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Abgrenzung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung

Körperverletzung oder Fahrlässigkeit? Justizstreit um Brot-Attacke vor Berliner Supermarkt

Das Kammergericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 16.06.2015 (Az.: (2) 121 Ss 73/15 (33/15)) entschieden, dass das vorherige Urteil des Landgerichts Berlin, welches den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt hatte, aufgehoben wird. Diese Entscheidung basiert auf der Feststellung, dass die Beweiswürdigung zum bedingten Vorsatz der Körperverletzung nicht haltbar ist, und weist darauf hin, dass möglicherweise nur eine fahrlässige Begehungsweise vorliegt. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, wobei die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen und die Feststellungen zu einem anderen Vergehen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, unberührt bleiben.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: (2) 121 Ss 73/15 (33/15) >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Kammergericht Berlin hat das Urteil des Landgerichts Berlin aufgehoben, das den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt hatte.
  • Die Aufhebung betrifft den Teil der Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie den Gesamtstrafenausspruch.
  • Grund für die Aufhebung ist die nicht haltbare Beweiswürdigung zum bedingten Vorsatz der Körperverletzung durch das Landgericht.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Möglichkeit, dass die Handlung des Angeklagten nur fahrlässig gewesen sein könnte.
  • Die Sache wurde für eine neue Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  • Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen und zu anderen Vergehen bleiben von der Aufhebung unberührt.
  • Die Revision des Angeklagten hatte teilweise Erfolg; im Übrigen wurde sie verworfen.
  • Die Entscheidung betont die Bedeutung einer sorgfältigen Beweiswürdigung und Untersuchung des bedingten Vorsatzes.

Körperverletzung: Vorsatz oder Fahrlässigkeit?

Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit sind keine Seltenheit. Ob jemand einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Körperverletzung schuldig ist, hat erhebliche Auswirkungen auf die Strafverfolgung und das Strafmaß. Bei vorsätzlicher Körperverletzung besteht Vorsatz, die Tat zu begehen. Bei fahrlässiger Körperverletzung erfolgt die Handlung unbeabsichtigt und unvorsichtig.

Die Abgrenzung ist oft komplex und stark vom Einzelfall abhängig. Entscheidend sind die subjektiven Umstände und die Gesamtschau des Geschehens. Eine sorgfältige Beweiswürdigung durch die Gerichte ist essentiell, um Klarheit über die tatsächliche Handlungsweise des Täters zu erlangen.

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Grenzen zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung

In der ruhigen Abenddämmerung des 4. Juni 2013 nahm ein Ereignis vor einem Netto-Supermarkt in Berlin eine unerwartete Wendung, die schließlich die Aufmerksamkeit der Justiz auf sich zog. Der Kern des Vorfalls bildete eine Auseinandersetzung, die in einer Anklage wegen vorsätzlicher Körperverletzung mündete. Der beschuldigte Mann, in diesem Zusammenhang erheblich alkoholisiert, befand sich zusammen mit zwei Zeugen vor dem Supermarkt, als eine scheinbar geringfügige Interaktion eskalierte.

Ein ungewöhnlicher Streit eskaliert

Die Situation entzündete sich, als der spätere Geschädigte, Zeuge S., einem bettelnden Mann vor dem Supermarkt Essen anstatt Geld anbot und ihm ein Schnittbrot kaufte. Dieser Akt der Güte löste jedoch die Wut des Angeklagten aus, der in einer aggressiven Laune den Bettler anbrüllte und forderte, er solle Bier besorgen anstatt Brot anzunehmen. In der hitzigen Auseinandersetzung griff der Angeklagte nach dem Brot und drückte es dem Geschädigten so fest in die Hände, dass dessen Fingernagel beschädigt wurde und das Nagelbett zu bluten begann. Diese Handlung, kombiniert mit dem anschließenden Widerstand gegen die herbeigerufenen Polizeibeamten, führte zur Verhaftung des Angeklagten und einer späteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten durch das Amtsgericht Tiergarten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Der Weg durch die Instanzen

Nachdem das Landgericht Berlin die Berufung des Angeklagten verworfen hatte, fand der Fall seinen Weg in die höheren Ebenen der deutschen Justiz. Der Angeklagte legte Revision ein, welche teilweise Erfolg hatte. Das Kammergericht Berlin hob das Urteil des Landgerichts auf, insbesondere den Teil der Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung und im Gesamtstrafenausspruch. Der zentrale Punkt der rechtlichen Auseinandersetzung drehte sich um die Frage, ob die Handlung des Angeklagten tatsächlich als vorsätzliche Körperverletzung zu werten sei oder ob lediglich eine fahrlässige Körperverletzung vorlag.

