Die Angeklagte betrieb von ihrer Wohnung aus einen schwunghaften Handel mit Marihuana.
Zu im Einzelnen nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten zwischen dem 01.06.2016 und dem 24.06.2017 verkaufte und übergab die Angeklagte bei 24 selbständigen Gelegenheiten an den anderweitig Verfolgten in ihrer Wohnung im Anwesen jeweils 1 Gramm Marihuana zum Preis von 15 EUR.
Hierdurch wollte die Angeklagte Gewinn erzielen und sich durch wiederholte Tatbegehung eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Gewicht verschaffen.
Das Betäubungsmittel hatte mindestens einen Wirkstoffgehalt von 5 % Tetrahydrocannabinol. Wie die Angeklagte wusste, besaß sie nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
2. Am 03.08.2017 gegen 13:00 Uhr bewahrte die Angeklagte in ihrer Wohnung und im Keller im Anwesen … 261,19 Gramm Marihuana wissentlich und willentlich auf. Dabei plante die Angeklagte, durch einen späteren Verkauf von mindestens 1/3 dieser Betäubungsmittel Gewinn zu erzielen. 2/3 der Betäubungsmittel waren zum Eigenkonsum bestimmt.
Das Betäubungsmittel hatte mindestens einen Wirkstoffgehalt von 10,1 %. Dies entspricht einer Menge von 25,6 Gramm Tetrahydrocannabinol. Zeitgleich bewahrte die Angeklagte in ihrer Wohnung 2,6 Gramm Marihuana und 0,4 Gramm Haschisch wissentlich und willentlich auf. Das Marihuana und das Haschisch hatten mindestens einen Wirkstoffgehalt von 5 % Tetrahydrocannabinol.
Wie die Angeklagte wusste, besaß sie nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
IV.
Die Angeklagte hat sich daher des vorsätzlich unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 24 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.
V.
Der Strafrahmen für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG reicht von Geldstrafe bis Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren. Das Gericht wendet hier jedoch den Strafrahmen nach § 29 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BtMG an, da hier ein besonders schwerer Fall anzunehmen ist aufgrund des gewerbsmäßigen Handeltreibens der Angeklagten. Gewerbsmäßig handelt ein Täter, wenn er die Absicht hat, sich durch die wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Aufgrund der Dauer und Häufigkeit der Delikte bei nur geringen legalen Einkünften war das Handeln der Angeklagten jedenfalls als gewerbsmäßig einzustufen.
Hinsichtlich des Besitzes und des Handeltreibens von Betäubungsmittel in nicht geringer Menge reicht der Strafrahmen gem. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG von 1 Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. Nach Ansicht des Gerichts war vorliegend ein minderschwerer Fall im Sinne des § 29 Abs. 2 BtMG zu verneinen. Der vorliegende Fall weicht nach Würdigung der Persönlichkeit der Angeklagten, ihres Gesamtverhaltens, ihrer Tatmotive und der tatbegleitenden Umstände nicht erheblich von den Fällen ab, die nach dem Sinn und Zweck des § 29a BtMG eine Mindestfreiheitsstrafe von 1 Jahr rechtfertigen.
So spricht zwar zu Gunsten der Angeklagten, dass es sich bei dem Marihuana um eine weiche Droge handelt. Ferner ist zu Gunsten der Angeklagten zu berücksichtigen, dass sie geständig war und bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Auch ist das hohe Alter der Angeklagten zu ihren Gunsten zu berücksichtigen.
Im Rahmen der Gesamtabwägung musste jedoch zu Lasten der Angeklagten berücksichtigt werden, dass die Angeklagte bereits über einen sehr langen Zeitraum Handel mit Betäubungsmittel betrieben hat. Dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ging bereits eine Vielzahl weiterer Taten von Handeltreiben mit Betäubungsmitteln voraus. Darüber hinaus ist auch die große Gesamtmenge der Betäubungsmittel insgesamt zu Lasten der Angeklagten zu berücksichtigen, sowie die große Gesamtmenge der Betäubungsmittel, die allein für den Umlauf bestimmt war. Angesichts dieser Umstände kann auch unter Berücksichtigung sämtlicher für die Angeklagte sprechenden Umstände ein minderschwerer Fall nicht in Betracht kommen, sodass der Strafrahmen von 1 Jahr bis 15 Jahre Freiheitsstrafe zur Anwendung kommt.
Innerhalb der so aufgezeigten Strafrahmen sprach bei der Strafzumessung zu Gunsten der Angeklagten, dass sie geständig war, dass es sich bei dem Marihuana um eine sog. weiche Droge handelt, die zum großen Teil sichergestellt werden konnte und dass ein überwiegender Teil der Betäubungsmittel für den Eigenkonsum bestimmt war, um damit ihre Appetitlosigkeit und ständige Gewichtsabnahme zu therapieren. Ferner ist die Angeklagte nicht vorbestraft.
Zu Lasten der Angeklagten ist jedoch die große Gesamtmenge des Betäubungsmittels zu berücksichtigen. Die Grenze der nicht geringen Menge wurde um das dreieinhalbfache überschritten. Ferner spricht zu Lasten der Angeklagten der sehr lange Zeitraum von über 1 Jahr, über den hinweg sie kontinuierlich eine regen Handel mit Betäubungsmitteln betrieben hat.
Unter Berücksichtigung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Gesichtspunkte hält das Gericht für jeden Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmittel entsprechend Ziffer 1 des festgestellten Sachverhaltes eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten für tat- und schuldangemessen. Hinsichtlich der Ziffer 2 des festgestellten Sachverhaltes hält das Gericht eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten für tat- und schuldangemessen.
Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Gesichtspunkte und unter Berücksichtigung der engen zeitlichen Abfolge der Taten erachtet das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten für tat- und schuldangemessen.
Die Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Sozialprognose ist günstig. Die Angeklagte lebt in gefestigten sozialen Verhältnissen. Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet den Vollzug der Freiheitsstrafe nicht, zumal die Angeklagte Ersttäter ist. Die besonderen Umstände sieht das Gericht darin, dass die Angeklagte geständig und nicht vorbestraft war.
VI.
Die Einziehung von Wertersatz beruht auf §§ 73 Abs. 1, 73c StGB.
VII.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 464, 465 StPO.