OLG Zweibrücken – Az.: 1 OLG 2 Ss 37/17 – Beschluss vom 14.08.2017
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 21. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Landstuhl hat den Angeklagten am 27. Juli 2016 wegen Betruges durch Unterlassen unter Einbeziehung der Verurteilung des Amtsgerichts Kusel vom 27. Oktober 2015 (6111 Js 15457/12) zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.
Auf die dagegen gerichtete – auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte – Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Zweibrücken mit Urteil vom 21. März 2017 das erstinstanzliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass unter Einbeziehung der vorgenannten Strafe auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten erkannt wurde.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist begründet.
I.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Landstuhl wurde in der Zeit vom 11. Oktober 1944 bis einschließlich November 2012 eine Witwenrente auf das Konto der H. E. (IBAN … bei der HypoVereinsbank …), der Mutter des Angeklagten, eingezahlt – zuletzt durch die Deutsche Rentenversicherung (Bund). Der Angeklagte war über dieses Konto verfügungsberechtigt. Die Mutter des Angeklagten war am 22. Januar 2005 verstorben. Gleichwohl wurden die Zahlungen fortgesetzt. Nachdem ein anderer Sozialversicherungsträger die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 über die Einstellung von Versorgungsbezügen aufgrund einer rückwirkenden Abmeldung im Melderegister zum 3. Juli 2004 informiert hatte, wurden auch die Witwenrentenzahlungen eingestellt. Der Angeklagte erklärte auf Nachfrage der Deutschen Rentenversicherung (Bund) am 3. November 2013 wahrheitswidrig, dass sein letzter Kontakt zu seiner Mutter aus dem Februar 2012 datiere. Er erklärte weiter wahrheitswidrig, dass er erst im Mai 2013 erfahren habe, dass seine Mutter im Januar 2013 verstorben sei. In einem am 29. November 2013 persönlich geführten Telefonat zwischen dem Zeugen M. und dem Angeklagten gab dieser an, dass seine Mutter ihren letzten Wohnort im Dezember 2011 ohne Angabe von Gründen und ihrem Ziel dauerhaft verlassen habe und er alsbald keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt habe. Auf verschiedene Nachfragen der Deutschen Rentenversicherung Bund verschleierte der Angeklagte dieser gegenüber, dass seine Mutter bereits am 22. Januar 2005 verstorben war, um weitere Witwenrentenzahlungen zu erhalten und für eigene Zwecke zu verwenden. Durch das Verschweigen des Todes seiner Mutter und die wie von ihm beabsichtigten fortgesetzten Witwenrentenzahlungen hat der Angeklagte mit dem Ziel gehandelt, sich eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Gewicht zu schaffen, da er selbst über keine hinreichenden Einkünfte verfügte, um den Lebensunterhalt für sich und seine Frau stemmen zu können.
Für den Zeitraum August 2007 bis November 2012 flossen Beträge von 1.504,34 € bis 1.605,42 € pro Monat auf das auf die Mutter des Angeklagten lautende Konto – insgesamt ein Betrag von 100.566,18 €.
Das Landgericht hat die ergänzende Feststellung getroffen, dass der Angeklagte jeweils per Online-Banking über die genannten Beträge verfügte.
