LG Flensburg – Az.: II KLs 108 Js 10003/19 – Urteil vom 20.12.2019
Der Angeklagte K ist der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, der schweren räuberischen Erpressung und der versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig. Gegen ihn wird deshalb eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren verhängt.
Der Angeklagte H ist der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, der versuchten schweren räuberischen Erpressung und der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung schuldig. Gegen ihn wird deshalb unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 11.09.2017 (45 Ls jug. 109 Js 28903/16 (11/17)), des Urteils des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 31.10.2016 (45 Ls jug. 104 Js 11307/16 (31/16)) und des Urteils des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Schleswig vom 06.11.2018 (55 Ls 108 Js 10545/18) eine Jugendstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten verhängt. Die Einziehungsentscheidung aus dem Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 11.09.17 (45 Ls jug. 109 Js 28903/16 (11/17)) bleibt von der Einbeziehung unberührt.
Der Angeklagte B ist der schweren räuberischen Erpressung und der versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig. Gegen ihn wird deshalb eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verhängt.
Gegen den Angeklagten K wird die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 650,00 € angeordnet. Er haftet auf diesen Betrag gesamtschuldnerisch mit den Angeklagten H – insoweit gesondert verfolgt – und B.
Gegen den Angeklagten B wird die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.950 € angeordnet. Er haftet auf den gesamten Betrag gesamtschuldnerisch mit dem Angeklagten H – insoweit gesondert verfolgt – und auf einen Betrag von 650 € gesamtschuldnerisch mit dem Angeklagten K.
Die Angeklagten K und H sind dem Grund nach als Gesamtschuldner verpflichtet, an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld wegen der Tat vom 4.4.2019 zu dessen Nachteil, die die Kammer mit Urteil vom heutigen Tage festgestellt hat, zu zahlen.
Die Angeklagten K und H werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Nebenkläger 2.342,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.12.2019 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Forderungen aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrühren.
Im Übrigen wird von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen.
Die Angeklagten K und B tragen die Kosten des Verfahrens. Die Angeklagten K und H tragen die dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen. Der Angeklagte H trägt seine notwendigen Auslagen selbst; im Übrigen wird davon abgesehen ihm Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die durch die Adhäsionsanträge des Nebenklägers angefallenen Kosten und Auslagen bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Angewendete Vorschriften:
Für den Angeklagten K: §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nrn. 2, 4 und 5, 250 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3a, 253 Abs. 1, 255, 22, 23, 25 Abs. 2, 46b, 49 Abs. 1, 52, 53, 73 Abs. 1, 73c StGB
Für den Angeklagten H: §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nrn. 2, 4 und 5, 250 Abs. 1 Nrn. 1a und 2, Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3a, 253 Abs. 1, 255, 303 Abs. 1, 303c, 22, 23, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB, 1, 17, 18, 31, 105 JGG
Für den Angeklagten B: §§ 250 Abs. 1 Nr. 2, 253 Abs. 1, 255, 22, 23, 25 Abs. 2, 49 Abs. 1, 52, 53, 73 Abs. 1, 73c StGB
Gründe
I.
1. Angeklagter K
a. Familie
Der Angeklagte K wurde als Sohn türkischer Migranten 1992 in Flensburg geboren und wuchs zusammen mit einer jüngeren Schwester bei seinen Eltern auf. Er lebte bis zu seiner Inhaftierung im elterlichen Haushalt, in dem er sich ein Zimmer mit seiner Schwester teilte. Die Familie lebt in bescheidenen, aber geordneten Verhältnissen.
Die Eltern des Angeklagten K sind bereits berentet. Die Mutter leidet an Herzproblemen, weshalb sie regelmäßig Arzttermine wahrnehmen muss, zu denen der Angeklagte sie fährt und begleitet. Ansonsten unterstützt er die Familie beim Tragen und Einräumen der Familieneinkäufe oder saugt gelegentlich Staub.
Der Angeklagte führt seit etwa fünf Jahren eine Beziehung mit seiner Verlobten, der K G, die ihrerseits auch noch im elterlichen Haushalt lebt. Das Paar stellt sich für die Zukunft vor, zusammen zu leben und eine Familie zu gründen.
b. Schule, Ausbildung, Beruf
Er verfügt über einen Realschulabschluss, den er im Alter von 21 Jahren erlangte. Anschließend erwarb er im Jahr 2015 den theoretischen Teil seiner Fachhochschulreife. Ein 6-monatiges Praktikum, das zur Erlangung der Fachhochschulreife erforderlich gewesen wäre, absolvierte er nicht. Nach Beendigung seiner schulischen Laufbahn ging er diversen Aushilfstätigkeiten nach, u. a. bei McDonald‘s und einem Lieferdienst. Eine Ausbildung begann er nie. Konkrete Pläne oder Vorstellungen hat er diesbezüglich noch nicht entwickelt.
Der Angeklagte lebt von Leistungen nach dem SGB II. Er zahlt davon gelegentlich, in unregelmäßigen Abständen den familiären Wocheneinkauf, muss aber keine festen monatlichen Beträge, wie etwa einen Zuschuss zur Miete, an seine Eltern leisten. Diese unterstützen ihn zusätzlich mit monatlich zwischen 300 und 400 Euro schwankenden Beträgen. Wenn er Geld benötigt, stellen seine Eltern ihm dieses ohne Weiteres zur Verfügung. Seine jüngere Schwester, die einer entgeltlichen Tätigkeit nachgeht, erhält diese Unterstützung nicht, sondern muss ihrerseits monatliche Abgaben für Kost und Logis an die Eltern leisten.
Der Vater des Angeklagten schaffte für die Familie einen Pkw der Marke BMW, an, der hauptsächlich von dem Angeklagten K genutzt wird, der bis vor kurzem als einziger in der Familie über eine Fahrerlaubnis verfügte. Der Pkw steht ihm im Wesentlichen zur freien Verfügung, die Kosten für Versicherung, Steuern und zum Teil für Benzin übernimmt der Vater.
Er hat Schulden, deren Höhe er mit insgesamt 10.000 Euro beziffert. Diese resultieren im Wesentlichen aus unbezahlten Warenbestellungen und Handyverträgen sowie Darlehen, die er bei Bekannten zur Finanzierung von Glücksspielen aufnahm.
c. Drogen, Alkohol, Glücksspiel
Auffälligkeiten im Bereich von Alkohol- und Drogenkonsum bestehen nicht. Eine größere Bedeutung kommt hingegen dem Glücksspiel zu, dem der Angeklagte regelmäßig in Spielotheken oder Onlinecasinos nachgeht (dazu V.).
e. Vorerkenntnisse
Der Angeklagte K ist strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten.
Er befindet sich seit dem 13.04.2019 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Flensburg vom selben Tage (Az.: 500 Gs 38/19) in dieser Sache in Untersuchungshaft.
2. Angeklagter H
a. Familie und Wohnsituation
Der Angeklagte H wurde in Bosnien geboren. Seine Eltern verließen das Land mit ihm kurz nach seiner Geburt, da sie für sich und ihre Familie dort keinerlei Perspektive sahen. Die Familie lebte zunächst in Lübeck, wo auch der jüngere Bruder des Angeklagten geboren wurde. Anschließend zogen sie nach Flensburg. Um eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu erhalten, musste die Familie ihren Lebensunterhalt selbstständig und ohne unterstützende Sozialleistungen erwirtschaften. Da der Vater des Angeklagten aufgrund erlittener Kriegstraumata arbeitsunfähig und in psychologischer Behandlung war, übernahm die Mutter die Rolle der Versorgerin, während der Vater zuhause die Kinder betreute. Es kam bereits zu dieser Zeit zu ersten Verhaltensauffälligkeiten der Kinder, die auf die Betreuung durch den Vater und dessen persönliche Problematik zurückgeführt wurden.
Die Mutter des Angeklagten trennte sich mit Unterstützung des Frauenhauses im Jahr 2007 von dem Vater aufgrund von Gewalttätigkeiten, die dieser ihr gegenüber ausgeübt hatte. Der Angeklagte und sein Bruder lebten fortan bei der Mutter, Besuchskontakte mit dem Vater bestanden konstant.
b. Werdegang
Der Angeklagte besuchte zunächst den Kindergarten und anschließend die Grundschule. Nach dem im Wesentlichen unauffälligen Grundschulbesuch wechselte er zunächst auf eine Haupt-, später auf eine Gesamtschule, wo er sowohl die 7. als auch die 8. Klasse vor allem aufgrund seiner nicht unerheblichen Fehlzeiten wiederholen musste. Nach der 8. Klasse verließ er die Schule ohne Abschluss und besuchte in einem regionalen Berufsbildungszentrum zunächst eine Berufsschulklasse und nachdem er dies ebenfalls zweimalig abbrach eine sog. AVJ-Klasse (arbeitsvorbereitendes Jahr). Auch diesen Besuch brach er nach kurzer Zeit ab. Einen Schulabschluss erlangte er bis heute nicht. Über eigenes Einkommen verfügt er nicht. Seine als Servicekraft in einem Hotel tätigte Mutter erwirtschaftet das Familieneinkommen; sein Vater zahlt für ihn und seinen Bruder Unterhalt an sie.
c. Delinquenz
aa. Strafrechtlich in Erscheinung trat der Angeklagte erstmals im Alter von 14 Jahren. Damals sah die Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB von einer Verfolgung nach § 45 Abs. 2 JGG ab.
bb. Am 31.10.2016 verurteilte ihn das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Flensburg wegen „gemeinschaftlich verübten Diebstahls“ sowie „schwerer räuberischer Erpressung“, insoweit unter Bejahung einer Schwere der Schuld, zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren. Die Entscheidung, ob die Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, wurde für die Dauer von längstens 6 Monaten aufgeschoben. Der Angeklagte wurde der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers oder einer Bewährungshelferin unterstellt. Daneben wurde er angewiesen, an einem Sozialen Trainingskurs-Typ II teilzunehmen und sollte dazu binnen einer Woche nach Rechtskraft des Urteils Kontakt zu den Mitarbeitern der zuständigen Stelle aufnehmen. Er wurde ferner angewiesen, binnen 3 Monaten nach Rechtskraft des Urteils 80 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten und unverzüglich seiner Schulpflicht nachzukommen.
Er befand sich in dieser Sache in der Zeit vom 13.5.2016 bis 31.10.2016 in Untersuchungshaft.
Das Amtsgericht stellte den folgenden Sachverhalt fest:
„1. Anklageschrift 104 Js 4360/16 Staatsanwaltschaft Flensburg
Am 5.11.2015 fassten die Angeklagten, die sich aus der …schule Flensburg kannten, gemeinsam den Entschluss, aus den Geschäftsräumen der Firma K in Flensburg zwei Jeansjacken der Marke Levis zum Gesamtpreis von 239,90 € zu entwenden. Sie nahmen die Jacken von einem Bekleidungsständer und begaben sich in eine Umkleidekabine, wo sie die Sicherungsetiketten entfernten. Anschließend steckten sie die Jacken ein und begaben sich in die nächste Etage in die dortige Cafeteria. Von dort aus betraten sie das Treppenhaus und liefen die Treppen hinunter, um das Geschäft aus einem Seitenausgang zu verlassen. Als sie das Treppenhaus im Bereich des Holms verlassen wollten, stellte sich der Ladendetektiv M W ihnen entgegen. Es kam zu einer Rangelei, in dessen Verlauf der Angeklagte X den Zeugen mit einer Handfläche im Gesichtsbereich traf, aus dem Treppenhaus herausdrängte und die umherstehende Passantin V J umrannte. Hierbei blieben die von ihm getragene braune Ledertasche und seine Brille am Tatort zurück. Der Zeuge M W erlitt eine leichte Schwellung im Gesichtsbereich, die Zeugin V J eine Schädelfraktur im hinteren Kopfbereich, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihres Geschmacks- und Geruchssinns führte.
[…]
2. Anklageschrift 104 Js 11307/16 Staatsanwaltschaft Flensburg
Am 12.05.2016 stieg der Angeklagte H etwa gegen 10:15 Uhr am Südermarkt in Flensburg in das Taxi der Zeugin U W ein und nahm auf dem Rücksitz Platz. Anschließend bat er die Zeugin, ihn in Richtung … im Norden von Flensburg zu fahren. Als die Zeugin mit dem Taxi gegen 10:30 Uhr den …weg in Flensburg erreichte, schrie der Angeklagte die Zeugin plötzlich laut an, sie möge anhalten. Hierauf hin stoppte die Zeugin das Fahrzeug. In diesem Moment zückte der Angeklagte ein bei sich geführtes Messer, hielt es der Zeugin an den Hals und verlangte, ihm ihr Bargeld und Handy herauszugeben. Die Zeugin, die um ihr Leben fürchtete, händigte dem Angeklagten daraufhin 90 € Bargeld sowie ihr Handy aus. Im Anschluss flüchtete der Angeklagte mit der Beute aus dem Taxi. Er konnte nur wenige Stunden später vorläufig festgenommen werden. Die Zeugin erlitt einen Schock. Sie leidet bis heute an Panikattacken und stark erhöhtem Blutdruck. Die Zeugin ist nur noch eingeschränkt arbeitsfähig.“
Im Rahmen der Strafzumessung führte das Amtsgericht folgendes aus:
„Zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten H musste eine Jugendstrafe verhängt werden, da seine Schuld gemäß § 17 Abs. 2 Var. 2 JGG hinsichtlich der Tat vom 12.5.2016 – eine schwere räuberische Erpressung – äußerst schwer wiegt. Der Angeklagte hat die Tat im nüchternen und drogenfreien Zustand und mit voller Absicht verübt. Er hat die Taxifahrerin ganz bewusst in ihrem Taxi von dem hinteren Rücksitz aus überfallen. Der Angeklagte hatte bei seiner Tat ein äußerst gefährliches Werkzeug, nämlich ein Messer benutzt und der Zeugin direkt an den Hals gehalten, um diese auszurauben. Diese Vorgehensweise war für das Opfer in der konkreten Situation äußerst gefährlich, geradezu lebensbedrohlich, was dem Angeklagten vollkommen gleichgültig war. Die Verhängung der Jugendstrafe ist auch [aus] erzieherischen Gründen zwingend geboten. Zwar ist der Angeklagte nicht vorbestraft. Zudem hat er ein umfassendes Geständnis abgelegt und damit zum Ausdruck gebracht, dass er bereit ist die jugendstrafrechtlichen Konsequenzen für seine Verfehlungen zu tragen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte schon einige Monate Untersuchungshaft und zwar erstmalig eingesessen hat. Allerdings weist der Angeklagte einige schwere Persönlichkeitsdefizite auf. Er hat seit geraumer Zeit erhebliche Probleme, Regeln und Grenzen zu akzeptieren. Zuhause hat sich seine Mutter zuletzt außerstande gesehen erzieherischen Einfluss auf ihren Sohn auszuüben. In der Schule verhielt er sich gegenüber Mitschülern und Lehrern beleidigend, provozierend und aggressiv. Ein ähnliches renitentes Verhaltensmuster legte er in der Zeit der Untersuchungshaft in der Jugendanstalt Schleswig an den Tag.
In Bezug auf die Höhe der Jugendstrafe, deren Strafrahmen [zwischen] 6 Monaten und 5 Jahren lag, ist für den Angeklagten strafmildernd berücksichtigt worden, dass er nicht vorbestraft ist, dass er ein Geständnis abgelegt hatte, dass er bereits einige Monate in Untersuchungshaft saß. Andererseits war die Tat vom 12.5.2016 von erheblicher krimineller Energie geprägt.
Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten, der weiteren für und gegen ihn sprechenden Umstände hielt das Gericht eine Jugendstrafe von 2 Jahren für zwingend geboten, aber auch für ausreichend um auf den Angeklagten erzieherisch einwirken zu können.
Trotz des umfassenden Geständnisses, der nicht vorhandenen Vorstrafen und des Umstandes, dass der Angeklagte schon einige Monate einen Freiheitsentzug durch Untersuchungshaft erfuhr, vermochte das Gericht zum jetzigen Zeitpunkt die Jugendstrafe nicht gemäß § 21 JGG zur Bewährung auszusetzen. Die Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten lassen gegenwärtig keine sichere positive Legalprognose zu. Der Angeklagte hat ein erhebliches Anpassungsproblem, vermag Regeln und Grenzen nur im begrenzten Maße zu akzeptieren. Überdies weist der Angeklagte schon seit geraumer Zeit ein erhebliches Aggressionspotential auf, sodass eine günstige Prognose im Sinne des § 21 JGG derzeit nicht möglich ist. Das Gericht hat daher von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Entscheidung, ob die Jugendstrafe überhaupt zur Bewährung ausgesetzt werden kann, für einen Zeitraum von längstens 6 Monaten zurückzustellen, § 61 JGG. Für diese Zeit wird er bereits jetzt der Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe unterstellt. Überdies wird er gemäß § 61b JGG angewiesen, einen sozialen Trainingskurs zu absolvieren, um an seinen negativen Verhaltensmustern zu arbeiten, um Wege und Mittel zu finden, die Regeln und Grenzen unserer Gesellschaft einzuhalten. […]“
Mit Beschluss vom 10.2.2017 (Az.: 45 VRJs 63/16 BewH 2) beschloss das Amtsgericht Flensburg die Strafvollstreckung der mit dem oben genannten Urteil verhängten Jugendstrafe von 2 Jahren nicht zur Bewährung auszusetzen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus:
„Leider hat der Verurteilte in den letzten Monaten die ihm im vorgenannten Strafurteil eingeräumte Chance, die Jugendstrafe noch zur Bewährung ausgesetzt zu bekommen, nicht genutzt. Dem Verurteilten ist negativ anzulasten, dass er sämtliche ihm aufgegebenen Verpflichtungen nicht erfüllt hat. Der Angeklagte hat mehrere Termine beim sozialen Trainingskurs unentschuldigt versäumt. Er hat nicht eine einzige Stunde gemeinnützige Arbeit abgeleistet. Er ist auch nicht in ausreichender Weise seiner Schulpflicht nachgekommen. Trotz Bemühungen seiner Bewährungshelferin und Lehrern der … Schule hat er im Januar 2017 derartig viele Unterrichtsstunden versäumt, dass er vom Unterricht ausgeschlossen werden musste. Schließlich arbeitete er auch in einer nicht mehr ausreichenden Weise mit seiner Bewährungshelferin zusammen, in beiden letzten Terminen mit ihr ist er unentschuldigt ferngeblieben.“
cc. Mit Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 11.9.2017 (rechtskräftig seit dem 19.9.2017) wurde der Angeklagte wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 Waffengesetz unter Einbeziehung des unter bb. genannten Urteils zu einer einheitlichen Jugendstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten verurteilt.
Das Amtsgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:
„II.
1. […]
2. Am 18.12.2016 hielt sich der Angeklagte H in der Straße … in Flensburg in Höhe der Hausnummer xx auf. Hierbei trug er eine Schreckschusspistole der Marke Umarex Colt 1911a1 mit der Waffennummer D155035649 in seinem Hosenbund bei sich. Der Angeklagte verfügte hierzu über keine waffenrechtliche Erlaubnis was er auch wusste.“
Im Rahmen der Strafzumessung führte das Amtsgericht folgendes aus:
„Für die jugendstrafrechtliche Ahndung des Angeklagten H war das Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 31.10.2016 ebenfalls nach § 31 Abs. 2 JGG einzubeziehen, welches bereits gegen den Angeklagten vollstreckt wird. Das Gericht hat ebenfalls auf eine Jugendstrafe nach § 17 JGG erkennen müssen, da die Tat des Angeklagten vom 18.12.2016 belegt, dass er schädliche Neigungen hat. Der Angeklagte hat ebenfalls die Angewohnheit entwickelt, schwerwiegende Straftaten zu verüben. Hierbei weist er erhebliche Erziehungsdefizite auf. Der Angeklagte verhielt sich in der Vergangenheit gegenüber seiner alleinerziehenden Mutter, den Mitschülern und seiner Lehrerin auffällig respektlos, provozierend und aggressiv. Er war für seine Mutter erzieherisch nicht mehr erreichbar. Obwohl der Angeklagte in der Zeit vom 13.05. bis 31.10.2016 in Untersuchungshaft einsaß und durch das Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 31.10.2016 noch einmal die Chance bekam, sich eine mögliche Strafaussetzung der Jugendstrafe von 2 Jahren durch eine positive Lebensführung zu verdienen, änderte der Angeklagte sein Verhalten nicht. Er hielt sich nicht an die im Urteil vom 31.10.2016 auferlegten Bewährungsauflagen mit der Folge, dass die Jugendstrafe mit Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 10.02.2017 nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Überdies beging er während der Bewährungsphase die neuerliche Tat vom 18.12.2016. Hieraus wird mit aller Deutlichkeit sichtbar, dass der Angeklagte in Freiheit nicht erzieherisch erreichbar ist. Aufgrund dieser erheblichen Problematik sind die Verhängung von Erziehungsmaßregeln und/oder Zuchtmittel keine Option um auf den Angeklagten erzieherischen Einfluss ausüben zu können.
Bei der Festsetzung der Jugendstrafe, deren Bemessungsrahmen ebenfalls zwischen 6 Monaten und 5 Jahren lag, war das Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 31.10.2016 einzubeziehen. Hierbei musste sich zulasten des Angeklagten auswirken, dass er die neuerliche Tat nicht einmal 2 Monate nach der vorgenannten Verurteilung und während einer laufenden Bewährungszeit verübte. Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und unter Berücksichtigung der aufgezeigten Erziehungsdefizite hielt das Gericht es für ausreichend, aber auch für erzieherisch geboten, nunmehr gegen den Angeklagten eine einheitliche Jugendstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten festzusetzen.“
Im Rahmen der Haft kam es am 5.3.2018 zu einer weiteren Straftat, nämlich einer gefährlichen Körperverletzung, die Gegenstand einer späteren Hauptverhandlung sein sollte (s. unter dd.).
Mit Beschluss vom 11.10.2018 (Az.: 45 VRJs 18/18) hat das Amtsgericht Flensburg den verbleibenden Rest der Jugendstrafe aus dem zuvor genannten Urteil zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf 2 Jahre festgesetzt. Der Angeklagte wurde für die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe unterstellt. Ihm wurde u.a. die Weisung erteilt, „das in Rede stehende Praktikum bei der Firma H P in Flensburg zu absolvieren und nach Abschluss des Praktikums eine entsprechende Bescheinigung dem Gericht […] zu übersenden.“
Eine Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe verweigerte er. Auch das Praktikum leistete er nicht ab, weshalb das Amtsgericht die Strafaussetzung zur Bewährung mit Beschluss vom 18.06.2019 widerrief. Dagegen legte der Angeklagte zunächst sofortige Beschwerde ein, nahm diese jedoch im Laufe der hiesigen Hauptverhandlung zurück.
dd. Mit Urteil des Amtsgerichts Schleswig – Jugendschöffengericht – vom 6.11.2018 wurde der Angeklagte aufgrund der zuvor genannten gefährlichen Körperverletzung verwarnt. Ihm wurde die Weisung erteilt, einen sozialen Trainingskurstyp I zu absolvieren. Von einer Einbeziehung des Urteils vom 11.9.2017 wurde abgesehen.
Zur Person stellte das Amtsgericht folgendes fest:
„Aufgrund der gegen ihn verhängten Jugendstrafen befand sich der Angeklagte ab dem 9.3.2017 in der Jugendanstalt Schleswig. Während der dortigen Vollzugszeit zeigte er wiederum die aus seiner Vorgeschichte bei ihm bekannten Verhaltensauffälligkeiten. Sein unangemessenes und respektloses Verhalten machte zahlreiche erzieherische Maßnahmen gemäß § 82 Jugendstrafvollzugsgesetz und ein Disziplinarverfahren erforderlich. Letztendlich musste er deswegen auch vom Besuch des anstaltsinternen Schulkurses ausgeschlossen werden. Als besonders schwerwiegend wurde die subkulturelle Ausrichtung des Angeklagten gewertet. In einem Bericht der Jungendanstalt vom 2.3.2018 heißt es dazu:
„In seiner deutlich sichtbar und intentional nach außen getragenen vermeintlichen „Unantastbarkeit“ durch die Regeln, Weisungen und Anordnungen von Autoritäten des alltäglichen Lebens in Haft (auch schulische und berufliche Maßnahmen, Wohngruppenleben auf der Abteilung) nimmt Herr H sehr negativen Einfluss auf die Mitgefangenen. Insbesondere die jüngeren nehmen ihn in seiner Rolle unter den Gefangenen als herausragend und mächtig war, ordnen sich ihm unter und bewundern ihn, ob seiner oppositionellen Haltung gegenüber den Bediensteten. Herr H selbst hat aus Sicht des Abteilungsdienstes kaum eine Chance, sich ohne subjektiv empfundenen „Gesichtsverlust“ entsprechend den Weisungen und Anordnungen zu verhalten. Vielmehr sehen die Mitgefangenen zu ihm auf, erwarten Widerworte und Zuwiderhandlungen. In Ermangelung alternativer Möglichkeiten zur Steuerung der Selbstwirksamkeit – weder in schulischer noch in beruflicher Hinsicht kann Herr H Erfolge für sich verbuchen – bleibt für ihn gegenwärtig einzig die Aufmerksamkeit und Bewunderung der jungen Gefangenen, um Bestätigung zu erlangen.“
Eine nachhaltige Verhaltensänderung konnte trotz zahlreicher pädagogischer Interventionen während der Haftzeit in der Jugendanstalt Schleswig nicht erreicht werden. Daraufhin erfolgte – auch wegen der von seinem Verhalten ausgehenden Gefahr für die Erziehung der anderen jungen Gefangenen – am 19.3.2018 auf Antrag der Jugendanstalt auf seine Ausnahme aus dem Jugendvollzug. Er wurde in die JVA Flensburg verlegt. Im Erwachsenenvollzug waren keine negativen Verhaltensweisen beim Angeklagten mehr zu beobachten, vermutlich auch deshalb, weil die Notwendigkeit entfallen war, sich gegenüber den Mitgefangenen auf die im zitierten Bericht beschriebene Weise ständig zu beweisen. Ausweislich des Führungsberichts der JVA Flensburg vom 1.8.2018 verhielt er sich dort „hausordnungsgemäß“. Er sei gegenüber den Verzugsbediensteten höflich, nehme abgelehnte Wünsche/Anträge ruhig und gelassen hin und habe ein gutes Verhältnis zu seinen im Erwachsenenvollzug überwiegend deutlich älteren Mitgefangenen. Aufgrund seines nunmehr gebesserten Vollzugsverhaltens wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 11.10.2018 die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. […] Er wohne wieder bei seiner Mutter. Im Zusammenleben gebe es aktuell keine Probleme. Mittelfristig plane er eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker im Betrieb eines Bekannten der Familie aufzunehmen.“
Das Amtsgericht Schleswig stellte den folgenden Sachverhalt fest:
„Am 5.3.2018 gegen 10:00 Uhr wurde der Angeklagte ebenso wie seine Mitgefangenen M R und A B im Innenhofbereich der Jugendanstalt Schleswig mit Schneeräumarbeiten beschäftigt. Zu diesem Zwecke waren ihnen Schneeschieber, Schaufeln und Besen als Werkzeuge zur Verfügung gestellt worden. Die Aufsicht über die auf dem Hof arbeitenden Gefangenen hatte der Beamte Herr L, der sich allerdings die meiste Zeit über in größerer Entfernung – seinen Angaben zufolge ca. 20 Meter – von den Gefangenen postiert hatte. Der Angeklagte und der Zeuge M R waren seinerzeit in derselben Wohngruppe untergebracht. Das Verhältnis zwischen beiden war belastet, weil sich der Angeklagte als „Machthaber“ und „Löwe“ in der Gruppe betrachtete und der Zeuge M R deshalb Angst und Respekt vor ihm hatte. Während der Arbeiten kam es zum Austausch von Provokationen und Beleidigungen zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen M R, ohne dass der weiter entfernt stehende Zeuge L dies hören konnte. Die gegenseitigen Provokationen schaukelten sich auf. Daraufhin forderte der Angeklagte, der sich zu diesem Zeitpunkt in einem von außen schlecht einsehbaren Bereich neben einem Bauzaun bei Haus 8 befand, den Zeugen M R auf zu ihm zu kommen. Der Aufsichtsbeamte war zu diesem Zeitpunkt kurzfristig nicht anwesend, weil er die Toilette aufgesucht hatte. Der Zeuge M R folgte der Aufforderung des Angeklagten. Den Schneeschieber, mit dem er bis zu diesem Zeitpunkt gearbeitet hatte, stellte er zuvor beiseite. Der Angeklagte versetzte sodann dem sich nähernden Zeugen M R zumindest einmal mit dem Holzstiel des von ihm benutzten Schneeschieber einen kräftigen Schlag gegen den Kopf, was äußerst schmerzhaft für den Geschädigten M R war. Bei einer anschließenden Untersuchung im Lazarett der Jungendanstalt wurde eine Gewebeschwellung in der Größe einer Walnuss links am Schädel des Geschädigten festgestellt. Infolge der Verletzung hatte der Zeuge M R ein bis zwei Tage lang Kopfschmerzen. Die Beule heilte innerhalb von 2 Wochen folgenlos ab. Eine ärztliche Behandlung war nicht erforderlich. Eine Arbeitsunfähigkeit war nicht eingetreten.“
Im Rahmen der Strafzumessung führte das Amtsgericht folgendes aus:
„Zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte knapp 19 Jahre alt, mithin bereits Heranwachsender. Auf ihn war gemäß § 105 Abs. 1 Ziffer 1 JGG gleichwohl noch das Jugendstrafrecht anzuwenden. Seine oben dargestellte bisherige Biografie – insbesondere die negative schulische Entwicklung und die bislang gescheiterte berufliche Integration – spricht deutlich für Reifeverzögerung von einigem Umfang, die ihn – bezogen auf den Tatzeitpunkt – in seiner Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstellen.
Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel erscheinen vorliegend zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten noch ausreichend. Es gibt zwar durchaus Anhaltspunkte dafür, dass die dem Angeklagten in den letzten beiden Vorverurteilungen vom Amtsgericht Flensburg bescheinigten schädliche Neigungen weiterhin vorliegen. Hierbei wiegt aber vor allem der Umstand schwer, dass der Angeklagte die Tat während seines Aufenthalts im Jugendvollzug beging, was die Einschätzung der Jugendanstalt Schleswig bestätigt, dass er sich bis dahin der erzieherischen Einwirkung des Vollzuges weitgehend entzogen hatte. Andererseits hat sich der Angeklagte nach seiner Verlegung in den Erwachsenenvollzug positiv entwickelt, sodass – nachdem er allerdings bereits einen Großteil der gegen ihn verhängten Jugendstrafe verbüßt hatte- eine Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung gemäß § 88 Abs. 1 JGG doch noch verantwortet werden konnte. Angesichts dieser Umstände war die erneute Verhängung einer Jugendstrafe gegen den Angeklagten weder geboten noch unumgänglich. Aus diesem Grunde erschien es auch erzieherisch zweckmäßig, das noch nicht vollständig vollstreckte Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 11.9.2017, Az: 45 Ls jug. 109 Js 28903/16 (11/17), gemäß § 31 Abs. 3 JGG nicht mit einzubeziehen, sondern dieses gesondert bestehen zu lassen.
Erzieherisch geht es bei dem Angeklagten jetzt vorrangig darum, ihn aus dem Teufelskreis heraus zu holen, in den er sich durch sein Verhalten häufig bringt, und ihn anzuleiten sich ernsthaft um seine Zukunft zu kümmern. Ein soziales Training in Form von Einzelgesprächen ist geeignet dort anzuknüpfen. Nach Einschätzung der Jugendgerichtshilfe weiß der Angeklagte um seine Probleme und ist im Vieraugengespräch auch durchaus ansprechbar.
Darüber hinaus bei dem Angeklagten durch eine Verwarnung der Ernst der Lage nochmals nachdrücklich vor Augen zu führen.“
Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte zunächst Berufung ein. Im Rahmen der am 09.04.2019 – also im Tatzeitraum der verfahrensgegenständlichen Taten – stattgefundenen Berufungshauptverhandlung erklärte er die Rücknahme des Rechtsmittels.
ee. Der Angeklagte befindet sich seit dem 13.04.2019 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Flensburg vom selben Tag (Az.: 500 Gs 39/19 jug.) in dieser Sache in Untersuchungshaft.
3. Angeklagter B
Der 25-jährige Angeklagte wuchs mit seinem jüngeren Bruder bei seinen Eltern in Flensburg auf. Er erlangte im Jahr 2009 seinen Hauptschulabschluss und versuchte anschließend die Mittlere Reife zu absolvieren, wurde jedoch nach wenigen Monaten verhaltensbedingt vom weiteren Schulbesuch ausgeschlossen.
In den Jahren 2008 bis 2009 beging der Angeklagte erste Straftaten, wie Diebstähle und eine vorsätzliche Körperverletzung, von deren Verfolgung zunächst nach § 45 Abs. 1 und 2 JGG abgesehen wurde bzw. die nach § 47 JGG eingestellt wurden.
Im Oktober 2010 begann er eine Ausbildung zum Restaurantfachmann, die er aufgrund einer im Januar 2011 beginnenden Untersuchungshaft zunächst unterbrach.
Grund der Inhaftierung waren Vorwürfe, wegen derer er am 07.02.2011 vom Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Flensburg zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde. Gegenstand dieser Verurteilung waren diverse – zum Teil erhebliche – Körperverletzungs- und Erpressungs- bzw. Raubdelikte (Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchten schweren Raubes, Verabredung zum Verbrechen in zwei Fällen, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung und Diebstahls). Die Verurteilungen bzgl. der (schweren) räuberischen Erpressungen erfolgten wegen Taten, in deren Rahmen der Angeklagte jeweils nach dem Entschluss jemanden „abzuziehen“ unter Anwendung bzw. Androhung von Gewalt handelte.
Während der Inhaftierung ließen sich die Eltern des Angeklagten scheiden, was diesen emotional sehr belastete.
Nachdem er im Juni 2012 aus der Haft entlassen wurde, zog er zu seiner Großmutter, bei der er nach wie vor lebt. Die Vollstreckung der Reststrafe ist mit Beschluss vom 5.6.2012 zur Bewährung ausgesetzt worden. Nachdem die Bewährungszeit um ein Jahr verlängert wurde, wurde der Rest der Jugendstrafe mit Wirkung vom 5.10.2015 schließlich erlassen.
Seine Vorhaben, den Realschulabschluss nachzuholen oder eine Ausbildung zu absolvieren, realisierte er nicht.
Im Mai 2013 wurde er erneut vom Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Flensburg wegen einer im September 2012 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Von einer Einbeziehung der zuvor genannten Verurteilung sah das Gericht ab.
Mit Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg wurde der Angeklagte am 03.11.2014 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung (Tatzeit: 30.11.2013) verwarnt, ihm wurde die Ableistung von 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit auferlegt.
Aufgrund dieser Verurteilung ist die Bewährungszeit in der zuvor genannten Sache um ein Jahr verlängert worden; mit Beschluss vom 17.6.2015 wurde die Jugendstrafe schließlich erlassen, der Strafmakel wurde für beseitigt erklärt.
Zuletzt ist der Angeklagte B mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 26.07.2017 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt worden.
Der Angeklagte arbeitet unregelmäßig als Aushilfe in diversen Restaurants. Über eine Festanstellung verfügt er nicht. Er hat Schulden in Höhe von etwa 10.000 Euro, die aus unbezahlten Tierarztrechnungen sowie aus Telefon- und Fitnessstudioverträgen resultieren. Er beabsichtigt, demnächst eine Schuldnerberatung aufzusuchen. Seit kurzem hat er eine feste Freundin, die ein Kind mit in die Beziehung brachte, um das er sich kümmern möchte. Drogen konsumiert er nicht, Alkohol gelegentlich.
II.
Unter „1. Vorgeschichte“ werden nachfolgend – neben der den angeklagten Taten zugrundeliegenden Abrede der Angeklagten – Geschehnisse geschildert, die nicht Gegenstand dieses Strafverfahrens sind, deren Darstellung jedoch im Folgenden für die Strafzumessung unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungshilfe relevant ist.
Zum Verständnis der Darstellung der „Tat 2“ ist es notwendig zu wissen, dass nur die Angeklagten K und H wegen dieser Tat angeklagt sind. Bei Abfassung der Anklageschrift nahm der Anklageverfasser einen hinreichenden Tatverdacht gegen den Tatverdächtigen H nicht an und ging von einer unmittelbaren Täterschaft der Angeklagten K und B aus. Die Kammer hat abweichend davon festgestellt, dass der – insoweit gesondert Verfolgte – H (neben dem Angeklagten B) einer der unmittelbaren Täter war, während der Angeklagte K als Fahrer im Fluchtwagen in einiger Entfernung wartete. Seitens des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft war die Erhebung einer Nachtragsanklage angedacht; hiervon hat er abgesehen, weil der Verteidiger nicht signalisiert hatte, dass für diesen Fall die ausdrückliche Zustimmung des Angeklagten erteilt würde.
1. Vorgeschichte
Die Angeklagten K und B trafen sich an einem Abend im März 2019 bei einem Bekannten. Sie unterhielten sich darüber, dass beiden unabhängig voneinander zu Ohren gekommen sei, dass ihnen nicht namentlich bekannte Personen in Flensburg Männer über das Datingportal „MySugarDaddy.eu“ „abziehen“. Dabei handelt es sich um eine Internetplattform für finanziell besser gestellte Herren, die Interesse daran haben – in der Regel deutlich jüngere – attraktive Frauen kennenzulernen und ggf. eine sexuell geprägte Beziehung von unterschiedlicher Dauer – zum Teil nur wenige Stunden – für eine materielle Gegenleistung (zumeist Zahlung eines Bargeldbetrages, umschrieben als „Taschengeld“) zu führen. Faktisch handelt es sich oft um eine Form der Prostitution im umgangssprachlichen Sinne, auch wenn diese von den Beteiligten nicht als solche definiert wird.
Sie entwickelten den Plan, über einen längerfristigen Zeitraum sogenannte „Fakeaccounts“ auf der Seite zu erstellen, in deren Rahmen sie sich als junge Frauen ausgeben wollten, um so Kontakt zu zahlungswilligen älteren Herren herzustellen. Diesen beabsichtigten sie, die Gewährung sexueller Leistungen im Gegenzug gegen ein sogenanntes „Taschengeld“ – in der Regel einen unteren vierstelligen Geldbetrag – in Aussicht zu stellen. Der Plan sah weiter vor, mit den Herren ein Treffen an einem Ort zu verabreden, an dem sich die Angeklagten gut auskannten, wo die Angeklagten sie erwarten würden und jedenfalls durch Drohungen mit Gewalt zur Herausgabe des mitgeführten „Taschengeldes“ zu nötigen. Dieser Plan erschien ihnen aussichtsreich, da sie erwarteten, dass die jeweiligen Herren allein am verabredeten Treffpunkt erscheinen und einen nicht unerheblichen Bargeldbetrag mit sich führen würden. Der Angeklagte K war für die Erstellung der Profile und das Führen der Chats, was auch die Verabredung der Treffen beinhaltete, verantwortlich. Einzelheiten der avisierten Überfalle wurden zunächst nicht abgesprochen.
Der Angeklagte K erstellte in der Folgezeit ein erstes Profil einer jungen Frau, das er mit Bildern, die er zuvor im Internet gesucht hatte, ausstattete. Nach kurzer Zeit meldete sich bereits ein erster Interessent – der Zeuge F unter dem Pseudonym „L Flensburg“ -, der sich am gleichen Tag – mutmaßlich am 29.03.2019 – mit der jungen Frau zum entgeltlichen Geschlechtsverkehr treffen wollte.
Der Angeklagte K vereinbarte spontan ein Treffen mit dem Zeugen in der S…straße in Flensburg. Er und der Angeklagte B beabsichtigten, den Zeugen dort nach dem zuvor gefassten Plan „abzuziehen“. Der Angeklagte B schlug vor, den Angeklagten H, den der Angeklagte K bis zu diesem Zeitpunkt nicht kannte, als personelle Verstärkung der Gruppe hinzuzuholen. Nachdem der Angeklagte K sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärte, rief der Angeklagte B den Angeklagten H an und fragte diesen, ob er Interesse habe, „Geld zu verdienen“. Weitere Einzelheiten des Planes teilte er vorab nicht mit. Der Angeklagte H, der erkannte, dass es sich dabei nicht um eine legale Tätigkeit handeln würde, stimmte zu und die drei verabredeten ein Treffen in der Nähe eines Computerladens in der S…straße. Parallel führte der Angeklagte K den Chatkontakt zum Zeugen F fort und versuchte diesen, in die S…straße zu locken. Dem Zeugen F, der sich als Immobilienmakler in Flensburg gut auskennt, war die genannte Adresse bekannt. Er schätzte die dortige Örtlichkeit als zu unsicher und ihm zu wenig Schutz bietend ein, weshalb er den genannten Treffpunkt nicht aufsuchte. Der Zeuge F war bereits einige Tage zuvor Opfer eines ähnlich gelagerten Überfalles im Zusammenhang mit dem Portal „MySugarDaddy“ in der X straße geworden und deswegen vorsichtig bei der Vereinbarung weiterer Treffen.
Die Angeklagten B und K trafen währenddessen am mit dem Angeklagten H vereinbarten Treffpunkt ein. Der Angeklagte H kam später als verabredet. Da sie den Zeugen F in der S…straße nicht mehr antrafen, gingen sie davon aus, dass dieser bereits wieder fortgefahren sei. Die Angeklagten B und K erklärten dem Angeklagten H ihren Plan, wonach der Angeklagte K Kontakt zu potentiellen Opfern über die Plattform aufnehmen sollte. Sofern ein Chatpartner konkretes Interesse an einem Treffen signalisierte, würde der Angeklagte K in Absprache mit den anderen Angeklagten – insbesondere Zeit und Ort betreffend – ein solches vereinbaren. Die Beute sollte unter den Angeklagten gleichmäßig aufgeteilt werden. Der Angeklagte H zeigte sich mit dieser Vorgehensweise und der Begehung zukünftiger Überfälle einverstanden.
Wenige Tage später eröffnete der Angeklagte K einen neuen „Fakeaccount“ auf der genannten Plattform, der erneut von dem Zeugen F angeschrieben wurde. Die beiden vereinbarten für den späten Nachmittag ein Treffen in der C…straße in Flensburg, bei dem es gegen Zahlung eines „Taschengeldes“ von 500 Euro zu Geschlechtsverkehr kommen sollte. Der Angeklagte K wählte diesen Treffpunkt aus, da er von dort aus über gute Fluchtmöglichkeiten nach dem Überfall verfügen würde. Die drei Angeklagten trafen sich etwa 30 Minuten vor der vereinbarten Zeit in etwa 50 m Entfernung zur genannten Adresse. Der Zeuge F suchte die Adresse vereinbarungsgemäß auf. Aufgrund der Tageszeit – es war zum Zeitpunkt des Treffens noch hell – und der Örtlichkeit – die C…straße besteht vorwiegend aus bewohnten Mehrfamilienhäusern – fühlte sich der Zeuge sicher und rechnete im Gegensatz zum vorangegangenen Vorfall (S…straße) nicht mit einem Überfall. Der Angeklagte K dirigierte den Zeugen mittels Chatverkehrs zu einem Mehrfamilienhaus. Als der Zeuge drei junge Männer – die Angeklagten – in etwa 50 m Entfernung stehen sah, entschied er sich, aus Angst vor einem weiteren Überfall, zügig zurück zu seinem Auto zu gehen. Der Angeklagte H lief dem Zeugen F hinterher, holte ihn kurz vor dessen Auto ein und sagte unter Vorhalt eines etwa 15-18 cm langen Küchenmessers „Gib mir dein Geld!“. Der Zeuge F holte sein Portemonnaie hervor und gab dem Angeklagten H rund 600 Euro. Dieser kehrte zu den übrigen Angeklagten zurück; sie teilten das Geld gleichmäßig unter sich auf.
Der Zeuge F erstattete keine Anzeige. Er beabsichtigte das Bekanntwerden seiner Aktivitäten sowohl gegenüber seiner Ehefrau zu verhindern, als auch gegenüber der Polizei, deren Tätigwerden ein – öffentliches – Strafverfahren nach sich gezogen hätte.
2. Tat zum Nachteil des Nebenklägers Hxx am 4.4.2019 (Tat 1)
a. Tatgeschehen
Der Angeklagte K hatte im März 2019 ein weiteres Fakeprofil auf der Seite „MySugarDaddy.eu“ eingerichtet, wo er sich als 18-jährige Frau namens C ausgab. Zu diesem Profil nahm der Nebenkläger Kontakt auf, woraufhin die beiden über die Plattform Nachrichten austauschten. Um weitere Bilder miteinander austauschen zu können, verlagerten sie den Chat auf den Messengerdienst „kik“. Der Angeklagte K vereinbarte schließlich am 3.4.2019 ein Treffen mit dem Nebenkläger für den Abend des Folgetages und gab als Treffpunkt die S…straße … – der Angeklagte K hat unter dieser Adresse über 20 Jahre mit seiner Familie gelebt und kennt sich dort gut aus – an. Der in P lebende Nebenkläger stellte in Aussicht etwa gegen 20 oder 21 Uhr an der angegebenen Adresse einzutreffen. Parallel dazu unterrichtete der Angeklagte K die Angeklagten B und H über das vereinbarte Treffen, um mit diesen entsprechend ihrer Abrede einen Überfall durchzuführen. Der Angeklagte B bat zunächst darum mit der Ausführung des geplanten Überfalles auf ihn zu warten, da er an dem Abend bis 22 Uhr in Glücksburg arbeiten müsse. Da der Nebenkläger aber angekündigt hatte, bereits gegen 21 Uhr in Flensburg zu sein, entschlossen sich die Angeklagten H und K die Tat zu zweit durchzuführen. Sie fuhren gegen 20 Uhr zur genannten Adresse und schauten auf den dortigen Klingelschildern nach einem Namen, den sie dem Nebenkläger nennen konnten. Sie wählten den Namen „HXX“, den sie dem Nebenkläger später auch mitteilten. Sie gingen anschließend zurück zum Auto und warteten auf das Eintreffen des Nebenklägers. Der Angeklagte K nahm eine Machete aus seinem Kofferraum, um diese bei der Tat als Drohmittel mit sich zu führen. Der Angeklagte H, der dies bemerkte, billigte den Einsatz der Machete als Drohmittel und stand ihrer Verwendung zur unmittelbaren Gewaltausübung gleichgültig gegenüber. Die Machete war kolumbianischer Herkunft und verfügte über eine leicht gekrümmte Klinge mit einer Länge von 61 cm.
Parallel teilte der Angeklagte K dem Nebenkläger als „C“ in dem Chat mit, dass er ein „TG“ – also ein sogenanntes Taschengeld – in Höhe von mindestens 1.000 Euro verlange. Der Nebenkläger stellte in Aussicht, dass man da „einen gemeinsamen Nenner“ finden werde.
Der Nebenkläger erreichte kurz nach 21 Uhr Flensburg und parkte sein Auto in der R…straße nahe der Einmündung zur K…straße. Er machte sich auf den Weg zu der angegebenen Adresse, die er jedoch nicht auf Anhieb fand. Die Angeklagten beobachteten den Nebenkläger dabei von der in der Nähe liegenden …Schule aus. Als der Nebenkläger auf der Suche nach der Hausnummer … den ersten zur Adresse der S…straße … gehörenden Hinterhof betrat, liefen die Angeklagten los, um ihren Plan in die Tat umzusetzen.
Die Anschrift S…straße … besteht aus drei hintereinanderliegenden mehrstöckigen Wohnhäusern. Das erste Wohnhaus befindet sich an der Straße und verfügt über einen von der Straße aus begehbaren Gang, durch den der erste Hinterhof und das dortige zweite Wohnhaus zu erreichen ist. Von diesem ersten Hinterhof führt ein weiterer Durchgang (im Folgenden: zweiter Durchgang) zu einem zweiten Hinterhof, auf dem sich das dritte Wohnhaus befindet. In beiden Durchgängen befinden sich von der Straße aus gesehen rechtsseitig jeweils Eingangstüren zu den Treppenhäusern der Mehrfamilienhäuser.
Der Nebenkläger erreichte auf der Suche nach der Klingel mit dem Namen „HXX“ schließlich den zweiten Hinterhof, als der Angeklagte K – die Machete erhoben in den Händen haltend – von hinten an ihn herantrat und den zweiten Durchgang blockierte. Der Angeklagte H verblieb währenddessen – für den Nebenkläger nicht sichtbar – in dem zweiten Durchgang.
Als sich der Nebenkläger umdrehte, rief der Angeklagte K „Du willst meine Schwester ficken? Gib mir dein Geld!“. Der Nebenkläger wog seine Möglichkeiten – Flucht oder Herausgabe des Geldes – binnen Sekunden ab. Währenddessen rief der Angeklagte K erneut „Gib mir all dein Geld! Gib mir all dein Geld!“. Der Nebenkläger entschied sich zur Flucht und versuchte an dem Angeklagten K in einem Bogen vorbeizurennen, um zu dem zweiten Durchgang zu gelangen. Der Angeklagte K – überrascht durch den Fluchtversuch – schlug mit der Machete mehrfach nach dem Nebenkläger, um diesen an der Flucht zu hindern und um sein Ziel – Herausgabe des Geldes – zu erreichen. Er hatte ursprünglich damit gerechnet, dass die Androhung von Gewalt ausreichend dafür sein würde. Ein erster Hieb traf den Nebenkläger am Kopf, dieser versuchte weiter zu flüchten. Es trafen ihn weitere Hiebe der Machete, davon einer am rechten Arm oberhalb des Ellenbogens. Schließlich gelang es dem Nebenkläger, an dem Angeklagten K vorbei in den zweiten Durchgang zu rennen. Der Angeklagte K machte den in diesem Gang stehenden Angeklagten H, der die vorangegangenen Schläge und Hiebe mit der Machete beobachtet hatte, verbal auf die Flucht des Nebenklägers aufmerksam und bedeutete ihm damit, in das Geschehen einzugreifen.
Der Angeklagte H hatte sich unbemerkt von dem Angeklagten K mit einer Art Eisenstange bewaffnet. Dabei handelte es sich um einen metallischen, etwa 30–40 cm langen, zylindrischen Gegenstand mit einem Durchmesser von 3 – 4 cm, den er in der Hand hielt. Als der Nebenkläger durch den Gang rannte, trat der Angeklagte H die Eisenstange erhoben in den Händen haltend in die Mitte des Ganges, um den Nebenkläger aufzuhalten. Diesem gelang es jedoch, an dem Angeklagten H vorbeizulaufen; Letzterer nahm die Verfolgung auf. Im Laufen traf der Angeklagte H den Nebenkläger mit der Eisenstange mehrfach am Körper. Ein Schlag traf ihn schließlich derart heftig, dass der Nebenkläger auf dem Gehweg der K…straße (eine von der S…straße abzweigende Querstraße) in der Nähe des Kreuzungsbereichs zur S…straße zu Boden ging. Er sah keine Möglichkeit mehr zu fliehen oder sich zu verteidigen, sodass er um Hilfe rief.
Der Angeklagte H sah in der Entfernung zwei sich nähernde Passanten – die Zeugen S und D 1 -, die auf die Szenerie aufmerksam wurden und ihm sinngemäß zuriefen, aufzuhören. Der Angeklagte H und der in der Nähe befindliche K, die erkannten, dass sie ihren Plan – Geld von dem Nebenkläger zu bekommen – nicht vollenden würden können, flüchteten aus Angst vor Entdeckung.
Der Nebenkläger und die Passanten alarmierten anschließend den Notruf. Der Nebenkläger wurde in die Diakonissenanstalt Flensburg verbracht, wo er medizinisch versorgt wurde.
b. Verletzungen und Folgen für den Nebenkläger
aa. Der Nebenkläger erlitt infolge der Gewalteinwirkungen drei glattrandig imponierende Hautdurchtrennungen am Kopf mit einer Länge von jeweils 6 bis 7 cm, die chirurgisch versorgt werden mussten. Mindestens eine dieser Schnittwunden verfügte darüber hinaus über eine korrespondierende knöcherne Usur des Schädelknochens.
Er erlitt außerdem eine Verletzung in Form einer glattrandig imponierenden Hautdurchtrennung in der rechten Ellenbogenregion, die mit einem nicht unerheblichen Blutverlust einherging. Diese Verletzung hat sich bis auf den Knochen erstreckt. Es lag insoweit eine Mehrfragmentfraktur des Epicondylus humeri lateralis vor. Bei diesem handelt es sich um einen in unmittelbarer Nähe des Ellenbogengelenkes außenseitig gelegenen Knochenvorsprung des Oberarmknochens. Diese offene Mehrfragmentfraktur wurde am 05.04.2019 zunächst durch Ruhigstellung in einer Oberarmgipsschiene primär und am 08.04.2019 operativ durch das Einbringen von Schrauben therapiert. Der Nebenkläger blieb bis zum 10.4.19 stationär in der Diakonissenanstalt. Durch die Verletzungen bestand abstrakte Lebensgefahr.
Der Nebenkläger erlitt ferner Hämatome, Hauteinblutungen und Hautschürfungen am Hinterkopf mit Übergang auf den Nacken rechtsseitig, am rechten Schulterdach, an der linken Oberarmaußenseite, an den Händen, in der linken Hüftregion außen sowie an den Beinstreckseiten mit Betonung der Knie und Unterschenkel.
bb. Der Nebenkläger – der Rechtshänder ist – erlangte bisher die volle Beweglichkeit seines rechten Arms nicht zurück. Ihm fallen Dreh- und Streckbewegungen mit dem Arm schwer und er verspürt bei bestimmten Bewegungen regelmäßig Schmerzen. Schmerzstillende Medikamente muss er deshalb jedoch nicht nehmen. Er hat seit der Verletzung Probleme komplexere Bewegungen durchzuführen, wie etwa das Aufgreifen eines Gegenstandes aus einiger Entfernung oder das isolierte Bewegen des kleinen Fingers. Er befindet sich seit dem Vorfall durchgehend in andauernder physiotherapeutischer und chirurgischer Behandlung. Derzeit ist die Prognose für eine vollständige Rehabilitation des Armes ungünstig. Aufgrund der Narbenbildung in der rechten Ellenbogenregion befindet er sich ergänzend in hautärztlicher Behandlung.
Auch psychisch hat die Tat den Nebenkläger nachhaltig beeinträchtigt. Er verspürt seitdem insbesondere nachts eine unbestimmte Unruhe, die er zuvor nicht kannte und ist mehrmals pro Woche von Schlaflosigkeit geplagt. Sofern er zuvor sorglos abends ausging oder sich in vermeintlich unsicheren Gegenden aufhielt, hat sich dies seit der Tat völlig geändert. Er meidet derartige Situationen und Gegenden und verspürt Panik, wenn sich ihm unbekannte Personen nähern, die Ähnlichkeit mit den Angeklagten besitzen.
Der Nebenkläger war bis Anfang Juni aufgrund der Tat arbeitsunfähig. Er ist als studierter Informatiker Geschäftsführer seiner eigenen Firma, die im Bereich der … tätig ist. Für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit lag die Firma, die in diesem Zeitraum keine weiteren Mitarbeiter beschäftigte, brach und konnte keinerlei Aufträge annehmen und somit keine Umsätze gerieren. Diese Verluste versucht er fortlaufend seit Juli zu regulieren.
Er beabsichtigt, sich nach Abschluss dieses Verfahrens in psychotherapeutische Behandlung zu begeben. Momentan befindet sich das Geschehen für ihn wie „hinter einer Eisscholle“; wie etwas „Dunkles“, das „im Inneren weggeschlossen“ ist.
3. Tat vom 9.4.2019 zum Nachteil des Zeugen Dr. L (Tat 2) – nur die Angeklagten K und B betreffend –
Nachdem die geplante Tat zum Nachteil des Nebenklägers misslang, forderte der Angeklagte H, wegen der nachfolgend dargestellten Tat nicht angeklagt und gesondert verfolgt, den Angeklagten K bereits am Folgetag auf, ein weiteres Treffen mit einem zahlungswilligen Herrn über die Plattform „MySugarDaddy“ zu gerieren. Schließlich gelang es dem Angeklagten K, am 9.4.2019 unter dem Nicknamen „Z X“ auf der Plattform einen Kontakt zu dem Zeugen Dr. L aufzubauen. Sie wechselten zügig auf den Messengerdienst „kik“, wo der Angeklagte K als junge Frau unter dem Namen „L P“ agierte. Sie verabredeten, dass der Zeuge die „L P“ an der T…straße … – diesen Treffpunkt hatte der Angeklagte B ausgewählt, der selbst in der T…straße … wohnte – in Flensburg abholen sollte und dass sie anschließend in eine von dem Zeugen gemietete Ferienwohnung fahren würden, um dort gemeinsam die Nacht zu verbringen. Als „Taschengeld“ wurde die Zahlung eines Betrages von 1.500 Euro vereinbart.
Die Angeklagten hatten sich im Pkw des Angeklagten K am Ende der Straße positioniert und warteten auf das Eintreffen des Zeugen. Dieser hatte zuvor im Chat sein auffälliges Auto – einen weißen … Landcruiser – beschrieben, woran sie ihn erkennen konnten.