Juristische Feinheiten entscheiden

Die juristische Herausforderung in diesem Fall lag in der Abgrenzung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung. Der bedingte Vorsatz, eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer vorsätzlichen Körperverletzung, erfordert, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als mögliche Folge seines Handelns erkennt und ihn billigend in Kauf nimmt. Das Gericht stellte fest, dass die Beweiswürdigung zum bedingten Vorsatz der Körperverletzung durch das Landgericht der rechtlichen Nachprüfung nicht standhielt. Insbesondere wurde nicht ausreichend in Betracht gezogen, ob der Angeklagte bei der Aushändigung des Brotes an den Geschädigten die Möglichkeit der Verletzung überhaupt erkannt hatte.

Rückverweisung zur erneuten Prüfung

Aufgrund dieser Feststellung wurde das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen juristischen Prüfung und der differenzierten Betrachtung der subjektiven Tatseite bei der Unterscheidung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln.

Insgesamt lässt sich sagen, dass der Fall ein bemerkenswertes Beispiel für die Komplexität juristischer Bewertungen in Strafsachen bietet und die Notwendigkeit einer genauen Betrachtung der subjektiven Tatbestandsmerkmale unterstreicht, um zu einer gerechten Entscheidung zu gelangen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was unterscheidet vorsätzliche von fahrlässiger Körperverletzung?

Vorsätzliche und fahrlässige Körperverletzung unterscheiden sich im deutschen Strafrecht hauptsächlich durch die innere Einstellung des Täters zur Tat. Bei der vorsätzlichen Körperverletzung handelt der Täter mit Wissen und Wollen, das heißt, er ist sich der Tat und deren möglichen Konsequenzen bewusst und will diese auch herbeiführen. Es gibt verschiedene Grade des Vorsatzes, wie Absicht, direkter Vorsatz und bedingter Vorsatz (Eventualvorsatz).

Fahrlässige Körperverletzung hingegen liegt vor, wenn der Täter aus Unvorsichtigkeit handelt und dabei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Der Täter will das Delikt nicht verüben, bedenkt aber nicht die Folgen seiner Tat, weil er nicht die notwendige Sorgfalt anwendet, zu der er verpflichtet wäre.

Die rechtlichen Konsequenzen für vorsätzliche Körperverletzung sind in der Regel schwerwiegender als für fahrlässige Körperverletzung. So wird vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet, während fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird.

Im Strafprozess ist die Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit oft eine Herausforderung, da das Gericht versuchen muss, die Gedankenlage des Angeklagten zum Tatzeitpunkt zu rekonstruieren. Hierbei ist die Aussage des Beschuldigten von besonderer Bedeutung.

Wie wird der bedingte Vorsatz bei Körperverletzung juristisch bewertet?

Der bedingte Vorsatz, auch Eventualvorsatz genannt, wird im deutschen Strafrecht als eine Form des Vorsatzes angesehen, bei der der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt. Juristisch wird der bedingte Vorsatz im Rahmen des subjektiven Tatbestandes bewertet. Der Täter muss also mit Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung handeln, wobei bereits der dolus eventualis ausreicht.

Bei der juristischen Bewertung des bedingten Vorsatzes bei Körperverletzung ist entscheidend, dass der Täter die mögliche Körperverletzung als Folge seines Handelns erkennt und diese Folge auch akzeptiert, selbst wenn sie nicht sein primäres Ziel ist. Er muss nicht notwendigerweise den Erfolg herbeiführen wollen, es reicht aus, wenn er ihn als Nebenfolge seines Handelns hinnimmt.