Mit Urteil vom 27. Oktober 2015, rechtskräftig seit dem 4. November 2015, hatte das Amtsgericht Kusel den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Nach den Feststellungen dieses Urteils wurden seit dem 1. Januar 1996 bis zum 29. Februar 2012 Leistungen nach dem Landesblindengesetz Rheinland-Pfalz auf das Konto der Mutter des Angeklagten bei der Kreissparkasse A-Stadt (Kontonummer …), über welches der Angeklagte und seine Ehefrau Verfügungsberechtigung hatten, gezahlt. Die zuständige Behörde war die Kreisverwaltung A-Stadt. Bereits von Beginn an hat der Angeklagte sämtliche Blindengeldangelegenheiten für seine Mutter bei der Verwaltung erledigt. Er hat mitgeteilt, wann der Umzug von Bayern in die Pfalz stattfand und die Fallübernahme vom Versorgungsamt München zur Kreisverwaltung A-Stadt koordiniert. Er teilte sodann auch Wohnsitzänderungen seiner Mutter mit. Auch weitere Anfragen der Kreisverwaltung wurden von dem Angeklagten beantwortet. Am 24. Februar 2012 gab der Angeklagte noch gegenüber der Kreisverwaltung A-Stadt an, dass er beabsichtige, eine Reise mit seiner Mutter mit dem Wohnmobil zu unternehmen und täglich von seinem Wohnort B-Stadt zu seiner Mutter nach W… fahre, um nach ihr zu sehen und sie zu pflegen. In verschiedenen Mitteilungen gegenüber der Kreisverwaltung A-Stadt und auf verschiedenen Nachfragen der Kreisverwaltung A-Stadt verschleierte der Angeklagte dieser gegenüber, dass seine Mutter bereits am 22. Januar 2005 verstorben war und nicht mehr unter der Anschrift in W… wohnhaft war, um weitere Zahlungen von Blindengeld zu erhalten. Im Zeitraum von Mai 2010 bis Dezember 2011 wurde jeweils ein Betrag von 357,50 €, für Januar und Februar 2012 jeweils 353,50 € dem Konto der Mutter der Angeklagten gutgeschrieben.
Darüber hinaus leistete das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung die Zahlung von Versorgungsbezügen auf das Konto der Mutter der Angeklagten (Nr. … bei der HypoVereinsbank Unikredit), für welches der Angeklagte ebenfalls eine (Verfügungs-)Vollmacht besaß, bis zur Einstellung der Zahlungen am 31. Mai 2012 monatliche Beträge von 387 € (Mai 2010 bis Juni 2011) bzw. 391 € (Juli 2011 bis Mai 2012).
Der Angeklagte verschleierte gegenüber den Gläubigern, dass seine Mutter verstorben war. Zudem teilte er wahrheitswidrig mit, dass seine Mutter den Wohnsitz mit Datum vom 10. Oktober 2010 nach Spanien verlegt habe unter einer bislang unbekannten Anschrift in M.
Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.
1. Das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Kusel vom 27. Oktober 2015 besteht indes nicht. Dieses betrifft zwar auch (ein) Betrugsvergehen. Zudem geht es auch darum, dass der Angeklagte – hier wie dort – Sozialleistungen, die aufgrund eines Irrtums der Leistungsgewährenden auf Konten seiner Mutter flossen, für sich verwertet hat. Die jeweiligen Vorgänge stellen indes nicht eine prozessuale Tat im Sinne von § 264 StPO dar.
a. Als – prozessuale – Tat i. S. v. § 264 Abs. 1 StPO ist der vom Eröffnungsbeschluss betroffene Vorgang insgesamt zu verstehen, einschließlich aller damit zusammenhängenden und darauf bezogenen Vorkommnisse, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen, also das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch den Eröffnungsbeschluss bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet und dessen getrennte Würdigung und Aburteilung in getrennten Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (BGHSt 23, 141 [145]; 32, 215 [216]; 45, 211 [212 f.]; BGH, NStZ 1984, 469; BGH, NStZ 2006, 350; BGH, NStZ 2008, 411f.; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BeckRS 2013, 02146, Rn. 36; Kuckein, in: KK-StPO, 7. Auflage 2013, § 264, Rn. 1, 3; Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage 2017, § 264, Rn. 2). Die Zuordnung eines Geschehens zu einer prozessualen Tat in diesem Sinne hängt von den Umständen im Einzelfall ab, die notwendige innere Verknüpfung der mehreren Beschuldigungen muss sich unmittelbar aus den ihnen zugrunde liegenden Handlungen oder Ereignissen unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung ergeben (BGH, NStZ 1984, 469 m. w. N.; BGH, NStZ 1988, 77 [78] = BGHSt 35, 14 [19]; BGH, NJW 1999, 1413 [1414]; BGH, NStZ-RR 2003, 82). Sie gilt unabhängig davon, ob Tateinheit im Sinne von § 52 StGB bzw. Tatmehrheit im Sinne von § 53 StGB vorliegt (BGH, NStR-2003, 82; BGH, NStZ 2004, 582; BGH, NStZ 2006, 350; BGH, NStZ-RR 2012, 355 [356]). Ein zeitliches Zusammentreffen der einzelnen Handlungen ist weder erforderlich noch ausreichend (BGH, NStZ 1984, 469; BGH, NStZ-RR 2012, 355 [356]). Auch reicht ein Gesamtplan nicht aus (BGH, NStZ 1988, 77 [78] = BGHSt 35, 14 [18]; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juli 2009 – 3 Ss OWi 355/09, juris, Rn. 13). Zudem bedarf es einer Überprüfung der Lösung auf ihre Vereinbarkeit mit anderen verfahrensrechtlichen Gestaltungen, dem Gerechtigkeitsgedanken und dem Gedanken des Vertrauensschutzes (BGH, NStZ 1988, 77 [78] = BGHSt 35, 14 [19]).