Der Zeuge Dr. L erreichte kurz vor 17 Uhr den vereinbarten Treffpunkt, stieg aus seinem Auto und baute mittels des von ihm mitgeführten Laptops einen Hotspot auf, um erneut Kontakt zu „L P“ aufzunehmen. Die Angeklagten H und B verließen das Auto, während der Angeklagte K in dem Auto zurückblieb, um die Angeklagten nach der Tat zügig vom Tatort wegfahren zu können. Sie traten an den Zeugen heran, wobei der Angeklagte H sagte „Gib mir dein Geld oder ich stech dich ab!“. Der Zeuge, der die Drohung ernst nahm, holte aus seinem Portemonnaie alle im Scheinfach befindlichen Geldscheine – mindestens 1.950 Euro – und übergab diese dem Angeklagten H. Dieser forderte anschließend die Herausgabe des von dem Zeugen mitgeführten Laptops der Marke „Tuxedo“, der zum Tatzeitpunkt über einen Zeitwert von 300-400 Euro verfügte und des Mobiltelefons „Wiko, Sunny2 Plus“, bei dem es sich um ein günstiges, gebrauchtes Handy handelte. Bevor der Zeuge dieser Aufforderung nachkommen konnte, riss der Angeklagte H dem Zeugen das Handy aus der Hand und nahm den Laptop an sich, der sich zu diesem Zeitpunkt auf der Rückbank des Autos befand. Anschließend verpasste der Angeklagte H dem Zeugen einen Faustschlag in dessen Gesicht mit den Worten „Das war meine Schwester!“. Dieser war für den Zeugen schmerzhaft, verursachte aber keine Verletzungen. Der Angeklagte B stand während dieser Zeit schräg hinter dem Angeklagten H, um entsprechend des gemeinsamen Tatplanes der Drohung durch seine Anwesenheit Nachdruck zu verleihen.
Die beiden gingen sodann zum Auto zurück, wo der Angeklagte B den erbeuteten Geldbetrag gleichmäßig auf die Angeklagten aufteilte. Das Handy und den Laptop erhielt der Angeklagte K. Im Rahmen der Hauptverhandlung verriet dieser das Versteck der Gegenstände, woraufhin seine Familie sie der Polizei übergab. Sie konnten anschließend dem Zeugen Dr. L ausgehändigt werden.
Der Zeuge war in der Zeit unmittelbar nach der Tat emotional aufgewühlt, hat aber keine andauernden Beeinträchtigungen davongetragen. Der Laptop und das Handy wurden nach entsprechenden Angaben des Angeklagten K zu deren Verbleib im Rahmen der Hauptverhandlung durch dessen Familie an die Polizei übergeben und anschließend dem Zeugen Dr. L ausgehändigt.
4. Tat vom 12.4.2019 (Tat 3)
Nicht öffentlich ermittelnde Beamte des LKA versuchten in der Folgezeit Kontakt zu der Tätergruppierung über das Portal „MySugarDaddy“ herzustellen. Zu diesem Zweck waren ihnen diverse Nicknames durch die Seitenbetreiber zur Verfügung gestellt worden. Schließlich gelang es dem unter dem Pseudonym „D L 1“ agierenden Beamten am Nachmittag des 11.4.2019 einen Kontakt zu dem von dem Angeklagten K betriebenen Account „SugarBABE…“ aufzunehmen. Der Angeklagte K vereinbarte für denselben Tag um 23.15 Uhr ein Treffen mit diesem im T… Weg … in Flensburg. Dabei wurde gegen Zahlung eines „Taschengeldes“ in Höhe von 1.500 Euro die Durchführung von Geschlechtsverkehr in Aussicht gestellt, womit sich der Zeuge „D1“ zum Schein einverstanden erklärte.
Er erschien gegen 23.20 Uhr in einem dunklen … Multivan am vereinbarten Treffpunkt. Nachdem die Angeklagten den Beamten mit seinem Fahrzeug an verschiedene Örtlichkeiten dirigiert hatten – Parkplatz, Bushaltestelle, wieder Parkplatz -, wurde er kurz nach 0 Uhr am 12.4.2019 zu einem zur Anschrift T… Weg … gehörenden Parkplatz bestellt, wo er sein Fahrzeug abstellte.
Kurz darauf erschienen die Angeklagten in dem Pkw des Angeklagten K – ein schwarzer BMW mit dem amtlichen Kennzeichen FL-… –, der diesen direkt hinter dem Multivan abstellte. Durch dieses Parkmanöver war ein schnelles Wegfahren des Beamten ohne aufwendigen Wendevorgang nicht möglich. Die Angeklagten B und H verließen den Pkw, während der Angeklagte K auf dem Fahrersitz verblieb, um nach der Tat das Fluchtfahrzeug zu führen und eine zügige Flucht zu ermöglichen. Der Angeklagte H begab sich zur Fahrertür des Multivan, klopfte an die Fensterscheibe und forderte den Beamten auf, die Fensterscheibe seines Fahrzeuges herunter zu lassen, um sodann die Herausgabe des „Taschengeldes“ zu fordern. Er führte währenddessen ein gelbes Küchenmesser griffbereit bei sich, um seiner Forderung gegebenenfalls Nachdruck zu verleihen zu können. Von diesem Messer hatten die Angeklagten B und K allerdings keine Kenntnis. Der Angeklagte B begab sich an die Tür der Beifahrerseite, um der Forderung Nachdruck zu verleihen.
Als der Beamte die Fensterheber seines Vans betätigte, erfolgte der Zugriff durch die Beamten des SEK. Die Angeklagten wurden vorläufig festgenommen.
5. Verbundenes Verfahren betreffend den Angeklagten H (ehem. II KLs 104 Js 15347/19 HW)
Der Angeklagte H traf in den frühen Morgenstunden des 06.04.2019 auf die Zeugin T und deren Freundin N A in der „… Lounge“ in Flensburg. Er und die Zeugin T, die sich seit der Grundschule kennen, unterhielten sich und feierten zusammen. Als die Zeugin und ihre Freundin beabsichtigten, den Club zu verlassen, riefen sie den Zeugen D 2 an, der sie an diesem Abend nach Hause fahren sollte. Der Angeklagte H, der dies mitbekam, fragte die Zeugin, ob der Zeuge D 2, den er bis dahin nur flüchtig kannte, ihn auch nach Hause fahren könne. Die Zeugin verwies ihn dafür an den Zeugen, der Angeklagte solle ihn fragen.
Als der Zeuge D 2 gegen 5:50 Uhr eintraf, willigte er ein, den Angeklagten H ebenfalls mit seinem Auto, einem Golf …, nach Hause zu fahren. Der Angeklagte H nahm auf der Rückbank hinter dem Zeugen Platz, die Zeugin T auf dem Beifahrersitz, ihre Freundin saß auf der Rückbank hinter dem Beifahrersitz. Der Zeuge D 2 verkündete, den Angeklagten H aufgrund der Streckenplanung als Ersten Zuhause absetzen zu wollen. Der Angeklagte H insistierte, er wolle als letzter nach Hause gebracht werden. Dies lehnte der Zeuge ab. Daraufhin wurde der Angeklagte H erbost und begann gegen den Zeugen zu sticheln. Er bezeichnete ihn unter anderem als „Pussy“, weil die – nicht anwesende – feste Freundin des Zeugen in einem Club mit einem anderen Mann getanzt habe und der Zeuge nicht eingeschritten sei. Es entwickelte sich ein Streitgespräch, dass die Zeugin T zu schlichten versuchte.
Der Zeuge D 2 drehte sich während der Fahrt nach hinten zu dem Angeklagten um, um diesem zu sagen, dass er aufhören solle. Der Angeklagte schlug dem Zeugen daraufhin mit der Faust in das Gesicht. Die Straße war zu diesem Zeitpunkt von keinen weiteren Autos befahren. Der Zeuge – der dadurch Schmerzen verspürte und ein leichtes Flimmern vor den Augen wahrnahm – lenkte das Auto an den Fahrbahnrand, wo er zum Stehen kam. Die Zeugin T drehte sich in Richtung des Angeklagten und schrie ihn an, er möge aufhören. Dieser zog an ihren Haaren und hielt diese fest, sodass sie sich nicht aus dem Griff befreien konnte, hob seinen Fuß und trat ihr zweimal mit dem mit einem Sneaker beschuhten Fuß in das Gesicht. Die Zeugin erlitt Nasenbluten und eine Prellung an der Nase, die ärztlich versorgt werden musste. Der Zeuge D 2 erlitt durch den Schlag ein Hämatom am Auge.
Die Freundin der Zeugin öffnete über den Angeklagten H dessen Tür und trat diesen mit den Füßen aus dem Auto. Der Angeklagte H trat draußen stehend aus Wut zweimal gegen die Fahrertür des Fahrzeuges im Bereich unterhalb des Seitenfensters, wodurch dieses an den entsprechenden Stellen eingedellt wurde.
Die Staatsanwaltschaft hat das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Angeklagten war zu den jeweiligen Tatzeitpunkten weder erheblich vermindert noch aufgehoben.
III.
1. Feststellungen zur Person
a) Seine persönlichen Verhältnisse hat der Angeklagte K wie festgestellt geschildert. Die Mutter des Angeklagten K, die Zeugin S K, hat ergänzend Angaben zum Familienleben und zu den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten gemacht.
Die Erkenntnis zur bisherigen Straflosigkeit des Angeklagten beruht auf dem Bundeszentralregisterauszug vom 25.09.2019.
b) Zu den persönlichen Verhältnissen ließ sich der Angeklagten H wie festgestellt ein.
Die Erkenntnisse über frühere Straftaten des Angeklagten H folgen aus dem Bundeszentralregisterauszug vom 09.10.2019 sowie aus dem Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 31.10.2016 (Az.: 45 Ls jug. 104 Js 11307/16 (31/16)), dem Beschluss des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 10.02.2017 (Az.: 45 VRJs 63/16 BewH2), dem Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 11.09.2017 (Az.: 45 Ls jug. 109 Js 28903/16 (11/17)), dem Beschluss des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 11.10.2018 (Az.: 45 VRJs 18/18) und dem Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Schleswig vom 06.11.2018 (Az.: 55 Ls 108 Js 10545/18 jug.), sowie dem entsprechenden Protokoll der dazugehörenden Berufungshauptverhandlung vom 9.4.2019.
Die Zeugin XX, die Bewährungshelferin des Angeklagten, machte – wie festgestellt – Angaben zu bisherigen und aktuellen Bewährungsverläufen.
c) Der Angeklagte B ließ sich zu seinen persönlichen Verhältnissen ebenfalls wie festgestellt ein. Erkenntnisse über frühere Straftaten des Angeklagten beruhen auf dem Bundeszentralregisterauszug vom 25.09.2019 und dem Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 07.02.2011 (Az.: 45 Ls jug. 104 Js 10311/10 (37/10)).
2. Feststellungen zur Sache
a. Zur Vorgeschichte
aa. Abrede der Angeklagten
Die Feststellungen zu II. 1. beruhen hinsichtlich der Fassung des gemeinsamen Planes vor Tat 1 und des Zusammenschlusses der drei Angeklagten auf deren – soweit ihrer jeweiligen Wahrnehmung unterlegenen, übereinstimmenden – Einlassungen. Dazu passt der Chatverlauf des Messengerdienstes WhatsApp in der Zeit vom 05.04.2019 bis 06.04.2019, wonach der Angeklagte K am 5.4.2019 um 11:57 Uhr – mithin am Vormittag nach der Tat zum Nachteil des Nebenklägers – eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „AYE“ – lebensnah zusammengesetzt aus den jeweiligen Anfangsbuchstaben der Vornamen der Angeklagten – gründete, deren Mitglieder ausschließlich die drei Angeklagten waren. Der Angeklagte K versandte unter dem Pseudonym „JXX“ unmittelbar nach Eröffnung der Gruppe um 11:57:25 Uhr die Nachricht mit dem Inhalt „Was geht Jungs“ und direkt danach um 11:57:33 eine weitere Nachricht mit dem Inhalt: „AYE Gang“.
Der Angeklagte H schrieb darauf um 12:04 Uhr: „Mach mal L als gruppenbild“ und „Das ist unser Ziel“. Mit „L“ bezieht er sich auf den Zeugen F, der auf dem Portal konstant unter dem Pseudonym „L Flensburg“ auftrat und der zu diesem Zeitpunkt bereits einmal erfolgreich durch die drei Angeklagten überfallen wurde. Dies ergibt sich auch aus der Auswertung eines parallel zwischen den Angeklagten K und H geführten Chatverlaufs vom 05.04.2019, 11:14 Uhr bis 11:53 Uhr. Der Angeklagte H versandte um 11:14 Uhr eine Nachricht mit dem Inhalt „Bruder. Heute muss was gedribbelt werden“ an den Angeklagten K; sowie erneut um 11:38 Uhr „Bruder Versuch paaa wicxer zu klären“. Darauf antwortete der Angeklagte K mit einer Sprachnachricht folgenden Inhalts um 11:42 Uhr: „Ja Bruder, das ist nicht so einfach … aber ich versuch halt … dieser L, der hat zwar wieder mein Profil aufgerufen, aber der hat nicht geschrieben … der hat Paranoia.“ Um 11.50 Uhr verschickte der Angeklagte K ein Foto, das den Zeugen F zeigt – was der mit der Auswertung der digitalen Spuren beauftragte Zeuge KHK S entsprechend bekundete – mit der Textnachricht „Kommt dir bekannt vor? Das ist er oder? Dieser L“. Der Angeklagte H antwortete um 11:51 Uhr mit „Ja“. Anschließend versandte er im Gruppenchat die o. g. Nachricht.
Ein Bezug der Whatsappgruppe zur Planung der Begehung weiterer Taten entsprechend der Abrede kann durch folgende Nachrichten hergestellt werden:
H am 5.4.19 – 19:23: „Bruder hast du was gedribbelt?“
[…]
K am 5.4.19 – 20:02:
„Ne beider“
„Habe aber ein an der Angel“
„Aber nicht für heute“
[…]
„Ich Versuch für morgen“
bb. Tat zum Nachteil des Zeugen F – nicht verfahrensgegenständlich –
Die Tat zum Nachteil des Zeugen F (C…straße) hat die Kammer zum einen aufgrund der Einlassung des Angeklagten K und ergänzend auf Grundlage der Angaben des Zeugen F festgestellt. Beide schilderten den Sachverhalt im Wesentlichen, soweit er ihrer Wahrnehmung unterlag, übereinstimmend. Der Zeuge F erkannte im Rahmen der Hauptverhandlung spontan den Angeklagten H als denjenigen, der ihm hinterherlief und die Herausgabe des Geldes unter Vorhalt eines Messers forderte. Auf die Frage, ob er denjenigen beschreiben könne, sagte er nämlich von sich aus „Da drüben sitzt er doch.“ und zeigte dabei auf den Angeklagten H. Die Angeklagten K und B erkannte er nicht zweifelsfrei als die weiteren zwei, in Entfernung wartenden Mittäter. Er gab jedoch an, dass diese jedenfalls vom Typ den von ihm beobachteten Männern entsprächen.
Der Angeklagte K ließ sich dahingehend ein, dass es sich bei diesen beiden Personen um ihn und den Angeklagten B gehandelt habe. Er habe zwar nicht beobachtet, wie der Angeklagte H an das Geld des Zeugen gekommen sei, dieser habe aber unmittelbar nach der Tat berichtet, dass er den Zeugen eingeholt und diesem einen „Tritt verpasst“ habe, wodurch der Zeuge zu Boden gegangen sei. Anschließend habe er ihn aufgefordert, das Geld herauszugeben.
Der Zeuge F bestätigte die Anwendung von Gewalt mittels Fußtritts nicht, sondern schilderte das Geschehen wie festgestellt. Die Kammer hält diese Aussage aufgrund des fehlenden Motivs für eine etwaige Falschaussage – der Zeuge kannte den Angeklagten H und auch die übrigen Angeklagten zuvor nicht – und des differenzierten Aussageverhaltens des Zeugen, das frei von Belastungstendenzen war, für glaubhaft und legt dessen Angaben, soweit sie sich von denen des Angeklagten K unterscheiden, ihren Feststellungen zugrunde. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der Zeuge einen ähnlichen – ebenfalls nicht verfahrensgegenständlichen – erlittenen Überfall schilderte, den er trotz auffallender Gemeinsamkeiten in der Begehungsweise nicht mit den hiesigen Angeklagten in Verbindung brachte. Er bekundete, dass dieser seinen Ursprung ebenfalls auf der Plattform „MySugarDaddy.eu“ genommen habe. Er sei zu einer Adresse in der X straße in Flensburg gelockt worden, wo ein jüngerer Mann auf ihn zugekommen sei und gefragt habe, was er – der Zeuge – mit seiner Schwester (also der des Mannes) machen wolle; er solle ihm lieber die vereinbarten 500 Euro so geben, das sei einfacher. Dabei habe er die linke Seite seiner Jacke geöffnet, wo er ein mit Ornamenten verziertes Schwert oder eine Machete verborgen gehalten habe, um dem Zeugen dies zur Durchsetzung seiner Forderung zu präsentieren. Der Zeuge F habe ihm daraufhin das mitgeführte Geld herausgegeben. Auf Nachfrage bekundete er, keinen der hiesigen Angeklagten als diesen Täter wiederzuerkennen. Im Gegenteil schloss er sogar – trotz äußerst ähnlicher Begehungsweise zu den verfahrensgegenständlichen Taten – aus, dass der dortige Täter einer der drei Angeklagten war. Dieser habe zwar auch ein „südländisch oder arabisches“ Erscheinungsbild gehabt, sei von der Statur her aber deutlich kräftiger und ungepflegter gewesen.
b. Zur Tat 1
Die Angeklagten K und H haben im Wesentlichen eine Beteiligung an der Tat zum Nachteil des Nebenklägers Hxx entsprechend ihres zuvor gefassten Tatplanes eingeräumt. Allerdings ließen sie sich insoweit abweichend voneinander ein, dass der jeweils andere mit der Machete bewaffnet gewesen sei, diese gegen den Nebenkläger eingesetzt und zuvor die Herausgabe des Geldes gefordert habe. Sie selbst hätten jeweils nur in einiger Entfernung des Geschehens gestanden und versucht dem flüchtenden Nebenkläger, den Weg zu versperren. Eine Eisenstange oder ähnliches hätten sie jeweils nicht mit sich geführt, jegliche Gewalt sei allein von dem mit der Machete bewaffneten – also jeweils anderen – Täter ausgegangen, ohne dass die Gewaltanwendung von ihnen zuvor abgesprochen oder auch nur gebilligt gewesen sei.
Die Kammer ist allerdings vor allem aufgrund der äußerst detaillierten und präzisen Angaben des Nebenklägers davon überzeugt, dass es zwei jeweils gewaltsam agierende Täter gab – einen mit einer Machete und einen mit einer Art Eisenstange bewaffnet (dazu aa.) – und dass es sich bei demjenigen Täter, der die Machete führte, um den Angeklagten K handelte (dazu bb.). Der Einsatz der Machete wurde von dem Angeklagten H als möglich vorausgesehen und gebilligt (dazu cc.).
aa. Zwei gewaltsam agierende Täter
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass im Rahmen des Tatgeschehens vom 04.04.19 unmittelbare Gewalt durch zwei Täter ausgeübt wurde, von denen einer eine Machete und der andere eine Eisenstange gegen den Nebenkläger einsetzte.
Diese Überzeugung gründet sich hauptsächlich auf den glaubhaften Angaben des Nebenklägers Hxx. Aufgrund der hohen Konstanz der Schilderungen, die eine Fülle von Realkennzeichen enthalten und über einen enormen Detailreichtum verfügen, ist die Kammer von der Erlebnisbegründetheit der Angaben des Nebenklägers überzeugt (dazu (1)(c)).
Die Kammer hat in diese Überlegungen auch die Hypothese eingestellt, dass das Gedächtnis des Nebenklägers oder dessen Wahrnehmungsfähigkeit etwa durch die Schläge auf den Kopf oder Kreislaufprobleme beeinträchtigt gewesen sein könnte. Diese Hypothese – die Frage nach der Möglichkeit einer Fehlerinnerung – hat die Kammer jedoch nach umfassender Würdigung der Angaben des Nebenklägers, insbesondere nach einer Konstanzanalyse (dazu (1)(b)) und unter Berücksichtigung der Angaben der rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. B, die keinerlei Hinweise auf ein Schädel-Hirn-Trauma oder sonstige Hirnverletzungen feststellen konnte (dazu (1)(a)), als fernliegend verworfen.
Die Kammer hat sich auch mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die Angeklagten K und H trotz Tatgenossentrennung übereinstimmend das Vorhandensein der Eisenstange und die Gewaltanwendung durch den zweiten Täter negierten (dazu (3)). Dies erklärt die Kammer mit der zeitlichen Reihenfolge der beiden Einlassungen: Die Einlassung des Angeklagten K, die dieser bereits im Zwischenverfahren in schriftlicher Form zur Akte reichte, lag dem Angeklagten H jedenfalls vor dem Verfassen dessen schriftlicher Einlassung vor, da er inhaltlich auf die Angaben des Angeklagten K Bezug nimmt.
(1) Aussage des Nebenklägers
Der Nebenkläger hat das unmittelbare Tatgeschehen so geschildert, wie es die Kammer ihren Feststellungen zugrunde gelegt hat. Die Kammer erachtet die Aussage des Nebenklägers – vorliegend insbesondere den Teilbereich, dass es zwei gewaltsam agierende Täter gab, von denen einer Verletzungshandlungen mittels einer Eisenstange ausführte – nach einer umfassenden Analyse seiner Angaben für glaubhaft.
(a) Zweifel an seiner Aussagetüchtigkeit bestehen nicht. Es bestehen insbesondere keinerlei Hinweise dafür, dass die Wahrnehmungs- und Merkfähigkeit infolge der erlittenen Kopfverletzungen beeinträchtigt war.
Zu diesem Ergebnis gelangte die Kammer aufgrund des rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Rechtsmedizin Dr. med. B, das diese im Rahmen der Hauptverhandlung zur Frage nach Verletzungen und der Schwere der Verletzungen bei dem Nebenkläger Hxx erstattete. Gegenstand des mündlichen Gutachtens war auch die Beurteilung einer etwaigen Einschränkung der Aussagetüchtigkeit des Nebenklägers infolge der erlittenen Verletzungen. Das Gutachten, dem die Kammer nach eigener kritischer Würdigung vollumfänglich folgt, ist nachvollziehbar und beruht auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen.
Die Sachkunde der am Institut für Rechtsmedizin tätigen und der Kammer aus einer Vielzahl von Straf – darunter auch Schwurgerichtsverfahren – bekannten Sachverständigen ist nicht zweifelhaft.
Das Gutachten stützt sich auf die am 05.04.2019 ab 13.50 Uhr im Diakonissenkrankenhaus Flensburg durchgeführte rechtsmedizinische Untersuchung durch die Sachverständige, die bei dieser Gelegenheit durch den Nebenkläger getätigten Angaben und die der Sachverständigen zur Verfügung gestellten Krankenunterlagen aus dem Diakonissenkrankenhaus Flensburg.
Die Sachverständige hat im Ergebnis bekundet, dass keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Wahrnehmungs- und Merkfähigkeit des Nebenklägers infolge der erlittenen – äußeren – Kopfverletzungen gegeben seien. Insbesondere hätten Verletzungen in der Schädelhöhle und/oder des Gehirns des Nebenklägers nicht vorgelegen. Nach den ihr zur Verfügung stehenden Krankenunterlagen und den Angaben des Nebenklägers während der rechtsmedizinischen Untersuchung habe nach dem Verletzungsgeschehen und in der darauffolgenden Nacht keine Bewusstlosigkeit vorgelegen. Anhaltspunkte für ein Schädel-Hirn-Trauma seien weder den Krankenunterlagen noch den Angaben des Nebenklägers ihr gegenüber zu entnehmen.
Im Einzelnen:
Die Sachverständige hat bekundet, der Nebenkläger sei zur Zeit der rechtsmedizinischen Untersuchung zu Ort, Zeit und Situation orientiert gewesen. Er habe auf sie „klar“ gewirkt. Er habe angegeben, keine Vorerkrankungen zu haben, nicht regelmäßig Medikamente zu nehmen und vor dem Vorfall weder Alkohol noch Drogen konsumiert zu haben. Der Nebenkläger habe das Tatgeschehen auf ihre Bitte knapp und nachvollziehbar schildern können. Er habe ihren Fragen folgen und diese beantworten können. Bewusstlosigkeit im Rahmen des Tatgeschehens und unmittelbar danach habe er verneint. Ihren Aufforderungen zur Mitwirkung im Rahmen der körperlichen Untersuchung habe er ohne Auffälligkeiten Folge leisten können.
Den ihr vorliegenden Krankenunterlagen seien keine für eine Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit sprechenden Hinweise zu entnehmen. Insbesondere fehlten Hinweise auf eine Bewusstlosigkeit, auf Bewusstseinsstörungen oder auf eine fehlende Orientierung des Nebenklägers bei Einlieferung und Aufnahme völlig. Es seien insbesondere auch keine Übelkeit, kein Erbrechen, keine Amnesie vermerkt.
Verletzungen in der Schädelhöhle und/oder des Gehirns hätten ausweislich der ihr vorliegenden Unterlagen nicht vorgelegen.
Im Rahmen der durch sie durchgeführten Untersuchung habe sie diverse Verletzungen diagnostizieren können, von denen potentiell für die Frage einer möglichen Beeinträchtigung der Aussagefähigkeit nur die folgenden relevant seien: Drei chirurgisch versorgte, glattrandig imponierende Hautdurchtrennungen am Kopf sowie eine chirurgisch versorgte, glattrandig imponierende Hautdurchtrennung in der rechten Ellenbogenregion. Bei den Kopfverletzungen sei den Krankenunterlagen darüber hinaus zu entnehmen, dass sich „offene knöcherne Usuren“, d. h. korrespondierende Verletzungen des Schädelknochens gezeigt hätten. Bei wie vielen der Kopfverletzungen korrespondierende Verletzungen des Schädelknochens vorgelegen hätten, könne rückwirkend nicht sicher beurteilt werden. Die Kammer hat ihren Feststellungen daher nur eine zugrunde gelegt.
Bei Vorliegen solcher Verletzungen des Knochens sei von einer entsprechend kräftigen Gewalteinwirkung auszugehen.
Diese schweren Kopfverletzungen seien grundsätzlich – abstrakt – geeignet, einen Bewusstseinsverlust hervorzurufen oder die Merkfähigkeit zu beeinträchtigen. Es könne bei entsprechend kräftiger Gewalteinwirkung gegen den Kopf zu Blutungen z.B. im Gehirn selbst kommen. Auch könnten Kopfschwartenverletzungen wie die bei dem Nebenkläger festgestellten zu einem massiven Blutverlust bis hin zum Verbluten führen. Konkret sei jedoch den ihr vorliegenden Unterlagen zu entnehmen, dass Verletzungen in der Schädelhöhle und/oder des Gehirns nicht vorgelegen hätten, ein Bewusstseinsverlust während des Tatgeschehens und bei Einlieferung in das Krankenhaus nicht vorgelegen habe und typische Hinweise für ein Schädel-Hirn-Trauma weder den Krankenunterlagen noch den Schilderungen des Nebenklägers zu entnehmen seien und sich auch nicht später während ihrer eigenen Untersuchung gezeigt hätten.
Diese Ergebnisse passen zu den Bekundungen des Nebenklägers im Rahmen der Hauptverhandlung. Danach sei weder im Diakonissenkrankenhaus in Flensburg, noch in den darauffolgenden Monaten eine Hirnverletzung oder etwas Vergleichbares diagnostiziert worden. Am Vormittag des 05.04.2019 sei ihm morgens nach dem Aufstehen – etwa gegen 10 Uhr – im Badezimmer kurz schwarz geworden vor Augen. Eine Krankenschwester habe ihm auf das Krankenbett geholfen, wo er sich schnell erholt habe. Ferner habe er selbst keinerlei Erinnerungslücken, die sich über bestimmte Zeiträume erstrecken, bemerkt; er könne sich an ein durchgängiges, aufeinander aufbauendes Geschehen erinnern, wenngleich nicht an jedes Detail.
Die Angaben des Zeugen KHK B 1 untermauern den Eindruck der Sachverständigen, den sich diese am Nachmittag des 5.4.2019 verschafft hatte. Der Zeuge, der den Nebenkläger am Morgen nach der Tat vernahm, bekundete ebenfalls, dass dieser einen orientierten, klaren Eindruck auf ihn gemacht habe. Anweisungen habe der Nebenkläger ohne weiteres Folge leisten können. Seinen ersten, freien Bericht habe er ohne Probleme selbst in das Diktiergerät sprechen können.
Weitere Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Aussagetüchtigkeit des Nebenklägers bestehen nicht. Der zum Zeitpunkt seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung 30-jährige Nebenkläger verfügt über eine überdurchschnittliche Intelligenz. Er hat einen Bachelor- und Masterabschluss in IT-System-Engineering erreicht und arbeitet als Geschäftsführer seiner eigenen Firma, die im Bereich der … tätig ist. Er war bisher – wie er bekundete – nicht wegen einer psychischen oder psychiatrischen Erkrankung in ärztlicher Behandlung.
(b) Der Nebenkläger schilderte den Umstand – zwei gewaltsam agierende, jeweils bewaffnete Täter – konstant. Dies gab er bereits unmittelbar nach dem Vorfall an, was die Notrufabschrift belegt. Bei dem um 21.21 Uhr durch den Nebenkläger abgesetzten Notruf – also nur wenige Minuten nach dem Überfall – schilderte dieser, von zwei Personen angegriffen worden zu sein. Die eine Person habe ihn mit einem „Schwert“ angegriffen, die andere habe eine Eisenstange gehabt. Auf Nachfrage konkretisierte er, dass es sich bei dem Schwert um ein „Metallschwert“ gehandelt habe.
