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Abgrenzung Diebstahl/Betrug  bei Selbstbedienungskassen

LG Kaiserslautern – Az.: 5 Qs 68/21 – Beschluss vom 26.08.2021

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 28.07.2021 wird dieser aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht – Strafrichter – zurückverwiesen.

2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Mit Antrag vom 22.07.2021 hat die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern gegen die Angeschuldigte den Erlass eines Strafbefehls beantragt.

Abgrenzung Diebstahl/Betrug  bei Selbstbedienungskassen
(Symbolfoto: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

Insoweit wirft sie der Angeschuldigten vor, sie solle sich am 16.03.2021 gegen 13.32 Uhr in den Geschäftsräumen eines Discounters in Kaiserslautern, aufgehalten haben. Dort soll sie Waren im Wert von 57,32 Euro entwendet haben, indem sie die Ware in den Einkaufswagen geladen und den Einkaufsbereich passiert haben soll, ohne die Ware zu scannen. Entsprechend vorgefasster Absicht habe die Ware nicht bezahlt werden sollen. Bevor sie mit dem Diebesgut das Geschäft verlassen konnte, soll sie von dem Ladendetektiv gestellt worden sein.

Die Staatsanwaltschaft geht von einer Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls gem. § 242 Abs. 1, Abs. 2, § 23 StGB aus und hat dafür eine Geldstrafe von 50 Tagessätze zu jeweils 10,00 Euro beantragt.

Mit Beschluss vom 28.07.2021, der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern zugestellt am 29.07.2021, hat das Amtsgericht Kaiserslautern den Erlass des Strafbefehls abgelehnt und ausgeführt, es handele sich um einen Betrug, nicht um Diebstahl.

Gegen den Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern mit sofortige Beschwerde vom 29.07.2021, eingegangen beim Amtsgericht am 30.07.2021 und trägt vor, entgegen der Auffassung des Gerichts handele es sich nicht um einen Betrug, da es sowohl an einer Täuschungshandlung, einem Getäuschten, einem Irrtum sowie einer Vermögensverfügung fehle.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern hat in der Sache auch Erfolg.

Nach den bisherigen Ermittlungen besteht gegen die Angeschuldigte ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich der Begehung eines versuchten Diebstahls. Der dem Strafbefehl zu Grunde liegende Sachverhalt ist nach zutreffender Auffassung der Staatsanwaltschaft rechtlich als versuchter Diebstahl zu werten, sodass die Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Strafbefehls vorlagen und der Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 28.07.2021 auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin aufzuheben war.

Ein hinreichender Tatverdacht betreffend eine versuchte Wegnahme liegt vor, da die Angeschuldigte ohne dass der frühere Gewahrsamsinhaber – der Geschäftsinhaber bzw. Geschäftsführer – hierzu sein Einverständnis erklärt hätte, ohne die Ware vollständig zu scannen, den Supermarkt verlassen wollte. Zwar ist davon auszugehen, dass mit dem Aufstellen von Selbstbedienungskassen durchaus ein generelles Einverständnis in einen Gewahrsamsübergang erklärt werden soll, weil – nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Einsparung von Personalkosten – gerade kein Kassenpersonal zur Verfügung steht, das den einzelnen Kauf- bzw. Zahlvorgang abwickeln soll; die in dem Kassenbereich anwesenden Mitarbeiter dienen allein der Unterstützung bei etwaigen technischen Schwierigkeiten. Jedoch ist unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und hier namentlich der berechtigten Geschäftsinteressen des Verkäufers zu unterstellen, dass dieser sein Einverständnis nur unter der Bedingung erteilt, dass die Selbstbedienungskasse ordnungsgemäß bedient wird. Hierzu gehört unzweifelhaft das korrekte Einscannen und Bezahlen der tatsächlich zur Selbstbedienungskasse mitgebrachten Ware. Da die Angeschuldigte einen Teil der Waren überhaupt nicht eingescannt hatte, sind die Bedingungen für ein Einverständnis in den Gewahrsamswechsel nicht gegeben (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2013 − III-5 RVs 56/13, NStZ 2014, 275 m. zust. Anm. Fahl; OLG Rostock, Beschl. v. 06.02.2019 – 20 RR 90/18, juris Rn. 45; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 36a; MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl., § 242 Rn. 93; BeckOK StGB/Wittig, 50. Ed., § 242 Rn. 22.2). Da die Angeschuldigte zwar die Kassenzone verlassen hatte, jedoch vor Verlassens des Supermarktes von dem Zeugen R. aufgehalten wurde und sich die Gegenstände auch weiterhin im Einkaufswagen befanden, hatte die Angeschuldigte noch keinen neuen Gewahrsam begründet, sodass richtigerweise von einem Versuch auszugehen war.

Eine Täuschungshandlung (durch Unterlassen) ist bereits mangels Getäuschtem – wie von der Staatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt – nicht ersichtlich. Aber auch eine Tathandlung nach § 263a StGB ist vorliegend nicht ersichtlich (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2013 − III-5 RVs 56/13, NStZ 2014, 275; OLG Rostock, Beschl. v. 06.02.2019 – 20 RR 90/18, juris).

2. Die Sache war an das Amtsgericht zurückzuverweisen, das die Wahl hat den Strafbefehl zu erlassen oder gemäß § 408 Abs. 3 S. 2 StPO zu verfahren, da das Landgericht keine Strafbefehle erlassen kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 408 Rn. 9; BeckOK StPO/Temming, 39. Ed., § 408 Rn. 81). Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass gemäß § 408 Abs. 3 S. 2 StPO bei einer beabsichtigten Abweichung des Richters von dem Strafbefehlsantrag in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich, sofern eine Einigung mit der Staatsanwaltschaft nicht zu erreichen ist, gemäß § 408 Abs. 3 S. 2 StPO Termin zur Hauptverhandlung zu bestimmen ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 408 Rn. 13).

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.

 

 

 

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