b. Die bezeichneten Verhaltensweisen stellen sich als selbständige Taten im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO dar. Sie stehen selbständig nebeneinander und in keinem inneren Beziehungs- und Bedingungszusammenhang. Zudem betreffen sie verschiedene Geschädigte. Bereits im Urteil des Amtsgerichts Kusel vom 27. Oktober 2015 hätte demnach ein Betrug in zwei Fällen ausgeurteilt werden müssen (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 07. Januar 2015 – 1 Ss 64/14, juris, Rn. 28, juris – insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2015, 520).
Die Annahme, das Geschehen, welches vor dem Amtsgericht Kusel zur Beurteilung anstand, stelle mit dem hier zu bewertenden Geschehen eine prozessuale Tat dar, würde zudem dazu führen, dass das Gesamtgeschehen durch das Ausnutzen des unbekannt gebliebenen Todes der eigenen Mutter und den Zugriff auf deren Konten verklammert würde. Auf diese Art und Weise würde eine dem Prozessrecht fremde Sammelstraftat geschaffen und der prozessuale Tatbegriff überdehnt (vgl. BGH, NStZ 1988, 77 [78] = BGHSt 35, 14 [19]; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juli 2009 – 3 Ss OWi 355/09, juris, Rn. 12, 15). Auch der Vertrauensschutz steht der Verfolgung der hiesigen Straftat nicht entgegen. Der Angeklagte durfte sich nicht darauf verlassen, dass sein Verhalten im Hinblick auf weitere Sozialleistungen ungeahndet bleiben würde.
2. Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch war hier allerdings mangels hinreichender Feststellungen des Erstgerichts unwirksam, so dass das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, nicht nur ergänzende, sondern vollständig eigene Feststellungen zu treffen. Dies hat es hier rechtsfehlerhaft unterlassen.
Auf eine zulässige Revision prüft das Revisionsgericht von Amts wegen u. a. auch, ob eine Beschränkung der Berufung wirksam war. Grundsätzlich hat das Berufungsgericht sämtliche Feststellungen zur Sache selbst zu treffen, auf die es den Schuldspruch und Strafausspruch stützt. Etwas anderes gilt nur im Falle einer wirksamen Beschränkung der Berufung nach § 318 S. 1 StPO. In diesem Fall ist das Berufungsgericht an die Feststellungen des Erstgerichts gebunden.
Die Beschränkung der Berufung ist unbeachtlich, da es nach den Feststellungen des Amtsgerichts unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 – 2 StR 258/15, juris, Rn. 14 m. w. N.; OLG Koblenz, NStZ-RR 2008, 120; Meyer-Goßner, a. a. O., § 318, Rn. 17; Eschelbach, in: BeckOK-StPO, § 318, Rn. 18 [Stand: 1. Januar 2017]). Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Betruges durch Unterlassen nach §§ 263, 13 StGB kommt nur dann in Betracht, wenn die Feststellungen eine Garantenpflicht des Angeklagten tragen. Dies ist hier nach dem Urteil des Amtsgerichts nicht der Fall: Es fehlt an Feststellungen zu den Verfügungen des Angeklagten über die ausgezahlten Geldbeträge. Der Berufungsbeschränkung hätte unter diesen Umständen nur zur Wirksamkeit verhelfen können, wenn Feststellungen dazu getroffen worden wären, ob der Angeklagte Erbe nach seiner Mutter geworden ist. Auch hieran fehlt es.