Am Morgen nach dem Tatgeschehen wiederholte der Nebenkläger seine Äußerungen gegenüber dem ihn vernehmenden Polizeibeamten KHK B 1 und der Rechtsmedizinerin Dr. B, was beide entsprechend bekundeten. Auch im Rahmen der am 4.6.19 durchgeführten Tatrekonstruktion ließ er zwei gewaltsam agierende Täter nachstellen und stattete diese mit den jeweiligen Tatmitteln aus. Schließlich bekundete er im Rahmen seiner umfassenden Aussage vor der Kammer diesen Umstand entsprechend.
Die Kammer hat die Angaben des Nebenklägers im Rahmen der Hauptverhandlung mit seinen Angaben bei der polizeilichen Vernehmung am 05.04.2019 und bei der am 04.06.2019 durchgeführten Tatrekonstruktion und Vernehmung – jeweils eingeführt durch die Angaben des Zeugen KHK B 1 – insgesamt abgeglichen. Seine Schilderungen zeichnen sich – ohne wortgleich zu sein – durch eine hohe Konstanz aus. Insbesondere entsprechen die Schilderungen vom 04.06.2019 denen in der Hauptverhandlung. Die am 05.04.2019 gemachten Angaben zum Kerntatgeschehen selbst sind etwas weniger detailliert. So fehlte an jenem Tag beispielsweise die prägnante Schilderung des Nebenklägers, nachdem ihn der erste Täter mit der Machete erstmals am Kopf getroffen hatte. Er gab nämlich an, gedacht zu haben, dass „es jetzt vorbei“ sei und überrascht gewesen zu sein, dass er seine Beine noch habe bewegen können. Außerdem beschrieb er im Rahmen der Tatrekonstruktion einschließlich der nachfolgenden Vernehmung und im Rahmen der Hauptverhandlung die Abläufe der Tat – insbesondere die Wegstrecke seiner Flucht und die ihm im Relation zu den Örtlichkeiten zugefügte Treffer – noch detaillierter. Dies erklärt sich jedoch aus den jeweils unterschiedlichen Zielrichtungen der Vernehmungen. Während die erste polizeilichen Vernehmung am 05.04.2019 nach Darstellung des Zeugen KHK B 1 dem Zweck der allgemeinen Informationserlangung und dem Verständnis der Tatanbahnung (Kontaktherstellung über MySugardaddy.eu, Verabredung des – vermeintlich dem Zweck des entgeltlichen Geschlechtsverkehrs dienenden – Treffens) diente, war Schwerpunkt der Vernehmung am 04.06.2019 die detailliertere Rekonstruktion der Tatabläufe in Relation zu den Örtlichkeiten.
(c) Die Analyse des Inhalts der Angaben des Nebenklägers ergibt zahlreiche darin enthaltene Realkennzeichen, die erkennen lassen, dass das vom Nebenkläger geschilderte Geschehen auch tatsächlich so von ihm erlebt und zutreffend wahrgenommen wurde. Dass er trotz der für ihn akuten Bedrohungssituation derart konzentriert und aufnahmefähig war, wird dadurch belegt, dass er das Geschehen in vielen Einzelheiten wahrnehmen und wiedergeben und Überlegungen zur Einschätzung der Gefährlichkeit der Situation, etwa zur Echtheit des Schwertes und der Evaluierung seiner Möglichkeiten – Flucht oder der Forderung nachzukommen – anstellen und wiedergeben konnte. Dies wird an dem Umstand deutlich, dass die Aussage des Nebenklägers zahlreiche Details, originelle Einzelheiten und Schilderungen eigenpsychischer Vorgänge und Überlegungen enthielt.
Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spricht außerdem, dass er Erinnerungslücken und Unsicherheiten unumwunden zugab, wohingegen er an anderen Stellen bestimmte Umstände sicher ausschließen oder klar benennen konnte. Sein Aussageverhalten ließ eine enorme Konzentration und Rückbesinnung auf das Tatgeschehen erkennen, das er mit hoher Differenziertheit schilderte.
(aa)
Er beschrieb detailreich und eindrücklich die Situation des Aufeinandertreffens mit dem die Machete haltenden Täter. Er – der Nebenkläger – habe sich umgedreht und dann den Täter erblickt, der den Griff des Schwertes mit beiden Händen umfassend mittig vorm Körper gehalten habe, seine Beine dabei leicht angewinkelt. Die Person sei etwas größer als er selbst gewesen („nicht sehr viel größer, etwas größer“), er selbst sei 1,74 bis 1,76 m groß. Die Haare seien „pechschwarz“, oben 4-5 cm lang und hochgegelt gewesen, die Seiten dabei kurzgehalten. Die Beschreibung der Haare als „pechschwarz“ hatte er bereits im Rahmen seiner ersten polizeilichen Vernehmung gewählt, was der Zeuge KHK B 1 entsprechend bekundete, und stellte diese als besonderes Alleinstellungsmerkmal des ersten Täters auch in der Folge stets heraus.
Der Täter sei „gut gekleidet“ gewesen, in einer Art schwarzer Lederjacke, und habe eher „südländisch, arabisch“ ausgesehen, das sei „ziemlich eindeutig“ gewesen. Die eingenommene Position habe ihn an eine „Kampfsportgrundstellung“ erinnert. Er selbst interessiere sich für Schwertkampf und verfüge über einige Grundkenntnisse in diesem Gebiet. Er habe mal einen entsprechenden Kurs besucht. Daher sei ihm auch gleich aufgefallen, dass das Schwert falsch gehalten worden sei. Der Täter habe es „wie im Film“ gehalten. Das Schwert sei relativ lang gewesen, die Klinge leicht gekrümmt. Es habe ihn an ein „Katana“ erinnert. Dabei handele es sich um ein japanisches Langschwert mit geschwungene Klinge und einfacher Schneide. Die Person habe es auf Höhe ihres Unterbauches bzw. „Schrittes“ gehalten, es sei von dort aus ebenso groß wie die Person gewesen. Die Schilderung dieses Aufeinandertreffens enthält diverse originelle Details – auffallende Haltung, Art des Schwertes – und lässt in Verbindung mit den Assoziationen des Nebenklägers („Kampfsportgrundstellung“, „wie im Film“, „wie ein Katana“) unter Berücksichtigung seiner speziellen Fachkenntnisse eine Fülle von Realkennzeichen erkennen, die für die Erlebnisbegründetheit der Schilderung spricht.
Nach den jeweiligen Lichtverhältnissen befragt, gab er an, dass der erste Durchgang sehr hell beleuchtet gewesen sei, deshalb habe er sich überhaupt dazu entschlossen, diesen von der Straße aus zu betreten. Der erste Hinterhof sei auch mit einer Lampe beleuchtet gewesen, diese sei aber nicht so stark wie die Beleuchtung in dem Durchgang gewesen. Der zweite Durchgang sei weniger oder nicht beleuchtet gewesen. Der Täter habe „eher im Zwielicht“ gestanden.
Der Täter habe Geld von ihm gefordert, indem er lautstark gesagt habe „Du willst meine Schwester ficken? Gib mir dein Geld!“. Nach Auffälligkeiten bei der Sprache befragt, gab der aus P stammende Zeuge an, dass ihn die Sprechweise an „Berliner Türken“ erinnere. Damit meine er ein grammatikalisch korrektes Deutsch, das aber eine „besondere Tonalität“ aufweise. Er kenne das nur aus Berlin, weil er … wohne und beziehe die Aussprache auf das Türkische, nicht auf „berlinern“. Auch dabei handelt es sich um eine originelle Assoziation, die zum einen einen besonderen geographischen Bezug zum Lebensort des Nebenklägers herstellt und zum anderen versucht, die von ihm erlebte Sprechweise plastisch zu beschreiben.
Als der Nebenkläger nicht sofort reagiert habe, habe die Person erneut „Gib mir all dein Geld, gib mir all dein Geld!“ gerufen. Dabei konnte der Nebenkläger genau benennen, dass die Formulierung „all dein Geld“ nur in dieser zweiten, erneuten Aufforderung verwandt wurde und hatte sich – nachdem er diese zunächst auch in der ersten Ansprache untergebracht hatte – unmittelbar dahin korrigiert, dass dies nur in der erneuten Forderung der Fall gewesen sei. Diese genaue Differenzierung verdeutlicht wiederholt die enorme Konzentration und Aufnahmefähigkeit des Nebenklägers im Zeitraum des Tatgeschehens. Er gab in diesem Zusammenhang an, die verbale Forderung „genau im Gehör“ zu haben und diese so abrufen zu können.
(bb)
Bemerkenswert detailliert beschrieb der Nebenkläger anschließend seine umfassenden Gedanken bei der Abwägung seiner Möglichkeiten und der Fassung seines Planes zur Flucht. Er habe sich zunächst gefragt, um die Gefährlichkeit der Situation einzuschätzen, ob es sich bei dem Schwert um ein echtes – also scharfes – Schwert oder eine bloße „Dekowaffe“ gehandelt habe. Wäre dies ein „echtes Katana“ – so seine Überlegung -, hätte es der Täter nicht nötig Geld von ihm zu fordern, da er in Anbetracht der Kosten eines solchen Schwertes selbst über ausreichend Geld verfügen müsste. Da der Täter nun aber von ihm Geld gefordert habe, könne er im Umkehrschluss selbst nicht über ausreichend Geld zur Anschaffung eines solchen – echten – Schwertes verfügen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Schwert kein echtes gewesen sei, sei daher höher gewesen. Er habe dann unter Berücksichtigung dieser Wahrscheinlichkeit überlegt, welche die „beste Handlung“ wäre. Wenn er der Forderung hätte nachkommen wollen, hätte er seinen Rucksack abnehmen müssen, da darin das Geld gewesen sei. Durch die Abnahme des Rucksacks hätte er sich aber – so der Nebenkläger – „exponieren“ müssen und hätte dann keine Möglichkeit mehr gehabt sich gegen einen etwaigen körperlichen Angriff zu wehren. Außerdem – so seine Hoffnung – würde der Täter das Schwert, wenn es denn ein echtes wäre, nicht gegen ihn einsetzen, da er es für abwegig hielt, dass dieser es riskieren würde ihn für „so ein bisschen Geld“ zu töten. Dabei sei er davon ausgegangen, dass er den Hieb eines echten Schwertes nicht überleben würde.
Diese Überlegungen belegen die außerordentliche Konzentration des Nebenklägers im Zeitraum des Tatgeschehens und die Effizienz seiner kognitiven Informationsverarbeitung, die erforderlich war, um diese Gedanken überhaupt entwickeln zu können. Denn auch wenn das nachfolgende Geschehen als sogenanntes „Turbulenzgeschehen“ einzuordnen ist – der Nebenkläger beschrieb dieses als „Katz- und Mausspiel“ -, war die diesem Geschehen vorausgehende Situation von einem kurzzeitigen Innehalten und einer überdurchschnittlichen Achtsamkeit geprägt. Der Nebenkläger verfiel gerade nicht in Panik, sondern spannte all seine Sinne an, um die in dieser Situation bestmögliche Handlungsstrategie zu entwickeln, die es ihm ermöglichen würde, das Geschehen unverletzt zu überstehen. Vor diesem Hintergrund ist es nur logisch und damit nachvollziehbar, dass der Nebenkläger zur Wahrnehmung dieser Fülle an Details im Stande war.
(cc)
Dass der Nebenkläger das anschließende Geschehen, innerhalb dessen es zu ersten körperlichen Angriffen kam, weniger detailreich schildern und erinnern kann, hält die Kammer aufgrund der Einordnung als sog. Turbulenzgeschehen für plausibel und wertet den Umstand, dass der Nebenkläger hier Unsicherheiten oder ggf. aus den Verletzungen gezogene Rückschlüsse auf etwaige Handlungen unumwunden zugab und dies von sich aus entsprechend darstellte, als weiteres Realkennzeichen.
Der Nebenkläger bekundete, sich nach Abwägung der o. g. Umstände für eine Flucht entschieden zu haben. Er sei gerannt und habe versucht in einem Bogen rechts um den Täter herumzulaufen, um zu dem Durchgang zu gelangen. Der Täter sei auf ihn zugelaufen, habe ihn abgefangen und mit dem Schwert am Hinterkopf getroffen. Dieser erste Treffer sei ihm deshalb noch besonders in Erinnerung, weil er trotz seiner vorangegangenen Überlegungen nunmehr in Todesangst gedacht habe: „Jetzt ist es vorbei!“. Er habe es nicht für möglich gehalten, einen Hieb des Schwertes zu überleben und sei deshalb überrascht gewesen, dass er seine Beine noch habe bewegen können und habe weiter versucht „da rauszukommen“. Es sei dann zu einem „Durcheinander“, einer Art „Katz- und Mausspiel“ gekommen, in dessen Rahmen der Täter ihn – den Nebenkläger – mehrfach an verschiedenen Körperstellen getroffen habe. Er könne sicher sagen, dass er am rechten Oberarm von dem Schwert getroffen worden sei und einmal an der Vorderseite des Kopfes. Es sei zu mehreren, weiteren Treffern gekommen, wo genau diese hingegangen seien, könne er nicht mehr sagen. Er blieb auch auf Nachfrage dabei, eine Zuordnung nicht vornehmen zu können, dafür sei er sich in diesem Bereich zu unsicher.
Erinnerungslücken in dem unübersichtlichen Geschehen, welches durch den Fluchtversuch des Nebenklägers eingeleitet wurde, hält die Kammer ohne Weiteres für nachvollziehbar. Denn anders als in dem vorangegangenen Handlungsabschnitt – Täter und Nebenkläger stehen sich nahezu innehaltend gegenüber – ist dieses Geschehen durch eine schnelle Abfolge von Aktion und Reaktion gekennzeichnet. Der Fokus des Nebenklägers lag nicht auf der Einschätzung der Situation, zu deren Zweck die Aufnahme und Verarbeitung vielfältiger Informationen unabdingbar war, sondern auf Flucht. Sein erklärtes Ziel – so der Nebenkläger – sei es gewesen, den zweiten Durchgang zu erreichen.
Dass der Nebenkläger seine Erinnerungslücken und Unsicherheiten unumwunden zugab und auch bei Nachfragen sich nicht festzulegen vermochte, spricht ferner für die Glaubhaftigkeit der übrigen detailreichen Angaben. Er hat nämlich seine Bemühungen um eine korrekte Aussage verdeutlicht, die möglichst nur die seiner Wahrnehmung unterliegenden Tatsachen enthält.
(dd)
Die Angaben des Nebenklägers den zweiten Teil des Geschehens betreffend, an dem Verfolgungs- und Angriffshandlungen des zweiten Täters beginnen, enthalten weitere originelle Details, die für die Erlebnisbegründetheit seiner Schilderung sprechen. Er konnte einen zweiten Täter in Abgrenzung zu dem ersten beschreiben, wenngleich die Beschreibung weniger detailliert war. Dies ist nach Überzeugung der Kammer aber vor dem Hintergrund plausibel, dass die Wahrnehmungssituation eine andere war, als bei dem ersten Täter. Der Nebenkläger sah den zweiten Täter einmal im Vorbeilaufen und ein weiteres Mal am Boden liegend, nachdem er mehrfach mit der Machete und der Eisenstange verletzt worden war. Für ihn stand allerdings von vornherein fest – das machte er stets deutlich -, dass dieser mit Sicherheit nicht derjenige war, dem er zuvor in dem Hinterhof begegnet war.
Unsicherheiten, etwa die Anzahl und Platzierung der Schläge betreffend, machte er entsprechend kenntlich, konnte bei anderen Fragen etwaige Hypothesen jedoch deutlich ausschließen und dies jeweils nachvollziehbar begründen. Sofern er aus erlittenen Verletzungen Rückschlüsse auf Handlungen der Täter zog – ohne insoweit über eine exakte Erinnerung zu verfügen -, machte er diese entsprechend kenntlich.
So konnte er sicher ausschließen, dass möglicherweise nur die Machete – die er im zweiten Teil des Geschehens fälschlicherweise als Eisenstange wahrgenommen haben könnte – gegen ihn eingesetzt worden sei, was die Kammer deshalb für einleuchtend hält, da er über ein gewisses Fachwissen verfügt und auch der hier eingesetzten Machete eine bestimmte Bezeichnung („Katana“) gab, womit er deutlich machte, gewisse Eigenschaften (wie eine längliche, gebogene Klinge) erkannt und analysiert zu haben. Eine derart präzise Bezeichnung nahm er bei der zweiten Waffe bzw. Werkzeug gerade nicht vor. Er konnte diesen Gegenstand lediglich abstrakt beschreiben, ohne dass er ihm eine bestimmte Funktion oder gar eine Bezeichnung zuordnen konnte. Dabei sah er am Boden liegend diesen Gegenstand genauer an und hätte die Möglichkeit gehabt, diesen ggf. als Machete oder Schwert zu erkennen.
Das gleiche gilt für die Zuordnung der einzelnen Tatbeiträge zu den zwei Tätern. Der Nebenkläger konnte sicher ausschließen, dass derjenige, der die Eisenstange hielt, der Täter war, der zuvor das Schwert hielt und machte dies an überzeugenden, prägnanten Unterscheidungskriterien (Phänotyp, Kleidung, Statur) fest. Auch zur Wahrnehmung des zweiten Täters bestand am Boden liegend ausreichend Gelegenheit, die der Nebenkläger seinen Angaben zufolge entsprechend nutzte.
Im Einzelnen:
So beschrieb der Nebenkläger zunächst den ersten Kontakt mit dem zweiten Täter. Als der erste Täter gesehen habe, dass er – der Nebenkläger – ihm „entschlüpft“ sei, habe dieser etwas für ihn – den Nebenkläger – unverständliches, möglicherweise in einer ihm unbekannten Sprache einer weiteren Person zugerufen, was für den Nebenkläger – allein nach dem Tonfall beurteilt -, wie eine Art „Schnapp ihn dir!“ oder das Rufen eines Eigennamens geklungen habe. Als er den zweiten, hinteren Durchgang entlanggelaufen sei, habe er im Vorbeilaufen eine weitere Person seitlich auf Höhe der Hauseingangstür in dem Gang stehend gesehen. Diese Person habe er zunächst nur kurz gesehen. Sie sei ihm stämmiger als die erste Person vorgekommen und „vom Typ her heller“. Dies beziehe er auf die Haar- und Gesichtsfarbe. In Abgrenzung zu seiner Beschreibung des ersten Täters, bekundete der Nebenkläger, dass der zweite Täter vor allem „nicht diese pechschwarzen Haare“ gehabt habe, die ihm beim ersten so aufgefallen seien. Es habe sich bei der Person mit Sicherheit um einen Mann gehandelt, der eher „leger“ gekleidet gewesen sei mit einer dunklen Jogginghose und –jacke.
Auf den Zuruf des ersten Täters sei diese Person aus dem Türrahmen seitlich im zweiten Durchgang hervorgetreten und habe versucht, ihn – den Nebenkläger – abzufangen. Sie habe einen Gegenstand erhoben in der Hand gehalten. Dieser sei etwa 30-40 cm lang gewesen, was der Nebenkläger durch Zeigen mit den Händen verdeutlichte. Gefragt nach dem Durchmesser des Gegenstandes bildete der Nebenkläger aus Daumen und Zeigefinger einen Kreis, der einen Durchmesser von etwa 3-4 cm zeigte. Der Gegenstand habe für ihn – den Nebenkläger – wie eine Eisenstange ausgesehen. Im Gegensatz zu dem eingesetzten Schwert, das er als „Katana“ bezeichnete, konnte er hier keine genaue Typen- oder Funktionsbezeichnung vornehmen, sondern versuchte den Gegenstand anhand objektiver Merkmale möglichst genau zu beschreiben.
Als er an dem zweiten Täter vorbeigelaufen sei, habe dieser ihn währenddessen bereits mit der Eisenstange geschlagen. Auf seinem Weg zur Straße sei er mehrfach von der Person getroffen worden. Wann er welche Treffer „kassiert“ habe, könne er nicht genau sagen. Er wisse nur „die heftigen“ genauer. Umgedreht habe er sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr, er könne aber sicher sagen, dass alle Treffer seit Betreten des Durchgangs von dem zweiten Täter ausgeführt worden seien, da er den ersten Täter ab diesem Zeitpunkt nicht mehr wahrgenommen habe und die Geräusche der Treffer anders geklungen hätten. Er habe ein „stumpfes, metallisches Klingen“ wahrgenommen, es habe akustisch ein deutlicher Unterschied zu den Treffern im Hof bestanden. Zur Verdeutlichung der Stumpfheit der Geräusche schlug der Nebenkläger im Rahmen seiner Aussage vor der Kammer mehrfach mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Er stellte in diesem Zusammenhang aber erneut klar, dass er die Person oder die Stange während des Laufens nicht gesehen habe.
Aufgrund der erlittenen Verletzungen sei es zunehmend schwerer geworden für ihn zu laufen. Auf dem Gehweg vor dem Haus sei er schließlich erneut mit der Stange geschlagen worden, dieser Treffer sei „besonders heftig“ gewesen. Das sei ihm deshalb in Erinnerung geblieben, da dieser Treffer ihn fast zu Boden gebracht habe. Dennoch habe er es geschafft weiter zu laufen. Währenddessen habe ihn der zweite Täter mehrfach mit der Eisenstange getroffen. Schließlich habe dieser ihn derart getroffen, dass er – der Nebenkläger – auf dem an der Straße befindlichen Gehweg hingefallen sei und nicht mehr habe aufstehen können.
Am Boden auf dem Rücken liegend habe er zu dem Täter hochgeschaut. Dabei sei ihm erneut dessen legere Kleidung aufgefallen. Die Füße dieses Täters hätten sich in etwa 10-20 cm Entfernung zu ihm befunden; der Täter habe gestanden und kurz innegehalten. Der Nebenkläger bekundete, das Gefühl gehabt zu haben, dass der Täter überlegt habe, was er als nächstes mache und als würde er um den Nebenkläger herum „patrouillieren“. Er habe dabei Gelegenheit gehabt, den zweiten Täter und die durch diesen mitgeführte Eisenstange erneut zu betrachten. Er habe schließlich um Hilfe gerufen, woraufhin die Passanten auf die Szenerie aufmerksam geworden seien.
Insoweit wird seine Schilderung bestätigt durch die Angaben der Zeugen S und KHK B 2, der die tatnah gemachten Angaben des Zeugen D 1 bekundete, weil dieser infolge einer Hirnschädigung nur über ein äußerst begrenztes Erinnerungsvermögen verfügt. Bei den Zeugen S und D 1, die weder mit den Angeklagten noch mit dem Nebenkläger bekannt waren, handelt es sich um die zufällig hinzugekommenen Passanten. Diese haben beschrieben, auf ein mutmaßliches Auseinandersetzungsgeschehen aufmerksam geworden zu sein, sich verbal bemerkbar gemacht zu haben und jedenfalls eine flüchtende, männliche Person gesehen zu haben.
Wo er genau mit der Eisenstange getroffen wurde, konnte der Nebenkläger – wie zuvor auch bei dem Schwert – nicht sicher benennen. Zwei Angriffe auf seinen Kopf könne er dem Schwert zuordnen – nämlich den ersten Treffer auf den Hinterkopf und einen weiteren an die vordere Kopfseite, dort sei er nämlich bei seiner Flucht nicht getroffen worden. Bei den anderen Treffern und Verletzungen sei ihm dies nicht unbedingt klar. Er könne lediglich sagen, dass er auf der Flucht im Rücken- und Nackenbereich und an den Beinen „attackiert“ worden sei. Der letzte Treffer, der ihn schlussendlich zu Boden gebracht habe, sei in Richtung der Beine gewesen. Da sei er sich aber nicht ganz sicher, es falle ihm schwer dies genau zuzuordnen. Auf Nachfrage gab er an, an einigen Stellen sicher auch Rückschlüsse aus dem erinnerten Geschehen und den später festgestellten Verletzungen geschlossen zu haben. So wisse er noch genau, dass er auf der Flucht nicht auf der nach vorn gerichteten Körperseite getroffen worden sei und ordne die Verletzung am Vorderkopf daher dem ersten Teil des Geschehens, in dessen Rahmen der erste Täter mit der Machete agiert habe, zu. Dieses Wissen – so der Nebenkläger – könne er „natürlich nicht auslöschen“. Dass es sich dabei eher um eine Schlussfolgerung als um eine direkte Erinnerung handeln könne, hielt er durchaus für möglich.
Die Nachfrage, ob der zweite Täter möglicherweise dasselbe Schwert in der Hand gehalten haben könne, verneinte der Nebenkläger sicher. Er gab an, gesehen zu haben, dass der Täter eine „stumpfe Waffe“ bzw. einen „stabartigen Gegenstand“ in den Händen gehalten habe. Ein Schwert sei dies „sicher nicht“ gewesen.
Die Kammer hat den Nebenkläger ebenfalls gefragt, ob es möglich wäre, dass der „zweite Täter“ der gleiche wie der „erste“ gewesen sein könnte. Er gab an, dass das „von der Kleidung her gar nicht stimmen“ könne. Am Boden liegend habe er klar eine „legere Kleidung“ erkannt, welche der erste Täter definitiv nicht getragen hätte. Dessen Kleidung sei eher elegant gewesen. Er habe auch das Gesicht des zweiten Täters gesehen, das er zwar nicht mehr in Einzelheiten beschreiben könne, das aber jedenfalls anders als das des ersten Täters gewesen sei.
(2) Vorhandensein stumpfer Verletzungen
Zu den Angaben des Nebenklägers zu der Frage des Vorhandenseins zweier Tatwaffen/-werkzeuge passt das Ergebnis des rechtsmedizinischen Gutachtens (dazu (aa)), wonach neben den scharfen Verletzungen auch stumpfe festgestellt wurden. Zwar schloss die Sachverständige nicht aus, dass diese unter Umständen auch durch Zuschlagen mit der stumpfen Seite der Machete entstanden sein könnten. Die Kammer hält es allerdings nicht für lebensnah, dass der mit der Machete agierende Täter diese während des Geschehens in der Hand – entgegen der durch den Griff vorgenommenen Ergonomie – drehte, um dann mit der stumpfen Seite der Machete zuzuschlagen (dazu (bb)).
(aa) Die Sachverständige Dr. B führte überzeugend aus, dass das am rechten Schulterdach festgestellte Hämatom mit im Zentrum befindlichen Hauteinblutungen ohne weiteres durch einen Schlag – ggf. mit einem stumpfen Gegenstand – entstanden sein könne. Nicht plausibel sei ein Entstehen im Rahmen eines Unfallgeschehens, wie etwa eines Sturzes. Sie merkte an, dass das Hämatom keine Formung aufweise, so dass keine sicheren Rückschlüsse auf einen möglicherweise einwirkenden Gegenstand gezogen werden könnten. Auf Nachfrage gab sie an, dass dafür sowohl die von dem Nebenkläger beschriebene Eisenstange als auch die stumpfe Seite der Machete in Betracht kämen.
Zu den an der linken Oberarmaußenseite sowie an der linken Hüfte außen festgestellten Hämatomen führte sie aus, dass diese im Zentrum teilweise strichförmige Oberhautschürfungen aufwiesen. Aufgrund dieser teilweise angedeutet ähnlichen Konfiguration sei ein gleichartiger Entstehungsmechanismus denkbar. Das Hämatom an der linken Hüfte außen habe dabei zentral noch eine angedeutete Aussparung aufgewiesen. Schläge mit einem stumpfen Gegenstand wie z. B. einer Eisenstange seien als Entstehungsmechanismen denkbar, wobei auch hier anzumerken sei, dass die teilweise allenfalls angedeutete Formung keine sicheren Rückschlüsse auf einen einwirkenden Gegenstand zulasse.
(bb) Die Kammer verkennt vor dem Hintergrund der überzeugenden Ausführungen der Rechtsmedizinerin nicht, dass das Einsetzen der stumpfen Seite der Machete gegen den Nebenkläger objektiv die zuvor beschriebenen Verletzungen verursacht haben kann. Bei lebensnaher Würdigung der möglichen Entstehungsmechanismen in dem konkreten Tatgeschehen hält die Kammer es für fernliegend, dass der die Machete führende Täter diese während des konkreten Tatgeschehens in der Hand haltend drehte. Dies wäre jedenfalls erforderlich gewesen, um das auf dem rechten Schulterdach befindliche Hämatom zu verursachen.
Dagegen spricht zum einen der vorgeformte Griff der Machete, dessen Form auf der Abbildung Bl. 835, Bd. V zu erkennen ist. Bei dieser Abbildung handelt es sich um ein Musterfoto des durch den Zeugen KHK S ermittelten Modells der Machete (dazu unter gg.), auf der zum einen die Machete selbst mit der breiten Seite der Klinge nach oben zeigend abgebildet ist und zum anderen die zu der Machete gehörende, mit Troddeln verzierte Scheide aus Leder. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bildes wird auf die oben genannte Abbildung verwiesen. Der Griff zeigt auf der unteren, zur Umfassung durch die Finger vorgesehenen Seite am Anfang und Ende eine hervorstehende Ausstülpung, um ein Abrutschen in beide Richtungen zu verhindern. Die Haltung der Machete wird dem Benutzer dadurch intuitiv vorgegeben.
