LG Mühlhausen, Az.: 1 Qs 217/12, Beschluss vom 29.11.2012
Der Beschluss des Amtsgerichts Mühlhausen vom 25.09.2012 wird aufgehoben.
Damit entfällt die Beschlagnahme des Führerscheins
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Beschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
Der Beschuldigten wird vorgeworfen, am 03.08.2012 gegen 1:30 Uhr mit dem PKW BMW, amtliches Kennzeichen …, von Heiligenstadt in Richtung Uder gefahren zu sein, obwohl sie infolge vorausgegangenen Betäubungsmittelkonsums fahruntüchtig gewesen sei.
Eine ihr am 03.08.2012 um 2:30 Uhr entnommene Blutprobe habe eine „ganz engfristige Aufnahme“ von Amphetamin ergeben.
Infolge ihrer Beeinflussung sei die Beschuldigte mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Sie habe geschwitzt, stark gezittert und hektische Reaktionen sowie eine verlangsamte Aussprache gezeigt.
Mit Beschluss vom 25.09.2012 hat das Amtsgericht Mühlhausen die Fahrerlaubnis der Beschuldigten vorläufig entzogen und die Beschlagnahme des Führerscheins angeordnet.
Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Beschuldigten ist zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg.
Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis liegen keine dringenden Gründe nach § 111 a Abs. 1 StPO für die Annahme vor, dass der Beschuldigten die Fahrerlaubnis in einem Hauptverfahren nach §§ 69 Abs. 1, Abs. 2 Ziffer 2, 316 StGB entzogen werden wird.
Nach Aktenlage ist nicht mit der notwendigen dringenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass sich der Konsum des Amphetamins nachteilig auf die Fahrtüchtigkeit ausgewirkt hat.
Da bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nach der Einnahme von Drogen bislang noch keine festgelegten Wirkstoffgrenzen existieren, um von einer absoluten Fahruntüchtigkeit sprechen zu können, bedarf es zur Feststellung der Fahruntüchtigkeit regelmäßig einer umfassenden Würdigung entsprechender Beweisanzeichen.
Dabei sind regelmäßig unmittelbar begangene Fahrfehler zu berücksichtigen.
Die Fahruntüchtigkeit kann sich allerdings auch aus dem Zustand und dem Verhalten eines Fahrzeugführers bei einer Kontrolle ergeben. Das aber setzt Auffälligkeiten des Fahrzeugführers voraus, die sich unmittelbar auf eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit beziehen müssen. Dies sind zum Beispiel schwerwiegende Einschränkungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, mangelnde Ansprechbarkeit, Unfähigkeit zu koordinierter Bewegung oder aber extrem verlangsamte Reaktionen. Allgemeine Merkmale des Drogenkonsums reichen insoweit nicht aus, so zum Beispiel nicht bereits gerötete Augen, erweiterte Pupillen, verlangsamte oder unsichere Motorik oder verzögertes Aufnahmevermögen (s. Fischer, StGB, § 316, Rdn. 40).
Ausweislich des angefochtenen Beschlusses geht das Amtsgericht davon aus, dass die Beschuldigte infolge ihrer Drogenbeeinflussung mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist und dadurch einen nach Drogenkonsum typischen Fahrfehler begangen hat.
Ob dieser Umstand grundsätzlich ein Indiz für mangelnde Fahruntüchtigkeit darstellt, insbesondere bei aufputschenden Drogen wie Amphetamin, kann vorliegend dahinstehen.
Nach Aktenlage ist nämlich selbst das Fahren mit „erheblich überhöhter Geschwindigkeit“ nicht dringend wahrscheinlich.
Insoweit gibt der Polizeibeamte …, der sich mit dem Streifenwagen am Abzweig Rengelrode, aus Richtung Rengelrode kommend, befand, in seinem Aktenvermerk an, dass der blaue BMW mit einer blonden Fahrerin aufgefallen sei, als dieser mit sehr hoher Geschwindigkeit aus Richtung Heiligenstadt in Richtung Uder fuhr. Das Fahrzeug sei mit hoher Geschwindigkeit weiter in die Ortschaft Uder gefahren und dort in Richtung Thalwenden abgebogen. Aus der Ortschaft Uder sei der BMW mit hoher Geschwindigkeit (mehr als 90 km/h laut Tacho Streifenwagen und nicht näher kommend) in Richtung Thalwenden gefahren.
Von einer „überhöhten“ Geschwindigkeit ist in dem Polizeivermerk nicht die Rede. Auch lässt der Vermerk nicht erkennen, ob die wahrgenommene hohe Geschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft gefahren wurde. Dass zwischen den Ortschaften Uder und Thalwenden außerhalb einer geschlossenen Ortschaft die übliche Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h reduziert ist, lässt sich dem Vermerk ebenfalls nicht entnehmen.
Darüber hinaus hat der Beamte … ausweislich seiner „Feststellungen zur Beeinträchtigung“ (Bl.6 d.A.) beim Anhalten oder Antreffen ( der Beschuldigten )beobachtet, dass die Beschuldigte hektisch reagiert habe. Ferner habe er weitere körperliche Auffälligkeiten wie Schweißausbruch, Zittern und Unruhe festgestellt. Ihre Aussprache sei verlangsamt, ihr Verhalten sei provokativ, ihre Augen seien wässrig/glänzend/glasig und unruhig gewesen. Darüber hinaus habe eine träge Lichtreaktion der Pupillen bestanden. Demgegenüber sei ihr Gang sicher, sie selbst sei orientiert gewesen und habe eine gepflegte äußere Erscheinung aufgewiesen.
Diese Beobachtungen lassen darauf schließen, dass die Beschuldigte zum Zeitpunkt der Kontrolle unter dem Einfluss von Drogen gestanden hat.
Dass diese Mängel aber unmittelbar zu einer Beeinträchtigung ihrer Fahrtüchtigkeit geführt haben, ist nicht mit der dringenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Schwerwiegende Einschränkung der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, mangelnde Ansprechbarkeit, Unfähigkeit koordinierter Bewegung oder eine extrem verlangsamte Reaktion der Beschuldigten werden nicht beschrieben.
Vielmehr handelt es sich bei den Mängeln lediglich um allgemeine Merkmale eines Drogenkonsums.
Die nach Aktenlage getroffenen Feststellungen begründen somit nicht den dringenden Verdacht, dass die Beschuldigte ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führte, obwohl sie infolge Drogenkonsums fahruntüchtig war.
Auf die Beschwerde der Beschuldigten war somit der Beschluss des Amtsgerichts Mühlhausen mit der Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO entsprechend aufzuheben.