a. Das Landgericht hat auf der Grundlage der Feststellungen des Amtsgerichts den Schwerpunkt des Verhaltens des Angeklagten im Unterlassen gesehen, insbesondere eine – eigene – strafrechtliche Relevanz weder in den mitgeteilten Äußerungen des Angeklagten im November 2013 noch in seinen – zeitlich nicht näher eingeordneten, aber denknotwendig vor November 2013 zu verortenden – Verschleierungshandlungen (dazu weiter unten unter II. 2.) gesehen. Die bloße Entgegennahme der zu Unrecht geleisteten Zahlungen stellt indes noch keine Straftat dar. Eine Strafbarkeit wegen Betruges durch Unterlassen setzt eine Pflicht zur Offenbarung in Form einer Garantenpflicht nach § 13 StGB voraus.
aa. Hierzu ist im Urteil nichts ausgeführt. Es liegt indes nahe, dass sowohl Amts- als auch Landgericht deren Grundlage in § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 SGB I gesehen haben. Danach hat – neben dem Antragsteller und dem Empfänger von Sozialleistungen – auch derjenige, der solche Leistungen zu erstatten hat, die Verpflichtung, Änderungen in den Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind. Eine Mitwirkungspflicht des Angeklagten kann von vorneherein nicht aus § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I hergeleitet werden, denn diese Vorschrift bezieht sich nicht auf denjenigen, dem die Leistung nach dem Tod des Leistungsempfängers faktisch zukommt (OLG Braunschweig, Urteil vom 7. Januar 2015 – 1 Ss 64/14, juris, Rn. 9 = NStZ 2015, 520 m. w. N.).
Ob sich auf § 60 Abs. 1 S. 2 SGB I überhaupt eine strafrechtlich relevante Offenbarungspflicht stützen lässt, ist streitig (siehe dazu unten unter IV. 1.). Es fehlt jedoch auch dann an hinreichenden Feststellungen, wenn man diese Frage bejaht.
Die eine Mitteilungspflicht auslösende Verpflichtung zur Erstattung, für welche Einschränkungen nach § 65 SGB I nicht ersichtlich sind, kann ihre Grundlage sowohl in dem rentenrechtlichen Rückerstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI als auch in dem Rückerstattungsanspruch nach § 50 Abs. 2 SGB X (vgl. hierzu insbesondere OLG Braunschweig, a. a. O., Rn. 27 [insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2015, 520) finden.
(1.) Nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI sind sowohl die Personen, die Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Empfänger im Sinne dieser Vorschrift sind Personen, denen die Leistungen nach der konkreten rechtsgeschäftlichen Beziehung zum Zwecke der Erfüllung zugewendet werden (Körner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 118 SGB VI, Rn. 27 [Stand: Mai 2014]; vgl. auch BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 – B 13 R 105/11 R, juris, Rn. 26f.). Die Verfügungsbefugnis des Angeklagten über das Konto der Leistungsempfängerin macht ihn nicht bereits zum Empfänger in diesem Sinne; selbst eine etwaige Erbenstellung – wozu sich das Urteil nicht verhält – und die damit verbundene Inhaberschaft über das in Rede stehende Konto führen nicht dazu (vgl. BSG, a. a. O., Rn. 28; Körner, a. a. O.). Eine Erstattungspflicht und die hiermit korrespondierende Mitteilungspflicht kommen somit nur dann in Betracht, wenn der Angeklagte als Verfügender im Sinne von § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI anzusehen ist. Maßgeblich dafür ist einerseits die Verfügungsberechtigung, andererseits die tatsächliche Verfügung (vgl. Kühn, in: Kreikebohm, SGB VI, 5. Auflage 2017, § 118, Rn. 77f.).