Um eine stumpfe Verletzung des Schulterdachs mit der Machete herbeizuführen, hätte der Täter diese in der Hand haltend um den Griff rotierend drehen müssen. Dazu hätte er eine zeitliche Gelegenheit haben müssen und – das ist das Entscheidende – einen Grund dies zu tun. Ein solcher ist für die Kammer nicht ersichtlich.
Auch ein Entstehen der Verletzungen im Rahmen einer Rückholbewegung hält die Kammer jedenfalls im Hinblick auf das am Schulterdach entstandene Hämatom für fernliegend. Dafür hätte der Täter das Schwert derart drehen müssen, dass die Klinge nach oben zeigt und dann eine nach oben führende Bewegung damit ausführen müssen. Dazu hätte er entweder seine Hand um 180 Grad drehen müssen oder – wie zuvor diskutiert – das Schwert in der Hand rotierend drehen müssen. Beide Varianten hält die Kammer im Rahmen der festgestellten Tatsituation für abwegig. Auch im Übrigen erscheint es nicht naheliegend, die Machete entgegen ihrer Ergonomie mit der stumpfen Seite überhaupt als Schlagverletzung einzusetzen.
(3) Abstreiten des Vorhandenseins einer Eisenstange durch beide Angeklagte steht Feststellung der Kammer nicht entgegen
Die Kammer hat sich mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die sich sonst diametral widersprechenden Einlassungen der Angeklagten (der jeweils andere habe Gewalt mit der Machete ausgeübt, einen weiteren Gewalteinsatz mittels einer Eisenstange habe es nicht gegeben) bei der Frage des Vorhandenseins und der Verwendung einer Eisenstange übereinstimmen.
Sie hat sich die Frage gestellt, ob es nur eine plausible Erklärung für die übereinstimmende Schilderung dieses Umstandes – Schilderung entspricht insoweit der Wahrheit – gibt. Dies hat die Kammer verneint.
Die Kammer ist überzeugt davon, dass die wahrheitswidrige Schilderung dieses Umstandes durch die Angeklagten deshalb zustande gekommen ist, weil der Angeklagte K – insoweit unzutreffend – eigenes gewaltsames Handeln negierte und gewaltsames Agieren allein dem Angeklagten H zuschrieb. Dieser wiederum nutzte die Schilderung des Angeklagten K als Vorlage und tauschte lediglich die agierende Person aus, um seinerseits eigene Gewaltanwendung zu verneinen.
Dafür spricht, dass der Angeklagte H in seiner am 21.10.2019 abgegebenen vorgefertigten Verteidigererklärung auf die ihm bekannte, zuvor schriftlich vorliegende, – wenn auch erst am selben Tag in die Hauptverhandlung eingeführte – Einlassung des Angeklagten K Bezug nimmt. So gab er darin an, dass die Schilderungen des Angeklagten K „gelogen“ seien und nicht der Wahrheit entsprächen.
bb. Zuordnung der einzelnen Tatbeiträge
Die Feststellung, dass es sich bei dem ersten – mit der Machete bewaffneten – Täter um den Angeklagten K handelte und dass der mit der Eisenstange bewaffnete Täter folglich der Angeklagte H war, beruht auf den glaubhaften Angaben des Nebenklägers Hxx. Dieser beschrieb zwei derart unterschiedliche Tätertypen, dass hierdurch eine eindeutige Zuordnung der Tatbeiträge zu den Angeklagten K und H, die eine grundsätzliche Beteiligung an der Tat eingeräumt hatten, erfolgen konnte.
Dabei hat die Kammer auch die Möglichkeit einer potentiellen Fehlerinnerung durch den Nebenkläger erwogen, in deren Rahmen er die einzelnen Täter bei der Zuordnung ihrer Tatbeiträge aufgrund der Dynamik des Geschehens verwechselt haben könnte. Diese Hypothese hat die Kammer als unzutreffend verworfen, da jedenfalls zu Beginn des Geschehens – Aufeinandertreffen des Nebenklägers und des ersten Täters im zweiten Hinterhof – ausreichend Möglichkeit bestand, den ersten Täter wahrzunehmen und diese Phase von höchster Konzentration seitens des Nebenklägers geprägt war.
Die Kammer hat bei dieser Feststellung bedacht, dass der Angeklagte K – im Gegensatz zum Angeklagten H, der bereits mit Gewaltdelikten in Erscheinung getreten ist – nicht vorbestraft ist. Auch wenn der Einsatz der Machete zu deutlich schwereren Verletzungen führte, steht das Schlagen mit einer Eisenstange diesem Handeln in Brutalität nicht zurück. Im Gegenteil ist die Handlungsweise – Schlagen mit einem Gegenstand – dieselbe, wenngleich das Schlagen mit einer Machete aufgrund der Beschaffenheit der Waffe dazu geeignet ist, die unter Umständen schwereren Verletzungen herbeizuführen. Sofern dieser Umstand überhaupt für eine Zuordnung der Tatbeiträge relevant sein könnte, kommt ihm im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Denn es handelte sich um zwei mit jeweils großer Brutalität agierende Täter.
(1) Einlassung des Angeklagten K
Der Angeklagte K ließ sich zu Beginn der Hauptverhandlung dahingehend ein, dass er die von ihm als „Dekoschwert“ bezeichnete Machete etwa ein halbes Jahr vor der Tat bei einem Umzug geschenkt bekommen habe. Dieses habe sich seitdem im Kofferraum seines Pkws befunden. Die Angeklagten H und B hätten von diesem Schwert ebenfalls gewusst.
Unmittelbar vor der Tat am 4.4.2019 seien er und der Angeklagte H aus dem Fahrzeug ausgestiegen, um zu dem vereinbarten Treffpunkt zu gehen. Als er – der Angeklagte K – das Fahrzeug abgeschlossen habe, habe der Angeklagte H zu ihm gesagt, dass er wieder aufschließen solle. Er – der Angeklagte H – habe das Schwert aus dem Auto geholt.
Als der Nebenkläger in den Gang des zur S…straße … befindlichen Hauses gegangen sei, seien sie ihm gefolgt. Er – der Angeklagte K – sei im Eingang weit rechts verblieben, sodass der Nebenkläger ihn nicht habe sehen können. Er selbst habe das Geschehen ebenfalls nicht sehen können, sei dann aber einen Schritt vorgegangen und habe gesehen, wie der Angeklagte H im zweiten Hinterhof mit dem Schwert „herumgefuchtelt“ habe und gehört, wie letzterer das Geld gefordert habe. Er habe dann gesehen, wie der Angeklagte H den Nebenkläger unten im Bereich der Beine oder des Unterkörpers getroffen habe und wie dieser versucht habe zu flüchten. Der Angeklagte H habe nach ihm – dem Angeklagten K – gerufen, woraufhin er einen Schritt nach rechts gemacht und dem Nebenkläger den Weg halbwegs versperrt habe. Der Nebenkläger sei auf ihn, den Angeklagten, zugelaufen und habe ihn an der linken Schulter getroffen, wodurch der Nebenkläger leicht zum Stehen gekommen sei. Der Angeklagte H sei dem Nebenkläger hinterhergerannt und habe mit dem Schwert auf ihn eingeschlagen. Er habe beobachtet, wie der Angeklagte H weiter auf den Nebenkläger eingeschlagen habe. Der Nebenkläger sei dann irgendwann zu Boden gegangen. Er – der Angeklagte K – sei „völlig panisch“ weggelaufen, der Angeklagte H sei ihm hinterher gelaufen zum Auto, mit dem sie dann losgefahren seien.
Nachfragen gestattete er zunächst nicht.
Am vierten Hauptverhandlungstag – nach Vernehmung des Nebenklägers – ließ sich der Angeklagte K ergänzend ein und beantwortete Fragen der Kammer. Auf Nachfrage, woher der Angeklagte H – den er erst wenige Tage zuvor kennengelernt hatte – gewusst habe, dass sich im Kofferraum seines Pkws ein Schwert befinde, gab der Angeklagte K an, ihm das Schwert vorher mal gezeigt zu haben. Wann und wo, wisse er nicht. Die Jungs hätten das „halt gewusst“. Eine konkrete Situation, in der der Angeklagte H das Schwert zuvor gesehen oder von diesem gehört hatte, konnte der Angeklagte K auch auf weitere Nachfrage nicht benennen.
Nicht konstant und damit gegen die Erlebnisbegründetheit seiner Einlassung sprechend schilderte er den eigentlichen Tatablauf insoweit abweichend von seiner vorigen Einlassung, dass er sich vor dem Eingang zur S…straße … weit links (zuvor sprach er von rechts) befunden und sich dort versteckt habe. Er habe gesehen, wie der Angeklagte H vor dem „Kunden“ gestanden habe. Er wisse nicht, was sie besprochen hätten (zuvor gab er an, gehört zu haben, wie der Angeklagte H das Geld gefordert habe).
(2) Einlassung des Angeklagten H
Der Angeklagte H ließ sich dahingehend ein, dass es der Angeklagte K gewesen sei, der das „Dekoschwert“ aus dem Kofferraum herausgeholt und später zulasten des „Kunden“ in dem Hinterhof eingesetzt habe. Der Angeklagte K sei es dann auch gewesen, der dem Nebenkläger hinterhergelaufen sei und diesen wiederholt mit dem Schwert geschlagen habe. Zur Beantwortung von Fragen der Kammer war er nicht bereit.
(3) Angaben des Nebenklägers
Die Überzeugung der Kammer hinsichtlich der Zuordnung einzelner Tatbeiträge beruht auf den auch insoweit glaubhaften Angaben des Nebenklägers. Er beschrieb bereits am Morgen nach der Tat zwei Täter, von denen er den mit der Machete als südländisch, sportlich schlank, größer als er selbst, „pechschwarze“ Haare, mit schwarzer Lederjacke bekleidet, eher körperbetonte Kleidung tragend beschrieb, was der Zeuge KHK B 1 als Vernehmungsbeamter entsprechend bekundete. Den zweiten Täter (mit der Eisenstange) habe er als etwas korpulenter als den ersten Täter, mit weniger Haaren, eher leger bekleidet mit einer Art Jogginganzug, „hellerer Typ“ als der erste Täter, beschrieben. Zusammen mit einem Phantombildzeichner fertigte der Nebenkläger am 9.4.2019 Phantombilder der Täter, denen er jeweils einzelne Tatbeiträge zuschrieb, die sich den Angeklagten H und K ohne Zweifel zuordnen lassen.
(a) Phantombilder
Die Kammer hat diese Phantombilder den Angeklagten K und H jeweils – unter der Prämisse, dass nur die beiden Angeklagten als Täter in Frage kommen – zweifelsfrei im Rahmen einer vergleichenden Betrachtung mit den Lichtbildern der erkennungsdienstlichen Behandlung und dem persönlichen Eindruck, den sie von den Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung gewann, zuordnen können.
Das Phantombild, das nach Angaben des Nebenklägers den ersten Täter zeigt, weist eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Angeklagten K auf. Es zeigt die Porträtaufnahme eines jungen Mannes, etwa 20 – 30 Jahre alt, arabischen Phänotyps, mit dunklen Haaren, die an den Seiten kürzer sind als auf dem Haupt. Besonders markant sind die dunklen, leicht hervorstehenden Augen. Er ist mit einer dunklen Jacke mit einem ca. 5 cm hohen Stehkragen bekleidet, gezeichnet. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Phantombild auf Bl. 476, Bd. III verwiesen. Der Angeklagte K trägt eine nahezu identische Frisur und verfügt über eine ähnlich markante, durch leicht hervorstehende Augen gekennzeichnete Augenpartie. Auch die vom Nebenkläger beschriebene Statur trifft auf den Angeklagten K zu, wovon sich die Kammer im Rahmen der Hauptverhandlung überzeugen konnte. Die Überzeugung der Kammer, dass er diese Frisur auch im Zeitraum des verfahrensgegenständlichen Geschehens trug beruht auf den Lichtbildern der erkennungsdienstlichen Behandlung, die am 12.4.19 gefertigt wurden. Diese zeigen Frontal- und Profilaufnahmen des Kopfes und eine Ganzkörperaufnahme des Angeklagten K, auf der sowohl die Frisur als auch die Augenpartie wie beschrieben zu erkennen ist. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder der erkennungsdienstlichen Behandlung (Bl. 1678 unten, 1679, Bd. IX) verwiesen. Eine Abweichung hat die Kammer allein im Hinblick auf das Vorhandensein eines Bartes festgestellt. Während die mittels Phantombild dargestellte Person über keinen Bart verfügt, zeigen die Bilder der erkennungsdienstlichen Behandlung den Angeklagten K mit einem Bartansatz unterhalb der Mundpartie und einem leichten und schmalen Oberlippenbart. Dieser Abweichung misst die Kammer in Anbetracht der vielen übereinstimmenden Merkmale keine ein anderes Ergebnis rechtfertigende Bedeutung zu.
Das Phantombild, das der Nebenkläger zur Beschreibung des zweiten, mit der Eisenstange bewaffneten Täters anfertigen ließ, ist in der Eindeutigkeit seiner Zuordnung zwar weniger stark ausgeprägt als das erste Phantombild zum Angeklagten K, lässt aber einzelne Merkmale des Angeklagten H erkennen und unterscheidet sich jedenfalls deutlich von dem ersten Phantombild. So zeigt dieses zweite Phantombild einen insgesamt korpulenteren Mann als denjenigen auf dem ersten Phantombild. Das äußere Erscheinungsbild erscheint osteuropäisch; er verfügt über eine markante Mundpartie mit dem leichten Ansatz eines Doppelkinns sowie Bartwuchses oberhalb der Oberlippe und unterhalb des Kinns bis hin zum Halsansatz. Der Angeklagte H verfügt ebenfalls über diese äußeren Merkmale, von denen sich die Kammer im Rahmen der Hauptverhandlung einen Eindruck verschaffen konnte und die auch durch die Lichtbilder der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 12.04.2019 gestützt werden. Letztere zeigen Frontal- und Seitenaufnahmen des Kopfes des Angeklagten H sowie eine Ganzkörperaufnahme. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Bilder (Bl. 1677, Bd. IX), sowie auf das Phantombild (Bl. 477, Bd. III) verwiesen.
(b) Beschreibung durch den Nebenkläger
Im Rahmen der Hauptverhandlung beschrieb der Nebenkläger die beiden Täter wie oben unter (a) beschrieben. Von besonderer Relevanz für die Kammer war dabei das Merkmal, das der Nebenkläger für den ersten Täter als besonders prägnant hervorhob: die „pechschwarzen“ Haare. Über eine derartige Haarfarbe verfügt allein der Angeklagte K, wohingegen der Angeklagte H dunkelblond ist. Aufgrund des zu Beginn des Tatgeschehens eindrucksvollen Aufeinandertreffens des Angeklagten K und des Nebenklägers, in dessen Rahmen der Nebenkläger zur Wahrnehmung einer Vielzahl von Details in der Lage war (s.o.), hält die Kammer eine Verwechslung der Angeklagten für ausgeschlossen. Der Nebenkläger konnte mit Bestimmtheit angeben, dass der erste Täter, der die Machete gehalten und ihm damit Verletzungen zugefügt habe, auch derjenige gewesen sei, der die „pechschwarzen“ Haare gehabt habe. Auch die übrige Beschreibung des ersten Täters trifft nahezu ausnahmslos auf den Angeklagten K zu.
Ein weiteres – wenn auch geringes – Indiz für die Täterschaft des Angeklagten K ist in diesem Zusammenhang, dass im Rahmen der beim Angeklagten K durchgeführten Durchsuchung eine schmal geschnittene, eher körperbetonte, schwarze Daunensteppjacke mit kleinem Stehkragen der Marke „Ellesse“ beschlagnahmt werden konnte, was der Zeuge KHK B 1 entsprechend bekundete. Es handelt sich nicht um eine Lederjacke entsprechend der Beschreibung des Nebenklägers, sie ist aber von der Optik her mit einer solchen vergleichbar. Bei beiden ist die Oberfläche glatt und leicht glänzend. Ferner sind sowohl die sichergestellte als auch die von Nebenkläger beschriebene Jacke eher schmal und körperbetont geschnitten und verfügen über einen Stehkragen. Eine vergleichbare Jacke sei bei dem Angeklagten H, bei dem ebenfalls eine Durchsuchung durchgeführt worden sei, nicht aufgefunden worden, was der Zeuge KHK B 1 bekundete.
Dem Umstand, dass der Nebenkläger den ersten Täter zunächst ohne Bart beschrieb und nunmehr in der Hauptverhandlung bekundete, der Täter habe einen Bart gehabt, misst die Kammer angesichts der Nebensächlichkeit des Details keine signifikant gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage insgesamt sprechende Bedeutung bei.
(c) Kein Wiedererkennen der Stimme des ersten Täters
Ihre Überzeugung hat die Kammer nicht auf die Angaben des Nebenklägers zu den ihm vorgespielten abgehörten Telefonaten – Aufnahmen von allenfalls mäßiger Qualität -, die die Angeklagten K und H führten, gestützt, da diese hinsichtlich eines möglichen Wiedererkennens der Stimme und des Akzents unergiebig waren.
Die Kammer hat dem Nebenkläger zum Zweck einer möglichen Wiedererkennung der Stimme oder des Akzentes des Täters mit der Machete vier Telefonate vorgespielt, die die Angeklagten H und K miteinander führten, wobei keinerlei Vorgaben dahingehend gemacht wurden, um wie viel verschiedene Sprecher es sich handelt und ob der Täter auf den Aufnahmen überhaupt zu hören ist.
So gab er an, teilweise die Stimme, die anhand der jeweiligen Telefonnummer dem Angeklagten K zugeordnet wurde, was der mit der Auswertung der Telekommunikationsdaten beauftragte Zeuge KHK S entsprechend bekundete -, als diejenige des Machetenträgers zu erkennen, teilweise die des Angeklagten H, deren Zuordnung auf dieselbe Weise erfolgte. Eine eindeutige Zuordnung anhand der beiden – nach dem Eindruck der Kammer ähnlich klingenden – Stimmen und Akzente vorzunehmen oder nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den einen oder gegen den anderen Sprecher anzugeben vermochte er nicht.
(d) Zeugin Sxx
Die Kammer stützt ihre Überzeugung, dass es der Angeklagte K war, der die Machete verwendete, nicht auf die Angaben der Zeugin Sxx, bei der es sich um Lebensgefährtin des Angeklagten H im Tatzeitraum handelt. Diese bekundete zwar, dass der Angeklagte H ihr am Abend nach der Tat berichtet habe, dass es der Angeklagte K war, der den Nebenkläger mit der Machete verletzt habe. Die Kammer hält die Aussage allerdings nicht für überzeugend, da sie in diversen sonstigen Punkten durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt ist. So gab sie an, den Angeklagten H am Tattag – gemeint sei die Tat zum Nachteil des Nebenklägers – gegen 10 Uhr abends abgeholt habe, als dieser mit dem Angeklagten K auf dem Uni-Gelände gewesen sei. Diese Angabe widerspricht zum einen den Chatprotokollen, welche die zwischen den Angeklagten K und B am 04.04.19 zwischen 17:05 Uhr und 22:28 Uhr geführte Kommunikation dokumentieren. Danach fuhren die Angeklagten K und H im Anschluss an die Tat gegen 22 Uhr nach Holnis, wo sie mit dem Pkw des Angeklagten K den Angeklagten B von der Arbeit abholten. Auch die Einlassungen der Angeklagten enthalten keinen Hinweis auf die von der Zeugin geschilderte Begebenheit.
Gefragt nach der konkreten Situation, in deren Rahmen der Angeklagte H ihr von der Tat berichtet habe, schilderte sie, dass er ihr am Tag nach der Tat das Video von der Machete gezeigt habe, auf ihre Frage, warum er am Abend zuvor so komisch gewesen sei. Es sei daraufhin zum Streit zwischen den beiden gekommen, sie hätten darüber diskutiert, dass er „sowas“ nicht mehr machen solle, sie seien erst eine Woche zuvor bei Gericht gewesen. Der einzig in Betracht kommende Gerichtstermin den Angeklagten H betreffend fand jedoch am 09.04.2019 statt – was das Protokoll der Berufungshauptverhandlung (s.o.) belegt – und somit nach der Tat. Diese fehlende, aber durchaus relevante, zeitliche Verknüpfung des Geschehens hat bei der Kammer Bedenken aufkommen lassen, aufgrund derer sie sich nicht von der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin überzeugen konnte.
(e) Einlassung B
Die Kammer hat ebenfalls die Einlassung des an dieser Tat nicht beteiligten Angeklagten B, wonach dieser von den Angeklagten K und H gehört habe, dass der Angeklagte H den Nebenkläger „verletzt“ habe, gewürdigt, ihr jedoch im Ergebnis kein Gewicht beigemessen. Die Angaben sind zum einen sehr unkonkret und vage gehalten. Er selbst gab im Rahmen einer vorbereiteten, schriftlichen Erklärung, die durch seinen Verteidiger vorgelesen wurde an, nichts Genaues zu wissen und aus ihrem „aufgeregten Gerede“ keinen klaren Ablauf des Geschehens erfahren zu haben. Zum anderen beantwortete er keine Nachfragen der Kammer, weshalb die ohnehin sehr knappen – nur einen Satz umfassenden – Angaben farblos blieben und keinen relevanten Beitrag zur Überzeugungsbildung der Kammer leisten konnten.
cc. Billigung des Macheteneinsatzes durch den Angeklagten H
Die Überzeugung, dass der Angeklagte H den Einsatz der Machete jedenfalls als möglich erkannte und billigend in Kauf nahm, beruht zum einen auf der von ihm insoweit eingeräumten Kenntnis davon, dass der Angeklagte K die Machete bei sich führte und zum anderen auf der Fortführung der Verletzungshandlungen durch die Eisenstange in Kenntnis des Umstandes, dass zuvor Verletzungshandlungen mittels der Machete ausgeführt wurden.
Der Angeklagte K ließ sich in diesem Zusammenhang dahingehend ein, dass sie – er und der Angeklagte H – vor Beginn der Tat nichts Konkretes bezüglich der unmittelbaren Ausführung besprochen hätten. Der Angeklagte H gab an, dass bis zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte K die Machete aus dem Kofferraum geholt habe, von einer Verwendung von Waffen nicht gesprochen worden sei.
Nach Überzeugung der Kammer billigte der Angeklagte H aber spätestens ab diesem Zeitpunkt das Verwenden der Machete. Dafür, dass er davon ausgegangen sein könnte, dass die Machete nicht zur Zufügung von Verletzungen, sondern allein zum Zweck der Drohung eingesetzt werden sollte, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Durch die Fortsetzung der räuberischen Erpressung und das Zufügen von Verletzungen mittels der Eisenstange dokumentierte er zudem, mit der durch den Angeklagten K zugefügten schweren körperlichen Misshandlung einverstanden gewesen zu sein oder dieser zumindest gleichgültig gegenüber gestanden zu haben.
dd. Keine Kenntnis von der Eisenstange durch den Angeklagten K
Da die Kammer keinerlei Feststellungen über die engere Beschaffenheit, Funktion oder Herkunft der Eisenstange treffen konnte und somit auch keine Feststellungen dahingehend, ob der Angeklagte H die Stange in Kenntnis des Angeklagten K bereits zu Beginn des Tatgeschehens bei sich trug oder erst im Laufe des Geschehens auffand und an sich nahm – möglicherweise in Unkenntnis des Angeklagten K -, geht die Kammer zugunsten des Angeklagten K davon aus, dass dieser von der Eisenstange keinerlei Kenntnis hatte.
ee. Feststellungen zum Chatkontakt
Die Feststellungen zu dem vorangegangenen Chatkontakt zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten K unter dem Pseudonym der „C“ und dem Inhalt dieser Unterredung beruhen auf deren übereinstimmenden Angaben.
ff. Feststellungen zur Örtlichkeit
Die Feststellungen zur Örtlichkeit der S…straße … beruhen auf den übereinstimmenden Angaben des Nebenklägers und des Zeugen KHK B 1, die diese wie festgestellt schilderten. Diese Bekundungen werden durch den Tatortbericht der BKI Flensburg vom 05.04.2019 Ziffern 5 und 6 bestätigt.
gg. Beschaffenheit der Machete
Die Feststellungen zur Art und Herkunft der verwendeten Machete beruhen auf den Angaben des Zeugen KHK S, der im Rahmen der Ermittlungen digitale Spuren und somit auch die Smartphones der Angeklagten auswertete. Er gab an, er habe auf dem Smartphone des Angeklagten H einzelne Sequenzen eines Videos, das über die Plattform „Snapchat“ hochgeladen worden sei, sichern können, auf dem der Angeklagte H im Auto des Angeklagten K auf dem Beifahrersitz sitzend und einen schwertähnlichen Gegenstand in der Hand haltend zu sehen gewesen sei. Diesen habe er hochgehoben, sodass an der linken Seite ein Prägestempel „INCOLMA SA COLOMBIA“ und eine Nummer „…“ sichtbar geworden sei, anhand dessen der Zeuge das beschriebene Modell mittels einer Internetrecherche habe ermitteln können. Dabei habe er herausgefunden, dass die Machete aus den 60er Jahren aus Kolumbien stamme und über eine Klingenlänge von 61 cm verfüge.
Der Angeklagte K bestätigte die Angaben des Zeugen insoweit, als dass das von dem Zeugen ermittelte Modell der Form und Größe nach der Machete entspräche, die er in seinem Kofferraum gelagert gehabt habe.
Dass es sich bei der Machete nicht nur um eine reine „Dekowafffe“ handeln kann – dies würde der Begrifflichkeit nach voraussetzen, dass sie ohne Funktion ist und einen rein optischen Effekt hat -, belegen die von ihr verursachten Verletzungen des Nebenklägers. Derart tiefe Schnitte, wie etwa oberhalb seines rechten Ellenbogens zugefügt, können nicht durch einen stumpfen Dekorationsgegenstand entstehen.
hh. Feststellungen zu den Verletzungen und Folgen der Tat
Die Feststellungen zu Art und Umfang der vom Nebenkläger erlittenen Verletzungen beruhen zum einen auf den nachvollziehbaren überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. med. B, welche zur Frage nach den Verletzungen und deren Schwere ein rechtsmedizinisches Gutachten erstattete, sowie den dies bestätigenden und ergänzenden Angaben des Nebenklägers.
(1) Die Sachverständige diagnostizierte im Rahmen der durch sie durchgeführten rechtsmedizinischen Untersuchung am 05.04.2019 unter Auswertung sämtlicher Behandlungsunterlagen die unter II. 2. b. aa. festgestellten Verletzungen. Die Ergebnisse ihrer Einschätzung zu den Ursachen und Entstehungsmechanismen der Verletzungen lassen sich ohne Weiteres mit dem Tatgeschehen in Einklang bringen.
Dazu führte sie folgendes aus:
Bei dem Nebenkläger hätten in Zusammenschau aller Unterlagen und Angaben in der rechten Ellenbogenregion eine und am Kopf drei glattrandige Verletzungen als Zeichen scharfer Gewalteinwirkungen vorgelegen.
Sie habe beim Nebenkläger in der rechten Ellenbogenregion eine und am Kopf drei glattrandige Verletzungen als Zeichen scharfer Gewalteinwirkungen feststellen können, die ohne Weiteres durch Schläge/Hiebe mit einem scharfen Werkzeug – wie das von dem Nebenkläger beschriebene Schwert – entstanden sein können. Weiter hätten am rechten Schulterdach, an der linken Oberarmaußenseite und an der linken Hüfte außen Zeichen stumpfer Gewalteinwirkungen vorgelegen, von denen teils die Lokalisation, teils die Konfiguration für ein Entstehen durch fremde äußere Gewalteinwirkungen sprächen. Schläge mit einem stumpfen Gegenstand als Entstehungsmechanismus seien hier ohne Weiteres denkbar, wobei sichere Rückschlüsse auf einen einwirkenden Gegenstand nicht möglich seien.
Bei den Kopfverletzungen sei darüber hinaus beschrieben, dass sich „offene knöcherne Usuren“, d. h. korrespondierende Verletzungen des Schädelknochens gezeigt hätten. Schläge/Hiebe mit einem scharfen Werkzeug mit einem hohen Eigengewicht wie ein vom Nebenkläger beschriebenes Schwert seien als Entstehungsmechanismus ohne Weiteres denkbar.
Die Verletzung in der rechten Ellenbogenregion habe sich ebenfalls bis auf den Knochen erstreckt. Ausweislich der Krankenunterlagen habe hier eine Mehrfragmentfraktur des Epicondylus humeri lateralis vorgelegen. Hierbei handele es sich um einen in unmittelbarer Nähe des Ellenbogengelenkes außenseitig gelegenen Knochenvorsprung des Oberarmknochens. Auch diese Verletzung sei nur durch eine entsprechend kräftige Gewalteinwirkung zu erklären und könne ebenfalls ohne Weiteres durch einen Schlag/Hieb mit einem scharfen Werkzeug mit einem hohen Eigengewicht (wie z. B. ein Schwert) entstanden sein.