Die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ist oft schwierig und hängt stark vom Einzelfall ab. Bei bewusster Fahrlässigkeit erkennt der Täter ebenfalls die Gefahr, hofft aber darauf, dass der schädigende Erfolg nicht eintritt. Im Gegensatz dazu nimmt der Täter beim bedingten Vorsatz den Erfolg als mögliche Konsequenz seines Handelns hin.

In der Praxis muss das Gericht daher genau prüfen, ob der Täter den Eintritt des Erfolges (hier die Körperverletzung) als möglich erachtet und ob er diesen billigend in Kauf genommen hat. Dies erfordert eine sorgfältige Bewertung der Beweislage und der Umstände des Einzelfalls.

Inwiefern spielt der Alkoholeinfluss eine Rolle bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit?

Alkoholeinfluss kann bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit im deutschen Strafrecht eine wesentliche Rolle spielen. Die Schuldfähigkeit ist eine Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe und bezieht sich darauf, ob eine Person zur Zeit der Tatbegehung in der Lage war, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,0 Promille oder mehr wird in der Regel von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen, was nach § 21 StGB zu einer Strafmilderung führen kann. Dies bedeutet, dass der Täter zwar noch schuldfähig ist, aber seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich beeinträchtigt war.

Ab einem BAK-Wert von 3,0 Promille kann Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB angenommen werden, da hier von einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung ausgegangen wird. Bei Tötungsdelikten wird die Grenze für Schuldunfähigkeit sogar erst ab 3,3 Promille angenommen. Ist ein Täter schuldunfähig, kann er für die eigentliche Tat nicht bestraft werden. Allerdings kann er nach § 323a StGB wegen Vollrauschs belangt werden, wenn er sich vorsätzlich in diesen Zustand versetzt hat und in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begangen hat.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Promille-Grenzen lediglich Richtwerte darstellen und die tatsächliche Beurteilung der Schuldfähigkeit immer von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Dazu gehören Faktoren wie die Alkoholgewöhnung des Täters, seine körperliche Verfassung, sein Verhalten während der Tat und die Schwere des Delikts. Ein Sachverständigengutachten wird in der Regel herangezogen, um die Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt festzustellen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 223 StGB (Körperverletzung): Erklärt die Tatbestände einer körperlichen Misshandlung oder Gesundheitsschädigung. Dies ist zentral, da der Fall um die Verletzung eines Individuums kreist und die Unterscheidung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung essentiell ist.
  • § 15 StGB (Vorsatz und Fahrlässigkeit): Wichtig für die Abgrenzung, ob der Täter die Körperverletzung mit Wissen und Wollen (vorsätzlich) oder aus Unachtsamkeit (fahrlässig) begangen hat. Dieser Paragraph bildet die Grundlage für die Beurteilung der Intention des Täters im besprochenen Urteil.
  • § 244 Abs. 2 StPO (Aufklärungspflicht): Beschreibt die Pflicht des Gerichts, den Sachverhalt vollständig aufzuklären. Die Rüge des Angeklagten, das Gericht habe dieser Pflicht nicht genügt, macht diesen Paragraphen relevant für den Fall.
  • § 349 StPO (Revisionsrecht): Regelt die Bedingungen und Wirkungen einer Revision gegen Urteile. Da das Urteil des Landgerichts Berlin teilweise aufgrund der Revision aufgehoben wurde, ist dieser Paragraph besonders relevant.
  • § 73 StPO (Sachverständigenbeweis): Erläutert die Einholung von Sachverständigengutachten im Prozess. Die Diskussion über die Notwendigkeit eines Gutachtens zur Feststellung der Schuldunfähigkeit aufgrund von Alkoholeinfluss macht diesen Paragraphen relevant.
  • Alkoholeinfluss auf die Schuldfähigkeit: Während kein spezifischer Paragraph genannt wird, ist die Beurteilung der Schuldfähigkeit unter Alkoholeinfluss (typischerweise §§ 20, 21 StGB bezüglich Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen) entscheidend, um zu verstehen, wie Alkoholkonsum die Verantwortlichkeit des Täters beeinflusst.


Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: (2) 121 Ss 73/15 (33/15) – Beschluss vom 16.06.2015

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 2015 mit den zugehörigen Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden ist sowie im Gesamtstrafenausspruch. Von der Aufhebung ausgenommen sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten am 27. März 2014 wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin mit dem angefochtenen Urteil verworfen.

Dem landgerichtlichen Urteil liegen folgende tatsächliche Feststellungen zu Grunde:

„Am 4. Juni 2013 gegen 21.40 Uhr hielten sich der erheblich alkoholisierte Angeklagte, der Zeuge N. und der Zeuge T. vor dem Netto-Supermarkt … auf. Der Angeklagte und der Zeuge N. saßen auf einer Bank in der Nähe der Einkaufswagen, der Zeuge T. bettelte vor dem Eingang des Geschäftes. Der Angeklagte und der Zeuge N. tranken Bier und Wein, dessen Herkunft und Menge nicht näher geklärt werden konnten. Der Zeuge T. sprach den später Geschädigten S. an und bat um Geld. Beide unterhielten sich und betraten den Supermarkt, nachdem der Zeuge S. bedeutet hatte, dass er gewillt sei, ihm etwas zu Essen zu kaufen, jedoch nicht bereit sei, ihm Geld zu geben. Er kaufte dem Zeugen T. ein Schnittbrot und händigte ihm dieses nach dem Verlassen des Geschäftes aus. Er verwickelte den Zeugen T. weiter in ein Gespräch über dessen aktuelle Lebenssituation. Der Angeklagte, der beide beobachtet hatte und sich in aggressiver Stimmung befand, schrie den Zeugen T. an,,,was der Scheiß mit dem Brot solle, er solle Bier besorgen“. Dann ging der Angeklagte zu ihm hin, nahm ihm das Brot ab und drückte es dem Zeugen S. so heftig in die – in Abwehrhaltung ausgestreckten – Hände, dass diese verdreht wurden und der Fingernagel des rechten Mittelfingers umgeknickt wurde, wodurch das Nagelbett blutete. Der Zeuge S. setzte sich räumlich ab und rief über sein Mobiltelefon die Polizei, die nach ca. 30 Minuten eintraf. Der Angeklagte und seine Begleiter waren gerade im Begriff, den Bereich zu verlassen.

Die Polizeibeamten G. und K. sprachen mit dem Anrufer S. und ließen sich das Geschehen beschreiben, wobei sie sich auch die verletzte Hand ansahen und die Verletzungsfolge fotografisch sicherten. Sodann sprachen sie den Angeklagten, der ihnen von dem Zeugen S. als Täter bezeichnet worden war, an, machten ihm den Tatvorwurf und belehrten ihn. Der Angeklagte verweigerte unter Hinweis auf seine Unschuld die Preisgabe seiner Personalien, was die Polizeibeamten veranlasste, ihn zu bitten, sie zum Polizeifahrzeug zu begleiten, um auf dem Abschnitt 36 seine Identität zu überprüfen. Dies lehnte der Angeklagte unter Hinweis auf seine Unschuld ab und wollte sich entfernen, nachdem er seinerseits den Zeugen S. der falschen Verdächtigung bezichtigt hatte. Als die Polizeibeamten … daraufhin den Angeklagten ergriffen, versuchte sich dieser den Griffen zu entwinden, drehte seinen Körper hin und her und schlug um sich. Auf dem Weg zum Polizeifahrzeug stemmte er sich zudem gegen die Laufrichtung, versteifte seinen Körper und versuchte das Anlegen der Handfesseln durch Armbewegungen zu vereiteln. Erst mit erheblichem Kraftaufwand gelang es den Polizeibeamten, den Angeklagten in den Einsatzwagen zu verbringen und der zwischenzeitlich aufgrund des Alkoholgeruchs in der Atemluft und des torkelnden Ganges für erforderlich gehaltenen und richterlich genehmigten Blutentnahme zuzuführen.