Hinreichende Feststellungen zu den konkreten Verfügungen gehen jedoch nicht aus dem amtsgerichtlichen Urteil hervor, sondern sind nur durch die Strafkammer festgestellt worden. Insoweit wäre es jedoch erforderlich gewesen, die Zeitpunkte der Verfügungen zu benennen: Die Verletzung der durch die erste Verfügung ausgelösten Mitteilungspflicht und der hierauf beruhende Irrtum sind nur dann kausal für die vom Sozialleistungsträger vorgenommene Vermögensverfügung, wenn diese danach erfolgt (OLG Braunschweig, a. a. O., Rn. 15 = NStZ 2015, 520 [521]).
(2.) Ist der Angeklagte Erbe – wozu sich weder Amts- noch Landgericht äußern – nach seiner Mutter, richtet sich der Erstattungsanspruch nach Ansicht des Bundessozialgerichts – auch – nach § 50 Abs. 2 SGB X (BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 – B 13 R 105/11 R, juris, Rn. 31ff.; vgl. auch Pflüger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Auflage 2013, § 118, Rn. 166.2; Kühn, a. a. O., Rn. 89a) bzw. nach einer Auffassung in der Kommentarliteratur – nur – nach dieser Vorschrift (Heße, in: BeckOK-SozR, § 50 SGB X, Rn. 8 [Stand: 1. Juni 2017]; Steinwedel, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 50 Abs. 2 SGB X, Rn. 20, 22 [Stand: Dezember 2016]). Diese Kontroverse – jedenfalls der Wortlaut von § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI dürfte für das BSG sprechen – kann hier unentschieden bleiben, da es jedenfalls an Feststellungen zur Erbenstellung des Angeklagten fehlt. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich Unterschiede im Anspruchsumfang ergeben können – je nach Ausmaß der Verfügungen im Sinne von § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI. Der im Rahmen eines Erstattungsanspruchs nach § 50 Abs. 2 SGB X grundsätzlich berücksichtigungsfähige Vertrauensschutz nach §§ 45ff. SGB X (vgl. BSG, a. a. O., Rn. 38) dürfte auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen keine Rolle spielen.
bb. Ein Auskunftsanspruch nach § 99 S. 2 SGB X kommt als Grundlage einer entsprechenden Garantenpflicht hingegen von vorneherein nicht in Betracht. Danach gilt u. a. § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB I entsprechend für Angehörige, die zum Ersatz von Aufwendungen des Sozialleistungsträgers herangezogen werden. Es kann insoweit offen bleiben, ob es hierfür eines – hier nicht einschlägigen – Rückgriffsanspruchs bedarf (so OLG Naumburg, NStZ 2017, 293 [294]; KG, Beschluss vom 27. Juli 2012 – 3 Ws 381/12 – 141 AR 303/12, juris, Rn. 10 = NZS 2013, 186 [187]; vgl. aber auch Scholz, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 99 SGB X, Rn. 18 [Stand: September 2013]). Die Vorschrift verweist schon nicht auf den hier maßgeblichen § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I, wonach Änderungen der leistungserheblichen Verhältnisse unverzüglich mitzuteilen sind.
cc. Eine Garantenpflicht aus Treu und Glauben nach § 242 BGB scheidet hier mangels Feststellungen zu einem besonderen Vertrauensverhältnis ebenso aus (vgl. OLG Naumburg, NStZ 2017, 293 [294]; KG, a. a. O., Rn. 14 = NZS 2013, 186 [188] m. w. N.; OLG Hamburg, Beschluss vom 11. November 2003 – II-104/03 – 1 Ss 150/03, juris, Rn. 24; OLG Düsseldorf, NJW 1987, 853f.; Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 263, Rn. 41; a. A. noch OLG Hamm, NJW 1987, 2245).
b. Die Feststellungen genügen demnach nicht, um einen Erstattungsanspruch des Angeklagten und – hieran anknüpfend – eine Mitteilungspflicht zu belegen. Nach alledem fehlt es an einer wirksamen Berufungsbeschränkung, so dass das Urteil bereits aus diesem Grunde der Aufhebung unterliegt.