(2) Die Feststellungen zur Schwere der Verletzungen beruhen ebenfalls auf den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. B.
Sie führte aus, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer akuten Lebensgefahr vorgelegen hätten.
Ausweislich der Krankenunterlagen hätten keine Verletzungen in der Schädelhöhle oder des Gehirns vorgelegen. Anhaltspunkte für die Verletzung größerer Blutgefäße oder Nerven am rechten Arm seien den vorliegenden Krankenunterlagen – trotz des aufgrund der Schnittverletzung in der Ellenbogenregion erlittenen Blutverlustes – ebenfalls nicht zu entnehmen.
Allerdings sei aus rechtsmedizinischer Sicht von einer potenziellen Lebensgefahr auszugehen. Bei der wie hier angewendeten Gewalteinwirkung gegen den Kopf könne es zu Blutungen über oder unter der harten Hirnhaut, unter der weichen Hirnhaut sowie im Gehirn selbst kommen. Weiterhin handele es sich bei der Kopfschwarte um sehr gut durchblutetes Gewebe, so dass die Kopfschwartenverletzungen zu einem massiven Blutverlust bis hin zum Verbluten führen können. Darüber hinaus bestehe auch bei einer wie in der rechten Ellenbogenregion festgestellten Verletzung die Gefahr der Verletzung von größeren Blutgefäßen, was zum Verbluten führen könne.
(3) Die Feststellungen zu den psychischen und physischen Folgen der Tat beruhen auf den glaubhaften Angaben des Nebenklägers, der diese wie unter II. 2. b. bb. festgestellt schilderte. Die Kammer gewann im Rahmen seiner Vernehmung den Eindruck, dass er durch die Tat auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch stark beeindruckt und mitgenommen war. Er gab in diesem Zusammenhang an, dass er in den Tagen vor seiner Aussage kaum habe schlafen können.
c. Zur Tat 2
Die Angeklagten K und B ließen sich – wie festgestellt – übereinstimmend geständig ein. Der insoweit gesondert Verfolgte H war für diese Tat nicht angeklagt und machte keiner Angaben. Die Geständnisse der Angeklagten K und B werden durch die Angaben des Zeugen Dr. L bestätigt.
Die Feststellung zur Höhe des erbeuteten Geldbetrages beruht auf den Angaben des Angeklagten K, wonach der Betrag auf alle gleichermaßen aufgeteilt werden sollte und er selbst einen Anteil in Höhe von 650 Euro erhalten habe. Der Zeuge Dr. L gab an, eine Summe von etwa 2.300 Euro – genau könne er dies nicht sagen – Bargeld im Portemonnaie gehabt und diese dem insoweit gesondert Verfolgten H übergeben zu haben. Da jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass der Angeklagte K mehr als die anderen erhalten sollte – er erhielt nämlich auch zusätzlich den Laptop und das Handy -, legt die Kammer ihren Feststellungen einen Mindestbetrag von 1.950 Euro zugrunde.
Die Feststellungen zur Art und zum Wert der entwendeten Wertgegenstände (Handy und Laptop) und zu den Folgen der Tat beruhen auf den überzeugenden Angaben des Zeugen Dr. L, der diese wie festgestellt schilderte.
Die Feststellung, dass der entwendete Laptop und das Handy an den Zeugen Dr. L zurückgelangten, beruht auf den entsprechenden Angaben des Zeugen KHK B 1.
d. Zur Tat 3
aa. Tatablauf
Die Feststellungen zur Tat 3 vom 12.04.2019 beruhen hinsichtlich des Tatablaufes auf den übereinstimmenden Geständnissen der drei Angeklagten, die durch die Bekundungen des nicht öffentlich ermittelnden Polizeibeamten „S D L1“ und die Einsatzberichte der Beamten … und … des Landeskriminalamtes LKA vom 15.04.2019 und vom 12.04.2019 gestützt werden.
bb. Kenntnis vom Vorhandensein des Küchenmessers
Die Kammer hat nicht festgestellt, dass die Angeklagten K und B Kenntnis von dem durch den Angeklagten H mitgeführten Küchenmesser besaßen.
Die Angeklagten B und K ließen sich jeweils dahingehend ein, dass sie von dem Messer nichts gewusst hätten. Der Angeklagte H gab diesbezüglich lediglich an, das später sichergestellte Messer bewusst während der Tat bei sich geführt zu haben. Weitere Erkenntnisse zur Herkunft des Messers oder wann der Angeklagte H dieses Messer hervorholte oder wo er es trug, konnte die Kammer im Rahmen der umfassenden Beweisaufnahme nicht gewinnen. Zugunsten der Angeklagten B und K legte sie ihren Feststellungen daher die Annahme zugrunde, dass diese jeweils nicht wussten, dass der Angeklagte H ein Messer bei sich führte.
cc. Einlassung des Angeklagten H
Die Einlassung des Angeklagten H, er habe – nachdem er an dem Fenster des von dem nicht öffentlich ermittelnden Polizeibeamten geführten Fahrzeuges geklopft habe – den Tatort verlassen wollen, da er geahnt habe, dass die Gruppe observiert werde und er mit der „Angelegenheit“ nichts mehr zu tun gehabt haben wolle, steht diesen Feststellungen nicht entgegen. Nach den überzeugenden Bekundungen des nicht öffentlich ermittelnden Polizeibeamten verließen die Angeklagten H und B den Tatort nämlich erst, als die Beamten sich zu erkennen gegeben hätten. Vor diesem Hintergrund handelte es sich bei dem in der Einlassung geschilderten Verhalten um eine – insoweit nachvollziehbare – Fluchtreaktion, um die Ergreifung und Feststellung seiner Identität zu verhindern. Ein – rechtlich relevantes – Rücktrittsbemühen liegt darin nicht.
e. Verbundenes Verfahren
Der Angeklagte H hat sich zu diesem Vorwurf nicht eingelassen.
Die Feststellungen beruhen auf den Angaben der Zeugen D 2 und T, die den Vorfall wie festgestellt übereinstimmend schilderten.
Die Angaben der Zeugin T zu den ihr zugefügten Verletzungen werden durch das Bild Nr. 2 des Bildberichts des 1. Polizeireviers Flensburg vom 06.04.2019, das unmittelbar nach der Tat durch die Polizei von ihrem Gesicht gefertigt worden ist, bestätigt. Das Bild zeigt eine Porträtaufnahme der Zeugin T, auf der diese mit blutähnlichen Anhaftungen unterhalb der Nase zu sehen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Bild verwiesen (Bl. 9 d. verb. Verfahrens – ehemals II KLs 104 Js 15347/19 HW).
Die Kammer hält die Angaben der Zeugin auch deshalb für überzeugend, da sie glaubhaft ohne jegliche Belastungstendenzen ihre Verwunderung über den Vorfall zum Ausdruck brachte. Sie gab an, den Angeklagten H schon lange – seit der Grundschule – zu kennen, so erkenne sie ihn aber gar nicht wieder. Mit einem derartigen Übergriff habe sie nicht gerechnet. Der Angeklagte habe zuvor „völlig normal“ gewirkt, andernfalls – so die Zeugin – hätten sie ihn gar nicht mitgenommen. Zu dem Angeklagten H habe sie seit dem Vorfall keinen Kontakt mehr gehabt. Dessen Mutter sei aber am nächsten Morgen zu ihr gekommen und habe sich unter Tränen für das Verhalten ihres Sohnes entschuldigt.
Der Zeuge D 2 bestätigte die Angaben der Zeugin T zum Tatablauf. Er machte ergänzend Angaben zu den Schäden an seinem Fahrzeug, die er wie festgestellt schilderte.
IV.
1. Angeklagter K
a. Tat 1
Der Angeklagte K hat sich hinsichtlich der Tat 1 der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1, Nr. 4 und Nr. 5, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3a), 22, 23, 52 StGB schuldig gemacht, in dem er als Bandenmitglied handelnd unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitgliedes unter Vorhalt der Machete von dem Nebenkläger die Herausgabe eines Bargeldbetrages forderte, ohne darauf einen Anspruch zu haben und den Nebenkläger durch den Einsatz der Machete, der eine das Leben gefährdende Behandlung darstellt, gemeinschaftlich mit dem Angeklagten H handelnd, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, erheblich verletzte.
aa. Bei der Machete handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinne, da diese von vornherein für Angriffs- oder Verteidigungszwecke bestimmt und zudem geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen (vgl. dazu Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 250 Rn. 4a).
bb. Da der Angeklagte K entsprechend der Feststellungen der Kammer keinerlei Kenntnis von der durch den Angeklagten H mitgeführten Eisenstange hatte und er folglich auch nicht mit einem Einsatz dieser rechnen musste oder konnte, ist ihm das Handeln unter Verwendung der Eisenstange nicht über § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen.
cc. Der Nebenkläger wurde durch die Tat körperlich schwer misshandelt im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 3a) StGB. Eine körperlich schwere Misshandlung im Sinne der genannten Norm setzt voraus, dass die Integrität des Opfers gravierend, d.h. mit erheblichen Folgen für die Gesundheit, oder in einer Weise, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, beeinträchtigt sein muss (MüKoStGB/Sander, 3. Aufl. 2017, StGB § 250 Rn. 66). Dies ist hier der Fall. Der Nebenkläger erlitt durch den Einsatz der Machete u. a. eine schwerwiegende Verletzung der Ellbogenregion (s.o.), die operativ mit Titanschrauben versorgt werden musste. Die Beweglichkeit des Armes ist auch nach über einem halben Jahr nach der Tat noch nicht vollständig wiederhergestellt. Die ärztliche Behandlung des Nebenklägers dauert nach wie vor an. Ob es überhaupt zu einer vollständigen Regenerierung des Armes kommen wird, ist derzeit nicht absehbar. Allein diese Verletzung erfüllt nach Ansicht der Kammer das Vorliegen des Tatbestandmerkmals der körperlich schweren Misshandlung, ohne dass es auf die weiteren – zum Teil ebenfalls nicht unerheblichen – Verletzungen für die rechtliche Bewertung ankommt.
dd. Der Angeklagten K und H handelten als Mitglieder einer Bande und verwendeten zudem bei der Tat eine Waffe, nämlich die Machete. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen (MüKoStGB/Sander, 3. Aufl. 2017, StGB § 250 Rn. 54). Vorliegend entschlossen sich die drei Angeklagten bei ihrem ersten Zusammentreffen – nachdem die erste geplante Tat zum Nachteil des Zeugen F in der S…straße misslang – künftig, weitere Taten nach demselben Muster über einschlägige Datingportale zu begehen.
ee. Der Angeklagte K ist vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung auch nicht zurückgetreten. Ein Rücktritt nach § 24 Abs. 2 S. 1 StGB setzt voraus – sofern wie hier mehrere an der Tat beteiligt sind -, dass der Täter freiwillig die Vollendung verhindert bzw. dass er nach § 24 Abs. 2 S. 1 StGB sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet wird oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.
Vorliegend hat der Angeklagte K weder freiwillig die Vollendung der Tat verhindert, noch Bemühungen entfaltet, um die Vollendung zu verhindern. Nachdem der Angeklagte H die Verfolgung des Nebenklägers aufnahm und diesen mit der Eisenstange schlug, stellte der Angeklagte K eigene aktive Tatbeiträge lediglich ein. Der Angeklagte H ist allein durch das Hinzutreten der Passanten, der Zeugen S und D 1, von der Fortführung seines Tatbeitrages abgehalten worden. Aktive Verhinderungsbemühungen jedweder Art gingen von dem Angeklagten K zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aus. Im Gegenteil hatte er sogar verbal auf den Angeklagten H durch den Zuruf eingewirkt, um diesen auf den flüchtenden Nebenkläger aufmerksam zu machen und zum Einschreiten – im Sinne eines aktiven Fortsetzens der bisher durch ihn, den Angeklagten K, geleisteten Tatbeiträge – aufzufordern. Danach war ihm bewusst und von ihm beabsichtigt, dass das Einstellen eigener aktiver Handlungen nicht zu einem Verhindern der Vollendung führt.
ff. Durch das Schlagen mit der Machete, bei der es sich um eine Waffe im technischen Sinne handelt, verwirklichte er ebenfalls den Tatbestand des §§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB. Eine Zurechnung des Handelns des Angeklagten H mit der Eisenstange über § 25 Abs. 2 StGB, was zusätzlich den § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB erfüllen würde, hat die Kammer entsprechend der obigen Ausführungen nicht vorgenommen.
Durch das gemeinschaftliche Wirken am Tatort mit dem Angeklagten H verwirklichte der Angeklagte K ebenfalls den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, auch wenn diese erst nacheinander handelten, ohne dass dem Nebenkläger im Zeitpunkt des Angriffs durch den Angeklagten K bewusst war, dass noch eine weitere Person an der Tat beteiligt war. Zur Verwirklichung des Tatbestandes ist es nämlich nicht erforderlich, dass jeder einzelne eigenhändig an der Verletzungshandlung mitwirkt. Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar die Tat Ausführenden aktiv – physisch oder psychisch – unterstützt. Der Annahme gemeinschaftlicher Begehungsweise steht auch nicht entgegen, dass das Tatopfer von der Beteiligung einer zweiten Person keine Kenntnis hatte (BGH, Urteil vom 22. 12. 2005 – 4 StR 347/05).
Das Schlagen mit dem Schwert stellt ebenfalls eine abstrakt das Leben gefährdende Behandlung dar. Schläge mit einer derartigen Waffe auf den Kopf können zum einen zu Hirn- und Schädelverletzungen führen bzw. bei Treffern am Körper wichtige Blutgefäße verletzen, was zu einem Verbluten führen kann, was die rechtsmedizinische Sachverständige Dr. B entsprechend darstellte.
b. Tat 2
Im Hinblick auf das für Tat 2 festgestellte Geschehen ist er der schweren räuberischen Erpressung nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig. Die Tatbeiträge der die Tat unmittelbar ausführenden Angeklagten H und B sind dem Angeklagten K über § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Eine Gesamtschau der festgestellten Umstände – umfangreiche Vorbereitungshandlungen (Anlegen der Fakeprofile und Durchführen der Chats), Koordinierungsarbeiten (Organisieren der „Treffen“) und die anschließende gleichberechtigte Beuteteilung – ergibt nämlich, dass er die Tat als eigene wollte. Auch hier handelten die Angeklagten als Bande im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Die Verfolgung dieser Tat ist mit Anklageerhebung auf den zuvor genannten Teil die schwere räuberische Erpressung betreffend nach § 154a Abs. 1 StPO beschränkt worden, sodass die Frage, ob dem Angeklagten K die durch den Angeklagten H ausgeführten Schläge nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können, nicht zu entscheiden ist.
c. Tat 3
Hinsichtlich des Geschehens zu Tat 3 hat sich der Angeklagte K der versuchten schweren räuberischen Erpressung nach §§ 250 Abs. 1 Nr. 2, 22, 23 StGB schuldig gemacht. Durch das Herantreten und Klopfen an das von dem nicht öffentlich ermittelnden Polizeibeamten geführte Kraftfahrzeug in der Absicht nach Öffnen der Fensterscheibe die Herausgabe des Geldes zu fordern, haben die Angeklagten H und B zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt. Dabei sind die Tatbeiträge der Angeklagten H und B dem Angeklagten K entsprechend der vorangegangenen Ausführungen nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Das Beisichführen des Messers durch den Angeklagten H kann dem Angeklagten K mangels Kenntnis hingegen nicht zugerechnet werden.
Von diesem Versuch ist er nicht strafbefreiend zurückgetreten. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 StGB liegen nicht vor. Ein freiwilliges Verhindern der Vollendung oder eine freiwillige Bemühung um eine solche sind nicht ersichtlich.
2. Angeklagter H
Klarstellend soll vorab angemerkt werden, dass der Angeklagte H für die Tat 2 zum Nachteil des Zeugen Dr. L nicht angeklagt war.
a. Tat 1
Der Angeklagte H ist der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig, §§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 und 2, Nr. 4 und Nr. 5, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3a), 22, 23, 25 Abs. 2 StGB.
aa. Zum Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der Bande, Waffe und schweren körperlichen Misshandlung wird auf die Ausführungen zur Tat 1 bei dem Angeklagten K Bezug genommen.
Bei der vom Angeklagten H verwendeten Eisenstange handelt es sich darüber hinaus um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB, da diese als Schlagwerkzeug eine „waffenvertretende“ Funktion (vgl. zum Begriff Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 250 Rn. 8a) innehatte.
Die durch den Angeklagten K ausgeführten Handlungen – insbesondere die Drohungs- und Verletzungshandlungen mit der Machete – sind dem Angeklagten H nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Er hatte Kenntnis davon, dass der Angeklagte K diese zum Zwecke der Tatausführung mit sich führte; ein konkretes Vorgehen – etwa unter Ausschluss jeglicher unmittelbaren Gewalteinwirkung – ist zwischen den beiden Angeklagten nicht vereinbart worden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Mittäter für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seines Tatgenossen gleichgültig ist (BGH NStZ 2017, 272 m. w. N.). Ein Exzess des Mittäters liegt nur bei einem wesentlich vom gemeinsamen Tatplan abweichenden Ablauf vor.
Eine solche Abweichung liegt nach Überzeugung der Kammer nicht vor. Dafür, dass der gemeinsame Tatplan der beiden Angeklagten vorgesehen habe könnte, die Machete unter keinen Umständen über eine bloße Drohung hinaus einzusetzen, bestehen keinerlei Anhaltspunkte; zumal der Angeklagte H eigene Verletzungshandlungen in Kenntnis der bereits durch den Angeklagten K ausgeführten Schwerthiebe vornahm und damit jedenfalls konkludent billigte.
Von dem Versuch der Tat ist er nicht strafbefreiend zurückgetreten. Es fehlt jedenfalls an einer Freiwilligkeit etwaiger Verhinderungsbemühungen. Sieht sich der Täter nach Tatbeginn mit einer in Abgleichung mit der Tatplanung ungünstigen Risikoerhöhung konfrontiert, scheidet ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch aus, wenn er das mit der Fortsetzung der Tat verbundene Wagnis nunmehr als unvertretbar hoch einschätzt (BGH, NStZ 2007, 265). Der Angeklagte H stellte die Ausführung weiterer Tathandlungen ein, als bereits die Zeugen S und D 1 auf das Geschehen aufmerksam geworden waren und durch ihr lautes Rufen deutlich machten, aktiv einschreiten zu wollen. Damit hatte sich das Risiko der Entdeckung der Tat und Ergreifung seiner Person unvertretbar erhöht. Zwar sah der Tatplan vor, dass die Tat in der Öffentlichkeit stattfinden sollte, wo ein grundsätzliches Entdeckungsrisiko besteht. Allerdings versuchten die Angeklagten dieses Risiko zu minimieren, indem sie eine am Abend liegende Tatzeit in der Dämmerung wählten und mit dem Beginn ihrer Ausführungen warteten, bis der Nebenkläger in den Hinterhöfen der S…str. … verschwunden war. Als sich das Geschehen aber aus den Hinterhöfen auf die Straße verlagerte und Passanten auf das Geschehen aufmerksam wurden, vergrößerte sich das als zuvor vertretbar angesehene Entdeckungsrisiko enorm, was der Angeklagte H, als er die Zeugen sah, auch erkannte und sich deshalb zur Flucht entschloss.
bb. Der Angeklagte H ist ferner der gefährlichen Körperverletzung nach §§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 und 2, Nr. 4 und Nr. 5, 25 Abs. 2 StGB schuldig.
Die von ihm verwendete Eisenstange stellt ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB dar. Die durch den Angeklagten K ausgeführten Tathandlungen sind dem Angeklagten H entsprechend der obigen Ausführungen über § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen.
Der Angeklagte H war wegen der Tat 2 zum Nachteil des Zeugen Dr. L nicht angeklagt.
b. Tat 3
Der Angeklagte H ist der versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig, §§ 250 Abs. 1 Nrn. 1a) und 2, 22, 23 StGB, indem er während der Tat als Bandenmitglied handelnd ein Küchenmesser bei sich führte, das er beabsichtigte als Drohmittel einzusetzen.
Von diesem Versuch ist er ebenfalls nicht strafbefreiend zurückgetreten, da es auch hier an der freiwilligen Aufgabe der Tat fehlte. Das entscheidende Motiv zum Verlassen des Tatortes war die Angst vor Entdeckung und Ergreifung seiner Person, da er zum Zeitpunkt der Flucht bereits erkannt hatte, dass die Tat von Polizeibeamten überwacht wurde und er glaubte, allein durch eine sofortige Flucht seiner Festnahme entgehen zu können. Eine Abwägungsmöglichkeit zwischen der Tatvollendung und des Rücktritts, die einen Rückschluss auf das Vorhandensein etwaiger autonomer Motive zuließe, bestand hier nicht mehr.
c. Verbundenes Verfahren
Im Hinblick auf die Tat zum Nachteil der Zeugen T und D 2 ist der Angeklagte H der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung schuldig.
Er verwendete bei der Tat ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB, in dem er mit seinen Füßen, an denen er Sneaker – also Sportschuhe der heute üblichen stabilen Art – trug (vgl. MüKoStGB/Hardtung, 3. Aufl. 2017, StGB § 224 Rn. 28), in das Gesicht der Zeugin T trat. Das Schlagen mit der Faust in das Gesicht des Zeugen D 2, der dadurch Schmerzen und ein Hämatom am Auge erlitt, verwirklicht den Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB. Durch das Treten mit den beschuhten Füßen gegen das Auto des Zeugen D 2, wodurch er im unteren Bereich der Fahrertür des Autos zwei Dellen verursachte, erfüllte er den Tatbestand der Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB.
Zugunsten des Angeklagten H hat die Kammer aufgrund des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs eine tateinheitliche Begehung im Sinne des § 52 StGB angenommen, da sich das gesamte Handeln objektiv als ein einheitliches zusammengehöriges Tun darstellt, deren einzelne Betätigungsakte durch einen gemeinsamen Willen miteinander verbunden sind (vgl. von Heintschel-Heinegg, in: MüKoStGB, 3. Aufl. 2016, StGB § 52 Rn. 55). Alle Einzelakte wurden durch die Wut des Angeklagten H aufgrund der von dem Zeugen D 2 verweigerten Fahrplanänderung veranlasst.
Da die Straße zum Zeitpunkt des Tatgeschehens von weiteren Kraftfahrzeugen nicht befahren war, schied eine Strafbarkeit nach § 315b StGB aus.
3. Angeklagter B
a. Tat 2
Der Angeklagte B ist hinsichtlich der Tat 2 der schweren räuberischen Erpressung schuldig, §§ 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wobei auch ihm die Tatbeiträge der Angeklagten K und H nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. Er handelte als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung der Angeklagten K und H. Dass er die Tat als eigene wollte, ergibt sich zum einen daraus, dass er zusammen mit dem Angeklagten K derjenige war, der den Plan zur Begehung dieser Taten entwickelte und als Teil der Bande agierte. Er war zu gleichen Teilen an der Beute beteiligt und handelte vor Ort zusammen mit dem Angeklagten H.
Mit der Frage nach einer Strafbarkeit nach §§ 223 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB durch den durch den Angeklagten H (insoweit gesondert verfolgt) verübten Faustschlag hat sich die Kammer nicht befasst, da die Verfolgung dieser Tat mit Anklageerhebung auf den zuvor genannten Teil nach § 154a Abs. 1 StPO beschränkt wurde.
b. Tat 3
Der Angeklagte B ist der versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig, §§ 250 Abs. 1 Nr. 2, 22, 23 StGB. Dabei sind die Tatbeiträge der Angeklagten K und H dem Angeklagten B entsprechend der vorangegangenen Ausführungen nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Das Beisichführen des Messers durch den Angeklagten H kann dem Angeklagten B mangels Kenntnis hingegen nicht zugerechnet werden.
Von diesem Versuch ist er nicht strafbefreiend zurückgetreten. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 StGB liegen nicht vor. Ein freiwilliges Verhindern der Vollendung oder eine freiwillige Bemühung um eine solche sind nicht ersichtlich. Insbesondere steht die Flucht nachdem sich die Polizeibeamten als solche zu erkennen gaben, der Annahme autonomer Motive für eine Tataufgabe entgegen.
V.
Die Angeklagten handelten bei der Begehung aller ihnen vorgeworfenen Taten rechtswidrig und schuldhaft.
Insbesondere war die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten K bei Begehung der Taten durch eine Spielsucht weder beeinträchtigt oder gar aufgehoben. Diese Feststellung beruht auf den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Z, denen sich die Kammer nach kritischer Würdigung und aus eigener Überzeugung anschließt.
An der Sachkunde des Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Dieser ist seit 2010 als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie tätig. Seit 2017 arbeitet er in der Helios Klinik für Forensische Psychiatrie, S. Er ist der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt.
Er hat insoweit, gestützt auf die Verfahrensakten, seine Beobachtungen im Rahmen der Hauptverhandlung und einer mehrstündigen, psychiatrischen Exploration des Angeklagten K und die Inhalte der Gesundheitsakte der JVA Flensburg, ausgeführt, dass bei dem Angeklagten keines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB festzustellen sei.
Der Sachverständige stellte zwar die Diagnose des Pathologischen Spielens (ICD-10: F63.0), die bei Hinzutreten weiterer psychischer Erkrankungen oder einer schwersten Persönlichkeitsveränderung, das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung oder der schweren anderen seelischen Abartigkeit erfüllen könnte. Für das Vorliegen weiterer Diagnosen oder einer psychischen Erkrankung bestünden aber – so der Sachverständige – keinerlei Anhaltspunkte.
1. Diagnose
Die Diagnose des Pathologischen Spielens setze nach ICD-10 ein häufig wiederholtes, episodenhaftes Glücksspiel voraus, das die Lebensführung der betroffenen Person beherrsche und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führe. Die Betroffenen setzten ihren Beruf und ihre Anstellung aufs Spiel, machten hohen Schulden und logen oder handelten ungesetzlich, um an Geld zu gelangen oder die Bezahlung von Schulden zu umgehen. Sie beschrieben einen intensiven, kaum kontrollierbaren Drang zum Glücksspiel, der verbunden sei mit einer gedanklichen und bildlichen Beschäftigung mit dem Glücksspiel und seinen Begleitumständen. Die gedankliche Beschäftigung und die Drangzustände verstärkten sich häufig in belastenden Lebenssituationen.
Obwohl der o.g. Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen bei dem Angeklagten K nicht zu erkennen sei, erfüllten die von ihm in Hinblick auf sein Spielverhalten getätigten Angaben in Bezug auf die Beherrschung auf dieses Thema und die Drangzustände die Kriterien, sodass aufgrund der drohenden weiteren Entwicklung die Diagnose des Pathologischen Spielens gerechtfertigt erscheine.
Der Angeklagte K habe im Rahmen der Exploration angegeben, vor acht Jahren zunächst aus Spaß und Langeweile in Spielhallen gegangen zu sein und dort an Münzautomaten gespielt zu haben. Später sei er regelmäßig dorthin gegangen. Er habe täglich daran gedacht, spielen zu wollen. Der Angeklagte K habe dabei gegenüber ihm – dem Sachverständigen – eine Art „Drang“ beschrieben: Während er gespielt habe, habe er sich erleichtert und gut gefühlt, wohingegen es ihm im Falle des Verlierens schlecht gegangen sei. Er habe sich dann Vorwürfe gemacht und sich vorgenommen aufzuhören, habe aber am nächsten Tag weitergespielt. Das Thema „Spielen“ habe, so der Angeklagte K, sein Leben beherrscht. Er habe dafür Schulden aufgebaut und u.a. bei der Firma „Otto“ Geräte bestellt ohne diese zu bezahlen, um sie anschließend gewinnbringend weiterzuverkaufen. Er habe sich auch Geld von Freunden geliehen und seine Eltern sowie seine Verlobte bestohlen. Er habe aus dem Bankschließfach seiner Eltern Goldschmuck im Wert von etwa 8.000 Euro entwendet, den er anschließend versetzt habe. Das Fehlen dieses Goldschmucks bemerkten die Eltern erst anlässlich des Prozesses, was die Mutter des Angeklagten entsprechend bekundete. Zu Streit oder Beziehungsabbrüchen sei es dadurch nicht gekommen, da letztendlich die einzelnen Personen ihr Geld wiederbekommen hätten.
Der Angeklagte K habe gegenüber dem Sachverständigen im Rahmen der Exploration zunächst angegeben, monatlich etwa 1.200 Euro für das Spielen auszugeben. Auf kritische Nachfrage des Sachverständigen habe er diese Angaben auf durchschnittlich 500 Euro relativiert.
Nach seinem Spielverhalten befragt, habe der Angeklagte angegeben häufig an mehreren – bis zu fünf – Automaten gleichzeitig zu spielen; er „hasse“ es zu verlieren. Er sitze zuhause und denke an das Spielen. Auf Nachfrage des Sachverständigen, wie er sich verhalte, wenn er etwas Anderes in diesem Moment erledigen müsse – wie z. B. Besorgungen für seine Eltern – entgegnete er, dass dies (also die Besorgungen) dann vorginge. Er erledige das und würde sich anschließend erneut dem Spielen widmen. Wenn er zeitweise über kein Geld verfüge, könne er – so der Angeklagte – „halt nicht spielen“.