Die dem Angeklagten am Tattag um 23.25 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen Mittelwert von 1,19 Promille Ethanol im Vollblut. Der ärztliche Bericht wies eine ‚deutliche‘ alkoholische Beeinflussung aus. Der Untersuchungsbefund ergab einen unsicheren Gang, die plötzliche Kehrtwendung nach vorherigem Gehen, die Finger-Finger-Probe, die Nasen-Finger-Probe und der Romberg waren ebenfalls unsicher, die Sprache deutlich, das Bewusstsein klar, die Orientierung unvollständig, eine Erinnerung an den Vorfall bestand teilweise, das Urteilsvermögen war kritikschwach, der Denkablauf sprunghaft, das Verhalten distanzlos und die Stimmung depressiv.“

Mit seiner rechtzeitig eingelegten (§ 341 Abs. 1 StPO) und form- und fristgerecht begründeten (§§ 344, 345 StPO) Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang (vorläufigen) Erfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs.2 StPO.

1. Mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts rügt der Beschwerdeführer, die Kammer habe ihre Aufklärungspflicht verletzt (§ 244 Abs. 2 StPO), indem sie es versäumt habe, entsprechend seinen Anträgen durch Einholung von Sachverständigengutachten von Amts wegen den Fragen nachzugehen, ob ein Schnittbrot die festgestellte Verletzung habe herbeiführen können und ob der Angeklagte wegen starker Alkoholisierung, Stimmungsschwankungen und Angstzuständen zur Tatzeit schuldfähig war.

Es kann offen bleiben, ob der Beschwerdeführer mit seinen Verfahrensrügen eine Verletzung des Abs. 2 oder aber Abs. 3 des § 244 StPO geltend machen will. Denn das Vorbringen hat unter keinen dieser Gesichtspunkte Erfolg.

a) Eine Beweisantragsrüge wäre schon deshalb unbegründet, weil das Landgericht die gestellten Anträge zu Recht als bloße Beweisermittlungsanträge gewertet hat. Den Anträgen können keine hinreichend bestimmten Beweisbehauptungen entnommen werden.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, ein Sachverständigengutachten hätte ergeben, dass es „nicht möglich ist, mit einem Laib Brot, geschnitten, eine von dem Zeugen S. behauptete Verletzung, ein Einreißen des Fingernagels herbeizuführen“, fehlt es bereits an einer dieses Beweisziel belegenden konkreten Beweistatsache. Der Beweisantrag beschreibt schon keinen hinreichend bestimmten Lebenssachverhalt, der tauglicher Ausgangspunkt für ein sachverständiges Tätigwerden hätte sein können. Vielmehr erschöpft sich das Vorbringen in der Angabe des Beweisziels, die Verletzung des Fingernagels könne nicht durch den Einsatz des Schnittbrots verursacht worden sein. Angesichts dessen kann offen bleiben, ob in dem Beweisantrag zudem die Fachrichtung des Sachverständigen hätte angegeben werden müssen. Grundsätzlich ist dies mit Blick auf § 73 Abs. 1 Satz 1 StPO und den Umstand zwar verzichtbar, da sich zumeist aus der Beweisbehauptung selbst eindeutig ergibt, welches spezifisches Fachwissen erforderlich erscheint (vgl. Senge in KK-StPO, 7. Aufl. § 73 Rdn. 3; Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 73 Rdn. 1; Krause in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 73 Rdn. 1; a.A. offenbar BayObLG, Beschluss vom 30. April 1999 – 5 StRR 77/99 – [juris]). Etwas anderes kann aber gelten, wenn dies – wie vorliegend – zweifelhaft ist. Weitergehende Angaben des Antragstellers dazu erscheinen wegen § 244 Abs. 4 Satz 1 und vor allem Satz 2 („eines weiteren Sachverständigen“) StPO zumindest sinnvoll (so auch Krehl in KK-StPO § 244 Rdn. 80).