III.
Demnach ist das Urteil insgesamt mit den Feststellungen nach § 353 Abs. 1, Abs. 2 StPO insgesamt aufzuheben. Für eine eigene Sachentscheidung nach § 354 StPO war kein Raum (vgl. auch die Ausführungen unter IV.).
Die Sache war zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 S. 1 StPO).
IV.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Während in Bezug auf den Antragsteller bzw. Leistungsempfänger nahezu einhellig eine Garantenpflicht aus Gesetz im Sinne von § 13 StGB im Hinblick auf § 60 Abs. 1 S. 1 SGB I bejaht wird (vgl. nur Fischer, a. a. O., Rn. 40b m. w. N.; a. A. Bringewat, NStZ 2011, 131), werden unterschiedliche Auffassungen zu der Frage vertreten, unter welchen Umständen eine Garantenstellung des Erstattungspflichtigen nach § 60 Abs. 1 S. 2 SGB I zu bejahen ist.
a. Zum Teil wird zumindest die Einleitung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens für erforderlich gehalten (OLG Naumburg, NStZ 2017, 293 [294]; KG, Beschluss vom 27. Juli 2012 – 3 Ws 381/12 – 141 AR 303/12, juris, Rn. 5ff. = NZS 2013, 186 [187]; OLG Hamburg, Beschluss vom 11. November 2003 – II-104/03 – 1 Ss 150/03, juris, Rn. 15ff.; Fischer, a. a. O., Rn. 40b, 40d; Bringewat, a. a. O.; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014, § 263, Rn. 21; Hefendehl, in: MüKo-StGB, 2. Auflage 2014, § 263, Rn. 181; Hoyer, in: SK-StGB, 7. Auflage, 2004, § 263, Rn. 58; Mandla, NZWiSt 2012, 353). Die Mitteilungspflichten nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB I sollen von vorneherein nur im Sozialleistungsverhältnis gelten. Die Erweiterung nach § 60 Abs. 1 S. 2 SGB I erfasse zunächst nur den leistungsberechtigten Dritten. Der lediglich materiell-rechtlich Erstattungspflichtige werde erst mit Anhängigkeit eines Erstattungsverfahrens (OLG Naumburg, a. a. O.: „welches mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes einsetzt“; a. A.: KG, a. a. O., Rn. 7f., wonach schon Anfragen zur Vorbereitung einer Rückforderungen ausreichen) auskunftspflichtig. Es bestehe auch kein Bedürfnis für eine entsprechende Anzeige, da es dem Gesetzgeber als ausreichend erschienen sei, die Zahlungsvoraussetzungen nach § 119 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI durch die Deutsche Post AG in Gestalt der Auswertung der Sterbefallmitteilungen nach § 101a SGB X und durch die Einholung von Lebensbescheinigungen im Rahmen des § 60 Abs. 1 und des § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I überwachen zu lassen (KG, a. a. O., Rn. 12 = NZS 2013, 186 [188]; vgl. auch – zur Amtsermittlungspflicht des Sozialversicherungsträgers – Bringewat, a. a. O. [134]). Die Vereinnahmung der rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen stelle ein bloßes Ausnutzen eines Irrtums oder Versehens dar, mithin keine betrugsrelevante Täuschung (BGHSt 39, 392 [398]).