Diese Angaben erfüllten in ihrer Gesamtheit nahezu „lehrbuchmäßig“ – so der Sachverständige – die Voraussetzungen des Pathologischen Spielens.
2. Kein Eingangsmerkmal
Diese Diagnose erfülle jedoch keines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB.
Das Pathologische Spielen bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, NStZ 1989, 113 m.w.N.) jedenfalls nicht ohne weiteres, dass derjenige, der damit behaftet ist, schon deshalb eine krankhafte seelische Störung oder eine schwere andere seelische Abartigkeit i. S. von § 20 StGB aufweise. Maßgebend ist vielmehr, inwieweit das gesamte Erscheinungsbild des Täters psychische Veränderungen der Persönlichkeit aufweist, die, wenn sie nicht pathologisch bedingt sind, als andere seelische Abartigkeit in ihrem Schweregrad den krankhaften seelischen Störungen gleichwertig sind (vgl. BGHSt 34, 22, 24, 25; BGH, StV 1988, 384). Dies ist in Analogie zur Frage einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei Drogenabhängigen nur der Fall bei suchtbedingten, schwersten Persönlichkeitsveränderungen oder starken Entzugserscheinungen bei Beschaffungstaten (vgl. BGH, NJW 1981, 1221; JR 1987, 206).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung untersuchte der Sachverständige zunächst das Vorliegen und den Schweregrad einer etwaigen Persönlichkeitsstörung. Im Rahmen der Begutachtung sei – so der Sachverständige – nicht das Motiv vorrangig, da dies keine Aussage über eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit treffen könne, sondern nur die Beschreibung eines tiefgreifenden pathologischen Persönlichkeitswandels. Dafür sei zudem zu klären, ob eine psychische Erkrankung oder eine erhebliche Persönlichkeitsstörung vorgelegen habe und in welchem Umfang diese die soziale Kompetenz und Handlungsfreiheit des Angeklagten – auch in anderen Bereichen – erheblich beeinträchtigt habe. Die Untersuchungen und die Exploration des Angeklagten K hätten keinen Anhalt für das Vorliegen anderer Diagnosen einer psychischen Erkrankung geboten.
Der Angeklagte habe im Rahmen der Testung mittels SKID-II (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV) ein unauffälliges Persönlichkeitsbild gezeigt. Bei dem Test handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren, bestehen aus einem Fragebogen, dessen 117 Items zur Erfassung der Kriterien der Merkmale der zwölf Persönlichkeitsstörungen dienen (selbstunsichere, dependente, zwanghafte, negativistische, depressive, paranoide, schizotype, schizoide, histrionische, narzisstische, emotional-instabile, antisoziale). Im Anschluss erfolge ein Interview zu den beantworteten Fragen. Der Angeklagte habe nach Auswertung ein unauffälliges Ergebnis hinsichtlich sämtlicher Persönlichkeitsmerkmale gezeigt.
Der Angeklagte erscheine – so der Sachverständige – trotz seines Spielverhaltens in allen großen Lebensbereichen uneingeschränkt, weshalb er eine schwerste Persönlichkeitsveränderung ausschließe. Dies werde daran deutlich, dass er seine Anliegen selber regeln könne und dabei keine Unterstützung benötige. Er verfüge über eine gute familiäre Bindung und leiste Unterstützung im elterlichen Haushalt. Diese Verpflichtungen erschienen durch seine Äußerungen, dass er bei dringlichen Erledigungen das Spielen verschiebe, übergeordnet. Er führe seit über 5 Jahren eine feste Beziehung und seine sozialen Kontakte erschienen langjährig stabil. Das Fehlen eines Berufes scheine eher motivationale Gründe zu haben und in keinem Zusammenhang mit der Fähigkeit sich in einem solchen anzupassen. Der Angeklagte habe in diesem Zusammenhang nämlich angegeben, dass er bisher keine rechte Motivation für die Suche eines Arbeitsplatzes gehabt habe und dies auch nicht als zwingend notwendig erachtet habe, da er noch bei seinen Eltern gelebt habe. Für den Fall eines Auszuges, der nach einer Heirat seiner Verlobten geplant gewesen sei, hätte er sich eine bezahlte Arbeit gesucht, um seinen Beitrag für den Lebensunterhalt zu erbringen. Ein Substanzmissbrauch oder sogar eine -abhängigkeit konnten durch die Angaben des Angeklagten ebenfalls ausgeschlossen werden.
Ein Handeln unter schweren Entzugserscheinungen habe er – der Sachverständige – ebenfalls nicht feststellen können. Dies werde durch eine Gesamtbetrachtung der Tatabläufe gestützt. Zum einen erfordere das gemeinschaftliche Vorgehen eine grundlegende Erhaltung der Kommunikationsfähigkeit, Absprachefähigkeit und Koordination. Zum anderen seien die tatvorbereitenden Handlungen, wie das Anlegen des Profils und das dafür notwendige Besorgen der Fotos, sowie die Kontakthaltung bis zu dem geplanten Treffen zu betrachten. Dieses planvolle Vorgehen sei nicht mit einem raptusartigen, impulsiven Handeln vereinbar. Ein solches strukturiertes Verhalten habe der Angeklagte auch in der Zeit nach den jeweiligen Taten gezeigt. Dass er in der Lage gewesen sei einen Pkw zu führen, die Beteiligten nach Hause zu fahren und im Anschluss an das Tatgeschehen zum Nachteil des Zeugen Dr. L die Notwendigkeit der Besorgung von Einkäufen für seine Eltern präsent und diese erledigt habe – was er gegenüber dem Sachverständigen im Rahmen der Exploration entsprechend geschildert habe -, ergebe das Bild eines planvollen Verhaltens mit komplexen Handlungsabläufen und keine Auffälligkeiten bezüglich der Steuerungsfähigkeit.
Ein allenfalls auf motivationaler Ebene herzustellender Zusammenhang zwischen der Diagnose und den Taten sei zur Bejahung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB nicht ausreichend.
VI.
1. Angeklagter K
Die Kammer hat gegen den Angeklagten K eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren verhängt.
a. Tat 1 (II.2.)
Der Angeklagte K hat eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verwirkt. Dabei hat die Kammer den über §§ 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB von 2 Jahren bis 11 Jahre 3 Monate zugrunde gelegt.
aa. Kein minder schwerer Fall
Die Kammer hat zunächst geprüft, ob unabhängig vom Vorliegen der vertypten Milderungsgründe der §§ 46b Abs. 1 StGB und 23 Abs. 1 StGB, ein minder schwerer Fall nach § 250 Abs. 3 StGB anzunehmen ist. Sodann hat sie geprüft, ob unter zusätzlicher Berücksichtigung einer oder beider dieser Milderungsgründe ein minder schwerer Fall angenommen werden kann. Beides ist nicht der Fall.
Die Annahme eines minder schweren Falles setzt voraus, dass das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so erheblich abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Dafür ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des jeweiligen Täters in Betracht kommen, gleich, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGH, Urt. v. 22.06.2011 – 2 StR 135/11).
Ohne Berücksichtigung vertypter Strafmilderungsgründe liegt ein minder schwerer Fall nicht vor. Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte erschien es der Kammer nicht angemessen, den Ausnahmestrafrahmen des minder schweren Falls zugrunde zu legen. Der Fall weicht nach unten nicht von der Bandbreite der Fälle ab, die bei der Schaffung des Regelstrafrahmens berücksichtigt worden sind.
Danach spricht für die Annahme eines minder schweren Falles vorliegend, dass die Tat – jedenfalls hinsichtlich des Vermögensdeliktes – nicht vollendet wurde, der Angeklagte K nicht vorbestraft ist und ein Teilgeständnis, mit dem er jedenfalls eine Beteiligung an der Tat einräumte, bereits im Zwischenverfahren ablegte. Er hat maßgeblich zur Aufklärung der Tatgeschehen in der S…straße und C…straße (Taten zum Nachteil des Zeugen F, beide nicht verfahrensgegenständlich) beigetragen. Dabei hat er auch eigene Tatbeiträge geschildert und sich dem Risiko einer zusätzlichen Strafverfolgung ausgesetzt. Positiv war zu berücksichtigen, dass sich die geleistete Aufklärungshilfe sogar auf zwei Straftaten bezog (dazu unten). Die Kammer hat zugunsten des Angeklagten K weiterhin gewürdigt, dass er die Taten u. a. auch deshalb beging, um seiner Glücksspielsucht nachkommen zu können.
Gegen die Annahme eines minder schweren Falles spricht aber bereits das Tatgepräge. Der Nebenkläger ist in der Beweglichkeit seines Armes noch immer eingeschränkt und leidet seit der Tat unter enormen psychischen Belastungen, wie Angstzuständen und Schlaflosigkeit. Allein diese Folgen sprechen gegen die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens. Ferner verwirklichte der Angeklagte K gleich drei Qualifikationstatbestände des § 250 Abs. 2 StGB und beging tateinheitlich eine (vollendete) gefährliche Körperverletzung, bei der er wiederum drei Qualifikationstatbestände verwirklichte.
Auch die Heranziehung der oben genannten – tatbestandlich vorliegenden, jedoch schwach ausgeprägten – vertypten Strafmilderungsgründe (dazu im Einzelnen unter bb. und cc.) führt aufgrund der gewichtigen, gegen die Annahme eines minder schweren Falles sprechenden Umstände zu keinem (beträchtlichen) Überwiegen der mildernden Umstände. Denn die Aufklärungshilfe wegen der Tat in der C…straße und der Tat 2, soweit sie den insoweit gesondert Verfolgten H betrifft, erfolgte fast unmittelbar vor Eröffnung des Hauptverfahrens. Der Versuch zeichnete sich durch Vollendungsnähe und eine erhebliche Gefährlichkeit aus.
Der Tat ging ein hoher Planungsaufwand voraus: Der Angeklagte K erstellte das Profil, suchte dazu passende Fotos, spielte dem Nebenkläger im Chat vor, eine junge Frau zu sein und verabredete schließlich in Absprache mit dem Angeklagten H den Treffpunkt. Bei der Entwicklung des Tatplanes berücksichtigte er, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die jeweiligen Geschädigten nach der Tat die Polizei aufsuchen, aufgrund der damit verbundenen Offenbarung als „Sugardaddy“ eher als gering einzustufen war und dass die mitgeführte Bargeldsumme aufgrund des zuvor vereinbarten Taschengeldes den üblicherweise bei einem beliebigen, zufälligen Opfer zu erwartenden Bargeldbetrag ersichtlich übersteigt.
Dieses hohe verwirklichte Handlungsunrecht führt in der vorzunehmenden Gesamtabwägung gegenüber den o. g. mildernden Umstände nicht zu einem beträchtlichen Überwiegen der strafmildernden Faktoren.
bb. Milderung über §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB
(1) Die Kammer hielt es aber für angebracht, den Umstand der durch den Angeklagten K geleisteten Aufklärungshilfe für die Tat zum Nachteil des Zeugen F in der C…straße durch eine Strafrahmenverschiebung gem. §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer Aufklärungshilfe im Sinne des § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB lagen vor, indem er als Täter einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe (§ 250 Abs. 2 StGB) sein Wissen über die Tat freiwillig offenbarte und damit einen wesentlichen Beitrag zur Aufdeckung einer Katalogtat nach § 100a Abs. 2 Nr. 1k StPO leistete. Diese Tat stand im Zusammenhang zu den angeklagten Taten, da sie von der gleichen Täterkonstellation nach identischem Muster begangen wurde. Die Aufdeckung dieser Tat ging über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus, indem er Angaben zu den Beiträgen der Angeklagten H und B machte.
Die Wesentlichkeit des Beitrages ist danach zu beurteilen, ob die Tat ohne diesen Beitrag nicht oder nicht vollständig aufgedeckt worden wäre. Nach dem Ermittlungsstand zum Zeitpunkt der Einlassung, die bei Gericht am 13.09.2019 einging, konnte aufgrund der Beweislage noch nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte B an dieser Tat beteiligt war. Der ermittlungsleitende Beamte KHK B 1 bekundete, dass nach dem damaligen Kenntnisstand zwar von einer Beteiligung des Angeklagten K aufgrund der Funkzellendaten und Chatprotokolle, die von den Seitenbetreibern der Plattform zur Verfügung gestellt worden waren, ausgegangen worden sei. Der Angeklagte H konnte im Rahmen der hiesigen Hauptverhandlung durch den Zeugen F mit hinreichender Sicherheit als derjenige identifiziert werden, der ihm gefolgt und die Herausgabe des Geldes gefordert habe. Für die Beteiligung des Angeklagten B habe indes – so der Zeuge KHK B 1 – nur das Indiz der Zugehörigkeit zu dieser Tätergruppierung bestanden. Dieses Indiz hätte damals nach Ansicht der Kammer die Annahme eines hinreichenden Tatverdachtes nicht gerechtfertigt. Zur Aufdeckung der Tat kam es erst durch die Angaben des Angeklagten K.
Die Kammer hat das ihr nach § 46b Abs. 1 StGB zustehende Ermessen zugunsten des Angeklagten K dahingehend ausgeübt, eine Strafmilderung über § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen.
Bei der Ausübung dieses Ermessens sind insbesondere Art und Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung der Tat, der Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie das Verhältnis der zuvor genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters zu berücksichtigen, § 46b Abs. 2 StGB.
Die Kammer hat im Rahmen dieser Abwägung insbesondere berücksichtigt, dass es sich sowohl bei der zu Last gelegten, als auch bei der Tat, auf welche sich die Aufklärungshilfe bezog, um eine besonders schwere räuberische Erpressung handelt, die mit erheblicher Freiheitsstrafe belegt ist, mithin um eine nach Intention des Gesetzgebers schwerwiegende Straftat. Die Kammer hat sich auch mit dem Kriterium des Zeitpunktes der Offenbarung (13.09.2019) auseinandergesetzt. Dieser liegt zwar innerhalb der formalen Schwelle des § 46b Abs. 3 StGB – vor Eröffnung des Hauptverfahrens -, allerdings auch nur wenige Tage vor Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 17.09.2019. Der Angeklagte K befand sich seit dem 12.04.2019 in Untersuchungshaft und lehnte nach seiner Festnahme eine polizeiliche Vernehmung ab. Auch in der Folgezeit nahm weder er, noch einer seiner Verteidiger Kontakt zu den Ermittlungsbehörden – etwa zur Vereinbarung einer Vernehmung oder zur sonstigen Mitteilung von Informationen – auf. Als die Einlassung bei Gericht einging, waren bereits Termine mit allen Verfahrensbeteiligten abgesprochen und reserviert (es war also auch in Anbetracht des nahenden Ablaufes der Frist nach § 121 StPO damit zu rechnen, dass das Verfahren jederzeit eröffnet wird).
Die Kammer hat dennoch aufgrund der Schwere der aufgeklärten Tat und der Aussicht, dass eine Überführung des Angeklagten B ohne diese Einlassung nicht möglich wäre, zugunsten des Angeklagten K dennoch eine Milderung vorgenommen.
(2) Eine weitere Milderung über §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB für den Aufklärungsbeitrag zu Tat 2 hat die Kammer indes nicht vorgenommen.
Zwar hat der Angeklagte K über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus die angeklagte Tat aufgeklärt, in dem er den Angeklagten H – der für diese Tat nicht angeklagt war – den Feststellungen entsprechend belastete. Dies erfüllt grundsätzlich ebenfalls die Tatbestandsvoraussetzungen des § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB. Die Entscheidung der Frage, ob bei einer zu mehreren Taten geleisteten Aufklärungshilfe, entsprechend mehrfache Strafmilderungen vorzunehmen sind (dagegen zur vergleichbaren Regelung des § 31 BtMG: Weber, in: Weber, BtMG, 5. Aufl. 2017, BtMG § 31 Rn. 216, a. A. Maier, in: MüKoStGB, 3. Aufl. 2016, StGB § 46b Rn. 144), kann vorliegend offenbleiben, da die Kammer das ihr zustehende Ermessen jedenfalls nicht zugunsten einer weiteren Milderung ausgeübt hat. Dabei hat sie berücksichtigt, dass sich eine zweifache Strafrahmenverschiebung wegen mehrfacher Aufklärungshilfe nur dann rechtfertigt, wenn es sich um jeweils außerordentlich gewichtige, weit überdurchschnittliche Aufdeckungsbeiträge handelt. Eine solche Konstellation kann etwa vorliegen, wenn Schwere und/oder Folgen der aufgedeckten Taten weit über die angeklagte Tat hinausreichen (Maier, in: MüKoStGB, 3. Aufl. 2016, StGB § 46b Rn. 145).
Die Anwendung des § 46b StGB führt regelmäßig zu erheblichen Auswirkungen auf das Strafmaß. Die erneute Strafrahmenverschiebung wäre in Anbetracht der Schwere der abgeurteilten Tat im Vergleich zum Aufklärungsbeitrag unangemessen.
Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte K – dem in der Anklageschrift der Tatbeitrag des Angeklagten H zugeschrieben wurde – ein über die reine Aufklärung hinausgehendes eigenes Interesse verfolgte, indem er dem Angeklagten H diesen objektiv schwereren – im Sinne von gewalttätigerem – Tatbeitrag zuschrieb und sich selbst – wenngleich wahrheitsgemäß – in der Rolle desjenigen schilderte, der an dem unmittelbaren Tatgeschehen gegenüber dem Zeugen Dr. L nicht partizipierte. Außerdem hat die Kammer auch hier das zeitliche Moment gewürdigt: Die Einlassung ging bei Gericht nur kurze Zeit vor Eröffnung des Verfahrens ein, sodass der insoweit gesondert Verfolgte H für diese Tat nicht mehr angeklagt werden konnte.
(3) Eine weitere Milderung über §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB wegen des Tatgeschehens in der S…straße (s. II.1.) kommt nicht in Betracht, da die Tat als Verabredung zum Verbrechen im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB zu qualifizieren ist und damit nicht dem Katalog des § 100a Abs. 2 StPO unterfällt.
cc. Keine weitere Milderung über §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB
Eine weitere Milderung über §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB hat die Kammer ebenfalls nicht vorgenommen. Ob der Strafrahmen bei Vorliegen eines Versuchs gemildert werden kann, ist nach einer Gesamtwürdigung der Tatumstände im weitesten Sinne sowie der Persönlichkeit des Täters zu beurteilen. Von besonderer Relevanz sind dabei die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die angewandte kriminelle Energie (vgl. BGH, Beschl. v. 5. 7. 2010 – 5 StR 84/10 – NStZ-RR 2010, 305). Vorliegend wurde die Herausgabe des Geldes unter Androhung und Anwendung von Gewalt bereits gefordert, es fehlt im Hinblick auf die Tatvollendung lediglich die – nicht in der Sphäre der Angeklagten liegende – Mitwirkungshandlung des Nebenklägers bzgl. der Vermögensverfügung. Aufgrund der dem Nebenkläger zugefügten erheblichen und zum Teil schweren Verletzungen wies der Versuch eine Gefährlichkeit auf, die sich bereits konkretisiert hatte und nicht nur abstrakt bestand. Die Angeklagten hatten das Treffen vorgeplant und einen Hinterhalt ausgekundschaftet.
Zwar verkennt die Kammer im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung nicht, dass der Angeklagte K strafrechtlich nicht vorbelastet ist, er eine grundsätzliche Beteiligung an der Tat einräumte und sie auch deshalb beging, um seine Spielsucht zu finanzieren. Diese Umstände begründen aber unter besonderer Berücksichtigung der versuchsrelevanten Aspekte eine Strafrahmenverschiebung nicht.
Der sich danach ergebende Strafrahmen von zwei Jahren bis elf Jahre und drei Monaten Freiheitsstrafe ist gem. § 52 Abs. 2 S. 1 StGB gegenüber den Strafrahmen für die tateinheitlich mitverwirklichten Straftaten der gefährlichen Körperverletzung derjenige, der die schwerste Strafe androht. Er war daher der konkreten Strafzumessung zugrunde zu legen.
dd. Strafzumessung im engeren Sinne
Unter erneuter, umfassender Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer für diese Tat eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.
Zu seinen Gunsten hat die Kammer insbesondere gewürdigt, dass er Aufklärungshilfe im Sinne des § 46b Abs. 1 StGB für zwei Taten leistete und darüber hinaus das Tatgeschehen S…straße offenbarte. Er benannte in diesem Zusammenhang seine eigenen Tatbeiträge in dem Bewusstsein der ihm insoweit drohenden Strafverfolgung. Dass die besonders schwere räuberische Erpressung nicht vollendet wurde, hat die Kammer ebenfalls zu seinen Gunsten berücksichtigt. Zu seinen Lasten fallen maßgeblich die schweren Folgen für den Nebenkläger ins Gewicht.
b. Tat 2 (II.3.)
Hinsichtlich Tat 2 hat die Kammer gegen den Angeklagten K eine Einzelfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verhängt. Diese hat sie dem über §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB entnommen, der eine Freiheitstrafe von 6 Monaten bis 11 Jahre und 3 Monate vorsieht.
aa. Kein minder schwerer Fall
Auch hier hat sich die Kammer zunächst mit der Frage befasst, ob ein minder schwerer Fall nach § 250 Abs. 3 StGB vorliegt. Dies wäre nur unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes des § 46b StGB der Fall. Da der Strafrahmen des minder schweren Falles (1 – 10 Jahre) für den Angeklagten aber ungünstiger als die Milderung über § 49 Abs. 1 StGB (6 Monate bis 11 Jahre 3 Monate) wäre – die Strafe war vorliegend in der unteren Hälfte des Strafrahmens anzusiedeln -, hat die Kammer nicht den Strafrahmen des minder schweren Falles zugrunde gelegt.
(1) Für die Annahme eines minder schweren Falles – ohne Hinzuziehung vertypter Milderungsgründe – spricht tatbezogen vorliegend, dass es zu keiner nachhaltigen körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung des Geschädigten kam. Der Angeklagte ermöglichte – auf Nachfrage – im Rahmen des Prozesses durch seine Angaben, dass Teile des Stehlguts (Handy und Laptop) an den Geschädigten herausgegeben werden konnten und er legte bezüglich dieser Tat ein umfassendes Geständnis ab.
Darüber hinaus hat die Kammer die tatübergreifenden, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände, wie sie schon bei Tat 1 dargestellt sind (VI.1.a.aa.), berücksichtigt.
Diese Umstände rechtfertigen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung die Annahme eines minder schweren Falles nicht. Sie begründen in Anbetracht des Tatbildes (insbesondere hoher Planungsaufwand, s.o.) kein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände.
Das hohe verwirklichte Handlungsunrecht führt in der vorzunehmenden Gesamtabwägung gegenüber den o. g. mildernden Umstände nicht zu einem beträchtlichen Überwiegen der strafmildernden Faktoren.
(2) Die Annahme eines minder schweren Falles kann nach Ansicht der Kammer unter Hinzuziehung des – gewichtigen – vertypten Milderungsgrundes der Aufklärungshilfe für die Tat zum Nachteil des Zeugen F (s.o.) bejaht werden. Der Strafrahmen des minder schweren Falles ist aber im vorliegenden Einzelfall für den Angeklagten ungünstiger als der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB (s.o.), weshalb die Kammer unter Berücksichtigung der Regelung des § 50 StGB zugunsten des Angeklagten hinsichtlich der Aufklärungshilfe von der Milderung nach § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht hat.
bb. Milderung über §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB
Entsprechend der Ausführungen zu Tat 1 war eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen, aus der sich der zugrunde gelegte Strafrahmen ergab. Auch hier hat die Kammer ihr Ermessen zugunsten des Angeklagten dahingehend ausgeübt, eine Milderung vorzunehmen. Dabei hat sie den Umstand als entscheidend eingestuft, dass eine Überführung des Angeklagten B hinsichtlich einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe sanktioniert wird, ohne die Angaben des Angeklagten K nicht möglich gewesen wäre. Diesen Beitrag hat sie sodann in Bezug gesetzt zu der vom Angeklagten hier begangenen Tat und seiner Schuld und hat u.a. aufgrund der normativen Gleichwertigkeit von abzuurteilender und aufgeklärter Tat eine Strafrahmenverschiebung vorgenommen.
Eine weitere Verschiebung nach §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB wegen der zu dieser Tat – Tat 2, Tatbeitrag H – geleisteten Aufklärungshilfe hat die Kammer nicht vorgenommen. Zur Begründung wird auf die oben dazu angestellten Erwägungen verwiesen, die sich auf diese Tat übertragen lassen.
cc. Strafzumessung im engeren Sinne
Die Kammer hat unter erneuter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände auf die oben aufgeführte Freiheitsstrafe erkannt.
Zu seinen Gunsten hat die Kammer insbesondere auch hier gewürdigt, dass er Aufklärungshilfe im Sinne des § 46b Abs. 1 StGB für zwei Taten leistete und darüber hinaus das Tatgeschehen S…straße offenbarte. Er benannte in diesem Zusammenhang seine eigenen Tatbeiträge in dem Bewusstsein der ihm insoweit drohenden Strafverfolgung.
c. Tat 3 (II. 4.)
Die Kammer hat gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten verhängt.
Bei der Strafzumessung hat sie den nach §§ 46b Abs. 1, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB doppelten gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, der eine Freiheitsstrafe von einem Monat bis 5 Jahre und 7 Monate vorsieht.
Die Kammer hat die Annahme eines minder schweren Falles vorliegend bejaht, da aufgrund der polizeilichen Überwachung und Beteiligung zu keinem Zeitpunkt eine reelle Rechtsgutsgefährdung bestand. Mit Hilfe der Betreiber der Plattform sind zu diesem Zeitpunkt sämtliche bekannte Chataktivitäten der Angeklagten überwacht worden.
Diesen sich aus § 250 Abs. 3 StGB ergebenden Strafrahmen von einem bis zehn Jahre hat die Kammer nach den obigen Ausführungen auch hier aufgrund der geleisteten Aufklärungshilfe nach §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB gemildert.
Die Kammer hat eine weitere Milderung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen, da eine Gesamtwürdigung der allgemeinen und versuchsbezogenen Tatumstände und der Persönlichkeit des Angeklagten ein Überwiegen der strafmildernden Umstände ergab. Dabei hat die Kammer insbesondere berücksichtigt, dass die Möglichkeit der Tatvollendung von vornherein ausgeschlossen war und der Angeklagte K bzgl. dieser Tat ein umfassendes Geständnis ablegte.
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Kammer die zugunsten des Angeklagten K sprechenden, tatübergreifenden Aspekte (wie bei Tat 1) sowie sein Geständnis berücksichtigt. Nach erneuter Abwägung dieser Umstände erkannte die Kammer auf die ausgeurteilte tat- und schuldangemessene Freiheitsstrafe.
d. Gesamtstrafe
Aus den verhängten Einzelstrafen hat die Kammer gemäß §§ 53, 54 StGB die Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren gebildet.
Sie hat die höchste verwirkte Strafe – Einsatzstrafe – (4 Jahre und 9 Monate Freiheitsstrafe) erhöht und berücksichtigt, dass die Summer der Einzelstrafen (8 Jahre und 1 Monat Freiheitsstrafe) nicht erreicht werden darf.
Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat sich die Kammer nicht nur an der Anzahl und Höhe der zu berücksichtigenden Einzelstrafen orientiert, sie hat auch nochmals die zuvor genannten Zumessungskriterien erneut gegeneinander abgewogen. Sie hat zudem den engen zeitlichen und motivatorischen Zusammenhang der Taten zugunsten des Angeklagten berücksichtigt.
2. Angeklagter H
Die Kammer hat den Angeklagten H zu einer Jugendstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
a. Anwendung Jugendstrafrecht
Zur Überzeugung der Kammer war auf den Angeklagten H gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht anzuwenden, weil die Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit ergab, dass er bei Begehung der Taten in seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand.
Der Angeklagte war im Tatzeitraum 20 Jahre alt und damit Heranwachsender gemäß § 1 Abs. 2 Var. 2 JGG. Die Kammer hat aus eigener Überzeugung im Einklang mit der Empfehlung des Vertreters der Jugendgerichtshilfe Reifeverzögerungen bei dem Angeklagten festgestellt. Nach Überzeugung der Kammer liegt derzeit noch keine adulte Form von Lebensplanung, Umsetzung und Zielsetzung bei dem Angeklagten H vor. Er verfügt weder über einen Schulabschluss, noch über eine Berufsausbildung. Der Angeklagte geht keiner geregelten, entgeltlichen Tätigkeit nach und lebt mit seinem jüngeren Bruder im Haushalt der Mutter.
Die Kammer hat sich in diesem Zusammenhang auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob in Anbetracht der bisherigen erfolglosen Maßnahmen, die allesamt zu keiner nachhaltigen, positiven Veränderung im Verhalten führten, die Entwicklung des Angeklagten H zu den Tatzeitpunkten bereits abgeschlossen war.
