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Fahrerlaubnisentziehung – Unfallflucht – bedeutender Fremdschaden

OLG Hamm – Az.: 5 RVs 31/22 – Beschluss vom 05.04.2022

Das angefochtene Urteil wird

a) im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte des unerlaubten Entfernens vom Unfallort und des fahrlässigen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 StVO schuldig ist,

b) betreffend des unerlaubten Entfernens vom Unfallort im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Gelsenkirchen hat den Angeklagten am 18.05.2021 wegen „Verkehrsunfallflucht“ zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100 EUR verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen und zugleich eine Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von sechs Monaten angeordnet. Ferner hat es „wegen Außer-Acht-Lassens der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt mit Schädigung anderer“ eine Geldbuße von 35 EUR verhängt.

Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Essen mit Urteil vom 23.11.2021 als unbegründet verworfen. Hinsichtlich des Entzugs der Fahrerlaubnis ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erfüllt sei, da an dem geschädigten Fahrzeug ein Schaden von bedeutendem Wert entstanden sei. Diesbezüglich hat das Landgericht festgestellt, dass sich der vordere Stoßfänger des Fahrzeugs des Angeklagten und das Heck des Geschädigtenfahrzeugs beim Ausrangieren aus einer Parklücke ineinander verhakten und sich der Sachschaden an dem zuvor unbeschädigten Fahrzeug des Zeugen A auf 1.768,86 EUR belaufe. Die diesbezügliche Überzeugungsbildung hat das Landgericht auf den in der Hauptverhandlung verlesenen Kostenvoranschlag gestützt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit welcher er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Berichtigung des Schuldspruchs sowie in Bezug auf das unerlaubte Entfernen vom Unfallort zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen (§ 349 Abs. 4 StPO) und zur Zurückverweisung der Sache (§ 354 Abs. 2 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da die aufgrund der Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

1. Der Schuldspruch war zum einen in Bezug auf die tenorierte „Verkehrsunfallflucht“ dahingehend zu berichtigen, dass der Angeklagte des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig ist, da zur rechtlichen Bezeichnung der Tat die gesetzliche Überschrift des Straftatbestandes zu verwenden ist (§ 260 Abs. 4 S. 2 StPO). Zum anderen war hinsichtlich der Verkehrsordnungswidrigkeit die fahrlässige Begehungsweise zu tenorieren. Zur Kennzeichnung der Tat ist die Hinzufügung der Schuldform erforderlich, soweit die Tat – wie vorliegend – sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden kann (Ott, in: Karlsruher Kommentar, 8. Aufl. 2019, § 260 StPO Rn. 30).

2. Der Rechtsfolgenausspruch kann bezüglich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort hingegen insgesamt keinen Bestand haben, da die Urteilsfeststellungen zur Schadenshöhe an einem Darlegungsmangel leiden.

Gemäß § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt ein Regelfall der Fahrerlaubnisentziehung wegen charakterlicher Ungeeignetheit vor, wenn der Täter eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort im Sinne von § 142 StGB weiß oder wissen kann, dass durch den Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist.

a) Ob ein bedeutender Schaden vorliegt, beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird (KG Berlin, Beschluss vom 03.08.2021 – (3) 121 Ss 60/21 (32/21) -, Rn. 22 – 24, juris m.w.N.). Da bei der Bemessung dieser Schadensgrenze nur diejenigen Schadenspositionen berücksichtigungsfähig sind, die zivilrechtlich erstattungsfähig sind, muss das Tatgericht jedenfalls bei Unfallgeschehen, bei denen – wie hier – nicht bereits von vornherein ersichtlich ist, dass ein bedeutender Schaden entstanden ist (KG Berlin, Beschluss vom 03.08.2021 – (3) 121 Ss 60/21 (32/21) -, Rn. 22 – 24, juris m.w.N.), nicht nur mitteilen, welche unfallbedingten Fremdschäden entstanden sind, sondern auch, wie diese wertmäßig zu beziffern sind. Dies kann regelmäßig etwa durch (gedrängte) Wiedergabe eines entsprechenden schriftlichen Kfz-Sachverständigengutachtens geschehen (KG Berlin, Beschluss vom 03.08.2021 – (3) 121 Ss 60/21 (32/21) -, Rn. 22 – 24, juris m.w.N.).

Den vorbeschriebenen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht teilt lediglich mit, dass sich das Fahrzeug des Angeklagten im Bereich des vorderen Stoßfängers mit dem Heck des geschädigten Fahrzeugs verhakte und hierdurch ein Sachschaden in Höhe von 1.768,85 EUR entstand. Diese Schadenssumme liegt nur geringfügig über der für den Schadensbetrag maßgeblichen Grenze, die im Hinblick auf die allgemeine Preissteigerung jedenfalls nicht unter 1.500 EUR anzusetzen ist (im Jahr 2014 noch für 1.300 EUR: OLG Hamm Beschluss vom 6.11.2014 – 5 RVs 98/14, BeckRS 2015, 921 Rn. 21, beck-online). Da sich bei einem derartigen Unfallgeschehen ein bedeutender Fremdschaden nicht aufdrängt, hätte es daher einer (gedrängten) Darstellung der in Ansatz gebrachten Kostenpositionen zumindest auf Basis eines aussagekräftigen Kostenvoranschlags bedurft, um den Senat in die Lage zu versetzen, die Erstattungsfähigkeit der Kosten bzw. ihre Berücksichtigungsfähigkeit im Rahmen der Bewertung des bedeutenden Schadens (also z.B. nicht: Mietwagenkosten, vgl. Fischer, 69. Aufl. 2022, § 69 StGB Rn.27) zu überprüfen.

b) Auf diesem Fehler beruht das angefochtene Urteil im Straf- und im Maßregelausspruch. Denn die Schadenshöhe ist sowohl nach Maßgabe des § 46 StGB im Rahmen der Strafzumessung als auch im Rahmen des Maßregelausspruches nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB im Zusammenhang mit der Frage der Entstehung eines „bedeutenden Schadens“ relevant (OLG Hamm, Beschluss vom 06.11.2014 – III-5 RVs 98/14 -, Rn. 17, juris).

 

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