b. Die Gegenauffassung bejaht eine Mitteilungspflicht – und damit auch die Garantenstellung des Erstattungspflichtigen – unabhängig davon, ob ein Erstattungsverfahren anhängig ist, nur nach Maßgabe des materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs (OLG Braunschweig, Urteil vom 7. Januar 2015 – 1 Ss 64/14, juris, Rn. 8ff. = NStZ 2015, 520; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. März 2012, III 3 RVs 31/12, juris, Rn 13 = NZWiSt 2012, 351 [352]; OLG Köln, Beschluss vom 25. April 2003, Ss 57/03, juris, Rn 2; OLG Hamm, NJW 1987, 2245; Floeth, NZS 2013, 188 [189]; Zehetgruber, NZWiSt 2014, 67 [68ff.]; Möhlenbruch, NJW 1988, 1894; für eine Herleitung aus § 99 S. 2 SGB X: Satzger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Auflage 2014, § 263, Rn. 89; Tiedemann, in: LK-StGB, 12. Auflage 2012, § 263, Rn. 57). Der Wortlaut gebe das Erfordernis eines laufenden Verwaltungsverfahrens nicht her (OLG Braunschweig, a. a. O., Rn. 10 = NStZ 2015, 520 [521]; OLG Düsseldorf, a. a. O.; Floeth, a. a. O.). Eine Mitwirkungspflicht laufe bei einer solchen Deutung auch weitgehend leer (OLG Braunschweig, a. a. O.; OLG Düsseldorf, a. a. O.; Zehetgruber, a. a. O., 68). Die Einfügung von § 60 Abs. 1 S. 2 SGB I habe gerade dem Zweck gedient, eine Mitwirkungspflicht von Erstattungspflichtigen bei über den Tod des Berechtigten hinaus erfolgendem Rentenbezug zu begründen (OLG Hamm, a. a. O.; Möhlenbruch, a. a. O.). Es bestehe zudem kein Rechtssatz des Inhalts, dass eine Mitwirkungspflicht entfiele, nur weil eine andere Aufklärungsmöglichkeit – etwa nach § 119 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI – bestehe (OLG Braunschweig, a. a. O.; Floeth, a. a. O., [190]; vgl. auch OLG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 12).
c. In der sozialrechtlichen Literatur wird die Mitteilungspflicht ganz überwiegend an die Bedingung geknüpft, dass das Erstattungsverfahren begonnen hat (Hase, in: BeckOK-SozR, § 60 SGB I, Rn. 6, 11 [Stand: 15. Juni 2014]; Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 60 SGB I, Rn. 11; wohl auch: Mrozynski, SGB I, 4. Auflage 2010, § 60, Rn. 42; keine eindeutige Positionierung: Jung, in: Wannagat/Eichenhofer, Sozialgesetzbuch, § 60 SGB I, Rn. 17 [Stand: Mai 2007]; Kamp/Voelzke, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Auflage 2011, § 60, Rn. 19.2 [Aktualisierung vom 21. Mai 2015]). Zum Teil wird auf der Grundlage des Wortlauts der Vorschrift („zu erstatten hat“) gar vertreten, dass vorauszusetzen ist, dass der Erstattungsanspruch dem Grunde nach feststehe (Hauck, in: Hauck/Noftz, SGB – Gesamtkommentar, § 60, Rn. 21 [Stand: Februar 1997; zitiert nach Jung, a. a. O.]) oder jedenfalls überwiegend wahrscheinlich sei (Sichert, in: Hauck/Noftz, a. a. O., Rn. 19, 46 [Stand: Dezember 2010]). Vereinzelt geblieben ist die Auffassung, die Mitwirkungspflicht an das bloße Entstehen des Erstattungsanspruchs zu knüpfen, andererseits jedoch eine hierauf gestützte Garantenpflicht zu verneinen (Reinhardt, in: Krahmer/Trenk-Hinterberger, SGB I, 3. Auflage 2014, § 60, Rn. 6), da die Pflicht nur der rechtmäßigen Aufgabenerfüllung diene.
d. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen neigt der Senat nach vorläufiger Bewertung und vorbehaltlich des Ergebnisses eines ggf. noch zu prüfenden Vorlageverfahrens der Auffassung zu, die für eine Garantenpflicht nach § 60 Abs. 1 S. 2 SGB I jedenfalls die Einleitung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens nach § 18 SGB X voraussetzt. Zwar bietet der Wortlaut der Norm hierfür keinen entsprechenden Anhaltspunkt, allerdings spricht deren systematische Stellung dafür, dass eine Einbeziehung des Erstattungsverpflichteten in das Sozialleistungsverhältnis zumindest durch Einleitung eines Erstattungsverfahrens zu fordern ist (vgl. OLG Naumburg, a. a. O., 294). Dass die Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs. 1 S. 2 SGB I – insbesondere in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I (Mitteilung von erheblichen Änderungen) – in ihrer Effektivität stark herabgestuft ist, stellt eine gesetzgeberische Entscheidung dar. Zudem würde die Annahme einer Garantenpflicht des bloß materiell Erstattungspflichtigen angesichts des nahezu einhelligen Meinungsbildes in der sozialrechtlichen Literatur ein Auseinanderklaffen des Pflichtenkanons des Erstattungspflichtigen im Sozial- und Strafrecht mit der Folge bewirken, dass eine Verletzung desselben zwar sozialrechtlich folgenlos bliebe, jedoch zu einer strafrechtlichen Ahndung führte.