Nach ständiger Rechtsprechung ist Jugendstrafrecht nämlich unanwendbar, wenn der Heranwachsende zwar einem Jugendlichen gleichsteht, er seine Entwicklung aber bereits abgeschlossen hat und nicht mehr erwartet werden kann, dass er über die erreichte Entwicklungsstufe hinausgelangt und dass im Jugendstrafrecht vorgesehene Rechtsfolgen bei ihm noch wirksam werden können (BGH, NStZ-RR 2003, 186).
Zur Beantwortung dieser Frage hat sich die Kammer mit den unter I. festgestellten biographischen Besonderheiten des Angeklagten H auseinandergesetzt. Zwar hat er bereits eine längere Jugendstrafe verbüßt und beging aus der Haft heraus, sowie kurz nach seiner Entlassung weitere Straftaten, sodass die Wirksamkeit jugendstrafrechtlicher Sanktionen durchaus angezweifelt werden kann. Während der Unterbringung in der Jugendanstalt zeigte er ein auffälliges Verhalten, das davon geprägt war, sich gegenüber Mithäftlingen zu positionieren. Dieses Verhalten legte er erst bei einem Wechsel in den Erwachsenenvollzug ab, wo es zu derartigen Auffälligkeiten nicht mehr kam. Dieser Umstand ist nach Überzeugung der Kammer jedoch nicht als Ausdruck erzieherischer Unerreichbarkeit zu deuten. Im Gegenteil war das Verhalten des Angeklagten im Rahmen des Jugendvollzuges von dem jugendtypischen Bestreben gezeichnet, sich – vor allem gegenüber gleichaltrigen oder gar jüngeren Mitinsassen – in Ermangelung sonstiger Ressourcen (etwa schulischer oder beruflicher Natur) zu positionieren und eine Rangordnung herzustellen. Dass dieser Drang mit dem Wechsel in den Erwachsenenvollzug entfiel, dokumentiert, dass der Angeklagte sein Verhalten – je nach Struktur und Umgebung – durchaus situationsadäquat anpassen und steuern kann, was gegen das Fehlen der Möglichkeit einer Nachreifung spricht.
Die Kammer hat in diesem Zusammenhang auch die Taten, die Gegenstand der Vorverurteilungen waren, kritisch gewürdigt. Die Taten belegen zwar eine klare Gewaltbereitschaft des Angeklagten, gehen jedoch weder die Häufigkeit, noch die Intensität betreffend derart weit, dass sie das Stellen der schwerwiegenden Diagnose unbehebbarer Erziehungsrückstände – auch in Zusammenschau mit den Bedingungen seines Aufwachsens – rechtfertigen könnten. Zu keiner anderen Einschätzung gelangte die Kammer bei Betrachtung der bisherigen – erfolglosen – Bewährungsverläufe, welche zwar eine gewisse Renitenz des Angeklagten erkennen lassen, aber insoweit auch noch keinen Rückschluss auf eine endgültige erzieherische Unerreichbarkeit zulassen.
b. Verhängung einer Jugendstrafe
Zur Einwirkung auf den Angeklagten kam nur noch die Verhängung einer Jugendstrafe in Betracht, weil bei ihm zu den Tatzeitpunkten schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 Var. 1 JGG vorlagen, die auch immer noch vorhanden sind. Eine Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG hat die Kammer zusätzlich hinsichtlich der Tat zum Nachteil des Nebenklägers Hxx bejaht.
aa. Schädliche Neigungen
Unter schädlichen Neigungen sind erhebliche – seien es anlagebedingte, seien es durch unzulängliche Erziehung oder Umwelteinflüsse bedingte – Mängel zu verstehen, die ohne längere Gesamterziehung die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten in sich bergen, die nicht nur gemeinlästig sind oder den Charakter von Bagatelldelikten haben. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat – wenn auch gegebenenfalls verdeckt – angelegt waren und im Zeitpunkt des Urteils noch gegeben sind und deshalb weitere Straftaten befürchten lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2012 – 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287 m. w. N.).
Schädliche Neigungen, die Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nicht ausreichen lassen, um ihn nachhaltig zu beeindrucken, lagen beim – zum Teil einschlägig vorbestraften – Angeklagten H sowohl zu den jeweiligen Tatzeitpunkten als auch zum Zeitpunkt des Urteils vor. Die unter I. dargestellten Taten dokumentieren im Zusammenhang mit den hier festgestellten Taten eine außerordentliche Gewaltbereitschaft des Angeklagten. Diese in den Taten zum Ausdruck gekommenen Anlage- und Erziehungsmängel und die daraus resultierende ernste Gefahr weiterer Straffälligkeit des Angeklagten bestehen zur Überzeugung der Kammer auch heute noch. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte künftig ein geordnetes, straffreies Leben führen wird. Eine entsprechende Nachreifung konnte die Kammer nicht feststellen. Aufgrund dieser charakterlichen Mängel besteht die Gefahr, dass der Angeklagte weiter Straftaten begehen wird, die in ihrer Intensität den Charakter von Bagatelldelikten ersichtlich übersteigen. Dieser Gefahr kann nur durch eine längere Gesamterziehung begegnet werden. Die Verhängung einer Jugendstrafe ist hierzu unerlässlich.
bb. Schwere der Schuld
Hinsichtlich Tat 1 (II.2.) hat die Kammer zusätzlich zum Bestehen schädlicher Neigungen die Schwere der Schuld festgestellt.
Dabei hat die Kammer bedacht, dass die Annahme einer Schwere der Schuld nicht ausschließlich darauf gestützt werden kann, dass der Angeklagte einen Verbrechenstatbestand erfüllt hat. Bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 Var. 2 JGG kommt dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat grundsätzlich keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr die innere Tatseite, das heißt, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit als auschlaggebende Kriterien für die Frage, ob wegen der Schwere der Schuld aus erzieherischen Gründen die Verhängung von Jugendstrafe erforderlich ist sowie die Tatmotivation des Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können (Eisenberg, JGG, 20. Aufl, § 17 Rn. 29 m. w. N.). Dabei ist zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld das Tatunrecht am Maßstab der gesetzlichen Strafandrohung heranzuziehen; denn die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts behalten insoweit Bedeutung, als in ihnen die Bewertung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt. Das Gewicht des Tatunrechts ist – unter dem Primat des Erziehungsgedankens – gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abzuwägen.
Ausgehend von diesen Maßstäben zeigt die von dem Angeklagten genommene Entwicklung, die sich in der Tat manifestiert, dass seine Persönlichkeit noch der ganz erheblichen, längerfristigen Festigung bedarf und ihm aus erzieherischen Gründen das von ihm begangene Unrecht nachhaltig vor Augen geführt werden muss. Er hat einen Tatbestand erfüllt, für dessen Verwirklichung im Erwachsenenstrafrecht die Verhängung einer mindestens 5-jährigen Freiheitsstrafe gemäß § 250 Abs. 2 StGB vorgesehen ist.
Es handelt sich um eine Tat, die aus häufiger vorkommenden, gruppendynamisch geprägten Delikten herausragt. Sie stellte sich nicht als sog. Spontantat dar, zudem waren die aus dem erheblichen Gewalteinsatz für den Nebenkläger resultierenden Folgen alles andere als geringfügig einzustufen.
Der Angeklagte H war bereits wegen einer ähnlichen Tat verurteilt worden (vgl. Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg v. 31.10.2016). Dass es nunmehr – nur wenige Monate nachdem er zuletzt aus der Haft wegen der diesbezüglich verhängten Haftstrafe entlassen worden war – zu einer ähnlichen Tat kam, die an Intensität sogar noch zunahm, offenbart große charakterliche Mängel des Angeklagten. Dass er bereits am Tag nach der Tat darauf drängte, der Angeklagte K möge ein weiteres Opfer akquirieren („Heute muss was gedribbelt werden.“), zeigt, dass er den Folgen seiner Taten weitestgehend gleichgültig gegenübersteht. Sein Verhalten zeigt eine besondere Geringschätzung fremder körperlicher Unversehrtheit zur Durchsetzung eigener – finanzieller – Interessen.
c. Höhe der Jugendstrafe
aa. Einbeziehung
Die Kammer hat die noch nicht erledigten Urteile des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 11.09.2017 (45 Ls jug. 109 Js 28903/16 (11/17)), des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 31.10.2016 (45 Ls jug. 104 Js 11307/16 (31/16)) und des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Schleswig vom 06.11.2018 (55 Ls 108 Js 10545/18) einbezogen.
Nach § 31 Abs. 2 S. 1 JGG ist bei der Ahndung von Straftaten nach Jugendstrafrecht, wenn eine anderweitige, bereits rechtskräftige und nicht erledigte Verurteilung vorliegt, grundsätzlich auf eine einheitliche Rechtsfolge zu erkennen (vgl. Eisenberg JGG, 20. Aufl., § 31 Rn. 16, 26; BGH, NStZ 2018, 660). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Kammer hat nicht von der Einbeziehung nach § 31 Abs. 3 JGG abgesehen. Dies erfordert Gründe, die unter dem Aspekt der Erziehung von besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen (BGH, Beschluss v. 01.06.2010 – 4 StR 208/10). Die Entscheidung ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu treffen und hat sich ausschließlich am Erziehungszweck zu orientieren. Von der Einbeziehung kann aus Gründen der erzieherischen Zweckmäßigkeit abgesehen werden, wenn bei einer Einheitsstrafe wegen deren Höhe eine Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung nicht mehr zulässig wäre – § 21 Abs. 1 und 2 JGG, eine solche Aussetzung jedoch aus erzieherischen Gründen noch zu vertreten wäre (OLG Brandenburg, Beschluss v. 16.09.2008 – 1 Ss 60/08). Dies ist insbesondere dann zu prüfen, wenn sich der Bewährungsverlauf bis dahin positiv gestaltet haben sollte (OLG Koblenz, Beschluss v. 21.02.2007 – 1 Ss 291/06).
Die Kammer hat keine Gründe festgestellt, die ein Absehen von der Einbeziehung der Urteile als erzieherisch zweckmäßig erachten ließen. Der Angeklagte beging während der bis zum Tatzeitpunkt relativ kurzen verstrichenen Bewährungszeit die verfahrensgegenständlichen Taten. Auch gestaltete sich der Bewährungsverlauf schwierig, was letztlich sogar zum Widerruf führte.
bb. Bemessung der Jugendstrafe
Bei der Bemessung der Jugendstrafe war von dem Strafrahmen des § 18 Abs. 1 Satz 2 JGG – mithin Jugendstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren – auszugehen.
Die Strafbemessung ist an den Voraussetzungen erzieherischer Einwirkung im konkreten Einzelfall auszurichten. Die Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten H, die vor allem in der Tat zum Nachteil des Nebenklägers deutlich wurden und – was die Vorverurteilungen belegen – auch schon seit längerer Zeit bestehen, begründen einen hohen, längerfristigen Erziehungsbedarf. Dieser wird durch die laufende Bewährung im Tatzeitraum aufgrund einer einschlägigen Vorverurteilung, in deren Rahmen er bereits Haft verbüßte, die nur kurz zurückliegende Entlassung aus der Haft, sowie die hohe Rückfallgeschwindigkeit dokumentiert. Zwischen den einzelnen Taten, wobei sich das Tatzeitfenster nur über einen kurzen Zeitraum erstreckte, verantwortete sich der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung in dem Verfahren betreffend das Urteil des Amtsgerichts Schleswig vom 06.11.2018 vor dem Landgericht Flensburg. Die Begehung der Tat 3 – nur zwei Tage nach der Hauptverhandlung – zeigt, dass ihn diese nicht nachhaltig beeindruckt hat.
Bei der Bestimmung der notwendigen erzieherischen Einwirkung hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Taten der einzubeziehenden Urteile, mit denen eine Jugendstrafe verhängt wurde, geraume Zeit zurückliegen. Positiv war auch zu gewichten, dass er sich jedenfalls teilweise geständig einließ.
Im Hinblick auf die einzelnen Taten hat die Kammer ergänzend folgende Strafzumessungserwägungen angestellt:
(1) Tat 1
Bei Tat 1 hat sie sich zunächst mit der Frage auseinandergesetzt, ob nach allgemeinen Strafrecht ein minder schwerer Fall oder eine Milderung wegen der Versuchsstrafbarkeit in Betracht kämen. Beides hat sie im Ergebnis verneint. Die in den gesetzlichen Regelungen des allgemeinen Strafrechts zum Ausdruck gelangende Bewertung des Ausmaßes des in einer Straftat hervorgetretenen Unrechts ist bei der Strafbemessung zwar nicht im Sinne von Strafrahmen jedoch gleichwohl grundsätzlich zu berücksichtigen, allerdings nur mittelbar (Eisenberg JGG, 20. Aufl. 2018, JGG § 18 Rn. 24 m. w. N.).
Gegen die Annahme eines minder schweren Falles – zunächst unter Auslassung vertypter Milderungsgründe – spricht auch hier das gesamte Tatgepräge, insbesondere im Hinblick auf die vom Nebenkläger erlittenen, jedenfalls länger andauernden körperlichen und seelischen Folgen; sowie das tateinheitliche Verwirklichen zweier Straftatbestände mit jeweils mehreren Qualifikationstatbeständen.
Bezieht man in diese Betrachtung den möglichen Milderungsgrund des Versuchs ein, führt dies aufgrund des Fortschritts der Tathandlung, der Vollendungsnähe und der bereits konkretisierten Gefährlichkeit des Versuchs zu keiner anderen Bewertung (s. o.).
Entsprechend dieser Ausführungen wäre bei hypothetischer Anwendung Erwachsenenstrafrechts ebenfalls keine Milderung über §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen worden.
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung berücksichtigte die Kammer strafschärfend die für den Nebenkläger durch die Tat 1 erlittenen, dauerhaften Folgen für seine psychische und physische Gesundheit. Dabei hat die Kammer nicht verkannt, dass die schwersten Folgen durch den Einsatz der Machete entstanden sind, welche dem Angeklagten H zwar zugerechnet wird, von ihm aber nicht unmittelbar eigenhändig verursacht wurden.
(2) Tat 3
Nach den Maßstäben des Erwachsenenstrafrechts würde die Kammer hier einen minder schweren Fall und zusätzlich eine Milderung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB annehmen.
Ein minder schwerer Fall könnte nach Ansicht der Kammer bereits deshalb bejaht werden, da aufgrund des verdeckten Polizeieinsatzes eine reelle Rechtsgutsgefährdung von vornherein ausgeschlossen war.
Die Voraussetzungen für eine weitere Milderung nach § 23 Abs. 2 StGB lägen vor, da eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten – und insbesondere der versuchsspezifischen – Umstände ergab, dass eine konkrete Gefährlichkeit des Versuchs zu keinem Zeitpunkt bestand, ebenso wenig eine Nähe zur Tatvollendung.
Strafschärfend berücksichtigte die Kammer allerdings im Rahmen des – hypothetischen – minder schweren Falles des Abs. 3, der einen einheitlichen Strafrahmen für die in ihrer Mindeststrafandrohung voneinander abweichenden Abs. 1 und 2 vorsieht, dass der Angeklagte eine Qualifikation des Abs. 2 verwirklichte, der ohne das Hinzutreten eines minder schweren Falls vom Gesetzgeber als gewichtiger eingestuft wurde.
(3) Verbundenes Verfahren
Bei der Strafzumessung für die Tat zum Nachteil der Zeugen D 2 und T hat die Kammer erschwerend die Tatmotivation des Angeklagten berücksichtigt, die vor dem Hintergrund als besonders verwerflich zu bewerten ist, dass er selbstsüchtig den ohnehin schon hilfsbereiten Zeugen D 2 für die Ablehnung eines weiteren Gefallens abstrafte. Zudem hat er durch die Tat (natürliche Handlungseinheit) mehrere Strafgesetze verletzt.
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, insbesondere seiner Persönlichkeit und charakterlichen Haltung, hat die Kammer eine Einheitsjugendstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten für erforderlich, aber auch ausreichend gehalten, um in dem gebotenen Maße erzieherisch auf ihn einzuwirken und um einen gerechten Schuldausgleich vornehmen zu können.
Bei der Bemessung der Jugendstrafe hat die Kammer bedacht, dass der das Jugendstrafrecht als Strafzweck beherrschende Erziehungsgedanke vorrangig zu berücksichtigen ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, bei Kapitalverbrechen und anderen schwerwiegenden Straftaten – wie hier eine versuchte besonders schwere räuberische Erpressung – namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs zu beachten. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei in der Regel miteinander in Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind (BGH, Beschl. v. 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes lässt sich eine länger als fünf Jahre andauernde Jugendstrafe allein erzieherisch nicht begründen, weil eine Anstaltserziehung nur für eine Dauer von bis zu fünf Jahren Erfolg verspricht. Die Verhängung einer darüberhinausgehenden Jugendstrafe kann nur unter zusätzlicher Berücksichtigung anderer Strafzwecke – insbesondere des Schuldausgleichs – angezeigt sein (BGH, Beschl. v. 7. Oktober 2019 – 1 StR 206/19, Rn. 15 – zit. nach juris – m. w. N.).
Um neben dem erheblichen Erziehungsbedarf das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs angemessen zu berücksichtigen, war die Verhängung einer mehr als 5-jährigen Jugendstrafe – hier konkret Jugendstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten – unumgänglich.
Das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs im Hinblick auf die Tat zum Nachteil des Nebenklägers – insoweit hat die Kammer auch eine Schwere der Schuld festgestellt -, dessen körperliche und mentale Gesundheit selbst im Zeitpunkt der Hauptverhandlung sechs Monate nach der Tat noch nicht wiederhergestellt war und dessen vollständige Genesung ungewiss ist, hat die Kammer im Rahmen der Strafzumessung zulasten des Angeklagten H gewürdigt.
d. Aufrechterhaltung der Einziehungsentscheidung
Die Einziehungsentscheidung nach § 74 StGB betreffend die Schreckschusspistole Umarex „Colt 1911a1“ mit der Waffennummer … aus dem Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Flensburg vom 11.9.17 (Az.: 45 Ls jug. 109 Js 28903/16 (11/17)) war aufrechtzuerhalten.
3. Angeklagter B
Die Kammer hat gegen den Angeklagten B eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verhängt.
a. Tat 2
Er hat durch Begehung der Tat 2 eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verwirkt. Bei der Bemessung der Freiheitsstrafe hat die Kammer den Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt, der eine Freiheitsstrafe von 3 bis 15 Jahren vorsieht.
Einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB hat die Kammer nicht angenommen. Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass der Zeuge Dr. L weder psychisch noch physisch nachhaltig beeinträchtigt war, sowie dass der Laptop und das Handy an den Zeugen zurückgelangten, wenngleich ohne Zutun des Angeklagten B. Die Kammer hat außerdem berücksichtigt, dass er sich vollumfänglich geständig einließ.
Diese Umstände vermögen aber nach Ansicht der Kammer kein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände begründen, die die Annahme eines minder schweren Falles gerechtfertigt erscheinen ließen. Denn gegen ihn spricht wiederum, dass er einschlägig vorverurteilt ist und aufgrund dieser Verurteilung über Hafterfahrung verfügt. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass es sich um jugendstrafrechtliche Verfehlungen handelte, deren Begehung bereits geraume Zeit zurückliegt. Allerdings lag auch den damaligen Taten – insbesondere die Verurteilung vom 07.02.2011 betreffend – ein Tatplan zugrunde, der ein „Abziehen“ der Opfer zum Gegenstand hatte, was auch hier Ausgangspunkt der Straftaten war.
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Kammer erneut die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gegeneinander abgewogen und auf die oben genannte Strafe erkannt.
b. Tat 3
Die Kammer hat gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verhängt, wobei sie den nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt hat, der eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis 7 Jahre und 6 Monate vorsieht.
Die Kammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB bejaht. Dabei hat sie sich von der tragenden Erwägung leiten lassen, dass zu keinem Zeitpunkt eine reelle Rechtsgutsgefährdung bestand, da es sich um einen verdeckten Polizeieinsatz handelte. Ferner ließ sich der Angeklagte B auch hier vollumfänglich geständig ein.
Die Kammer hat unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Umstände im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung eine weitere Milderung über §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen (s.o.).
Bei der Ermittlung der tat- und schuldangemessenen Strafe hat die Kammer erneut die oben genannten Umstände, auch die Vorverurteilungen betreffend (s.o.), gegeneinander abgewogen und auf die o. g. Strafe erkannt.
c. Gesamtstrafe
Aus den verhängten Einzelstrafen hat die Kammer gemäß §§ 53, 54 StGB die Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren gebildet.
Sie hat die höchste verwirkte Strafe – Einsatzstrafe – (3 Jahre und 9 Monate Freiheitsstrafe) erhöht und berücksichtigt, dass die Summer der Einzelfreiheitsstrafen von 5 Jahren nicht erreicht werden darf.
Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat die Kammer nochmals die zuvor genannten Zumessungskriterien gegeneinander abgewogen. Sie hat zudem den engen zeitlichen und motivatorischen Zusammenhang der Taten zugunsten des Angeklagten berücksichtigt.
d. Einziehung
Im Rahmen der wegen Tat 2 – auf den Bargeldbetrag beschränkten – zu treffenden Einziehungsentscheidung hat die Kammer auf die volle Haftung des Angeklagten B und die Haftung des Angeklagten K auf den erhaltenen Teilbetrag von 650,00 Euro erkannt.
Da allein die Angeklagten B und der insoweit gesondert verfolgte H jeweils die faktische Verfügungsbefugnis über den gesamten Geldbetrag innehatten – der Angeklagte H nahm das Geld von dem Zeugen Dr. L entgegen und gab dieses an den Angeklagten B weiter, der es schließlich unter den dreien aufteilte -, bestand ein faktischer Vermögenszufluss in Höhe der gesamten Summe bei dem Angeklagten K zu keinem Zeitpunkt. Es liegt auch kein arbeitsteiliges Zusammenwirken mit diesen am Tatort bezogen auf die Abnötigung des Geldes vor, da konkret nur die Angeklagten H und B am Tatort handelten.
Entsprechend dieser Verfügungsbefugnisse war eine gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten untereinander wie tenoriert auszusprechen. Da der Angeklagte H für diese Tat nicht angeklagt war, hat die Kammer insoweit auch keine Einziehungsentscheidung ausgesprochen, wohl aber seine gesamtschuldnerische Haftung. Voraussetzung für die Anordnung dieser ist nämlich nicht, dass bzgl. dieses Gesamtschuldners ebenfalls die Einziehung angeordnet wurde. Es kann nämlich auch die Haftung bisher unbekannter Mittäter ausgesprochen werden.
Dass der Angeklagte H nach Jugendstrafrecht zu bestrafen war, ist nach Ansicht der Kammer – im Hinblick die Rechtsfrage nach der zwingenden Anordnung der Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht – für den Ausspruch der gesamtschuldnerischen Haftung irrelevant, da insoweit noch kein Anspruch gegen ihn begründet wird, der den Zwecken des Jugendstrafrechts zuwiderlaufen könnte.
VII.
1. Die Adhäsionsanträge des Nebenklägers Hxx vom 28.11.2019 und vom 12.12.2019 sind hinsichtlich des Schmerzensgeldes dem Grunde nach gerechtfertigt und im Übrigen in einer Höhe von 2.342,34 Euro begründet. Von einer weiteren Entscheidung über den Adhäsionsantrag wird abgesehen.
Der Nebenkläger begehrt im Adhäsionsverfahren wegen der unter II.2. abgeurteilten Tat von den Angeklagten K und H die Zahlung eines Schmerzensgeldes – in einer Größenordnung von 8.000 Euro – und die Feststellung, dass diese Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrührt. Nachdem er zunächst die Zahlung von 2.628,85 Euro als Schadensersatz für ihm entstandene Arztbehandlungskosten verlangt hat, begehrt er nunmehr – nach teilweiser Rücknahme des Antrages – die Zahlung von 2.342,34 Euro.
Der Nebenkläger hat im Rahmen der Hauptverhandlung am 29.11.2019 beantragt:
1. Die Angeklagten K und H werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
2. Es wird festgestellt, dass die Hauptforderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrührt.
Am 18.12.2019 erweiterte er im Rahmen der Hauptverhandlung seinen Antrag wie folgt:
3. Die Angeklagten K und H werden als Gesamtschuldner verurteilt, an ihn 2.342,34 Euro zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit über dem Basiszinssatz.
Die Angeklagten K und H beantragen,
die Anträge abzuweisen.
Sie bestreiten jeweils, die Verletzungen mit der Machete verursacht zu haben.
2. Die Adhäsionsanträge des Nebenklägers sind gemäß §§ 403, 404 Abs. 1 StPO zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Soweit er die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verlangt hat, hat die Kammer gemäß §§ 406 Abs. 1 S. 4 und 5 StPO von einer Entscheidung abgesehen.
a. Der Nebenkläger kann gemäß §§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1 Abs. 2, 253 Abs. 1 BGB, 250 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3b), 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5, 25 Abs. 2, 52 StGB von den Angeklagten dem Grunde nach ein Schmerzensgeld verlangen, weil sie die unter II. 2. festgestellte Straftat begangen haben und den Nebenkläger dadurch in seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt haben. Auf die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten K und H unter I., der Tat und ihrer Auswirkung unter II. 2., der rechtlichen Würdigung unter III.2 und der Strafzumessung unter VI. wird Bezug genommen. Ihre gesamtschuldnerische Haftung ergibt sich aus § 830 Abs. 1 BGB.
Im Hinblick auf die Höhe des Antrags zu 1. hat die Kammer die Entscheidung nach § 406 Abs. 1 S. 2 StPO auf den Haftungsgrund beschränkt, da zur Höhe des Schmerzensgeldbetrags insbesondere zu den psychischen Folgen und der Prognose der dauerhaften Beeinträchtigung des rechten Arms weitere Feststellungen notwendig sind (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO-Kommentar, 62. Aufl., 2019, § 406, Rn. 13).
b. Der Feststellungsantrag unter Ziffer 2 ist zulässig, weil der Nebenkläger im Hinblick auf die erweiterte Pfändbarkeit gemäß § 850f Abs. 2 ZPO ein Feststellungsinteresse hat. Entsprechend der obigen Ausführungen ist der Antrag auch begründet.
c. Der Antrag auf Ersatz der Heilbehandlungskosten in Höhe der tenorierten Summe ist ebenfalls nach §§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1 Abs. 2, 253 Abs. 1 BGB, 250 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3b), 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5, 25 Abs. 2, 52 StGB begründet.
Dem Nebenkläger sind durch die festgestellte Tat Heilbehandlungskosten in der geltend gemachten Höhe entstanden.
Der bei der …Krankenversicherungs-AG privat versicherte Nebenkläger ist laut des Versicherungsvertrages verpflichtet eine jährliche Selbstbeteiligung in Höhe von 3.000 Euro zu leisten, bevor Kosten durch die Versicherung übernommen werden.
Im Rahmen des stationären Aufenthaltes in der Diakonissenanstalt Flensburg in der Zeit vom 4.4.19 bis 10.4.19 und der dort durchgeführten Behandlungen entstanden ihm Kosten in Höhe von 689,66 Euro. Die Kosten für labortechnische im Zusammenhang mit der Verletzung stehende Untersuchungen beliefen sich auf 303,68 Euro. Für den Transport im Krankenwagen am 4.4.19 in die Diako Flensburg entstanden dem Nebenkläger Kosten in Höhe von 734,84 Euro. Die durch den Überfall erlittenen Schnittwunden sind hausärztlich, ambulant am 11.4., 15.4. und 18.419 versorgt worden, wodurch dem Nebenkläger Kosten in Höhe von insgesamt 91,99 Euro entstanden. Im Rahmen der ambulanten chirurgischen Versorgung der Ellenbogenverletzung am 23.4., 15.5., 27.5. und 12.6.19 entstanden ihm Kosten in Höhe von 177,73 Euro. Die Kosten für Physiotherapie aufgrund der erlittenen Ellenbogenfraktur in der Zeit vom 24.4. bis 5.6.19 beliefen sich auf 235 Euro. Weitere Behandlungen in der Zeit vom 7.6. bis 2.8.19 wurden ihm mit weiteren 235 Euro in Rechnung gestellt, von denen er aber aufgrund des Erreichens der Selbstbeteiligungsgrenze von 3.000 Euro lediglich 109,44 Euro selbst zahlen musste.
d. Der Nebenkläger kann Zinsen hinsichtlich des Antrags zu 3 in der geltend gemachten Höhe seit dem 19.12.2019 verlangen, §§ 404 Abs. 2 StPO, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 analog BGB.
e. Da die Kammer durch Grundurteil entschieden hat, bleibt die Entscheidung über die Kosten dem Schlussurteil vorbehalten.
VIII.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Angeklagten K auf §§ 465, 472 StPO; hinsichtlich des Angeklagten B auf § 465 StPO.
Die Kammer hat dem Angeklagten H seine eigenen notwendigen Auslagen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gemäß §§ 74, 109 Abs. 2 JGG auferlegt (BGH NStZ-RR 2006, 224). Des Weiteren hat die Kammer es unter Nutzung ihres Ermessens für angemessen erachtet, dem Angeklagten H die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen (§§ 74 JGG, 472 StPO).