Auch soweit der Beschwerdeführer die unterlassene Einholung eines (weiteren) Gutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten rügt und vorträgt, ein psychologisches oder psychiatrisches Sachverständigengutachten hätte ergeben, dass der zum Tatzeitpunkt „stark alkoholisierte“ Angeklagte „aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe aus Furcht vor einer Verurteilung und Inhaftierung in für ihn nicht berechenbare Angstzustände geriet“ und der Angeklagte daher bei der Tat ohne Schuld handelte, werden konkrete Tatsachen, an die die gutachterliche Bewertung anknüpfen könnte, nicht vorgetragen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 – 3 StR 365/11 – [juris]).

b) Die Erhebung einer zulässigen Aufklärungsrüge setzt unter anderem voraus, dass die Revision bestimmte Tatsachen, deren Aufklärung das Gericht unterlassen hat, und die Beweismittel, deren sich der Tatrichter hätte bedienen sollen, benennt. Ferner bedarf es der Darlegung, welche Umstände das Gericht zu der vermissten Beweiserhebung hätten drängen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2011 – 3 StR 337/10 – [juris] = NStZ 2011, 471 – 472; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl., § 244 Rdn. 81 mit weit. Nachweisen).

Dem wird der vorliegende Vortrag nicht gerecht. Hinsichtlich des das „Tatwerkzeug Schnittbrot“ betreffenden Rügevorbringens fehlt es an einem hinreichend konkreten Sachvortrag, der erst Grundlage für sachverständige Äußerungen hätte sein können (s.o.).

Das weitere – die Schuldfähigkeit anzweifelnde – Vorbringen genügt ebenfalls nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Es fehlt schon an der Angabe, welche einzelnen Zeugen über zudem nicht im Einzelnen beschriebene Stimmungsschwankungen berichtet haben sollen.

2. Die Revision hat jedoch mit der Sachrüge teilweise Erfolg. Die Beweiswürdigung zum bedingten Vorsatz der Körperverletzung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Täter einer Körperverletzung handelt bedingt vorsätzlich, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als mögliche Folge seines Handels erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein (BGH, Urteil vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13 – [juris] mit weit. Nachweisen).

Vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes muss sich der Tatrichter – wie vom Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale auch – auf der Grundlage einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände überzeugen (§ 261 StPO). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 27. August 2013 a.a.O.). Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14 – [juris]; vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10 – [juris] = NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 – [juris]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12 – [juris]). Dazu gehört auch, dass der Tatrichter in seine Erwägungen auch diejenigen Umstände einbezieht, die seine Überzeugung vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes in Frage stellen können.

Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung zum bedingten Körperverletzungsvorsatz des Angeklagten nicht gerecht. Es fehlt die Auseinandersetzung mit der sich unter den gegebenen Umständen aufdrängenden Frage einer nur fahrlässigen Begehungsweise. Ausweislich der Urteilsgründe ist nicht in Erwägung gezogen worden, dass der Angeklagte bei Aushändigung des Brotes an den Zeugen S. die Möglichkeit der Verletzung verkannte. In den Feststellungen heißt es zum subjektiven Tatbestand ohne nähere Begründung, der Angeklagte habe die Verletzungsfolge billigend in Kauf genommen. Allein aus dem objektiven Geschehen konnte vorliegend aber noch nicht auf einen bedingten Verletzungsvorsatz des Angeklagten geschlossen werden. Nur bei äußerst gefährlichen Handlungen liegt es allein auf Grund des objektiven Tatgeschehens nahe, dass der Täter mit dem Verletzungserfolg rechnet und – weil er mit seinem Handel gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5 StR 300/92 – [juris]). Eine solchermaßen gefährliche Handlung fehlt jedoch vorliegend. Der Darstellungsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache im angegebenen Umfang.

Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen der Körperverletzung sind von dem Fehler in der Beweiswürdigung nicht betroffen. Diese wie auch die das Vergehen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und die persönlichen Verhältnisse betreffenden Feststellungen sowie die hinsichtlich der Widerstandshandlung festgesetzten Rechtsfolgen weisen keine Rechtsfehler auf und können bestehen bleiben (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl., § 353 Rdn. 12 und 15). Insoweit ist die Revision des Angeklagten unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.

An einer eigenen Sachentscheidung gemäß § 354 Abs. 1 StPO ist der Senat gehindert, da nicht auszuschließen ist, dass der neue Tatrichter trotz des Zeitablaufs weitere Feststellungen zur Schließung der aufgezeigten Lücke treffen kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl., § 354 Rdn. 3).

Der Senat verweist daher die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.

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