Eines Verwaltungsaktes bedarf es für das für das Entstehen der Offenbarungspflicht erforderliche behördliche Tätigwerden allerdings nicht (vgl. auch Zehetgruber, NZWiSt 2014, 67 [68]). Soweit § 118 Abs. 4 S. 2 SGB VI ausdrücklich die Geltendmachung des Anspruchs durch Verwaltungsakt vorsieht, stellt dies zuvörderst eine Vereinfachung für den Sozialversicherungsträger dar, da vor Einfügung dieser Vorschrift die Rückerstattung im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen war (Kreikebohm/Kuszynski, in BeckOK-SozR, § 118 SGB VI, Rn. 13.1 [Stand: 1. Juni 2017]; Pflüger, a. a. O., Rn. 137).
2. Nach den bislang getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts kamen einerseits ein nicht näher bezeichnetes Verschleiern des Umstandes, dass die Mutter des Angeklagten bereits am 22. Januar 2005 verstorben war, „auf verschiedene Nachfragen“ des Sozialversicherungsträgers in Betracht, andererseits die Benennung eines unzutreffenden Sterbedatums (Januar 2013) in den Gesprächen mit Vertretern des Sozialversicherungsträgers. Damit kann sich die Strafbarkeit des Angeklagten aus aktivem Tun ergeben.
a. Da das „Verschleiern“ im Zusammenhang mit der Absicht des Angeklagten erwähnt wird, weitere Witwenrentenzahlungen zu erhalten, müssen diese Handlungen vor November 2013 erfolgt sein, da zu diesem Zeitpunkt immerhin der Umstand des Todes offen gelegt war. Um eine Verurteilung zu stützen, bedarf es indes der näheren Konkretisierung dieser Handlungen.
b. Soweit der Angeklagte im November 2013 ein unzutreffendes Sterbedatum benannt hat, kommt eine Strafbarkeit wegen versuchten Betruges nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 StGB in Betracht. Insoweit bedürfte es jedoch weiterer Feststellungen, inwieweit der hiervon betroffene Erstattungsanspruch werthaltig war (vgl. OLG Braunschweig, a. a. O., Rn. 16 = NStZ 2015, 520 [521]).
3. Folgt das neu berufene Tatgericht der Auffassung, dass bereits der materiell-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 60 Abs. 1 S. 2 SGB I zu einer betrugsrelevanten Offenbarungspflicht führt, wird auf Folgendes hingewiesen:
a. Es wird sich mit der Frage des Vorliegens eines Verbotsirrtums im Sinne von § 17 StGB und dessen Vermeidbarkeit zu befassen haben (vgl. Fischer, a. a. O., § 17, Rn. 8).
b. Zudem bedarf die Anwendung des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit nach § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB sorgfältiger Prüfung. Der Begriff setzt voraus, dass sich der Täter eine Einnahmequelle durch wiederholte Tatbegehung verschaffen will. Gewerbsmäßigkeit kann schon dann vorliegen, wenn die Tat auf wiederkehrende Leistungen gerichtet ist (Fischer, a. a. O., § 263, Rn. 210; Satzger, a. a. O., Rn. 346). Die Regelwirkung kann indes im Hinblick auf ein Fehlverhalten im Pflichtenkreis der leistungsgewährenden Behörde – hierbei handelt es sich jedenfalls um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund – entfallen (Rau/Zschieschack, StV 2004, 669 [672]).